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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 28.05.2004
Aktenzeichen: 1 Ws 242/04
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
StPO 53 Abs. 2 Satz 1
Die Entbindung eines Wirtschaftsprüfers von seiner Schweigepflicht, die auf einem Mandat einer - inzwischen in Insolvenz befindlichen - Gesellschaft beruht, ist vom Insolvenzverwalter und nicht (auch) vom angeklagten früheren Geschäftsführer zu erklären.
Oberlandesgericht Oldenburg Beschluss

1 Ws 242/04

In der Strafsache

wegen Betruges u.a.

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg am 28. Mai 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Zeugen ... K... gegen den Beschluss des Landgerichts Oldenburg vom 10. Mai 2004, durch den es die Aussageverpflichtung des Zeugen K... festgestellt hat, wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen.

Gründe:

Der Angeklagte war (Allein)Geschäftsführer der geschäftsführenden Kommanditgesellschaft in der Firma M... GmbH & Co. KG, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Im Strafverfahren gegen den Angeklagten wegen Betruges (unrichtige Bilanzzahlen, Buchführungsmanipulationen) und verspäteter Beantragung des Insolvenzverfahrens sollte der Wirtschaftsprüfer ... K... als Zeuge dazu vernommen werden, welche Feststellungen er als Wirtschaftsprüfer bei der Aufstellung bzw. Prüfung der Jahresabschlüsse der "M... Firmen" für die Jahre 1997 und 1998 getroffen habe. Der Konkursverwalter der Gesellschaft J... hat den Zeugen von seiner Verschwiegenheitspflicht hinsichtlich der von ihm als Insolvenzverwalter verwalteten Firmen entbunden. Der Angeklagte als Geschäftsführer der in Insolvenz gefallenen Gemeinschuldnerin hat eine Entbindung nicht erklärt.

Der Zeugenbeistand des Zeugen K... hat die Auffassung vertreten, der Zeuge sei nur nach Entbindung von der Schweigepflicht auch durch den früheren Geschäftsführer zur Aussage verpflichtet.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 10. Mai 2004 die Aussageverpflichtung des Zeugen K... festgestellt und ausgeführt, das Zeugnisverweigerungsrecht des Zeugen K... diene ausschließlich der Wahrung der Geschäftsinteressen der betroffenen geprüften Gesellschaft, insbesondere der Wahrung von Firmeninteressen. Träger des wirtschaftlichen Geheimhaltungsinteresses sei nach Konkurseröffnung allein der Insolvenzverwalter.

Hiergegen wendet sich der Zeuge K... mit seiner Beschwerde.

Die Beschwerde ist nach § 305 Satz 1 StPO unzulässig. Nach dieser Vorschrift unterliegen Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsfällung vorausgehen grundsätzlich nicht der Beschwerde. Eine der in § 305 Satz 2 StPO aufgeführten Ausnahmen von diesem Grundsatz ist nicht gegeben. Insbesondere betrifft der angefochtene Beschluss kein Ordnungsmittel gegen den Zeugen. Zwar ist die Aufzählung in § 305 Satz 2 StPO nicht abschließend, vgl. MeyerGoßner, StPO, 47. Aufl., § 305 Rdn. 7 m.w.Nachw.. Nach dem Sinn der Vorschrift rechtfertigt die hier angefochtene Entscheidung aber nicht die ausnahmsweise Eröffnung des Beschwerdewegs. Der - als solcher nicht erforderliche - Beschluss der Strafkammer über die Aussagepflicht des Zeugen steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Beweisaufnahme und der Urteilsfällung. Gerade solche Entscheidungen sollen aber nicht isoliert angefochten werden können, um Verfahrensverzögerungen und eine doppelte Anfechtung einerseits durch eine Beschwerde und andererseits durch ein Rechtsmittel gegen das Urteil zu verhindern.

Die Beschwerde wäre im Übrigen aber auch in der Sache ohne Erfolg gewesen.

Das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 StPO bezweckt den Schutz des Zeugen, der sich in einem Interessenkonflikt zwischen seiner Zeugenpflicht und seiner gegenüber seinem Auftraggeber bestehenden Verschwiegenheitspflicht befindet, sowie den Schutz des Vertrauensverhältnis zwischen demjenigen, der sich der Hilfe einer der in § 53 Abs. 1 Satz 1 StPO genannten Zeugen bedient, und einem solchen Zeugen. Eine Entbindung von der Schweigepflicht, die den Interessenkonflikt des Zeugen entfallen lässt und eine mögliche Verletzung des Vertrauensverhältnisses ausschließt, steht deshalb ausschließlich demjenigen zu, der Auftraggeber des Zeugen war. Das war im hier zu entscheidenden Fall die Firma M... GmbH & Co. KG (nachfolgend Gesellschaft genannt), die dem Zeugen ein Mandat als Wirtschaftprüfer erteilt hat. Die Gesellschaft wird derzeit uneingeschränkt vertreten durch den Insolvenzverwalter. Dieser hat den Zeugen K... von der Schweigepflicht entbunden. Dem Zeugen steht deshalb kein Zeugnisverweigerungsrecht zu.

Auf eine Zustimmung des Angeklagten als des früheren Geschäftsführers der geschäftsführenden KG der Gesellschaft kommt es nicht an, vgl. LG Hamburg NStZRR 2002, 12 m.w.Nachw.. Der Angeklagte persönlich war nicht Auftraggeber des Zeugen. Seine persönlichen Verhältnisse waren nicht Gegenstand des Mandats. Das von § 53 StPO geschützte Vertrauensverhältnis bestand allein zwischen der Gesellschaft und dem Zeugen. Dieser befindet sich auch nur im Verhältnis zu der Gesellschaft in einem Pflichtenwiderstreit.

Ob es der Angeklagte war, der den Mandatsvertrag für die Gesellschaft abschloss und dem Zeugen Auskünfte über Angelegenheiten der Gesellschaft erteilte, ist unerheblich. Dies hätte an seiner statt auch ein bevollmächtigter Angestellter der Gesellschaft tun können. Ebenso wenig wie einem solchen steht dem Angeklagten als früherem Geschäftsführer eine Entscheidung über die Entbindung des Zeugen von seiner - allein der Gesellschaft gegenüber bestehenden - Schweigepflicht zu. Hierzu ist vielmehr allein die Gesellschaft selbst berechtigt.

Die Gegenansicht (vgl. die Nachweise bei MeyerGoßner, § 53 Rdn. 46) führte zu einer sachlich nicht vertretbaren Beeinträchtigung der Wahrheitsermittlung im Strafverfahren, der im Interesse der Allgemeinheit höchste Bedeutung zukommt. Deshalb ist etwa auch für eine Erstreckung des Zeugnisverweigerungsrechtes auf andere Berufsgruppen kein Raum, auch wenn sie den in § 53 StPO ausdrücklich genannten ähnlich sind, vgl. BVerfG NJW 1975, 588.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ergibt sich auch aus § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO nichts anderes. Dort ist ein strafrechtliches Verwertungsverbot für eigene Angaben des Gemeinschuldners statuiert, die dieser im Verlauf des Insolvenzverfahrens gegenüber dem Insolvenzverwalter aufgrund gesetzlicher Verpflichtung macht. Damit ist die vorliegend zu beurteilende Frage schon deshalb nicht vergleichbar, weil es hier nicht um die Verwertbarkeit gesetzlich erzwungener Angaben geht und deshalb eine Verletzung des Verbots einer erzwungenen Selbstbelastung (nemo tenetur se ipse accusare) nicht in Rede steht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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