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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 22.10.2009
Aktenzeichen: 5 W 54/09
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 3
Der Streitwert einer Klage auf Duldung der Wegnahme von Strom-, Gas- und Wasserzählern bemisst sich danach, welcher Schaden dem Versorger bei Fortsetzung der Lieferungen in den nächsten sechs Monaten voraussichtlich entstehen wird.
Oberlandesgericht Oldenburg Beschluss

5 W 54/09

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Landgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... am 22. Oktober 2009 beschlossen:

Tenor:

Die weiteren Beschwerden der Klägerin und der L... N... gegen den Beschluss des Landgerichts Osnabrück vom 6. August 2009 werden zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Der Beklagte hat bei der Klägerin fortlaufend Strom, Gas und Wasser bezogen. Dafür hatte er monatliche Abschläge in Höhe von 280,00 € zu zahlen. Nachdem erhebliche Rückstände aufgelaufen waren, hat die Klägerin den Beklagten gerichtlich in Anspruch genommen. Vor dem Amtsgericht Osnabrück hat sie beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihr Zugang zu seiner Wohnung zu gewähren und den Ausbau der Strom, Gas und Wasserzähler zu dulden. Gegen den Beklagten ist ein Versäumnisurteil ergangen, das inzwischen rechtskräftig ist. Den Streitwert hat das Amtsgericht auf den zwölffachen Betrag des monatlich geschuldeten Abschlags - insgesamt 3.360,00 € - festgesetzt.

Auf die Beschwerde der Klägerin hat das Landgericht mit Beschluss vom 6. August 2009 den Streitwert auf den sechsfachen Betrag des monatlich geschuldeten Abschlags, also auf 1.680,00 €, reduziert.

Dagegen richten sich die sowohl von der Landeskasse als auch von der Klägerin erhobenen weiteren Beschwerden. Der Bezirksrevisor als Vertreter der Landeskasse hält die Entscheidung des Amtsgerichts für zutreffend. Demgegenüber vertritt die Klägerin die Auffassung, in Gestaltungen der vorliegenden Art setze der Streitwert sich zusammen aus dem Verkehrswert der Zähler, deren Herausgabe begehrt werde, und einem mit 1/3 zu bemessenden Bruchteil der aufgelaufenen Zahlungsrückstände.

Die Rechtsmittel sind gemäß §§ 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. 66 Abs. 3 Satz 4 und Abs. 4 GKG zulässig. Das Landgericht hat die weitere Beschwerde in der angegriffenen Entscheidung mit bindender Wirkung zugelassen. Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind erfüllt. Insbesondere ist die einmonatige Beschwerdefrist (§ 68 Abs. 1 Satz 6 GKG) gewahrt. Zwar ist die Beschwerdeschrift der Klägerin vom 25. August 2009, die ihrer Darstellung zufolge dem Landgericht am selben Tag per Telefax übermittelt worden ist, zunächst nicht zur Akte gelangt und bei dem Landgericht auch nicht auffindbar gewesen. Doch ist bereits am 28. August 2009 die Beschwerdebegründung der Klägerin eingegangen. Dieser lässt sich eindeutig entnehmen, dass und in welchem Umfang der Beschluss des Landgerichts vom 6. August 2009 angegriffen werden soll. Schon dadurch hat die Klägerin die weitere Beschwerde fristgemäß erhoben.

In der Sache musste beiden Rechtsmitteln der Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung des Landgerichts, den Streitwert auf den sechsfachen Betrag des monatlich geschuldeten Abschlags festzusetzen, begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Entgegen der Auffassung der Klägerin fließt der Verkehrswert der Zähler, deren Ausbau sie anstrebt, nicht in den Streitwert ein. Gemäß § 6 Satz 1 ZPO ist der Verkehrswert einer Sache maßgebend, wenn um ihren Besitz gestritten wird. In Verfahren, in denen ein Energie oder Wasserversorger - wie hier - einen Antrag auf Duldung der Wegnahme von Strom, Gas oder Wasserzählern stellt, geht es jedoch primär nicht um die Erlangung des Besitzes an den Zählern. Im Vordergrund steht vielmehr das Interesse des Versorgungsunternehmens, gegenüber einem Kunden, der erheblich in Zahlungsverzug geraten ist, nicht weiter in Vorleistung treten zu müssen.

