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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 09.01.2007
Aktenzeichen: 7 WF 5/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 3
Zur Unzulässigkeit einer Beschwerde der Staatskasse gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfeverfahren wegen "greifbarer Gesetzwidrigkeit".
7 WF 5/07

Nürnberg, den 09.01.2007

In der Familiensache

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 7. Zivilsenat und Senat für Familiensachen, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluss:

Tenor:

Die Beschwerde der Staatskasse gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Antragsteller im Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürnberg vom 8.12.2005 wird verworfen.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin zu 1. ist die geschiedene Ehefrau, die Antragsteller zu 2. und 3. sind die Kinder des Antragsgegners.

Mit einem am 9.5.2005 eingegangenen Schriftsatz vom 3.5.2005 haben die Antragsteller beantragt, ihnen Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage zu bewilligen, mit der sie die Verurteilung des Antragsgegners zu Unterhaltszahlungen erreichen wollten.

Der Antragsgegner hat beantragt, den Antrag der Antragsteller auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückzuweisen.

Am 8.12.2005 hat vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Nürnberg im Prozesskostenhilfeverfahren eine mündliche Verhandlung (gemäss § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO) stattgefunden.

In dieser waren die Antragsteller durch Rechtsanwalt P und der Antragsgegnerin durch Rechtsanwältin R vertreten.

In der Sitzung hat das Amtsgericht folgenden Beschluss verkündet:

"Dem Beklagten wird Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfeverfahren einschließlich nachstehendem Vergleich bewilligt bei Ratenzahlung 15,-- € ab Februar 2006, fällig zum 10. eines jeden Monats und ihm RAin R beigeordnet.

Den Klägern wird Prozesskostenhilfe für das Prozesskostenhilfe bewilligt ohne Ratenzahlung und ihnen Rechtsanwalt P beigeordnet bei untenstehendem Streitwert und einschließlich nachstehendem Vergleich.

Im Anschluss daran haben die Parteien einen umfassenden Vergleich über die geltend gemachten Unterhaltsansprüche geschlossen.

Das Amtsgericht hat noch in der Sitzung vom 8.12.2005 in einem Beschluss den Streitwert festgesetzt.

In der Folgezeit hat der zuständige Familienrichter am Amtsgericht - Familiengericht - Nürnberg auf die Erinnerung des Rechtsanwaltes P gegen eine anderslautende Entscheidung des Rechtspflegers die Rechtsanwalt P zu erstattende Vergütung im Prozesskostenhilfeverfahren unter Einschluss einer Einigungsgebühr, einer Verfahrensgebühr und einer Terminsgebühr auf 858,40 € festgesetzt.

Eine gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde der Staatskasse ist vom Senat mit Beschluss vom 26.9.2006 zurückgewiesen worden.

Mit Schreiben vom 26.10.2006, beim Oberlandesgericht Nürnberg eingegangen am 30.6.2006, hat der Bezirksrevisor beim Amtsgericht Nürnberg namens der Staatskasse gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Antragsteller im Beschluss des Amtsgerichts vom 8.12.2005 Gegenvorstellungen erhoben und hilfsweise "außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit" mit dem Antrag eingelegt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und Prozesskostenhilfe ausschließlich für den abgeschlossenen Vergleich zu bewilligen.

Wegen der umfangreichen Begründung der Gegenvorstellungen bzw. der außerordentlichen Beschwerde wird auf das Schreiben vom 26.10.2006 (Bl. 69 bis 75 des Pkh-Heftes) Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 20.12.2006 hat das Amtsgericht der Beschwerde des Vertreters der Staatskasse gegen den Prozesskostenhilfebeschluss vom 8.12.2005 nicht abgeholfen.

Auf die Begründung dieser Entscheidung (Bl. 76 bis 79 d. A.) wird Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat die Sache daraufhin mit Beschluss vom 27.12.2006 dem Oberlandesgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Nürnberg vom 20.12.2006 ist dahin auszulegen, dass mit diesem u. a. die Gegenvorstellungen der Staatskasse gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Antragsteller zurückgewiesen worden sind. Damit war über die - ersichtlich für diesen Fall hilfsweise gestellte - außerordentliche Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss vom 8.12.2005 zu entscheiden.

Die Beschwerde war als unzulässig zu verwerfen, weil ein Rechtsmittel der Staatskasse gegen die Entscheidung vom 8.12.2005 - jedenfalls im vorliegenden Fall - nicht statthaft ist.

Das Gesetz sieht in § 127 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 und 2 ZPO eine Beschwerde der Staatskasse gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur vor, wenn weder Monatsraten noch Zahlungen angeordnet sind und die Beschwerde damit begründet wird, dass solche Zahlungen anzuordnen gewesen wären.

