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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 30.12.2003
Aktenzeichen: 1 Ws 588/03
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 142 Abs. 1
StPO § 142 Abs. 1 Satz 1
StPO § 473 Abs. 1
Bei mehreren Wahlverteidigern ist es grundsätzlich zulässig und sachgerecht, den am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt zum Pflichtverteidiger zu bestellen; die Reihenfolge, in der sich die Verteidiger zur Akte gemeldet haben, ist für die Auswahl des Pflichtverteidigers in der Regel nicht bedeutsam.
Oberlandesgericht Oldenburg Beschluss

1 Ws 588/03

In dem Strafverfahren

wegen Bandendiebstahls,

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg am 30. Dezember 2003 durch die unterzeichnenden Richter beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Vorsitzenden der 5. großen Strafkammer des Landgerichts Oldenburg vom 29. September 2003, mit dem es abgelehnt worden ist, Rechtsanwalt W... als Pflichtverteidiger zu entpflichten und dem Angeklagten Rechtsanwalt L... als Pflichtverteidiger beizuordnen, wird - gemäß § 473 Abs. 1StPO auf Kosten des Beschwerdeführers - verworfen.

Gründe:

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist nach den Umständen davon auszugehen, dass Rechtsanwalt L... die Beschwerde nicht unzulässigerweise im eigenen, sondern im Namen des Angeklagten eingelegt hat.

Die Beschwerde ist aber unbegründet. Der angefochtene Beschluss entspricht der Sach- und Rechtslage.

Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlaß zu anderer Beurteilung. Namentlich sind Gründe eines Vertrauensverlustes des Angeklagten zu seinem im Gerichtsort ansässigen Pflichtverteidiger Rechtsanwalt W..., welche dessen Entpflichtung rechtfertigen könnten, nach wie vor weder konkret vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich. Die bloße zeitweilige Verweigerung der Zusammenarbeit des Angeklagten mit seinem bestellten Pflichtverteidiger reicht als solche für eine Entpflichtung nicht aus. Denn sonst hätte es der Angeklagte in der Hand, jederzeit einen Wechsel des Pflichtverteidigers - und damit eine Unterbrechung oder Aussetzung der Hauptverhandlung oder eine sonstige Verfahrensverzögerung - zu erzwingen.

Entgegen der Annahme der Beschwerde liegt auch kein Ermessensfehler bei der ursprünglichen Pflichtverteidigerbestellung vor. Insoweit beruft sich der Beschwerdeführer ohne Erfolg darauf, dass sich Rechtsanwalt L... einen Tag vor dem Datum der Vollmacht von Rechtsanwalt W... zur Akte gemeldet habe. Bei einer Meldung mehrerer Rechtsanwälte als Verteidiger ist das Gericht nicht gehindert, denjenigen Rechtsanwalt zum Pflichtverteidiger zu bestellen, der an Gerichtsort ansässig ist, ohne dass es entscheidend auf die Reihenfolge der Meldungen zur Akte ankäme, zumal wenn - wie hier - diese in engstem zeitlichen Zusammenhang erfolgen. Die vorzugsweise Bestellung des ortsansässigen Verteidigers entspricht dem in § 142 Abs. 1 Satz 1 StPO zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers und ist auch sachgerecht, nämlich erfahrungsgemäß einer zügigen Durchführung des Verfahrens weitaus dienlicher, als die Bestellung eines Verteidigers, der zu jeder Besprechung und zu jedem Gerichtstermin mehrere hundert km anfahren muß, wie das vorliegend bei Rechtsanwalt L... aus ... der Fall ist. Das gilt um so mehr, wenn sich der Angeklagte - wie hier - in Untersuchungshaft befindet, vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 142 Rdn. 5. Die Bestellung des nicht am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalts kann zwar auch bei einer solchen Sachlage gleichwohl in Ausnahmefällen geboten sein, wenn nämlich der Angeklagte zu diesem seiner mehreren Verteidiger ein besonderes Vertrauensverhältnis besitzt und dies dem Gericht angezeigt wird oder sonst erkennbar ist, vgl. Meyer-Goßner, a.a.O. Rdn. 12. Das ist hier aber nicht der Fall, und läßt sich insbesondere nicht schon hinreichend aus der Tätigkeit von Rechtsanwalt L... im Ermittlungsverfahren entnehmen.

Entgegen der Ansicht der Beschwerde war hier schließlich auch keine gesonderte Anhörung des Angeklagten vor der Bestellung des Pflichtverteidigers geboten, weil der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Verteidiger gewählt und namhaft gemacht hatte. Da zwei Pflichtverteidiger ersichtlich nicht in Betracht kamen, ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Angeklagte, der ein besonderes Vertrauensverhältnis zu einem der Verteidiger nicht hat erkennen lassen, damit einverstanden war, dass nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichtsvorsitzenden gemäß § 142 Abs. 1 StPO einer dieser beiden Verteidiger zum Pflichtverteidiger bestellt wurde.

Ende der Entscheidung

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