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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 30.03.2004
Aktenzeichen: 7 WF 719/04
Rechtsgebiete: BRAGO, GVG


Vorschriften:

BRAGO § 128
BRAGO § 133
GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1 a
1. Zur Entscheidung über die Erinnerrung eines Rechtsanwalts gegen die Festsetzung seiner Vergütung im Rahmen der Beratungshilfe ist auch dann die allgemeine Zivilabteilung des Amtsgerichts - und nicht das Familiengericht - zuständig, wenn die Beratung Angelegenheiten betroffen hat, für die bei gerichtlicher Geltendmachung das Familiengericht zuständig wäre.

2. Hat insoweit entgegen 1. das Familiengericht entschieden, hat über eine gegen dessen Entscheidung eingelegte Beschwerde der Familiensenat des Oberlandesgerichtes zu befinden.


7 WF 719/04

Nürnberg, den 30.03.2004

In der Familiensache

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 7. Zivilsenat und Senat für Familiensachen, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluß:

Tenor:

I. Auf die Beschwerde der Rechtsanwältin W wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Schwabach vom 22.01.2004 abgeändert wie folgt:

Auf die Erinnerung der Rechtsanwältin W wird der Beschluß des Rechtspflegers am Amtsgericht Schwabach vom 07.07.2003 dahin abgeändert, daß der Rechtsanwältin W aus Nürnberg aus der Staatskasse gemäß § 132 BRAGO zu zahlende Vergütung auf 145,40 Euro festgesetzt wird.

II. Die weitergehende Beschwerde der Rechtsanwältin W wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Rechtsanwältin W ist im Herbst 2001 von B zur Wahrnehmung von deren Interessen aus Anlaß der Trennung von ihrem Mann B tätig geworden. Sie hat insoweit zunächst unter dem 24.10.2001 ein Schreiben an B gerichtet, in dem sie u.a. die Einreichung eines Scheidungsantrages angekündigt, wegen Ehegatten- und Kindesunterhalt Auskunft über die Einkommensverhältnisse verlangt, den Ehemann zur Unterlassung von Drohungen gegen ihre Mandantin aufgefordert, die Herausgabe von Schmuck sowie die Zahlung eines Ausgleichsbetrages für Hausrat verlangt und gebeten hat, ihre Mandantin von Forderungen aus dem Mietverhältnis betreffend die eheliche Wohnung freizustellen.

Mit einem an das Amtsgericht Nürnberg gerichteten Schriftsatz vom 28.05.2002 hat Rechtsanwältin W das später an das Amtsgericht Schwabach verwiesene und mit Endurteil vom 12.03.2003 beendete Scheidungsverfahren eingeleitet.

Außerhalb des Scheidungsverfahrens hat Rechtsanwältin W für ihre Mandantin von ihr dem Amtsgericht vorgelegte Schreiben an die Bevollmächtigten des Ehemannes vom 20.09.2002, 06.12.2002 und 25.02.2003 gerichtet, in denen es auch um ein Umgangsrecht des B mit dem Kind der Eheleute, Kindes- und Ehegattenunterhalt sowie Zugewinnausgleich ging. Eine gerichtliche Klärung dieser Fragen erfolgte nicht.

Mit Schriftsatz vom 19.05.2003 hat Rechtsanwältin W unter Beifügung eines auch von ihrer Mandantin unterzeichneten Antrags auf Bewilligung von Beratungshilfe für ihr Tätigwerden bei der Regelung des Umgangs, des Unterhalts, des Zugewinns sowie in einer Mietsache eine Vergütung im Rahmen der Beratungshilfe von jeweils 56 Euro + 16 % = 64,96 Euro zuzüglich einer Pauschale gemäß § 26 BRAGO incl. Mehrwertsteuer von 9,74 Euro = 74,70(5) Euro, insgesamt also (74,705 Euro x 4 =) 298,82 Euro geltend gemacht.

Mit Beschluß vom 07.07.2003 hat der Rechtspfleger am Amtsgericht Schwabach die der Rechtsanwältin W aus der Staatskasse gemäß § 132 BRAGO zu zahlende Vergütung auf 74,70 Euro festgesetzt.

Zur Begründung ist ausgeführt, daß Rechtsanwältin W insgesamt nur in einer, einen einheitlichen Lebenssachverhalt betreffenden Angelegenheit tätig geworden sei.

Gegen diese Entscheidung hat Rechtsanwältin W mit Schriftsatz vom 21.07.2003 Einwendungen erhoben und ihren ursprünglichen Kostenantrag weiter verfolgt.

Der Rechtspfleger am Amtsgericht Schwabach hat diesen als- Erinnerung behandelnden Einwendungen nicht abgeholfen.