Das zuletzt genannte Interesse ist gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen zu bewerten. Dabei stellt die Rechtsprechung - wie auch das Amtsgericht und das Landgericht in dem vorliegenden Verfahren - inzwischen ganz überwiegend auf zwei Faktoren ab, nämlich zum einen auf den Zeitraum, der üblicherweise zwischen der Entstehung des Duldungsanspruchs und der Erlangung einer entsprechenden vollstreckbaren Entscheidung liegt, und zum anderen auf den in dieser Zeit voraussichtlich anfallenden Verbrauch, der in den festgesetzten Monatsabschlägen zum Ausdruck kommt (so etwa OLG Braunschweig, NJW-RR 2006, S. 1584. Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 17.01.2008, Az.: 14 W 3/08, zitiert nach juris. OLG Köln, Beschluss vom 05.12.2005, Az.: 5 W 161/05, zitiert nach juris. Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 02.02.2009, Az.: 14 W 6/09, zitiert nach juris mit w. N.).

Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Sie trägt den tatsächlichen Gegebenheiten am besten Rechnung, indem sie das Interesse an der Durchsetzung der Leistungsunterbrechung danach bemisst, welcher Schaden bei Fortsetzung der Lieferung mit Gas, Wasser oder Strom zu befürchten wäre. Der Ansatz der Klägerin, den potenziellen künftigen Ausfallschaden aus einem Bruchteil der bisherigen Rückstände abzuleiten, vermag demgegenüber nicht zu überzeugen. Schon der mit einer Parallele zur Feststellungsklage begründete Abschlag wird dem wirtschaftlichen Verlust, der bei einer fortgesetzten Belieferung droht, nicht gerecht. Ebenso wenig kann die Klägerin mit ihrem Argument durchdringen, tendenziell höhere Streitwerte würden angesichts der Vielzahl der Fälle, in denen Klage auf Duldung der Zählerwegnahme zu erheben sei, eine "Kostenexplosion" auf Seiten der Versorgungsunternehmen nach sich ziehen, die ihrerseits die Gemeinschaft der Verbraucher belaste. Derartige gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge müssen, da es um die Bewertung individueller Rechtsstreite geht, als Bemessungsfaktor außer Betracht bleiben.

Nach dem Gesagten kommt es darauf an, welcher Zeitraum üblicherweise zwischen der Entstehung des Duldungsanspruchs und der Erlangung einer vollstreckbaren Entscheidung liegt. Insoweit gehen die Auffassungen in der Judikatur auseinander. Während teilweise angenommen wird, dass ein Jahresbetrag der geschuldeten Abschläge angemessen sei (so etwa Hanseatisches OLG Hamburg und OLG Köln, jeweils a. a. O.), gehen andere Gerichte davon aus, dass innerhalb von sechs Monaten mit einem erstinstanzlichen Urteil gerechnet werden könne (so etwa OLG Braunschweig, a. a. O. und Schleswig-Holsteinisches OLG, a. a. O. mit weiteren Nachweisen für beide Ansichten und für dazwischen liegende Auffassungen).

Der Senat hält - anders als der Bezirksrevisor - den zuletzt genannten kürzeren Zeitraum für realistisch. Er entspricht zum einen der statistisch ausgewiesenen durchschnittlichen Erledigungsdauer amtsgerichtlicher Zivilverfahren mit Urteil in Niedersachsen. Zum anderen können Rechtsstreitigkeiten der vorliegenden Art teilweise sehr zügig - etwa im Versäumnisverfahren oder durch Vergleich - beendet werden. Nicht zum Maßstab genommen werden können allerdings die Ausführungen der Klägerin, wonach es bei den Gerichten in Osnabrück in der Regel höchstens drei Monate dauert, bis ein erstinstanzlicher vollstreckbarer Titel vorliegt. Immerhin haben die betreffenden Gerichte in dem vorliegenden Verfahren selbst längere Zeitspannen genannt. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es für die Schätzung des Streitwertes nur einer durchschnittlichen Größenordnung bedarf, erscheint es angemessen, wenn das Landgericht die Dauer eines Zivilverfahrens zur Verhinderung einer weiteren Entnahme von Strom, Gas oder Wasser mit sechs Monaten veranschlagt.

Nach alledem waren beide weiteren Beschwerden zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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