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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 29.06.2006
Aktenzeichen: 7 WF 761/06
Rechtsgebiete: RVG-VV, BGB


Vorschriften:

RVG-VV Nr. 1000
BGB § 1587 o
Auch bei einem Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs im Rahmen einer Einigung nach § 1587 o BGB kann eine Einigungsgebühr anfallen.
7 WF 761/06

Nürnberg, den 29.6.2006

In der Familiensache

erläßt das Oberlandesgericht Nürnberg, 7. Zivilsenat und Senat für Familiensachen, durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluss:

Tenor:

I. Auf die Beschwerde der Rechtsanwältin K S- S werden der Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 16.5.2006 und die Festsetzung der Rechtspflegerin am Amtsgericht Nürnberg vom 28.3.2006 abgeändert.

II. Die der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers Rechtsanwältin K S-S aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung wird auf 756,90 € festgesetzt.

Die weitergehende Beschwerde der Rechtsanwalt in S-S wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Zwischen den seit 14.7.2000 verheirateten Parteien, die eine am 21.5.2002 geborene Tochter haben, war aufgrund eines am 15.7.2005 eingegangenen Scheidungsantrages des Antragstellers ein Scheidungsverfahren anhängig.

In diesem hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 22.8.2005 dem Antragsteller Prozesskostenhilfe bewilligt, ihm Rechtsanwältin K S-S als Bevollmächtigte beigeordnet und angeordnet, dass der Antragsteller auf die Kosten des Verfahrens ab Oktober 2005 monatliche Raten von 30,-- € zu bezahlen hat.

Im Laufe des Verfahrens holte das Amtsgericht in der Folgesache Versorgungsausgleich Auskünfte der Deutschen Rentenversicherung ein, aus denen sich ergab, dass in der gesetzlichen Ehezeit vom 1.7.2000 bis 31.7.2005 der Antragsteller Anwartschaften von 89,79 € und die Antragsgegnerin solche von 109,51 € erworben hatten.

Im Verhandlungstermin vom 23.3.2006, in dem der Antragsteller durch seine Bevollmächtigte vertreten wurde, schlossen die Parteien zum Versorgungsausgleich folgende Vereinbarung:

Beide Parteien verzichten gegenseitig auf den Ausgleich von Anwartschaften oder Anrechten auf eine Versorgung wegen Alters, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und nehmen diesen Verzicht wechselseitig an.

Mit einem noch in der Sitzung verkündeten Beschluss hat das Amtsgericht diese Vereinbarung genehmigt.

Ebenfalls noch in der Sitzung verkündete das Amtsgericht

- ein Endurteil, mit dem die Ehe der Parteien geschieden und ausgesprochen wurde, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet, sowie

- einen Beschluss, in dem der Streitwert für die Scheidung auf 3.740,-- € und für den. Versorgungsausgleich auf 1.000,-- € festgesetzt wurde.

Das Scheidungsurteil wurde am 23.3.2006 rechtskräftig.

Mit einem Antrag von selben Tag hat Rechtsanwältin S-S, einen Antrag auf Festsetzung ihrer Vergütung als beigeordnete Rechtsanwältin eingereicht und in diesem als Vergütung nach §§ 48, 49 RVG geltend gemacht:

 Verfahrensgebühr (1,3) aus 4.740,-- €284,70 €
Terminsgebühr (1,2) aus 4.740,-- €262,80 €
Einigungsgebühr (1,0) aus 1.000,-- €85,00 €
Pauschale für Post und Telekommunikation20,00 €
Summe652,50 €
Umsatzsteuer104,40 €
Summe insgesamt756,90 €.

Neben der Vergütung nach §§ 48, 49 RVG hat Rechtsanwalt in S-S in ihrer Abrechnung auch die entsprechenden Gebühren aus der Regelvergütung nach §§ 13, 50 RVG mit insgesamt 994,70 € geltend gemacht.

Mit Beschluss vom 28.3.2006 hat die Rechtspflegerin am Amtsgericht Nürnberg die der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 658,30 € festgesetzt.

