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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 06.03.2008
Aktenzeichen: 6 W 16/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 51 Abs. 1
ZPO § 52
Zur Notwendigkeit der persönlichen Anhörung des Betroffenen durch das Gericht vor einer Feststellung der Prozessunfähigkeit.
OBERLANDESGERICHT OLDENBURG Beschluss

6 W 16/08

In der Beschwerdesache

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

am 6. März 2008

beschlossen:

Tenor:

Das gegen den Richter am Oberlandesgericht Dr. R...angebrachte Befangenheitsgesuch (in der Beschwerdeschrift vom 14.07.2007) wird verworfen.

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 14.07./18.07.2007 wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 29.05.2007 aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Oldenburg zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Das vom Antragsteller angebrachte Befangenheitsgesuch ist unzulässig, da die Schriftsätze vom 14.07.2007 und 19.06.2007 keine ernsthafte detaillierte und nachvollziehbare Begründung enthalten, weshalb der Richter Dr. R...befangen und deshalb von der Mitwirkung an der Entscheidung ausgeschlossen sein sollte. Das Vorbringen des Antragstellers erschöpft sich in unsachlichen und grob verunglimpfenden Äußerungen, ohne im Einzelnen ernsthafte Gründe darzulegen, die gegen die Unparteilichkeit des Richters Dr. R...sprechen könnten. Deshalb ist das Ablehnungsgesuch als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren.

II.

Der Antragsteller, der gemäß § 63 StGB auf gerichtliche Anordnung in Bad Zwischenahn in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht ist, hat mit Schriftsatz vom 17.12.2005 - adressiert an das Verwaltungsgericht Bremen - "Klage" eingereicht und einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nebst Beiordnung eines Rechtsanwalts gestellt. Er macht unter anderem einen Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung (§ 839 BGB) geltend. Das Verwaltungsgericht Bremen hat mit Beschluss vom 25.01.2006 (Bd. I Bl. 29 d. A.) hinsichtlich des Anspruchs aus Amtshaftung den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und das Verfahren an das (zuständige) Landgericht Oldenburg verwiesen.

Vor der Zustellung des Prozesskostenhilfegesuchs nebst Klage(entwurf) hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg mit Beschluss vom 14.12.2006 (Bd. I Bl. 56, 57 d. A.) von Amts wegen die Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens angeordnet, weil sie aufgrund ihr bekannter Umstände Zweifel an der Prozessfähigkeit des Antragstellers hegte. Zugleich hat sie dem Antragsteller Gelegenheit gegeben, zu der Person des Sachverständigen Stellung zu nehmen. Nach Ablauf der Stellungnahmefrist beauftragte die 5. Zivilkammer den Sachverständigen Prof. Dr. med. F.... Dieser erstattete unter dem 26.04.2007 ein psychiatrisches Sachverständigengutachten (Bd. I Bl. 79 bis 122 d. A.), wobei er sich auf ihm übersandte Aktenunterlagen bei seiner Beurteilung stützte, weil der Antragsteller sich einer Untersuchung nicht stellen wollte. Im Hinblick auf die Beurteilung des Sachverständigen wird auf den Inhalt des Gutachtens verwiesen.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 29.05.2007 hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die vom Antragsteller beabsichtigte Prozessführung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO), weil ihm die erforderliche Prozessfähigkeit (§§ 51 Abs. 1, 52 ZPO) fehle. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss (Bd. I Bl. 127 f d.A.) verwiesen.

Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 14.07.2007 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde eingereicht und zur Begründung auch auf seinen Schriftsatz vom 19.06.2007 verwiesen (Bd. I Bl. 135 - 151 d.A.).

Das Landgericht Oldenburg hat der sofortigen Beschwerde des Antragstellers durch Beschluss vom 18.02.2008 nicht abgeholfen und dem Oberlandesgericht Oldenburg als Beschwerdegericht vorgelegt (§ 572 Abs. 1 ZPO).

