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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 07.12.2007
Aktenzeichen: 7 WF 1494/07
Rechtsgebiete: ZPO, RVG


Vorschriften:

ZPO § 122 Abs. 1 Nr. 2 b
ZPO § 126 Abs. 1
RVG § 59
Der Geltendmachung des gemäß § 59 Abs. 1 RVG auf die Staatskasse übergegangenen Anspruchs des einer Partei beigeordneten Rechtsanwaltes aus § 126 Abs. 1 ZPO gegen die erstattungspflichtige Gegenpartei steht nicht entgegen, dass (auch) der von diesem Rechtsanwalt vertretenen Partei Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnungen bewilligt worden ist.
7 WF 1494/07

Nürnberg, den 7.12.2007

In der Familiensache

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 7. Zivilsenat und Senat für Familiensachen, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürnberg vom 19.9.2007 wird zurückgewiesen.

II. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 690,20 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger ist der leibliche Vater des Beklagten.

Zwischen den Parteien war ein - zwischenzeitlich abgeschlossener - Rechtsstreit anhängig, in dem der Kläger die Abänderung eines Titels auf Zahlung von Kindesunterhalt begehrte.

In diesem Verfahren ist zunächst mit Beschluss vom 18.7.2006 dem Kläger Prozesskostenhilfe - ohne Zahlungsanordnungen - bewilligt und Rechtsanwalt ... aus ... zu den Bedingungen eines bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwaltes beigeordnet worden.

Mit Beschluss vom 26.10.2006 hat das Amtsgericht auch dem Beklagten für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und ihm Rechtsanwalt ... beigeordnet.

Das Verfahren erster Instanz ist durch ein Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürnberg vom 30.11.2006 beendet worden, in dem ein bisher vorhandener Titel auf Zahlung von Kindesunterhalt für die Zeit ab 19.10.2004 dahin abgeändert worden ist, dass der Beklagte keinen Unterhalt mehr schuldet, und in dem weiter angeordnet ist, dass der Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Mit Beschluss vom 15.11.2006 hatte das Amtsgericht den Streitwert für das Verfahren auf 6.891,-- € festgesetzt.

Mit Schreiben vom 22.2.2006 hat Rechtsanwalt beim Amtsgericht Nürnberg die Festsetzung seiner Vergütung als beigeordneter Rechtsanwalt in Höhe von 690,20 € beantragt. Am 9.1.2007 wurde die Auszahlung des beantragten Betrages an Rechtsanwalt ... durch die Staatskasse angeordnet.

Mit Kostenrechnung vom 4.4.2007 wurde der Betrag von 690,20 € unter Hinweis auf § 59 RVG dem Beklagten, vertreten durch dessen gesetzliche Vertreterin, in Rechnung gestellt.

Mit Schreiben vom 1.6.2007, bei der Landesjustizkasse Bamberg eingegangen am 4.6.2007, hat der Bevollmächtigte des Beklagten geltend gemacht, dass dem übergegangenen Anspruch § 122 Abs. 1 Nr. 1 b ZPO entgegenstehe.

Diese Einwendung hat er in der Folgezeit in mehreren Schriftsätzen auch gegenüber dem Amtsgericht Nürnberg geltend gemacht und schließlich mit Schriftsatz vom 06.08.2007, eingegangen am 09.08.2007, beim Amtsgericht Nürnberg Erinnerung gegen den Kostenansatz eingelegt.

Nachdem der Rechtspfleger dieser Erinnerung nicht abgeholfen hat, hat der Familienrichter am Amtsgericht Nürnberg mit Beschluss vom 19.10.2007 die Erinnerung des Beklagten gegen die Kostenrechnung vom 04.04.2007 zurückgewiesen.

Wegen der Begründung wird auf die Entscheidung, die dem Bevollmächtigten des Beklagten am 11.10.2007 zugestellt wurde, Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 17.10.2007, beim Amtsgericht Nürnberg eingegangen am 18.10.2007, hat der Bevollmächtigte des Beklagten für diesen gegen den Beschluss vom 19.09.2007 "sofortige Beschwerde" eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 06.11.2007 begründet.

