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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Nürnberg
Beschluss verkündet am 13.01.2004
Aktenzeichen: Ws 678/03
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 24 Abs. 3
StVollzG § 26 S. 3
1. Zum Einsatz eines Metalldetektorrahmens und einer Metallsonde sowie zu weiteren Durchsuchungsmaßnahmen beim Besuch von Strafgefangenen durch eine Verteidigerin (im Anschluß an den Beschluß des Senats vom 7.7.2001 VAs 567/01, abgedruckt in StV.20.02, 669)

2. Unzulässigkeit des Durchblätterns der Handakten.


WS 678/03

Nürnberg, den 13. Jan. 2004

In der Strafvollzugssache

wegen Durchsuchungsmaßnahmen der Justizvollzugsanstalt ...;

hier: Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gem. § 116 StVollzGO,

erläßt der Strafsenat des Oberlandesgerichts Nürnberg durch die unterzeichneten Richter folgenden

Beschluß:

Tenor:

I. Die Rechtsbeschwerde der Rechtsanwältin ... gegen den Beschluß der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit Sitz in Straubing vom 13.05.2003 wird als unzulässig verworfen, soweit es um den Einsatz des Metallsuchrahmens geht.

II. Auf die Rechtsbeschwerde wird festgestellt, daß das Durchblättern der Handakten der Rechtsanwältin und die über das erste, Abtasten mit der Metallsonde hinausgehenden Aufforderungen zur Durchführung einer Untersuchung, die sich nicht auf eine bestimmte von der Sonde angezeigte Stelle beschränkte, rechtswidrig waren. Im übrigen wird die Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen.

III. Die Gerichtsgebühr wird auf 1/3 ermäßigt. Von den gerichtlichen Auslagen und den notwendigen Auslagen der Antragstellerin hat die Staatskasse 2/3, die Antragstellerin selbst 1/3 zu tragen.

IV. Der Gegenstandswert wird auf 2.000 EURO festgesetzt.

Gründe:

I.

Da Rechtsanwältin ... die Feststellung der Rechtswidrigkeit von Durchsuchungsmaßnahmen begehrt, die ihr gegenüber getroffen wurden, als sie Strafgefangene als deren Verteidigerin besuchte, geht es im vorliegenden Verfahren um Maßnahmen zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet des Strafvollzugs, über deren Rechtmäßigkeit die Strafvollstreckungskammer gemäß §§ 109 ff. StVollzG zu entscheiden hatte.

Die form- und fristgerecht gegen die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer eingelegte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, soweit es um die Aufforderung, den Metallrahmen zu durchlaufen, und die damit verbundenen Aufforderungen zum Ablegen einzelner Gegenstände (Schmuck, Uhr, Schuhe und Jacke) geht.

Insoweit fehlt es an den besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG. Danach ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung geboten ist, um entweder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.

Der Senat hat bereits in seinem von der Strafvollstreckungskammer aufgeführten Beschluß vom 7.6.2001, ergangen in einem Verfahren gem. §§ 23 ff EGGVG, klargestellt, daß die JVA ... von Besuchern der Anstalt, auch von Verteidigern, verlangen kann, sich einer Kontrolle mit einem Metalldetektor zu unterziehen. Dabei geht der Senat davon aus, daß die JVA ... weiterhin darauf achtet, die Empfindlichkeit des Metalldetektors so einzustellen, daß kleine Metallstücke, wie z.B. Ehering, Zahngold, Krawattennadel und Piercingschmuck nicht angezeigt werden.

Die Entscheidung des OLG Celle vom 15.9.1998 (Strafverteidiger 1998, 71) steht dem nicht entgegen, da es dort um die Justizvollzugsanstalt Celle II ging, in der Strafgefangene zur Verbüßung von Freiheitsstrafen von 6 bis 8 Jahren beziehungsweise von 5 bis 8 Jahren neben Sicherungsverwahrten untergebracht waren. Demgegenüber ist die JVA ... eine Anstalt der höchsten Sicherheitsstufe, in der fast ausnahmslos Gefangene inhaftiert sind, die der Schwer- bzw. Schwerstkriminalität zuzurechnen sind, darunter Gefangene mit lebenslanger Freiheitsstrafe.