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere wurde das Rechtsmittel form- und fristgerecht angebracht (§§ 567, 569, 127 Abs. 2 ZPO). Der Antragsteller hat die in § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO geregelte Notfrist von 1 Monat seit Zustellung des angefochtenen Beschlusses gewahrt. Der die Prozesskostenhilfe versagende Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 29.05.2007 wurde dem Antragsteller ausweislich der zu den Akten gelangten Zustellungsurkunde am 09.06.2007 im Landeskrankenhaus W.. zugestellt. In der Beschwerdebegründung vom 14.07.2007 hat der Antragsteller darauf hingewiesen, er habe den Beschluss (erst) am 19.06.2007 erhalten. Von dem Datum ist für die Berechnung der Notfrist (§§ 569 Abs. 1 Abs. 1 i. V. m. § 127 Abs.2 Satz 3 ZPO) auszugehen. Hinsichtlich der (Ersatz)Zustellung gemäß § 178 Abs. 1 Nr. 3 ZPO und deren Unwirksamkeit nach § 178 Abs. 2 ZPO wird auf den Beschluss des Senats vom 30.10.2007 verwiesen. Der Zustellungsmangel wurde jedoch gemäß § 189 ZPO geheilt, als dem Antragsteller der Beschluss vom 29.05.2007 tatsächlich am 19.06.2007 ausgehändigt wurde und er von dem zurückweisenden Beschluss Kenntnis erhielt. Noch vor Ablauf der Notfrist am 19.07.2007 war das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde beim Landgericht Oldenburg eingegangen. Der vom Antragsteller (vorsorglich) gestellte Wiedereinsetzungsantrag ist damit ohne Relevanz.

Die 5. Zivilkammer hat nach Erlass des Nichtabhilfebeschlusses die Akten auch sofort dem Oberlandesgericht als Beschwerdegericht zugeleitet. Die zeitliche Verzögerung seit Erlass des angefochtenen Beschlusses bis zur Nichtabhilfeentscheidung beruht darauf, dass die Mitglieder der 5. Zivilkammer bis zur rechtskräftigen Entscheidung des vom Antragsteller angebrachten Befangenheitsgesuchs eine Entscheidung nicht treffen durften und im Anschluss daran infolge einer Eingabe des Antragstellers eine weitere Entscheidung durch den Senat zu treffen war.

Die sofortige Beschwerde ist sachlich gerechtfertigt.

Der Senat weist (vorsorglich) zunächst darauf hin, dass die Ablehnung des Sachverständigen Prof. Dr. F... gemäß § 406 Abs. 2 ZPO verfristet sein dürfte und der Antragsteller zudem nicht glaubhaft gemacht hat, an der Geltendmachung eines (rechtzeitigen) Ablehnungsgesuchs gehindert gewesen zu sein. Aus dem eingeholten Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. F... ergibt sich, dass dieser die Begutachtung mit Schreiben vom 02.02.2007 sowie ein persönliches Gespräch für den 21.02.2007 angekündigt hatte, der Antragsteller jedoch vor dem Termin eine Untersuchung/Begutachtung telefonisch verweigert hat.

Zwar mögen unter Berücksichtigung der Aktenlage berechtigte Zweifel hinsichtlich der Prozessfähigkeit des Antragstellers bestehen, so dass sich für die 5. Zivilkammer aufgrund der bis zum Erlass des Beweisbeschlusses bestehenden Aktenlage unter Berücksichtigung diverser Unterlagen - insbesondere auch der Klageschrift - und sich daraus ableitbarer konkreter Anhaltspunkte Zweifel hinsichtlich der Prozessfähigkeit des Antragstellers ergeben konnten. In einem solchen Fall hat das mit Sache konkret befasste Gericht, da es um eine Prozessvoraussetzung geht, von Amts wegen Beweise zu erheben, wobei es nicht an die förmlichen Beweismittel des Zivilprozesses gebunden ist, weil der Grundsatz des Freibeweises gilt (vgl. BGH NJW 2000, 289, 290). Eine solche Beweiserhebung kann auch im sog. Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren erfolgen (vgl. Zöller - Philippi, ZPO. 26. Auflage § 118 Rn 21). Das muss insbesondere gelten, wenn die mit erheblichen Auswirkungen für den Betroffenen verbundene Prüfung der Prozessfähigkeit unter Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens erfolgen soll.

