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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 09.05.2008
Aktenzeichen: 7 UF 282/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB §§ 1587 ff
Kann die Anwartschaft eines Ehegatten bei der Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden nicht verbindlich festgestellt werden, weil die Startgutschrift rentenferner Jahrgänge nach dem Urteil des BGH vom 14.11.2007 - IV ZR 74/06 - neu zu bestimmen ist, ist das Verfahren zum Versorgungsausgleich insoweit auszusetzen, als die Entscheidung auf der Höhe der Anwartschaft bei der Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden beruht.
7 UF 282/08

Nürnberg den 09.05.2008

In der Familiensache

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 7. Zivilsenat und Senat für Familiensachen, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Auf die Beschwerde der Bayerischen Versorgungskammer - Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden - wird die Entscheidung zum Versorgungsausgleich unter Nr. 2. im Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Hersbruck vom 7.2.2008 insoweit aufgehoben, als darin zu Lasten der Versorgung des Antragsgegners bei der Bayerischen Versorgungskammer - Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden - (Personalnr.: . . .) auf dem Versicherungskonto Nr. . . . der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund Rentenanwartschaften von monatlich 57,79 € begründet worden sind. Mit aufgehoben wird die Kostenentscheidung unter Nr. 3 des Urteils, soweit darin auch über die Kosten der Folgesache Versorgungsausgleich entschieden ist

II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache an das Amtsgericht - Familiengericht - Hersbruck zurückverwiesen.

III. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin und der Antragsgegner haben am 10.6.1977 geheiratet. Mit Schriftsatz vom 25.7.2007, dem Antragsgegner zugestellt am 17.8.2007, hat die Antragstellerin die Scheidung der Ehe beantragt.

In einem Scheidungsverbundurteil vom 7.2.2008 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Hersbruck

- die Ehe der Parteien geschieden und

- unter Nr. 2. des Urteils den Versorgungsausgleich zwischen den Parteien geregelt wie folgt:

Vom Versicherungskonto Nr. . . . von E. S. bei der Deutschen Rentenversicherung Bund werden auf das Versicherungskonto Nr. . . . von C. S. bei der Deutschen Rentenversicherung Bund Rentenanwartschaften von monatlich 185,89 €, bezogen auf den 31.7.2007, übertragen. Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Zu Lasten der Versorgung von E. S. bei der Bayerischen Versorgungskammer Zusatzversorgungskasse d. Bay. Gemeinden (Personalnr. . . .) werden auf dem Versicherungskonto Nr. . . . von C. S. bei der Deutschen Rentenversicherung Bund Rentenanwartschaften von monatlich 57,79 €, bezogen auf den 31.7.2007, begründet. Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Bei der Entscheidung zum Versorgungsausgleich ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass in der Ehezeit vom 1.6.1977 bis 31.7.2007 bei der Deutschen Rentenversicherung Bund

- der Antragsgegner Anwartschaften in der gesetzlichen Altersversorgung von 1.048,81 € und

- die Antragstellerin Anwartschaften in der gesetzlichen Altersversorgung von 677,04 €

erworben haben.

Auf Seiten des Antragsgegners ist zusätzlich ein Anrecht aus einer Zusatzversorgung bei der Bayerischen Versorgungskammer, Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden, berücksichtigt worden, dessen auf die Ehezeit entfallende monatliche Rente der Versorgungsträger in einer Auskunft vom 27.9.2007 mit 266,32 € mitgeteilt hat.

Dieses Anrecht hat das Amtsgericht gemäß § 1587 a Abs. 3, Abs. 4 BGB unter Ansatz u. a. eines aktuellen Rentenwertes von 49,51 € in eine dynamische monatliche Rente von 276,32 € umgerechnet.

Auf Seiten der Antragstellerin hat das Amtsgericht zusätzlich eine Versorgung bei der Volksfürsorge Versicherungsgruppe berücksichtigt, deren in der Ehezeit erworbenes Deckungskapital die Versicherung mit 17.864,90 € mitgeteilt hatte.

