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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 20.09.2006
Aktenzeichen: 1 Ws 465/06
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 154 Abs. 2
StPO § 154 Abs. 4
StPO § 154 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Oldenburg 1. Strafsenat Beschluss

1 Ws 465/06

In dem Strafverfahren

wegen Diebstahls,

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg am 20. September 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird der Beschluss der 13. Kleinen Strafkammer des Landgerichts Oldenburg vom 6. Juli 2006 aufgehoben.

Gründe:

Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Westerstede vom 5. Juli 2005 wegen gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Diebstahls in Wahlfeststellung mit gewerbsmäßiger Hehlerei zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt worden.

Gegen das Urteil haben der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Der Angeklagte erstrebt seinen Freispruch, die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung wegen Bandendiebstahls oder gewerbsmäßiger Bandenhehlerei. Das Landgericht hat in der Berufungshauptverhandlung vom 21. April 2006 das Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft im Hinblick auf das bei der Großen Strafkammer des Landgerichts Oldenburg anhängige Verfahren 7 KLs 76/05 gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt. In diesem Verfahren ist der Angeklagte am 27. April 2006 rechtskräftig wegen schweren Diebstahls, Hehlerei und wegen schweren Bandendiebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und 10 Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden.

Unter Hinweis auf die unerwartet niedrig ausgefallene Strafe in jenem Verfahren hat die Staatsanwaltschaft am 10. Mai 2006 beantragt, das vorläufig eingestellte Verfahren nach § 154 Abs. 4 StPO wiederaufzunehmen. Diesen Antrag hat das Landgericht mit Beschluss vom 6. Juli 2006 zurückgewiesen.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

Die Beschwerde ist zulässig. Gemäß § 304 Abs.1 StPO ist gegen alle von den Gerichten erlassenen Beschlüsse die Beschwerde als Rechtsmittel zulässig, soweit das Gesetz diese nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht. Da letzteres hier nicht der Fall ist, ist das Rechtsmittel zulässig (vgl. OLG Bamberg NStZ RR 1997,44; KMRPlöd, § 154 Rn.28; Pfeiffer StPO-Kommentar, 5. Aufl., § 154 Rn. 8; SK Komm. ,29.Aufl., § 154 Rn.54; LK 25. Aufl., § 154 Rn. 79; AK-Schöch, § 154 Rn. 48). Die Gegenansicht (vgl. OLG Frankfurt NStZ 1985,39; Meyer-Goßner, StPO, 49.Aufl., § 154 Rn. 24; KK-Schoreit, 4. Aufl. § 154 Rn. 46) vermag nicht zu überzeugen. Sie stützt sich hauptsächlich darauf, dass die Wiederaufnahmeentscheidung vom Gericht nach seinem Ermessen getroffen wird. Strafgerichtliche Ermessensentscheidungen sind indessen nicht per se unanfechtbar. Aus diesem Gesichtspunkt ergibt sich deshalb auch nichts für eine Unanfechtbarkeit der hier in Rede stehenden Entscheidung. Er hat vielmehr nur Bedeutung für den Umfang der Prüfungskompetenz des Beschwerdegerichts, das die angefochtene Entscheidung nur auf einen fehlerhafte Ermessensausübung hin zu überprüfen hat.

Die Beschwerde ist auch begründet, denn die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht auf einem Ermessensfehlgebrauch.

Im Zeitpunkt der vorläufigen Einstellung des Verfahrens gem. § 154 Abs.2 StPO gingen sowohl die Staatsanwaltschaft als auch das Gericht ersichtlich davon aus, dass im Verfahren vor der Großen Strafkammer die Verhängung einer wesentlich höheren Strafe als im vorliegenden Verfahren zu erwarten sei, weshalb die hier zu verhängende Strafe jener gegenüber nicht beträchtlich ins Gewicht fiele. Ausgangspunkt war dabei die vorliegend in erster Instanz vom Schöffengericht ausgesprochene Freiheitsstrafe von 2 Jahren ohne Strafaussetzung, die nach Auffassung der berufungsführenden Staatsanwaltschaft wegen der banden oder gewerbsmäßigen Tatbegehung sogar noch erheblich zu niedrig war. Tatsächlich wurde der Angeklagte in dem anderen Verfahren wider Erwarten nicht nur zu keiner höheren als der im vorliegenden Verfahren vom Amtsgericht ausgesprochenen verurteilt, sondern - aufgrund einer Verfahrensabsprache - zu einer deutlich geringeren Strafe, nämlich lediglich zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung. Damit konnte keine Rede mehr davon sein, dass die vorliegend zu erwartende Strafe neben der in dem anderen Verfahren verhängten nicht beträchtlich ins Gewicht fällt, wie dies eine Verfahrenstellung nach § 154 StPO zwingend voraussetzt. Das gilt wegen der in dem anderen Verfahren gewährten Strafaussetzung selbst dann, wenn die in dem angefochtenen Beschluss angestellte Prognose der Vorsitzenden der kleinen Strafkammer zutreffen sollte, letztlich sei im vorliegenden Verfahren keine höhere Strafe als 9 Monate Freiheitsstrafe zu erwarten.

Die mithin die gesetzliche Vorgabe nicht einhaltende und damit fehlerhafte Ermessensausübung des Landgerichts bei der Ablehnung der Wiederaufnahme führt auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft zur Aufhebung des Ablehnungsbeschlusses. Der Senat kann als Beschwerdegericht nicht selbst die Wiederaufnahme des Verfahrens beschließen, weil diese Entscheidung nur von dem Gericht getroffen werden kann, das die Einstellung beschlossen hat, vgl. SK-Komm. a.a.O.; LK a.a.O.; Rieß NStZ 1985,39 (41). Das Landgericht wird nunmehr unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden haben.

Hinsichtlich der Dreimonatsfrist von § 154 Abs. 4 StPO weist der Senat darauf hin, dass Endzeitpunkt der Frist der Tag der rechtskräftigen Entscheidung über die Verfahrenswiederaufnahme ist. Wegen der Anfechtbarkeit der Ablehnung einer Wiederaufnahme durch die Staatsanwaltschaft (s.o.) und der fehlenden Sachentscheidungsbefugnis des Beschwerdegerichts wird deshalb der Zeitraum zwischen Erlass des angefochtenen Beschlusses und der vorliegenden Beschwerdeentscheidung bei der Fristberechnung nicht zu berücksichtigen sein.

Ende der Entscheidung

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