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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Urteil verkündet am 24.11.2005
Aktenzeichen: 8 U 129/05
Rechtsgebiete: EGBGB, BGB


Vorschriften:

EGBGB Art. 229 § 6
BGB § 203
BGB § 204
Zum Beginn und zum Ablauf eines im Jahr 2001 fällig gewordenen Werklohnanspruchs.

Hemmung der Verjährung durch Verhandlungen der Parteien, § 203 BGB.

Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung, § 204 BGB - hier: Beantragung und Erlass eines Mahnbescheids.


Oberlandesgericht Oldenburg Im Namen des Volkes Urteil

8 U 129/05

Verkündet am 24. November 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 17. November 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... , den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin werden das am 15. April 2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 9. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück und das zugrundeliegende Verfahren aufgehoben.

Der Klageantrag ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

Zur Entscheidung über den Betrag des Anspruchs und über die Kosten der Berufung wird die Sache an das Landgericht Osnabrück zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung restlichen Werklohns.

Die Klägerin führte in den Jahren 2000/2001 auf den Hausgrundstücken der Beklagten Umbauarbeiten durch. Ihre Leistungen rechnete sie am 29. Dezember 2001 mit 39.394,45 Euro ab. Dabei ist eine Abschlagszahlung von 11.600,00 DM berücksichtigt. Die Beklagte leistete am 1. März 2002 eine weitere Abschlagszahlung von 6.000,00 Euro.

In der Folgezeit kam es zwischen den Parteien zu Differenzen über die Abrechnung; die Beklagte bestritt deren Prüfbarkeit und Angemessenheit. Der für sie tätige Architekt K ... wandte sich im Juni 2002 zwecks Rechnungsprüfung an die Klägerin; in der Folgezeit korrespondierten die Parteien über die Abrechnung der Klägerin, wobei die Beklagte ihrerseits Vorschläge für eine ordnungsgemäße Abrechnung machte (Schreiben des Architekten der Beklagten vom 24. und 27. Juli, 25. November 2002 und Schreiben der Klägerin vom 7. November 2002). Zu einer Einigung kam es nicht. Im Zeitraum vom 28. März bis 29. Juli 2003 gab es weiteren Schriftwechsel zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und der Beklagten persönlich; es kam wiederum nicht zu einer Einigung.

Am 4. Dezember 2003 erließ das Amtsgericht Hagen auf Antrag der Klägerin einen Mahnbescheid, gegen den die Beklagte Widerspruch erhob. Die Verfügung des Landgerichts, mit der der Klägerin aufgegeben wurde, den geltend gemachten Anspruch zu begründen, ging deren Prozessbevollmächtigten am 28. Januar 2004 zu. Die Anspruchsbegründung ging am 30. Dezember 2004 beim Landgericht ein.

Die Klägerin hat behauptet, ihre Abrechnung sei inhaltlich richtig; sie sei auch prüfbar. Verjährt sei die Klageforderung nicht.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 33.394,45 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 28. März 2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. In der Sache stehe der Klägerin nach den Berechnungen ihres Architekten allenfalls noch ein Betrag von 13.079,90 Euro zu. Die Abrechnung sei nicht prüfbar, die Preise seien nicht ortsüblich und angemessen, die in den Tagesberichten aufgeführten Stunden seien in dieser Höhe tatsächlich nicht angefallen. Ein eventueller Restanspruch der Klägerin sei jedenfalls nicht fällig.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass mögliche Restwerklohnansprüche der Klägerin verjährt seien.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie geltend macht, dass eine Verjährung nicht eingetreten sei.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 33.394,45 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28. März 2003 zu zahlen,

hilfsweise,

das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren an das Landgericht Osnabrück zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat zum Teil Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und des zugrunde liegenden Verfahrens, zum Erlass eines Grundurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht zwecks Entscheidung über den Betrag des Anspruchs, § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO. Die Klägerin hat die Zurückverweisung beantragt.

Die Restwerklohnforderung der Klägerin ist nicht verjährt.

Der Werklohnanspruch der Klägerin ist nach Abschluss der Arbeiten und Abnahme im Jahr 2001 fällig geworden. Aufgrund des bis Ende des Jahres 2001 geltenden Rechts begann die Verjährung mit Ablauf des 31. Dezember 2001 zu laufen (§§ 196 Abs. 1 Nr. 1, 201 BGB aF; Artikel 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Verjährungsrechts (1. Januar 2002) war mithin die Forderung der Klägerin noch nicht verjährt; Hemmung und Neubeginn richten sich nunmehr jedoch nach neuem Verjährungsrecht. Gemäß Artikel 229 § 6 Abs. 3 EGBGB bleibt es für den Ablauf der Verjährung allerdings bei der zweijährigen Frist des § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB aF.

Diese zweijährige Verjährungsfrist begann mit dem 1. Januar 2002 zu laufen. Die von der Beklagten am 1. März 2002 geleistete Abschlagszahlung von 6.000,00 Euro führte gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB zum Neubeginn der Verjährung; eine Abschlagszahlung ist schon nach dem Wortlaut dieser Vorschrift eine typische Anerkennungshandlung. Das bedeutet, dass die Verjährungsfrist nunmehr am 28. Februar 2004 geendet hätte.