Diese Versorgung hat das Amtsgericht, ebenfalls unter Ansatz eines aktuellen Rentenwertes von 49,51 €, gemäß § 1587 a Abs. 3, Abs. 4 BGB in eine dynamische monatliche Rente von 150,73 € umgerechnet.

Gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich in dem ihr am 26.2.2008 zugestellten Urteil vom 7.2.2008 hat die Bayerische Versorgungskammer, Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden, mit einem am 5.3.2008 eingegangenen Schreiben vom 3.3.2008 Beschwerde eingelegt.

Mit dieser macht sie geltend, dass das Amtsgericht bei der Umrechnung der Zusatzversorgungen beider Parteien zu Unrecht von einem aktuellen Rentenwert in Höhe von 49,51 € ausgegangen sei. Richtigerweise hätte ein aktueller Rentenwert in Höhe von 26,27 € angesetzt werden müssen. Daraus würde sich ein in den Versorgungsausgleich einzubeziehender Wert der Zusatzversorgung des Antragsgegners bei der Beschwerdeführerin von 186,71 € monatlich ergeben.

Die Antragstellerin hat in einem Schriftsatz vom 19.3.2008 vorgetragen, dass der Beschwerde der Zusatzversorgungskasse stattzugeben sei und sie mit einer Entscheidung ohne vorherige mündliche Verhandlung einverstanden sei.

Mit Schriftsatz vom 27.3.2008 hat auch der Antragsgegner sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne vorherige mündliche Verhandlung erklärt und geäußert, dass nach Sach- und Rechtslage entschieden werden möge.

Unter dem 14.4.2008 hat der Senat den Parteien mitgeteilt, dass er im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.11.2007, Az. IV ZR 74/06, (vgl. dazu FamRZ 2008, 395 f.) beabsichtige, das Verfahren zum Versorgungsausgleich an das Amtsgericht Hersbruck zurückzuverweisen, damit dort die gebotene Teilaussetzung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich erfolgen könne.

Auf diesen Hinweis haben beide Parteien ihr Einverständnis mit dem beabsichtigten Vorgehen erklärt.

Die Bayerische Versorgungskammer hat einen weiteren Schriftsatz vom 30.4.2008 eingereicht, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.

II.

Die Beschwerde der Bayerischen Versorgungskammer, Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden, ist gemäß §§ 521 e Abs. 1, Abs. 3, 517, 519, 520 ZPO und § 20 FGG zulässig. In der Sache führt das Rechtsmittel zur teilweisen Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zum Versorgungsausgleich und zur Zurückverweisung der Sache insoweit an das Amtsgericht.

Die angefochtene Entscheidung zum Versorgungsausgleich im Endurteil des Amtsgerichts Hersbruck vom 7.2.2008 ist entsprechend dem Vorbringen in der Beschwerde der Bayerischen Versorgungskammer insoweit unrichtig, als darin bei der Dynamisierung der Versorgungen des Antragsgegners bei der Bayerischen Versorgungskammer und der Antragstellerin bei der Volksfürsorge ein falscher aktueller Rentenwert (49,51 € statt 26,27 €) verwendet worden ist. Auf der Grundlage der von den Versorgungsträgern mitgeteilten Ausgangswerte (Volksfürsorge ehezeitliches Deckungskapital 17.484,90 € und Bayerische Versorgungskammer Monatsrente 266,32 €) ergäben sich bei richtiger Berechnung in den Versorgungsausgleich einzubeziehende Anwartschaften der Antragstellerin bei der Volksfürsorge von 79,97 € und des Antragsgegners bei der Bayerischen Versorgungskammer von 186,71 €.

Das in der Auskunft der Bayerischen Versorgungskammer vom 27.9.2007 mitgeteilte auf die Ehezeit entfallende Anrecht des Antragsgegners von 266,32 € beruht ausweislich der Auskunft zu einem erheblichen Teil (263,60 €) auf einer Startgutschrift zum 1.1.2002. In einer Entscheidung vom 14.11.2007, Az. IV ZR 74/06, hat der Bundesgerichtshof die auf der Grundlage von § 18 Abs. 2 BetrAVG vorgenommene Berechnung solcher Startgutschriften als verfassungswidrig bewertet und eine verfassungskonforme Änderung der entsprechenden Regelung durch die Tarifvertragsparteien und eine entsprechende Regelung der Satzung der jeweiligen Versorgungsträger angemahnt (vgl. dazu auch FamRZ 2008, 395 ff.).

