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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Urteil verkündet am 03.04.2009
Aktenzeichen: 6 U 149/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 204 Abs. 1 Nr. 14
Ein missbräuchlich, in Kenntnis der fehlenden Bedürftigkeit gestellter Prozesskostenhilfeantrag führt nicht zu einer Verjährungshemmung im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB.
OBERLANDESGERICHT OLDENBURG

Im Namen des Volkes

Urteil

6 U 149/08

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ...r und den Richter am Oberlandesgericht ... auf die mündliche Verhandlung vom 20.03.2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 14.08.2008 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg geändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Der Kläger war Inhaber der Firma W.... Er unterhielt für diese Firma seit 1983 ein Geschäftskonto bei der V... G.... Mit einem sog. Geschäftsübernahmevertrag vom 30.06.2000 übertrug der Kläger dem Beklagten diese Firma mit allen Aktiva, Passiva sowie dem Umlaufvermögen und den Außenständen. Mit Schreiben vom 31.10.2001 kündigte die V... G... den o.a. Kontokorrentkredit des Klägers/Beklagten und nahm den Kläger für die Verbindlichkeit gerichtlich in Anspruch (Landgericht Oldenburg, 15 O 688/02). Für dieses Verfahren wurde dem Kläger (zunächst) Prozesskostenhilfe bewilligt. Aufgrund eines entsprechenden Urteils des Landgerichts Oldenburg vom 01.08.2002, mit dem festgestellt wurde, das die Geschäftsübernahme ein Schuldbeitritt und keine Schuldübernahme gewesen sei, wurde der Kläger verpflichtet, u. a. den mit der Hauptsache geltend gemachten Betrag i.H.v. 132.129,30 EUR an die V... zu zahlen. Diese nahm den Kläger daraufhin in Anspruch.

Mit Schreiben an seinen damaligen Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt ... vom 08.08.2002 (Landgericht Oldenburg, 8 O 3345/03, Bl. 100) bat der Kläger um Beratung, ob diverse vorgeschlagene Vermögensverschiebungen zu seiner Absicherung dienen könnten, so dass bei einer Pfändung durch die V... diese leer ausginge ("wie sicher ist das alles, wenn die V... das angreift").

Mit Prozesskostenhilfeantrag vom 07.10.2003 (Landgericht Oldenburg, 8 O 3345/03) verlangte der Kläger vom Beklagten den Ausgleich dieser gegen ihn von der V... geltend gemachten Forderung. Noch bevor das Landgericht Oldenburg über diesen Prozesskostenhilfeantrag entschieden hatte, hat es in dem o. a. vorangegangenen Verfahren 15 O 688/02 mit Beschluss vom 30.10.2003 die dortige Prozesskostenhilfebewilligung des Klägers (dort Beklagter) aufgehoben, da er "absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat". Es habe sich herausgestellt, dass der Kläger über nicht unerhebliches Vermögen verfügt, insbesondere Grundvermögen und eine grundbuchrechtlich abgesicherte monatlich Rente bis zum 01.04.2014 über 6.600,00 DM. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen im Beschluss des Landgerichts Oldenburg verwiesen. Mit Beschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 12.12.2003 (15 W 36/03) wurde eine sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Oldenburg zurückgewiesen.

Im Prozesskostenhilfeantrag vom 07.10.2003 hat der Kläger die o. a. Werte in seiner Vermögensaufstellung im Wesentlichen erneut nicht angegeben. Deshalb stellte das Landgericht mit Verfügung vom 30.09.2005 beim Kläger insbesondere unter Hinweis auf den Beschluss vom 30.10.2003 (15 O 688/02, Bl. 173 ff.) diverse Nachfragen zum Vermögen des Klägers. Diese wurden vom Beklagten nicht beantwortet. Mit Beschluss vom 16.12.2005 lehnte das Landgericht deshalb den Antrag auf Prozesskostenhilfe ab.

Im vorliegenden Rechtsstreit, der einen weitgehend identischen Sachverhalt zum Verfahren 8 O 3345/03 hat, wurde vom Kläger ebenfalls Prozesskostenhilfe beantragt. Diese wurde mit Beschluss vom 10.10.2007 unter Hinweis auf sein bestehendes Vermögen abgelehnt. Die dagegen eingelegte Beschwerde wies das Oberlandesgericht Oldenburg mit Beschluss vom 19.12.2007 zurück. Daraufhin zahlte der Kläger den Gerichtskostenvorschuss unter Hinweis auf "wohlhabende Gönner" ein.

Das Landgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 73.540,47 EUR abzüglich eines aus einer Sparurkunde gezahlten Betrages in Höhe von 10.942,80 EUR. Die Klageforderung in Höhe von 132.129,30 EUR, die in der Hauptsache unstreitig ist, sei nicht verjährt, da durch die Prozesskostenhilfeverfahren eine entsprechende Hemmung eingetreten sei. Aufgrund der zur Aufrechnung gestellten Beträge des Beklagten sei die Hauptforderung allerdings teilweise erloschen.