Der Meinung von Calliess (StV 2002, 675, 676), die Durchsuchung eines Verteidigers bei Betreten der Vollzugsanstalt könne diesen zu einem verteidigungsfremden Wohlverhalten gegenüber den Vollzugsbehörden veranlassen und erschwere und behindere dadurch das Verteidigungsverhältnis, kann nicht gefolgt werden.

Die Durchsuchung stellt zwar einen erheblichen Eingriff in das Recht der freien Entfaltung der Persönlichkeit dar. Die Untersuchung mit Hilfe des Metalldetektorrahmens findet jedoch ihre gesetzliche Grundlage im § 24 Abs. 3 StVollzG. Wie schon im zitierten Beschluß des Senats ausgeführt, handelt es sich um eine heute in weiten Bereichen des öffentlichen Lebens übliche Personenkontrolle, die im eigenen Sicherheitsinteresse der überprüften Personen von diesen auch akzeptiert wird.

II.

Dagegen ist die Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung notwendig, soweit es um die anschließende Untersuchung mit einer Metallsonde und die damit verbundenen Aufforderungen an die Verteidigerin und soweit es um das Durchblättern der Handakten der Verteidigerin geht.

1. Da bei der Untersuchung im Anschluß an die Mittagspause der Metalldetektor erneut ein Signal gab, ohne daß die Ursache festgestellt werden konnte, war es zulässig und veranlaßt, nunmehr eine Metallsonde einzusetzen, mit der gezielt nach einer Quelle für die fragliche Anzeige von Metall gesucht werden konnte. Damit durfte die Antragstellerin mit der Metallsonde abgetastet werden.

Wie sich aus dem weiteren Ablauf ergibt, gab jedoch auch diese Sonde keinen bestimmten Ort als Quelle des Signals an. Das folgt aus der weiteren Schilderung der Rechtsanwältin, die Glauben verdient und der die Justizvollzugsanstalt auch nicht widersprochen hat und die die Strafvollstreckungskammer daher zu Recht zu Grunde gelegt hat. Denn auch nach dem Einsatz der Sonde wurde ohne Beschränkung auf eine bestimmte von der Sonde etwa angezeigte Stelle weitergesucht. Die Antragstellerin mußte ihre Schuhe ausziehen, dann die Arme heben und die Beine auseinanderstellen; dann wurde sie aufgefordert, ihre Hose bis unter das Gesäß zu ziehen; weiter wurde von ihr verlangt, ihren Pullover und das Unterhemd bis über den BH hochzuziehen. Alle mit dieser Nachsuche verbundenen Aufforderungen bedeuteten schwerwiegende Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht, die mangels einer konkreten Aufdeckung der Signalquelle durch die Metallsonde nicht mehr hätten unternommen werden dürfen.

Diese weitergehende Untersuchung war unzulässig, auch wenn die Antragstellerin nicht widersprochen hat. Selbst eine ausdrückliche Zustimmung konnte an der Unzulässigkeit einer solchen zusätzlichen, erkennbar unverhältnismäßigen Untersuchung nichts ändern. Die Beamten der Justizvollzugsanstalt dürfen keine Zustimmung zu unverhältnismäßigen Untersuchungsmaßnahmen einholen und sich nicht auf eine solche Zustimmung stützen, zumal sie wissen, in welcher Zwangslage sich die Besucherin, die im Fall einer Weigerung mit dem Abbruch des Besuchs rechnen muß, befindet.

2. Ebenfalls unzulässig ist das Durchblättern der Handakten. § 26 StVollzG bestimmt ausdrücklich, daß eine inhaltliche Überprüfung der vom Verteidiger mitgeführten Schriftstücke und sonstigen Unterlagen nicht zulässig ist. Damit ist auch ein Durchblättern der Handakten verboten, und zwar auch dann, wenn der Bedienstete der Justizvollzugsanstalt das Durchblättern nur im Hinblick auf verborgene Gegenstände vornehmen soll. Denn hierbei kann keinesfalls ausgeschlossen werden, daß der Blick des Beamten auf die Schriftstücke fällt und er mindestens bruchstückhaft Kenntnisse über den Inhalt erlangt (vgl. auch OLG Frankfurt a. Main Beschluß vom 13.5.2003 ZfStrVo 2003, 300).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 4 StVollzG, § 473 Abs. 4 StPO, die Festsetzung des Geschäftswerts auf den §§ 48 a, 13 GKG.

Ende der Entscheidung

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