Sie hat dabei nur die Vergütung nach §§ 48, 49 RVG berücksichtigt und die geltend gemachte Einigungsgebühr mit der entsprechenden Mehrwertsteuer als nicht erstattungsfähig abgesetzt.

Mit Schriftsatz vom 5.4.2006 hat Rechtsanwältin S-, gegen den Beschluss vom 28.3.2006 "sofortige Beschwerde" eingelegt und mit dieser geltend gemacht, dass ihr sowohl die angesetzte Einigungsgebühr als auch die Regelvergütung nach §§ 13, 50 RVG zustünden.

Nach Einholung einer Stellungnahme des Bezirksrevisors beim Amtsgericht Nürnberg hat die Rechtspflegerin am Amtsgericht Nürnberg der Beschwerde nicht abgeholfen.

Mit Beschluss vom 16.5.2 006 hat der Familienrichter am Amtsgericht Nürnberg die Erinnerung der Rechtsanwältin S-S gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.3.2006 zurückgewiesen und die Beschwerde gegen diese Entscheidung zugelassen.

Gegen diesen ihr am 18.5.2006 zugestellten Beschluss hat Rechtsanwältin S-S mit einem am 24.5.2 006 eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag Beschwerde eingelegt.

Mit dieser verfolgt sie ihren ursprünglichen Kostenfestsetzungsantrag weiter.

Sie beruft sich darauf, dass

- im Hinblick darauf, dass ihrem Mandanten Prozesskostenhilfe mit Ratenzahlung bewilligt worden sei, die volle Regelvergütung zustehe und

- mit der Einigung zum Versorgungsausgleich im Termin vom 27.3.2006 auch eine Einigungsgebühr angefallen sei.

Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 24.5.2006 Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die Beschwerde der Rechtsanwalt in S-S ist gemäss §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG zulässig.

In der Sache hat sie insoweit Erfolg, als sie sich gegen die Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Einigungsgebühr von 85,-- € zuzüglich Mehrwertsteuer richtet.

Entgegen der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts ist nämlich davon auszugehen, dass mit der im Termin vom 23.3.2006 unter Mitwirkung der Beschwerdeführerin getroffene Vereinbarung, mit der die Parteien auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs verzichtet haben, eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 W-RVG entstanden ist.

Nach den vom Amtsgericht erholten Auskünften der Versorgungsträger hatten in der für den Versorgungsausgleich maßgeblichen Ehezeit vom 1.7.2000 bis 31.7.2005 der Antragsteller in der gesetzlichen Rentenversicherung Anwartschaften von 89,79 € und die Antragsgegnerin solche von 109,51 € erworben. Aus der Auskunft der Deutschen Rentenversicherung vom 1.3.2006 ergibt sich, dass die von der Antragsgegnerin erworbenen Anwartschaften zu einem erheblichen Teil auf Pflichtbeiträgen aufgrund von Kindererziehung beruhen. Bei dieser Situation und der notwendigen weiteren Betreuung des gemeinsamen Kindes durch die Antragsgegnerin stand die Frage im Raum, ob der an sich zu Gunsten des Antragstellers durchzuführende Versorgungsausgleich nach § 1587 c Nr. 1 BGB als unbillig auszuschließen oder zu beschränken war (vgl. dazu etwa OLG Nürnberg, FamRZ 2006, 891). Es ist daher davon auszugehen, dass die Parteien mit ihrer Vereinbarung vom 23.3.2006 auch eine insoweit bestehende rechtliche Unsicherheit beseitigt haben.

In einer solchen Situation ist auf der Basis der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des RVG für die Vereinbarung des Ausschlusses des Versorgungsausgleiches (nach § 1587 o BGB) eine Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO zugebilligt worden (so etwa OLG Saarbrücken, JurBüro 1991, 3 78; Göttlich/Mümmler/Rehberg/Xanke - Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 1. Aufl., Stichwort "Versorgungsausgleich" 1.2.4).

Nach der insoweit nun anwendbaren Nummer 1000 W-RVG entsteht eine Einigungsgebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit über die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht.