Er beruft sich insbesondere auf die Einwendung aus § 122 Abs. 1 Nr. 1 b ZPO und beantragt,

den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Rechtsbeschwerde zuzulassen, um die Divergenz unterschiedlicher Auffassungen für künftige Fälle zu beseitigen.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 19,09.2007 ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Die streitgegenständliche Kostenrechnung vom 04.04.2007 ist auf der Grundlage von § 59 RVG ergangen. Gemäß § 59 Abs. 2 Satz 4 RVG gilt für die Entscheidung über eine gegen den Kostenansatz gerichtete Erinnerung und über die Beschwerde § 66 GKG entsprechend.

Gemäß § 66 Abs. 3 Satz 2 GKG i.V.m. § 119 Abs. 1 Nr. 1 a GVG ist damit das Oberlandesgericht für die gegen die Entscheidung des Richters am Familiengericht, gerichtete Beschwerde zulässig. Das Oberlandesgericht hat durch den Senat und nicht, wie in § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG grundsätzlich vorgesehen, durch den Einzelrichter entschieden, weil dieser die Sache wegen der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 66 Abs. 6 Satz 2 GKG an den Senat übertragen hat.

Die Beschwerde des Beklagten ist gemäß § 59 Abs. 2 Satz 4 RVG i.V.m. § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG statthaft und auch ansonsten zulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt.

In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg, weil auch nach Auffassung des Senats die Staatskasse berechtigt ist; die auf sie übergegangenen Vergütungsansprüche des Rechtsanwaltes des Klägers gegen den Beklagten geltend zu machen.

Soweit dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt wegen seiner Vergütung ein Anspruch gegen die Partei oder einen ersatzpflichtigen Gegner zusteht, geht dieser Anspruch mit der Befriedigung des Rechtsanwaltes durch die Staatskasse gemäß § 59 Abs. 1 RVG auf diese über.

Im vorliegenden Fall sind die dem Kläger beigeordneten Rechtsanwalt ... gegen die Staatskasse zustehenden Vergütungsansprüche in Höhe von 690,20 Euro, deren Berechtigung der Höhe nach mit der Beschwerde nicht angegriffen worden ist, von der Staatskasse beglichen. Aufgrund der Kostenentscheidung im Endurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürnberg, nach der der Beklagte die Kosten des Verfahrens erster Instanz zu tragen hat, hat gemäß § 126 Abs. 1 ZPO auch der Bevollmächtigte des Klägers einen eigenen Anspruch gegen den Beklagten auf Beitreibung seiner Gebühren und Auslagen. Dieser ist gemäß § 59 Abs. 1 RVG auf die Staatskasse übergegangen.

Der Umstand, dass dem Beklagten Prozesskostenhilfe (ohne Anordnung von Ratenzahlungen) bewilligt worden ist, steht der sich aus der Kostenentscheidung vom 19.09.2007 ergebenden Verpflichtung des Beklagten, die dem Kläger entstandenen Kosten zu erstatten, nach § 123 ZPO nicht entgegen.

Problematisch ist allein, ob der Umstand, dass auch dem Kläger Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt worden ist, i.V.m. § 122 Abs. 1 Nr. 1 b ZPO die Staatskasse hindert, auf sie übergegangene Ansprüche des (dem Kläger) beigeordneten Rechtsanwaltes geltend zu machen. Nach dieser Vorschrift bewirkt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, dass die Bundes- oder Landeskasse "die auf sie übergegangenen Ansprüche des beigeordneten Rechtsanwaltes gegen die Partei nur nach den Bestimmungen, die das Gericht trifft, gegen die Partei geltend machen kann".

Diese Vorschrift wird von einem Teil der Rechtsprechung und der Literatur dahin interpretiert, dass sie auch für auf die Staatskasse übergegangene Ansprüche des beigeordneten Rechtsanwaltes gegen die ersatzpflichtige Gegenpartei gelten soll und solche Ansprüche von der Staatskasse deshalb nur im Rahmen der Prozesskostenhilfe für den Gegner angeordneter Zahlungen, nicht aber dann geltend gemacht werden können, wenn dem Gegner - wie im vorliegenden Fall - Prozesskostenhilfe ohne Anordnung von Raten bewilligt worden ist (so etwa OLG Braunschweig, JurBüro 1990, 509; OLG Zweibrücken, Rechtspfleger 1989, 114; OLG Hamburg, JurBüro 1985, 612; OLG Karlsruhe, JurBüro 1999, 370; OLG München, FamRZ 2001, 1156; Bork in Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 22. Aufl., § 122 Rn. 8; Fischer, JurBüro 1998, 622). Die Befürworter dieser Auffassung argumentieren insbesondere auch damit, dass sich aus den Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 8/3068 f. 30) ergebe, dass vom Wortlaut des § 122 Abs. 1 Nr. 1 b ZPO nicht nur die übergegangenen Ansprüche des Rechtsanwaltes gegen die eigene Partei, sondern auch gegen den Gegner hätten erfasst werden sollen (vgl. dazu insbesondere OLG Zweibrücken, OLG München und Fischer, a.a.O.).