Da der am 20.7.1948 geborene Antragsgegner am 1.1.2002 das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, geht der Senat mit Borth, FamRZ 2008, 326, davon aus, dass es sich bei ihm noch um einen "rentenfernen Versicherten" handelt, dessen Startgutschrift von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.11.2007 betroffen ist. Soweit der Versorgungsausgleich von einer möglichen Änderung der Bewertung der Zusatzversorgung des Antragsgegners bei der Bayerischen Versorgungskammer betroffen ist, kann daher derzeit keine abschließende Entscheidung über den Versorgungsausgleich ergehen.

Von einer möglichen Änderung der Bewertung der Zusatzversorgung des Antragsgegners bei der Bayerischen Versorgungskammer betroffen ist der nach § 1 Abs. 3 VAHRG durchzuführende Ausgleich der beiderseitigen Zusatzversorgungen, der im angefochtenen Urteil unter 2. Abs. 2 erfolgt ist.

Insoweit hätte das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 53 c FGG (so Borth, FamRZ 2008, 326, 327) oder § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG (so OLG Stuttgart vom 28.12.2007, Az. 15 UF 240/07) solange ausgesetzt werden müssen, bis eine Neuregelung der im vorliegenden Fall einschlägigen Bestimmungen über das Startguthaben für rentenferne Jahrgänge vorliegt.

Da die gebotene (Teil-)Aussetzung des Verfahrens in der Folgesache Versorgungsausgleich nicht erfolgt ist, war die Entscheidung des Amtsgerichts insoweit aufzuheben, als darin zu Lasten der Versorgung des Antragsgegners bei der Bayerischen Versorgungskammer auf dem Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund Rentenanwartschaften von 57,59 € begründet worden sind. Mit aufzuheben war die Kostenentscheidung in Nr. 3 des Urteils, soweit darin über die Kosten des Versorgungsausgleichs entschieden wurde.

Im Umfang der Aufhebung war das Verfahren zur weiteren Behandlung der Folgesache Versorgungsausgleich, d. h. zunächst zur Aussetzung dieser Folgesache sowie zur späteren Wiederaufnahme und zur endgültigen Entscheidung über den Versorgungsausgleich, an das Amtsgericht - Familiengericht - Hersbruck zurückzuverweisen. Ein Antrag der Parteien ist dafür auch nach Auffassung des Senates nicht erforderlich, da § 621 e Abs. 3 ZPO nicht auf § 538 ZPO verweist, der ein solches Antragserfordernis vorsieht (dazu und zur Zurückverweisung im vorliegenden Fall insgesamt vgl. die oben angeführte Entscheidung des OLG Stuttgart vom 28.12.2007).

Nicht aufgehoben werden muss der erste Teil der Entscheidung des Amtsgerichts zum Versorgungsausgleich (Übertragung von Rentenanwartschaften in Höhe von 185,89 €), da dieser von der Bewertung der Versorgung des Antragsgegners bei der Bayerischen Versorgungskammer nicht berührt ist. Insoweit bleibt es damit bei der Entscheidung des Amtsgerichts im Urteil vom 7.2.2008 (zur Zulässigkeit einer Teilentscheidung und damit einer Teilaufhebung zum Versorgungsausgleich im vorliegenden Fall vgl. Borth, FamRZ 2008, 327).

Die Entscheidung, dass die Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben werden, beruht auf § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG. Eine weitergehende Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist nicht veranlasst; diese hat vielmehr mit der Endentscheidung über die Folgesache Versorgungsausgleich zu ergehen.

Die Entscheidung über den Streitwert für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 49 Nr. 3 GKG.

Die Voraussetzungen für eine Rechtsbeschwerde (vgl. §§ 621 e Abs. 2, 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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