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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 25.10.2007
Aktenzeichen: 7 WF 1336/07
Rechtsgebiete: RVG, ZPO


Vorschriften:

RVG § 55
RVG § 48
RVG § 46
ZPO § 121 Abs. 3
Wird ein auswärtiger Rechtsanwalt im Rahmen der Prozesskostenhilfe ohne ausdrückliche Beschränkung im Sinne des § 121 Abs. 3 ZPO beigeordnet, umfasst die nach § 55 RVG zu gewährende Vergütung grundsätzlich auch die zur Wahrnehmung von Terminen anfallenden Reisekosten des Rechtsanwaltes.
7 WF 1336/07

Nürnberg, den 25.10.2007

In der Familiensache

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 7. Zivilsenat und Senat für Familiensachen, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluss:

Tenor:

Die Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 24.9.2007 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Mit Schriftsatz vom 18.9.2006 hat Rechtsanwalt ... aus ... für die in ... wohnhafte Antragstellerin einen Antrag auf Regelung des Umgangs mit dem Kind ..., geb. am 12.4.2000, gestellt und zugleich Prozesskostenhilfe und seine Beiordnung als Bevollmächtigter beantragt.

Mit Beschluss vom 15.11.2006 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Nürnberg der Antragstellerin Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt ... aus Landsberg - ohne Einschränkungen - beigeordnet.

In den im Verlauf des Verfahrens durchgeführten Verhandlungsterminen vom 9.3. und 8.5.2007 ist die Antragstellerin jeweils durch Rechtsanwalt ... vertreten worden.

In der Verhandlung vom 8.5.2007 ist das Verfahren durch eine Vereinbarung zum Umgang beendet worden.

Mit Schriftsatz vom 23.5.2007 hat Rechtsanwalt ... die Festsetzung seiner Gebühren und Auslagen inclusive seinem Reisekosten im Zusammenhang mit den Terminen vom 9.3. und 8.5.2007 mit insgesamt 1.009,14 € geltend gemacht.

Mit Beschluss des zuständigen Kostenbeamten am Amtsgericht Nürnberg vom 11.6.2007 ist die Vergütung auf 810,99 € festgesetzt worden.

Die Berücksichtigung der Reisekosten ist unter Berufung auf 91 Abs. 2 ZPO abgelehnt worden, da nicht dargetan sei, dass die Beauftragung eines Rechtsanwaltes, dessen Kanzlei 230 km vom Gerichtsort entfernt ist, notwendig gewesen sei.

Auf die von Rechtsanwalt ... gegen diese Entscheidung eingelegte Erinnerung hat das Amtsgericht Nürnberg mit Beschluss vom 24.9.2007 den Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 11.6.2007 abgeändert, dem Antragstellervertreter die geltend gemachten Reisekosten zuerkannt und den an ihn zu zahlenden Betrag auf 967,49 € festgesetzt (beantragte 1.009,14 € - 35,- € Beratungskostenanteil + Mwst).

In seinem Beschluss, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen.

Gegen den ihm am 8.10.2007 zugestellten Beschluss hat der Bezirksrevisor beim Amtsgericht Nürnberg mit einem am 9.10.2007 eingegangenen Schreiben vom 8.10.2007 Beschwerde eingelegt.

Er beantragt, den Beschluss aufzuheben und die Vergütung, wie vom Kostenbeamten am 11.6.2007 festgesetzt, ohne Berücksichtigung von Reisekosten auf 810,99 € festzusetzen.

Auf die Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 9.10.2007 nicht abgeholfen.

II.

Die Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 24.9.2007 ist gemäss § 56 Abs. 2 RVG i.V. mit § 33 Abs. 3 RVG statthaft und auch ansonsten zulässig (§ 33 Abs. 3 Satz 3 RVG). Zwar wird der Wert des Beschwerdegegenstands von 200,- € nicht erreicht. Das Amtsgericht hat die sofortige Beschwerde jedoch zugelassen (§ 33 Abs. 3 Satz 2 RVG). Daran ist das Beschwerdegericht gebunden (§ 33 Abs. 4 Satz 4 RVG).

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil Rechtsanwalt ... gemäß § 48 RVG i.V. mit § 4 6 RVG einen Anspruch auch auf die geltend gemachten und ihm im angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts zugebilligten Reisekosten hat.