Mit Beschluß vom 22.01.2004 hat das Amtsgericht Schwabach durch den Familienrichter die Erinnerungen der Rechtsanwältin W gegen den Beschluß des Amtsgerichts Schwabach vom 07.07.2003 als unbegründet zurückgewiesen.

In der Begründung des Beschlusses ist die Auffassung vertreten, daß gebührenrechtlich nur eine Angelegenheit vorliege, weil alle Beratungshilfeangelegenheiten als Folgesachen im Rahmen des Scheidungsverbundes hätten geltend gemacht werden können.

Gegen diesen Beschluß hat Rechtsanwältin W mit einem am 16.02.2004 eingegangenen Schriftsatz vom 11.02.2004 "sofortige" Beschwerde eingelegt.

Mit dieser verfolgt sie ihren ursprünglichen Vergütungsantrag weiter. Auf den Inhalt der Beschwerde im einzelnen wird Bezug genommen.

Das Familiengericht Schwabach hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Der Bezirksrevisor beim Landgericht Nürnberg-Fürth hat in einer Stellungnahme vom 09.03.2004 die Auffassung vertreten, daß zur Entscheidung über die Beschwerde das Landgericht Nürnberg-Fürth zuständig sei, und im übrigen die Zurückweisung des Rechtsmittels beantragt.

Mit Schriftsatz vom 23.03.2004 hat Rechtsanwältin W zur weiteren Begründung ihrer Beschwerde zwei Schriftsätze in der Sache B/B vom 09.08.2002 (der Bevollmächtigten des Ehemannes) und vom 27.08.2002 (von ihr an die Bevollmächtigten des Ehemannes) vorgelegt.

II.

Das Rechtsmittel der Rechtsanwältin W ist gemäß §§ 133 i.V. mit 128 Abs. 4 BRAGO als Beschwerde statthaft und zulässig.

Zuständig für deren Verbescheidung ist - entgegen der Auffassung des Bezirksrevisors beim Landgericht Nürnberg-Fürth - das Oberlandesgericht Nürnberg, weil sich das Rechtsmittel gegen eine Entscheidung des Familiengerichts richtet.

Zwar ist im Anschluß an eine entsprechende Entscheidung des BGH vom 16.05.1984 (FamRZ 1984, 774, = NJW J.985, 2537) davon auszugehen, daß Verfahren wegen der Vergütung eines Rechtsanwalts für geleistete Beratungshilfe auch in Angelegenheiten, für die bei gerichtlicher Geltendmachung das Familiengericht zuständig wäre, nicht zu den Familiensachen im Sinne des § 23 b Abs. 1 Satz 2 GVG gehören und deshalb nicht in die Zuständigkeit des Familiengerichtes, sondern die des allgemein zuständigen Amtsgerichts fallen. Falls dieses entschieden hat, ist für eine dagegen eingereichte Beschwerde das Landgericht zuständig (vgl. unter Berufung auf die zitierte Entscheidung des BGH etwa OLG München, JurBüro 1988, 594; Gerold/Schmidt/Madert, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 15. Auflage, § 132 Rdnr. 7; Riedel/Sußbauer/Schneider, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 8. Auflage, § 133 Rdnr. 6; Schoreit/Dehn, Beratungshilfe, Prozeßkostenhilfe, 7. Auflage, § 128 BRAGO Rdnr. 13).

Im vorliegenden Fall ergibt sich jedoch eine Zuständigkeit des Oberlandesgerichts aus § 119 Abs. 1 Nr. 1 a GVG, weil sich die Beschwerde nicht gegen eine Entscheidung des allgemeinen Amtsgerichts, sondern eine solche des Familiengerichts richtet (vgl. etwa auch OLG München, JurBüro 1988, 593). Nach der Änderung des § 119 GVG zum 01.04.1986 ist nämlich für die Beschwerdezuständigkeit nur noch maßgeblich, welches Gericht tatsächlich entschieden hat. Darauf, ob tatsächlich eine Familiensache vorlag und das Familiengericht deshalb zuständig war, kommt es nicht mehr an. Dies wird von denjenigen Kommentatoren verkannt, die unter Berufung auf die Entscheidung des BGH vom 16.05.1984 auch heute noch ausführen, daß auch über Beschwerden gegen Entscheidungen des Familiengerichts hinsichtlich der Festsetzung der Vergütung in Beratungshilfesachen das Landgericht zu entscheiden habe (so etwa Wittschier in Musielak, ZPO, 3. Auflage, § 119 GVG Rdnr. 16; zumindest mißverständlich auch Gummer in Zöller, ZPO, 24. Auflage, § 119 GVG Rdnr. 8, sowie Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 25. Auflage, § 119 GVG Rdnr. 8).

Die Beschwerde hat in der Sache zum Teil Erfolg.