Gegen dieses Urteil richten sich die Berufungen beider Parteien. Der Kläger ist der Auffassung, die Aufrechnungen seien unbegründet. Der Beklagte ist hingegen der Meinung, dass die Hauptforderung des Klägers bereits mit Ablauf des 31.12.2004 verjährt sei, weil der Prozesskostenhilfeantrag vom 07.10.2003 rechtsmissbräuchlich gestellt worden sei und daher keine Hemmungswirkung herbeigeführt habe.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 14.08.2008 verkündeten Urteils des Landgerichts Oldenburg - Aktenzeichen 15 O 1158/07 - den Beklagten zur Zahlung weiterer 58.588,83 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.11.2008 zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 14.08.2008 verkündeten Urteils des Landgerichts Oldenburg - Aktenzeichen 15 O 1158/07 - die Klage abzuweisen.

Im Übrigen beantragen beide Parteien

die wechselseitigen Berufungen zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Feststellungen des landgerichtlichen Urteils sowie die in Bezug genommenen Schriftstücke verwiesen.

II.

Beide Berufungen sind zulässig, jedoch ist nur die des Beklagten begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Ausgleichsanspruch in Höhe des geltend gemachten Betrages, da dieser mit Ablauf des 31.12.2004 verjährt ist.

Zutreffend stellt das Landgericht zunächst fest, dass der Kläger ursprünglich einen Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 2 BGB gegen den Beklagten hatte. Rechtsfehlerfrei ist die weitere Feststellung, dass hinsichtlich dieses Anspruchs grundsätzlich die Verjährung mit Ablauf des 31.12.2004 eintritt. Insoweit wird auf die Ausführungen im Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Der Senat ist in Abweichung zu den Feststellungen des Landgerichts allerdings der Auffassung, dass keine Verjährungshemmung im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB durch das Stellen des Prozesskostenhilfeantrages vom 07.10.2003 eingetreten ist. Denn ein missbräuchlich gestellter Antrag entfaltet keine hemmende Wirkung (so auch: Grothe in Münchner-Kommentar zum BGB, 5. Auflage, § 204 Rdnr. 65. Palandt-Heinrichs, BGB, 68. Auflage, § 204, Rdnr. 30).

Die Regelung des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB soll der Partei, die sich für bedürftig hält, die Möglichkeit eröffnen, bereits durch die Bekanntgabe eines Prozesskostenhilfeverfahrens die Verjährung zu hemmen. Dadurch soll die sich für bedürftig haltende Partei nicht schlechter gestellt sein als die Partei, die jederzeit ohne weiteres durch Zahlung eines Kostenvorschusses die Rechtshängigkeit und die damit verbundene Hemmung herbeiführen kann. Es entspricht jedoch nicht dem Normzweck, einer hinreichend vermögenden Partei, die genau weiß, dass sie nicht bedürftig ist, die Möglichkeit einer Hemmung durch das Prozesskostenhilfeverfahren zu verschaffen, bis das Gericht erkannt hat, dass diese Partei ihre Vermögensverhältnisse verschleiert. Denn eine solche Partei ist nicht aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse gehindert, durch Einzahlung des Kostenvorschusses jederzeit die Hemmung der Verjährung herbeizuführen. Wer daher bewusst missbräuchlich ein Prozesskostenhilfeverfahren anstrengt, um sich auf Kosten des Staates um den (nicht zu zahlenden) Prozesskostenvorschuss zu bereichern, kann sich nicht auf die zur "Waffengleichheit" zwischen bedürftiger und nicht bedürftiger Partei geschaffene Hemmungswirkung des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB berufen. Dabei geht es nicht um die Fehleinschätzung über die eigene Bedürftigkeit, sondern nur um die Fälle, in denen offensichtlich - für jede Partei ohne weiteres erkennbar - keine Bedürftigkeit vorliegt.