Der Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts bestimmt sich gemäß § 48 Abs. 1 RVG nach dem Beschluss, durch den die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Da im vorliegenden Fall der Prozesskostenhilfe bewilligende Beschluss vom 15.11.2006 eine das Mehrkostenverbot des § 121 Abs. 3 ZPO beachtende Beschränkung etwa in der Weise, dass die Beiordnung zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts erfolgt, nicht enthält, sind grundsätzlich auch die Reisekosten des beigeordneten auswärtigen Rechtsanwaltes festzusetzen (in diesem Sinne etwa auch OLG Celle vom 20.3.2007, Az. 23 W 31/07 m. w. N. sowie OLG Oldenburg, FamRZ 2004, 706).

Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Reisekosten - auf der Grundlage der erfolgten Beiordnung des auswärtigen Rechtsanwaltes - zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich wären (§ 46 Abs. 1 RVG). Davon, dass die Vertretung der Antragstellerin in den vom Amtsgericht anberaumten Terminen durch den ihr beigeordneten Rechtsanwalt nicht erforderlich war, kann aber nicht ausgegangen werden.

Mit dem OLG Celle (a.a.O.) ist der Senat der Auffassung, dass die unbeschränkte und nicht angefochtene Prozesskostenhilfeentscheidung vom 15.11.2006 - als Kostengrundentscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich bindend und einer Überprüfung entzogen ist und - weder aufgrund § 121 ZPO direkt noch aufgrund der Entscheidung des BGH vom 10.10.2006 (FamRZ 2007, 37) dahin ausgelegt werden kann, dass er - entgegen seinem Wortlaut - eine Einschränkung dahingehend enthält, dass die Beiordnung des Rechtsanwalts zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts erfolgt ist und Reisekosten des beigeordneten auswärtigen Rechtsanwalts deshalb nicht erstattet werden.

Soweit die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts München, zuletzt in einer Entscheidung vom 12.6.2007, Az. 10 Ta 229/05, von einer entsprechenden Auslegung der Prozesskostenhilfebewilligung auch ohne eine ausdrückliche Einschränkung ausgeht, folgt dem der Senat nicht.

Wie das OLG Celle (a.a.O.) und etwa auch das OLG Oldenburg (a.a.O.) ist der Senat der Auffassung, dass insbesondere auch der Gedanke des Vertrauensschutzes ein Festhalten an dem Grundsatz, dass der Umfang des Vergütungsanspruchs vom (ausdrücklichen) Inhalt des Prozesskostenhilfebeschlusses bestimmt wird, gebietet. Bei der vom Landesarbeitsgericht München vertretenen Auffassung wäre auch der Grundsatz der Klarheit von Kostenentscheidungen nicht mehr gewahrt. Zutreffend weist das OLG Celle in der angegebenen Entscheidung auch darauf hin, dass die von ihm und auch vom Senat vertretene Auffassung auch den Vorzug hat, nicht an der Bindungswirkung der Kostengrundentscheidung für das Festsetzungsverfahren zu rühren, und damit das Festsetzungsverfahren systemkonform von Überprüfungen hinsichtlich der Richtigkeit von Kostengrundentscheidungen freizuhalten.

Wenn der Bezirksrevisor beim Amtsgericht Nürnberg in seiner Beschwerdebegründung vom 8.10.2007 die Festsetzung der Reisekosten deshalb für unzulässig hält, weil im Rahmen der Kostenfestsetzung gemäß § 48 Abs. 1 RVG eine Bindung an den zugrunde liegenden Beschluss bestehe und es im vorliegenden Fall an einem solchen für die Reisekosten fehle, dann ist die Argumentation so nicht nachvollziehbar. Denn die Beiordnung des Bevollmächtigten der Antragstellerin ist im Prozesskostenhilfebeschluss vom 15.11.2006 gerade ohne Einschränkungen erfolgt.

Schließlich verhilft auch das - nicht weiter ausgeführte - Argument, dass die Erfassung der Reisekosten bei einschränkungsloser Beiordnung nicht mit § 46 Abs. 2 RVG zu vereinbaren seien, der Beschwerde des Bezirksrevisors nicht zum Erfolg.

Nach § 46 Abs. 2 Satz 1 RVG ist eine auf Antrag des Rechtsanwalts erfolgte ausdrückliche Feststellung des Gerichtes, dass eine Reise erforderlich ist, für das Festsetzungsverfahren bindend. Aus dieser Vorschrift kann nicht entnommen werden, dass nur solche Reisekosten erstattungsfähig sind, deren Erforderlichkeit nach § 46 Abs. 2 Satz 1 RVG festgestellt ist.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da das Beschwerdeverfahren gebührenfrei und Kosten nicht erstattet werden (vgl. § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG).

Ende der Entscheidung

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