Demgegenüber hat der Bundesgerichtshof in seiner - soweit ersichtlich - bisher einzigen (veröffentlichten) Entscheidung zur streitgegenständlichen Problematik vom 11.06.1997, Az.: XII ZR 254/94, veröffentlicht etwa in MDR 1997, 883 und JurBüro 1997, 648, die Auffassung vertreten, dass § 122 Abs. 1 Nr. 1 b ZPO in einer Fallgestaltung wie der hier vorliegenden der Geltendmachung der auf die Staatskasse übergegangenen Ansprüche aus § 126 Abs. 1 ZPO gegen den erstattungspflichtigen Gegner nicht entgegenstehe, weil

- es nicht um einen übergegangenen Anspruch gegen die Partei, sondern gegen den Gegner gehe und

- im Übrigen § 123 ZPO die Wirkung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf die Gerichtskosten und die eigenen außergerichtlichen Kosten beschränke.

Neben einer Reihe von Oberlandesgerichten (vgl. etwa OLG Oldenburg, JurBüro 1993, 1373; KG, JurBüro 1988, 746) und Autoren (vgl. etwa Wax in Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl., § 122 Rn. 16) hat auch der 10. Senat des OLG Nürnberg in einer Entscheidung vom 13.03.2001 (veröffentlicht u.a. in FamRZ 2002, 479) die Sicht des Bundesgerichtshofs geteilt.

Was die Auslegung des § 122 Abs. 1 Nr. 1 b ZPO angeht, sei angemerkt, dass diese Norm nur von Ansprüchen des beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Partei spricht, während etwa in. § 59 Abs. 1 RVG - ebenso wie in dem diesem vorausgehenden § 130 Abs. 1 BRAGO - einerseits von Ansprüchen gegen die Partei und andererseits von Ansprüchen gegen einen ersatzpflichtigen Gegner die Rede ist. Dies kann als Hinweis dahingehend aufgefasst werden, dass jedenfalls aus heutiger Sicht von dem Begriff Ansprüche gegen die Partei nicht ohne weiteres auch die Ansprüche gegen die Gegenpartei erfasst werden.

Der Senat schließt sich der wiedergegebenen Ansicht des Bundesgerichtshofs und des 10. Senates des Oberlandesgerichts Nürnberg an, weil

- der Wortlaut des § 122 Abs. 1 Nr. 1 b ZPO eher für die Beschränkung des Anwendungsbereiches der Vorschrift auf übergegangene Ansprüche des Rechtsanwalts gegen die eigene Partei spricht und

- es insbesondere für den Senat nicht nachvollziehbar wäre, dass für eine Partei die eigene Prozesskostenhilfe gemäß § 123 ZPO Erstattungsansprüche des Gegners unberührt lässt, eine dem Gegner bewilligte Prozesskostenhilfe aber letztlich dazu führen soll, dass die Partei im Fall des Übergangs auf die Staatskasse von Erstattungsansprüchen des gegnerischen Rechtsanwalts befreit sein soll (vgl. dazu insbesondere auch Wax, a.a.O.).

Damit ist aber davon auszugehen, dass die gegen den Beklagten gerichtete Rechnung der Staatskasse berechtigt und die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts zutreffend ist. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Beklagten war daher als unbegründet zurückzuweisen.

Im Hinblick auf den Antrag des Beklagten auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist anzumerken, dass es durchaus wünschenswert wäre, wenn der BGH angesichts der unterschiedlichen Auffassungen in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und in der Literatur auch noch nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1997 nochmals mit der hier streitgegenständlichen Problematik befasst werden könnte.

Dies ist jedoch rechtlich nicht möglich, weil § 59 Abs. 2 RVG i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 GKG eine weitere Beschwerde gegen eine Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts nicht zulässt.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, weil das Verfahren nach § 59 Abs. 2 RVG i.V.m. § 66 Abs. 8 GKG gebührenfrei ist und Auslagen nicht erstattet werden.

Ende der Entscheidung

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