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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 20.04.2009
Aktenzeichen: 1 Ws 235/09
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 141 Abs. 3
Vor Abschluss der Ermittlungen ist das Gericht jedenfalls dann grundsätzlich dazu verpflichtet, einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Bestellung eines Verteidigers zu entsprechen, wenn dringender Tatverdacht besteht und das Ermittlungsverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit demnächst durch eine Anklageerhebung mit dann notwendiger Verteidigung abgeschlossen werden wird.
Oberlandesgericht Oldenburg 1. Strafsenat Beschluss

1 Ws 235/09

In dem Ermittlungsverfahren

wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz,

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg am 20. April 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss des Landgerichts Oldenburg vom 27. März 2009, durch den der Antrag der Staatsanwaltschaft, den Wahlverteidiger des Beschuldigten bereits im Ermittlungsverfahren zu dessen Pflichtverteidiger zu bestellen, abgelehnt worden ist, aufgehoben.

Dem Beschuldigten wird Rechtsanwalt ..., als Verteidiger bestellt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und insoweit entstandene notwendige Auslagen des Beschuldigten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

Den von der Staatsanwaltschaft gestellten Antrag, dem Beschuldigten bereits im Ermittlungsverfahren Rechtsanwalt ... als Pflichtverteidiger beizuordnen, hat das Landgericht mit Beschluss vom 27. März 2009, auf den verwiesen wird, abgelehnt.

Die hiergegen von der Staatsanwaltschaft erhobene Beschwerde ist begründet.

Nach § 141 Abs. 3 StPO kann auf Antrag der Staatsanwaltschaft einem Beschuldigten auch schon während des Ermittlungsverfahrens ein Verteidiger bestellt werden, wenn nach Auffassung der Staatsanwaltschaft im gerichtlichen Verfahren die Mitwirkung eines Verteidigers nach § 140 Abs. 1 oder 2 StPO notwendig sein wird. nach Abschluss der Ermittlungen (§ 169a StPO) muss das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft entsprechen.

Bis zum Abschluss der Ermittlungen kann das Gericht den Antrag ablehnen, allerdings nur aus tragfähigen Gründen. Es muss dabei Bedacht darauf nehmen, dass die Staatsanwaltschaft bis zur Anklageerhebung Herrin des Ermittlungsverfahrens ist, wie sich exemplarisch etwa daran zeigt, dass das Gericht in diesem Verfahrensabschnitt keine Maßnahmen gegen den Willen bzw. ohne einen Antrag der Staatsanwaltschaft treffen kann, vgl. dazu LG Cottbus Beschluss vom 13. Mai 2005 - 22 Qs 15/05 - Rdn. 19, zitiert nach juris.

Als Gründe, aus denen das Gericht die von der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren beantragte Bestellung eines Verteidigers ablehnen darf, kommen vor allem in Betracht, dass nach Einschätzung des Gerichts ein Abschluss des Ermittlungsverfahrens durch Anklageerhebung noch allzu ungewiss ist, oder dass keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine notwendige Verteidigung gegeben sind, vgl. hierzu Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., § 141 Rdn. 5. KK-Laufhütte, § 141 Rdn. 6.

Umgekehrt ist jedenfalls dann, wenn dringender Tatverdacht besteht und das Ermittlungsverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit demnächst durch eine Anklageerhebung mit dann notwendiger Verteidigung abgeschlossen werden wird, von einer Verpflichtung des Gerichts auszugehen, dem Antrag der Staatsanwaltschaft zu entsprechen, sofern nicht besondere Gründe dem entgegen stehen.

In einem solchen Fall wäre eine andere Entscheidung - auch unter Berücksichtigung der ratio der Vorschrift des § 141 Abs. 3 StPO - nicht zu vertreten, vgl. Teuter StV 2005, 233 ff. unter Hinweis auf Hamm in LüdersenFS, S. 725 Fn. 18.

So liegt es aber hier. Die Notwendigkeit einer Verteidigung im späteren Verfahren ist offensichtlich. Der Beschuldigte ist nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis - insbesondere auch aufgrund seiner geständigen Einlassung - des bandenmäßiges Handeltreibens mit Kokain in nicht geringer Menge in mehreren Fällen dringend verdächtig und befindet sich in Untersuchungshaft. Mit Rücksicht auf die ihm zur Last gelegten Verbrechenstatbestände ist eine andere Abschlussentscheidung der Staatsanwaltschaft als eine Anklageerhebung zur großen Strafkammer des Landgerichts nicht zu erwarten, zumal wegen der Vorstrafen des Beschuldigten eine langjährige Freiheitsstrafe in Betracht kommt. Wegen der vollzogenen Untersuchungshaft ist auch von einer beschleunigten Anklageerhebung auszugehen.

Gründe, eine Verteidigerbestellung im jetzigen Zeitpunkt gleichwohl zu versagen, vermag der Senat nicht zu erkennen. Dass der jetzige Verteidiger des Beschuldigten sein Mandat als Wahlverteidiger noch nicht niedergelegt, sondern die Niederlegung nur für den Fall seiner - beantragten - Bestellung als Pflichtverteidiger angekündigt hat, steht seiner Bestellung als Pflichtverteidiger nicht entgegen, vgl. OLG Nürnberg StV 1987, 191. Heidelberger Kommentar StPO, 2. Auflage, § 141 Rn. 2.. Zusätzliche Kosten entstehen durch die frühzeitige Bestellung des Pflichtverteidigers wegen der gebührenmäßigen Rückwirkung gemäß § 48 Abs. 5 Satz 1 RVG nicht.

Angesichts all dessen war unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses dem Antrag der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten schon vor Abschluss der Ermittlungen einen Pflichtverteidiger beizuordnen, zu entsprechen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 2 Satz 2 StPO und entsprechender Anwendung von § 467 StPO.

Ende der Entscheidung

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