Nach der Intention des Gesetzgebers soll die Einigungsgebühr die bis dahin geltende Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO ersetzen und diese gleichzeitig insoweit inhaltlich erweitern, als kein gegenseitiges Nachgeben mehr vorausgesetzt wird, sondern jegliche vertragliche Beilegung eines Streites honoriert werden soll. Durch die Einschränkung, dass eine Einigungsgebühr nicht entsteht, wenn in dem Vertrag ein Anspruch vollständig anerkannt oder auf einen Anspruch vollständig verzichtet wird, soll einem Missbrauch entgegengewirkt werden (vgl. dazu bei Göttlich/Müller/Rehberg/Xanke, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Stichwort "Einigungsgebühr" Nr. 1).

Bereits die geschilderten Motive des Gesetzgebers sprechen dagegen, im Fall des Vorliegens einer Vereinbarung zum Versorgungsausgleich nach § 1587 o BGB eine Einigungsgebühr zu versagen, die bisher nach § 23 BRAGO als Vergleichsgebühr zugebilligt worden ist.

Dem Entstehen einer Einigungsgebühr kann auch nicht entgegengehalten werden, dass sich die Vereinbarung im vorliegenden Fall ausschließlich auf einen Verzicht (im Ergebnis des Antragstellers auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs) beschränkt. Wie sich aus den wiedergegebenen Überlegungen des Gesetzgebers ergibt, hat die entsprechende Einschränkung in Nr. 1000 W-RVG offenbar den Fall vor Augen, dass in einem kontradiktorischen Verfahren eine Partei einen Anspruch geltend gemacht hat und später vollständig auf diesen verzichtet. Bei der Regelung des Versorgungsausgleichs wird aber kein Anspruch in diesem Sinne geltend gemacht, vielmehr ist der Versorgungsausgleich von Amts wegen durchzuführen. Wenn die Parteien in diesem Rahmen zur Beseitigung einer aufgrund der Möglichkeit der Billigkeitsregelung des § 1587 c BGB bestehenden Ungewissheit eine Vereinbarung nach § 1587 o BGB treffen, dann kann das Entstehen einer Einigungsgebühr nach Auffassung des Senates nicht davon abhängen, ob der Versorgungsausgleich von den Parteien ganz oder - wie auch möglich - nur teilweise ausgeschlossen wird.

Dem Entstehen einer Einigungsgebühr steht auch nicht entgegen, dass die Vereinbarung der Parteien zum Versorgungsausgleich nach § 1587 o Abs. 2 Satz 2 BGB der Genehmigung des Familiengerichtes bedurfte. Die Genehmigungsbedürftigkeit schließt die Dispositionsbefugnis der Ehegatten über den Versorgungsausgleich (innerhalb der durch § 1587 o Abs. 1 Satz 2 BGB gezogenen Grenzen) nicht aus, sondern schränkt sie lediglich ein. Diese Beschränkung der Dispositionsbefugnis steht aber der Annahme einer Einigung i.S. der Nr. 1000 VV-RVG nicht entgegen.

Damit war der Beschwerdeführerin auch die Einigungsgebühr und damit die gesamte geltend gemachte Vergütung nach §§ 48, 49 RVG in Höhe von 756,90 € zuzubilligen.

Keinen Erfolg hat das Rechtsmittel der Beschwerdeführerin allerdings insoweit, als sie bereits jetzt nach § 50 RVG auch die Differenz zur Regelvergütung nach § 13 RVG geltend macht. Die Zubilligung dieser weiteren Vergütung hängt davon ab, dass aus den im Prozesskostenhilfebeschluss vom 22.8.2005 festgesetzten Monatsraten von 30,-- € zunächst die in § 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bezeichneten Kosten und Ansprüche gedeckt werden (vgl. § 50 RVG). Angesichts der seit Oktober 2005 bisher fälligen Raten von monatlich lediglich 30,-- € ist eine solche Deckung aber gegenwärtig ganz offensichtlich noch nicht gegeben.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, weil das Beschwerdeverfahren nach § 56 Abs. 2 RVG gebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden.

Ein weiteres Rechtsmittel gegen diese Entscheidung ist (gemäss § 56 Abs. 3, 33 Abs. 6 RVG) nicht statthaft, so dass auch über dessen Zulassung nicht zu entscheiden ist.

Ende der Entscheidung

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