Gegen eine generelle Verwertung des eingeholten Gutachtens bestehen aus Sicht des Senats - entgegen der Auffassung des Antragstellers - auch keine durchgreifenden Bedenken.

Das Verfahren ist aber gleichwohl zu beanstanden, weil es mit einem Verfahrensfehler behaftet ist. Es ist höchstrichterlich anerkannt, dass in dem Verfahren, in welchem die Prozessfähigkeit des Antragstellers bezweifelt wird oder ihm sogar abgesprochen werden soll, die betroffene Person wenigstens einmal richterlich persönlich angehört werden muss. Will ein Gericht dem Bürger das Recht ab - sprechen, seine eigenen Angelegenheiten selbst zu ordnen, hat in aller Regel die persönliche Anhörung des Betroffenen vorauszugehen. Das gilt auch für die Feststellung der Prozessunfähigkeit für ein einzelnes Gerichtsverfahren. Denn bereits diese Feststellung bedeutet einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Verfahrensbeteiligten. Sie führt dazu, dass die von ihm persönlich vorgenommene Prozesshandlungen zumindest im laufenden Verfahren als unwirksam zu behandeln sind und der Beteiligte mithin faktisch die Möglichkeit verliert, den ggfls. für seine Existenz entscheidenden Rechtsstreit überhaupt oder jedenfalls in der Weise zu führen, die er für richtig hält. Wegen der schwerwiegenden Auswirkungen im einzelnen anhängigen Verfahren rechtfertigt sich das Erfordernis der persönlichen Anhörung des Betroffenen vor der Feststellung seiner Prozessunfähigkeit (vgl. BSG NJW 1994,215 (216) mit weiteren Nachweisen. BGH NJW 2000,289 (290)).

Die 5. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg hat es vor der Feststellung der Prozessunfähigkeit des Antragstellers auf der Grundlage des eingeholten Gut achtens des Sachverständigen Prof. Dr. F... versäumt, den Antragsteller persönlich anzuhören und sich auf diese Weise einen unmittelbaren Eindruck von ihm zu verschaffen (vgl. dazu BGH NJW 2000, 289 (290)).

Dass der Kammer der Antragsteller aus einer Vielzahl von Verfahren "hinreichend bekannt" ist, macht die zwingend notwendige Anhörung nicht entbehrlich. Nach dem Akteninhalt ist auch nicht ersichtlich, dass die entscheidende Kammer sich zuvor - etwa in anderen, zeitnahen Verfahren - einen persönlichen Eindruck von dem Antragsteller verschafft hatte. Deshalb durfte die Anhörung nicht unterbleiben.

Der Senat weist abschließend darauf hin, dass das Rechtsschutzinteresse des Antragstellers insoweit fraglich sein könnte, als er offensichtlich bereits seit längerer Zeit (wiederum) über seine Schreibmaschine und seine juristische Literatur verfügen dürfte. Dies legen jedenfalls die von ihm eingereichten Schriftsätze nach Erlass des Beschlusses über die Zurückweisung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nahe. Ein erheblicher Teil des vom Antragsteller begehrten Anspruchs auf Schadensersatz (Antrag zu Ziffer 4 a + b) dürfte dann - mangels Schadens - nicht bestehen, hinsichtlich des Antrags zu Ziffer 4 c dürfte die Schlüssigkeit des Klagebegehrens zweifelhaft sein.

Ende der Entscheidung

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