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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Urteil verkündet am 08.10.2003
Aktenzeichen: 3 U 52/03
Rechtsgebiete: VVG, AFB 87


Vorschriften:

VVG § 38 Abs. 1 S 2
VVG § 38 Abs. 2
AFB 87 § 8 Nr. 3
1. Scheitert die Abbuchung der Erstprämie durch den Versicherer mangels Deckung auf dem Konto des Versicherungsnehmers und verschieben die Vertragsparteien daraufhin den Versicherungsbeginn um zwei Monate, so handelt es sich bei der dann zu zahlenden Prämie um die Erstprämie.

2. Durch die erweiterte Einlösungsklausel des § 8 Nr. 3 AFB 87 wird keine Belehrungspflicht des Versicherers begründet.


Oberlandesgericht Oldenburg Im Namen des Volkes Urteil

3 U 52/03

Verkündet am 08.10.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 1. Oktober 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie die Richter am Oberlandesgericht ... und ... für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 27. Juni 2003 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte nach einem Brandschaden im Wege der Teilklage aus zwei Feuerversicherungsverträgen in Anspruch.

Der Kläger schloss bei der Beklagten im August 2001 für eine zu seinem Gewerbebetrieb gehörende Halle "gebündelte" Sachversicherungen ab, durch die zum einen das Gebäude und zum anderen dessen Inhalt versichert wurden. Versicherungsbeginn sollte der 1. September 2001 sein. Nachdem ein Versuch der Beklagten, die Prämien verabredungsgemäß vom Konto des Klägers abzubuchen, mangels Deckung gescheitert war, wurde der Versicherungsbeginn auf Wunsch des Klägers auf den 1. November 2001 verlegt. Ansonsten blieb es bei den vereinbarten Bedingungen. Mit Schreiben der Beklagten vom 16. Oktober 2001 erhielt der Kläger die neuen Versicherungsscheine übersandt sowie Überweisungsformulare mit der Bitte um Überweisung der Prämien in den nächsten Tagen. Dies geschah nicht. Auch Mahnungen vom 9. Dezember 2001 und 29. Januar 2002 blieben erfolglos. Am 21. März 2002 wurde das versicherte Gebäude nebst Inhalt durch einen Brand weitgehend zerstört. Tags darauf, am 22. März 2002, zahlte der Kläger die Prämien bar an einen Versicherungsagenten der Beklagten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Beklagte sei nach § 38 VVG leistungsfrei. Zwar könne sich die Beklagte nicht auf § 38 Abs. 2 VVG berufen, weil sie den Kläger nicht über die Gefahr des rückwirkenden Wegfalls des Versicherungsschutzes bei nicht unverzüglicher Prämienzahlung belehrt habe. Sie sei aber nach § 38 Abs. 1 S. 2 VVG leistungsfrei. Die Entgegennahme der Erstprämie durch den Agenten am Tage nach dem Brand stehe der Leistungsverweigerung der Beklagten nach Treu und Glauben nicht entgegen.

Mit seiner frist und formgerecht eingelegten Berufung vertritt der Kläger die Auffassung, § 38 VVG sei nicht einschlägig, weil es sich bei den zum 1. November 2001 fälligen Prämien nicht um Erst, sondern um Folgeprämien gehandelt habe. Selbst wenn man dies anders sehen wollte, stehe der Beklagten kein Leistungsverweigerungsrecht zu. § 38 Abs. 2 VVG komme aus den vom Landgericht genannten Gründen nicht in Betracht und auf § 38 Abs. 1 S. 2 VVG könne sich die Beklagte nach Treu und Glauben nicht berufen, weil sie nicht nur die Erstprämie am Tage nach dem Brand entgegengenommen habe, sondern zum 1. Mai 2002 auch noch die Folgeprämien verlangt und erhalten habe.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.500 € aus der GebäudeFeuerversicherung (400.067.184.660) sowie 1.000 € aus der InhaltsFeuerversicherung (400.067.183.965) jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Die Beklagte ist nach § 38 VVG leistungsfrei.

Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei den am 1. November 2001 fälligen Prämien um Erstprämien im Sinne von § 38 VVG. Hierunter ist bei laufender Prämienzahlungsverpflichtung die erstmals zu entrichtende Prämie zu verstehen (BGHZ 21, 122, 132). So liegt der Fall hier. Dabei kann dahin stehen, ob die Parteien im Oktober 2001 einen neuen Vertrag geschlossen haben oder ob der alte Vertrag unter Wahrung der Vertragsidentität nur abgeändert werden sollte. Auch in letzterem Fall haben sich die Parteien jedenfalls unstreitig darauf geeinigt, dass der Vertragsbeginn, und damit der Zeitpunkt, zu dem Prämien erstmals zu entrichten waren, vom 1. September auf den 1. November 2001 verschoben wurde. Dass die ersten Prämien ursprünglich zum 1. September 2001 zu zahlen gewesen wären, ist danach ohne Belang.