Um einen solchen Fall handelt es sich hier. Der Kläger kannte seine wirtschaftlichen Verhältnisse genau. Dies wird nicht zuletzt durch das Schriftstück an seinen damaligen Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt ... vom 08.08.2002 (Landgericht Oldenburg, 8 O 3345/03, Bl. 100) deutlich. Trotzdem hat er in Kenntnis der Tatsache, dass er mit der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Vollständigkeit der Angaben zu versichern hatte, weite Teile der Erklärung unvollständig ausgefüllt. Er hat weder die Einnahmen seiner Ehefrau angegeben noch sich zu den Vermögenswerten geäußert, die letztlich zur Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung im Verfahren 15 O 688/02 führten. Er wurde vom Landgericht unter Hinweis auf den Beschluss vom 30.10.2003 (Bl. 173 im Verfahren 15 O 688/02) unter dem 30.09.2005 (Bl. 4 des PKH-Hefts im Verfahren 8 O 3345/03) detailliert aufgefordert, seine Vermögensverhältnisse nunmehr darzulegen. Dem kam er nicht nach. Er reagierte vielmehr bis heute überhaupt nicht. Seine in der mündlichen Verhandlung vom 20.03.2009 geäußerte Behauptung, er hätte jederzeit belegen können, dass er damals bedürftig gewesen sei, ist daher nicht glaubhaft. Vielmehr muss aufgrund seines Verhaltens davon ausgegangen werden, dass der Kläger ganz zielgerichtet seine tatsächlichen Vermögensverhältnisse verschleiern wollte, um auf die Weise in betrügerischer Absicht Prozesskostenhilfe zu erlangen. Für einen solchen Sachverhalt hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB nicht vorgesehen. Die Vorschrift ist daher im vorliegenden Fall teleologisch dahingehend auszulegen, dass sie nur gilt, wenn der Antragsteller nicht bewusst missbräuchlich handelt. Dies tat der Kläger bei der ihm bekannten Vermögenslage aber ganz offensichtlich.

Auch die Tatsache, dass das Landgericht in der Zeit vor dem Ablauf bis nach dem Eintritt der Verjährung das Verfahren nicht betrieben hat, ändert an der grundsätzlichen Erforderlichkeit einer teleologischen Reduktion der Hemmungsvorschrift nichts. Denn es hinderte den Kläger nichts daran, durch Einzahlung eines Kostenvorschusses die Zustellung der Klage zu veranlassen. Wer aber in betrügerischer Absicht versucht, sich Prozesskostenhilfe zu erschleichen, kann nicht davon profitieren, dass ein solches missbräuchlich angestrengtes Verfahren zögerlich bearbeitet wird.

Entgegen der Auffassung des Klägers trat auch kein Neubeginn der Verjährung (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB) der von ihm geltend gemachten Forderung durch ein Anerkenntnis ein. Denn die Zinszahlungen des Beklagten auf das ehemalige Geschäftskonto des Klägers bei der V... stellen allenfalls ein Anerkenntnis der Gesamtschuld der Parteien gegenüber der V... dar. Eine Aussage über den Gesamtschuldnerinnenausgleich in Form eines Anerkenntnisse ist damit nicht verbunden, da weder der Anspruchsgrund noch der Anspruchsberechtigte der vom Beklagten befriedigten Forderung identisch mit der Forderung des Klägers sind. Vielmehr handelte der Beklagte bei Zahlung der Zinsen auch in Erfüllung seiner eigenen Verbindlichkeit. Denn wie das Landgericht im Urteil zum Verfahren 15 O 688/02 festgestellt hatte, stellt die Geschäftsübernahme des Beklagten vom 30.03.2000 einen Schuldbeitritt dar. Der Beklagte haftet daher genauso wie der Kläger für die Zinsen aus dem Kontokorrentverhältnis und erfüllt mit der Zinszahlung nur seine eigene Schuld gegenüber der V.... Daher kann entgegen der Auffassung des Klägers auch in dieser Zahlung entsprechend dem Grundsatz von Treu und Glauben im Sinne des § 242 BGB kein Anerkenntnis im Rahmen des Gesamtschuldnerinnenausgleichs gesehen werden. Letztlich kann dies aber auch dahinstehen, denn ein Neubeginn der Verjährung im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB setzt des Weiteren voraus, dass der Schuldner (Beklagter) dem Gläubiger (Kläger) gegenüber die Leistung anerkennt. Die Zahlung muss dem Kläger daher zur Kenntnis gelangt sein (Grothe in Münchner-Kommentar zum BGB, 5. Auflage, § 212 Rdnr. 11 m.w.N.. Palandt-Heinrichs, BGB, 68. Auflage, § 212, Rdnr. 7). Dass er von dem Zinszahlungen während deren Tilgung Kenntnis erlangt hätte, hat der Kläger aber nicht behauptet. Auch aus diesem Grund liegt kein Anerkenntnis durch die Zinszahlung vor. Ein Neubeginn der Verjährung wurde nicht herbeigeführt.

Im Ergebnis ist daher der geltend gemachte Anspruch mit Ablauf des 31.12.2004 verjährt, weshalb die Berufung des Beklagten Erfolg hat. Auf die vom Beklagten zur Aufrechnung gestellten Forderungen kommt es somit mangels Hauptforderung nicht an, so dass bereits aus diesem Grund die Berufung des Klägers erfolglos ist.

Die Schriftsätze des Klägers vom 25.03.2009 und des Beklagten vom 25.03.2009 gaben keinen Anlass, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 97, 708 Nr. 10, 709 S. 2, 711 ZPO.



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