Insoweit ist zunächst anzumerken, daß die Unzuständigkeit des Familiengerichts für die angefochtene Entscheidung dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg verhelfen kann (§§ 133, 128 Abs. 4 Satz 2, 10 Abs. 3 Satz 4 BRAGO, § 571 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

Der Erfolg der Beschwerde hängt daher davon ab, ob die von Rechtsanwältin W im Rahmen der Beratungshilfe entfalteten und abgerechneten Tätigkeiten als eine oder mehrere Angelegenheiten im Sinn des anwaltlichen Gebührenrechts zu bewerten sind. Die insoweit konkret entscheidungserhebliche Frage, ob die aus Anlaß der Trennung und Scheidung von Eheleuten vorgenommene Beratung in Sachen, die nach § 623 ZPO gerichtlich im Scheidungsverbund geltend gemacht werden könnten (Kindesunterhalt, nachehelicher Unterhalt, Zugewinnausgleich) oder sonst im engen Zusammenhang mit der Trennung der Eheleute stehen (etwa Trennungsunterhalt), insgesamt als eine einzige Angelegenheit zu bewerten sind oder die potentiellen Folgesachen oder aber jedenfalls die nicht im Verbund verfolgbaren Gegenstände jeweils als selbständige Angelegenheit angesehen werden müssen, ist in Rechtsprechung und Literatur höchst umstritten (vgl. dazu etwa Schoreit/Dehn, a.a.O., § 132 BRAGO Rdnr. 6 h; Göttlich/Mümmler, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 20. Auflage, Seite 274, Stichwort "Beratungshilfe"; Gerold/Schmidt/Madert, a.a.O., § 132 Rdnr. 2, sowie OLG München, JurBüro 1988, 594).

Der Senat folgt im Grundsatz der wohl herrschenden Meinung, wonach in der Regel die Beratung über eine mögliche Scheidung und deren Auswirkungen oder über die sich aus einer Trennung der Ehegatten ergebenden Probleme bzw. die Vertretung in diesen Angelegenheiten dieselbe Angelegenheit sind (vgl. etwa OLG München, JurBüro 1988, 594 und RPfl. 1998, 253; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozeßkostenhilfe und Beratungshilfe, 2. Auflage, S. 367). Die beabsichtigte Scheidung bzw. die bereits erfolgte Trennung der Ehegatten bilden nicht nur einen Anlaß für die Beratung über verschiedene Angelegenheiten. Vielmehr handelt es sich jedenfalls insoweit, als typischerweise mit der Trennung und Scheidung verbundene Gegenstände betroffen sind, um einen einheitlichen Lebensvorgang, der die einzelnen hieraus resultierenden Gegenstände zu einer Angelegenheit verbindet.

Bei den von der Beschwerdeführerin in ihrem Schreiben vom 24.10.2001 angesprochenen Gegenständen handelt es sich ebenso wie bei den in den weiteren Schreiben vom 20.09.2002, 06.11.2001 und 25.02.2003 berührten Fragen des Umgangsrechts und des Zugewinnausgleichs um typischerweise mit der Trennung und der Scheidung von Eheleuten verbundene Fragen, die deshalb insgesamt als eine Angelegenheit anzusehen sind.

Etwas anderes gilt jedoch für die erst aus der dem Beschwerdegericht vorgelegten Schreiben der Anwälte S und Kollegen vom 09.08.2002 sowie der Beschwerdeführerin vom 27.08.2002 konkret erkennbare Auseinandersetzung um Forderungen des Ehemannes in Höhe von 767 Euro wegen einer Nutzung der ehelichen Wohnung durch die Mandantin der Beschwerdeführerin in der Zeit von Januar bis August 2001. Insoweit ist lange nach dem ersten Schreiben der Beschwerdeführerin vom 24.10.2001 gegen deren Mandantin eine Forderung geltend gemacht worden, die weder gerichtlich im Scheidungsverbund hätte verfolgt werden können noch einen typischerweise mit dem Trennungsgeschehen verbundenen Gegenstand betrifft. Das Tätigwerden der Beschwerdeführerin zur Abwehr dieses Anspruchs u.a. auch in dem vorgelegten Schreiben vom 27.08.2002 ist daher als eine eigene Angelegenheit zu bewerten, die gesondert abgerechnet werden kann.

Damit hat die Beschwerdeführerin auch Anspruch auf eine nach § 133 BRAGO zu zahlenden Vergütung von 2 x 145,40 Euro = 290,80 Euro.

Auf die Beschwerde hin waren daher die angefochtene Entscheidung des Familiengerichts und die Festsetzung der Vergütung durch den Rechtspfleger entsprechend abzuändern.

Eine Kostenentscheidung ist nicht erforderlich, da das Beschwerdeverfahren nach § 128 Abs. 5 BRAGO gebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden.

Einer Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde bedarf es ebenfalls nicht, weil nach § 128 Abs. 4 Satz 3 BRAGO ein weiteres Rechtsmittel ausgeschlossen ist.

Ende der Entscheidung

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