Die Versicherungsscheine sind dem Kläger mit der Bitte um Überweisung der Prämien "in den nächsten Tagen" unter dem 16. Oktober 2001 übersandt worden. Die Erstprämien waren daher sofort nach Ablauf der vierzehntägigen Einspruchsfrist (§§ 35, 5 a VVG) spätestens Anfang November 2001 fällig, sind jedoch unstreitig bis zum Eintritt des Versicherungsfalls am 21. März 2002 nicht gezahlt worden. Grundsätzlich kommt danach eine Leistungsfreiheit der Beklagten sowohl nach § 38 Abs. 2 VVG in Betracht, als auch aufgrund eines fiktiven Rücktritts nach § 38 Abs. 1 S. 2 VVG.

Auf letztere Bestimmung kann sich die Beklagte allerdings nicht berufen, denn sie hat unstreitig die Erstprämien durch ihren Versicherungsagenten am Tage nach Eintritt des Versicherungsfalls entgegengenommen, das Geld behalten und später auch noch die Folgeprämien angefordert und bekommen. Unter diesen Umständen verstieße eine Berufung der Beklagten auf § 38 Abs. 1 S. 2 VVG gegen die Gebote von Treu und Glauben (vgl. BGH VersR 1982, 358; Prölss/Martin/ Knappmann, VVG, 26. Auflage, § 38 Rn. 32).

Die Beklagte ist aber nach § 38 Abs. 2 VVG leistungsfrei, weil die Erstprämien zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalls noch nicht gezahlt waren.

Dass sie den Kläger nicht darüber belehrt hat, dass kein Versicherungsschutz bestehe, wenn die Erstprämie nicht rechtzeitig gezahlt werde, hindert sie nicht, sich auf § 38 Abs. 2 VVG zu berufen, denn zu einer solchen Belehrung bestand kein Anlass. Die Rechtsprechung hat zwar eine Belehrung für erforderlich gehalten in Fällen, in denen der Versicherungsnehmer, wie bei der vorläufigen Deckungszusage in der KfzVersicherung, besonders schutzbedürftig ist, weil ihm der rückwirkende Wegfall eines bereits bestehenden Versicherungsschutzes droht (BGH VersR 1967, 569; 1973, 811; 1985, 981). So liegt der Fall hier aber nicht. Nach § 8 Nr. 1 der dem Vertragsverhältnis der Parteien zugrunde liegenden AFB 87 hat der Versicherungsnehmer die erste Prämie gegen Aushändigung des Versicherungsscheins zu zahlen. Die Folgen nicht rechtzeitiger Zahlung ergeben sich aus § 38 VVG in Verbindung mit § 8 Nr. 3. AFB 87. Danach beginnt die Haftung des Versicherers mit dem vereinbarten Zeitpunkt, und zwar auch dann, wenn zur Prämienzahlung erst später aufgefordert, die Prämie aber unverzüglich gezahlt wird. Bei einer solchen "erweiterten Einlösungsklausel" bleibt es grundsätzlich dabei, dass bis zur Zahlung der Erstprämie kein Versicherungsschutz besteht, der bei deren nicht fristgerechter Zahlung rückwirkend wegfallen könnte. Vielmehr wird Versicherungsschutz dann, aber auch nur dann, rückwirkend begründet, wenn ein Vertragsschluss zustande kommt und der Versicherungsnehmer auf Anforderung die Erstprämie unverzüglich zahlt. Einer besonderen Belehrung über diese Rechtsfolge bedarf es nicht (OLG Hamm VersR 1994, 1098; OLG Karlsruhe r + s 1999, 442; OLG München VersR 2003, 195; Römer/Langheid, VVG, 2. Auflage, § 38 Rn. 17).

Schließlich ist es der Beklagten auch nicht deshalb verwehrt, sich auf § 38 Abs. 2 VVG zu berufen, weil sie am Tage nach dem Brand die Erstprämien entgegengenommen hat. Durch die Annahme dieser Prämien, auf die sie nach dem fortbestehenden Vertrag einen Anspruch hatte, hat die Beklagte nicht zum Ausdruck gebracht, sie wolle für den bereits eingetretenen Versicherungsfall den Versicherungsschutz übernehmen (BGH VersR 1963, 376, 378)

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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