Im vorliegenden Fall hat die Beschwerde der Staatskasse aber nicht die Anordnung von Zahlungen im Rahmen einer Prozesskostenhilfebewilligung zum Gegenstand, das Rechtsmittel richtet sich vielmehr gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe als solche. Aus diesem Grund kann aus § 567 Abs. 1 Nr. 1 i. V. mit § 127 Abs. 3 ZPO eine Statthaftigkeit der Beschwerde der Staatskasse nicht entnommen werden (vgl. auch Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 127 RdNr. 16 a).

Im Übrigen stünde der Zulässigkeit einer Beschwerde nach § 127 Abs. 3 ZPO auch § 127 Abs. 3 Satz 4 ZPO entgegen, wonach eine Beschwerde der Staatskasse nach Ablauf von drei Monaten seit Verkündung der angefochtenen Entscheidung unstatthaft ist.

Das Rechtsmittel der Staatskasse kann - entgegen der Argumentation des Bezirksrevisors - auch nicht als außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung zugelassen werden.

Es kann dabei im vorliegenden Fall dahinstehen, ob

- ein derartiger, früher nach allgemeiner Rechtsprechung zulässiger außerordentlicher Rechtsbehelf durch die ZPO-Reform und die Einfügung der Gehörsrüge des § 321 a ZPO zum 1.1.2005 auch für die nicht unter dem Aspekt der Verletzung des rechtlichen Gehörs erfassbaren Fällen einer greifbaren Gesetzeswidrigkeit ausgeschlossen ist (so vor allem wohl BGH, FamRZ 2 006, 695; vgl. dazu etwa Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 321 a RdNr. 4) und - ein solcher Rechtsbehelf, falls man ihn zulassen wollte, nicht an die Frist des § 127 Abs. 3 Satz 4 ZPO gebunden wäre.

Denn jedenfalls nach der derzeitigen Situation in der Rechtsprechung kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das gesamte Prozesskoßtenhilfeverfahren durch das Amtsgericht im vorliegenden Fall "greifbar gesetzeswidrig", d. h. mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar ist, weil sie jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd ist (vgl. dazu etwa Zöller/Philippi, a.a.O., § 127 RdNr. 42).

Zwar hat der BGH in einer Entscheidung vom 8.6.2004 (FamRZ 2004, 1708) die Auffassung vertreten, dass in dem - auch im vorliegenden Verfahren gegebenen - Fall des Abschlusses eines Vergleiches in einem nach § 118 Abs. 1 Satz 3 ZPO angeordneten Erörterungstermin - abweichend von einer bis dahin von einer Vielzahl von vom BGH auch zitierten Oberlandesgerichten vertretenen Meinung - Prozesskostenhilfe grundsätzlich nur für den Vergleich, nicht aber für das Prozesskostenhilfeverfahren im Übrigen bewilligt werden könne.

Auch nach und in Kenntnis dieser Entscheidung haben allerdings verschiedene Oberlandesgerichte in Einzelfällen weiterhin Prozesskostenhilfe für das gesamte Prozesskostenhilfeverfahren bewilligt, so etwa

- das Kammergericht dem Beklagten, der im Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren durch das Gericht zur Stellungnahme durch einen Rechtsanwalt aufgefordert worden war (Entscheidung vom 18.8.2005, FamRZ 2006, 1284),

- das OLG Bamberg allgemein, wenn im Prozesskostenhilfeverfahren bereits schwierige Rechts- und Tatsachenfragen abschließend beantwortet worden sind (Entscheidung vom 26.8.2005, FamRZ 2005, 2001) und

- das OLG Braunschweig für den Fall, dass das Verfahren nach der Bewilligungsreife in Folge richterlicher Hinweise in gütlicher Weise beendet worden ist (Entscheidung vom 28.3.2006, FamRZ 2006, 961).

Auch unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung kann im vorliegenden Fall keinesfalls von eine "greifbaren Gesetzeswidrigkeit" der Bewilligung von Prozesskostenhilfe in dem oben beschriebenen Sinn ausgegangen werden.

Das Amtsgericht hat dazu in seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 20.12.2006 u. a. ausgeführt, dass es nicht beabsichtige, die Entscheidung des BGH vom 8.6.2004 grundsätzlich nicht zu beachten, wie das etwa von Wax - wiedergegeben bei Kalthoener-Büttner, Prozesskostenhilfe, 4. Aufl., RdNr. 877 - empfohlen werde. Vielmehr habe im vorliegenden Fall eine nur selten vorkommende Ausnahmesituation vorgelegen. Wenn der Austausch der Argumente und Tatsachen bereits einem Hauptsacheverfahren gleichkomme, müsse das Gericht die Möglichkeit haben, darauf durch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch für das gesamte Prozesskostenhilfeverfahren zu reagieren.

Wenn das Amtsgericht unter diesen Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt hat, kann keinesfalls festgestellt werden, dass die getroffene Entscheidung "mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar ist".

Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde sind im vorliegenden Fall schon deshalb nicht gegeben, weil gerade nach der Rechtsprechung des BGH eine außerordentliche Beschwerde, wie sie die Staatskasse eingelegt hat, nicht statthaft ist.

Ende der Entscheidung

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