Im Zeitraum von Ende Juni 2002 bis zum 25. November 2002 war die Verjährung durch Verhandlungen der Parteien gehemmt, § 203 BGB. Die entgegenstehende Auffassung des Landgerichts (sub 2. b der Entscheidungsgründe) beruht auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 513 Abs. 1 ZPO. Unstreitig hat sich der für die Beklagte tätige Architekt A-K zwecks Rechnungsprüfung und Verständigung über die Abrechnung und die Anspruchshöhe an die Klägerin gewandt. Weiter ging es darum, die von der Beklagten - rechtlich unbegründet - gerügte fehlende Prüfbarkeit der Rechnung herzustellen. Die Beklagte hat dabei durch ihren Architekten selber Vorschläge zur Abrechnung gemacht; dieser hat die Leistungen der Klägerin überprüft und einen ihr möglicherweise noch zustehenden Restbetrag ermittelt (vgl. den Schriftsatz der Beklagten vom 3. März 2005). Die Erörterungen sind erst mit Schreiben des Architekten vom 25.11.2002 ergebnislos beendet worden.

Der eben geschilderte Sachverhalt erfüllt die Voraussetzungen für Verhandlungen im Sinne des § 203 BGB. Der Begriff der Verhandlungen ist nach einhelliger Auffassung weit auszulegen; es genügt jeder Meinungsaustausch über den Anspruch oder seine tatsächlichen Grundlagen, wenn nicht sofort erkennbar die Verhandlung abgelehnt wird. Es genügen Erklärungen, die den Gläubiger zu der Annahme berechtigen, der Schuldner lasse sich auf Erörterungen über die Berechtigung des Anspruchs ein. Das kann hier nicht zweifelhaft sein. Die Verjährung war deshalb für den Zeitraum von Ende Juni bis Ende November 2002 (überschlägig gerechnet fünf Monate) gehemmt.

Ob sich aus dem Schriftwechsel im Zeitraum zwischen dem 28. März und dem 29. Juli 2003 (vier Monate) ein weiterer Hemmungstatbestand ergibt, kann für die Entscheidung dahinstehen. Im Rahmen dieses Schriftwechsels sind, nachdem die Klägerin nunmehr anwaltlich vertreten war, letztlich nur die bestehenden Standpunkte noch einmal ausgetauscht worden, so dass es nicht ohne weiteres nahe liegt, diesen Schriftwechsel als Verhandlungen zu werten.

Die Verjährung ist sodann durch Rechtsverfolgung (Beantragung und Erlass eines Mahnbescheids Anfang Dezember 2003) erneut gehemmt worden (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Von der zweijährigen Verjährungsfrist waren zu diesem Zeitpunkt überschlägig gerechnet sechzehn Monate verbraucht, es verblieben weitere acht Monate.

Die Hemmung der Verjährung durch Rechtsverfolgung endet, wenn das Verfahren dadurch in Stillstand gerät, dass die Parteien es nicht betreiben, sechs Monate nach der letzten Verfahrenshandlung der Parteien oder des Gerichts, § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB. Die (vorläufig) letzte Verfahrenshandlung war die gerichtliche Verfügung, mit der die Klägerin zur Anspruchsbegründung aufgefordert wurde. Bei gerichtlichen Verfügungen kommt es auf deren Zugang an (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 204 Rdnr. 49). Das war hier der 28. Januar 2004; die Hemmung dauerte mithin bis zum 28. Juli 2004 an. Nach Ablauf dieses Hemmungstatbestandes begann der noch nicht verbrauchte Teil der Verjährungsfrist (acht Monate) abzulaufen, § 209 BGB. Innerhalb dieser Frist, nämlich mit am 30. Dezember 2004 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz, hat die Klägerin den Anspruch begründet. Eine Verjährung der Klageforderung ist danach nicht eingetreten.

Der Anspruch der Klägerin ist nach Grund und Betrag streitig. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zum Anspruchsgrund ist der Rechtsstreit entscheidungsreif, zur Anspruchshöhe hingegen nicht. Der Senat hat deshalb ein Grundurteil erlassen.

Der Klägerin steht aufgrund des von den Parteien geschlossenen Werkvertrages für die von ihr erbrachten Leistungen Restwerklohn zu. Der Anspruch ist fällig. Dafür kann dahinstehen, ob die Parteien einen VOB-Vertrag oder einen BGB-Werkvertrag geschlossen haben. Die Beklagte meint zwar, das Vertragsverhältnis der Parteien unterliege den Bestimmungen der VOB/B, insbesondere dessen § 14, der die Fälligkeit der Vergütung von einer prüffähigen Abrechnung abhängig macht; aus den Akten ergibt sich zu einer Einbeziehung der VOB/B in das Vertragsverhältnis der Parteien jedoch nichts. Der Anspruch wäre aber auch dann fällig, wenn § 14 VOB/B eingreifen würde. Die Abrechnung der Klägerin ist prüffähig, was schon daraus folgt, dass der für die Beklagte tätige Architekt geprüft und dabei ermittelt hat, welcher Betrag der Klägerin noch zustehen kann. Letztlich streiten die Parteien nur um die inhaltliche Richtigkeit der Abrechnung. Bei einem BGB-Werkvertrag wäre die Prüffähigkeit der Abrechnung ohnehin keine Voraussetzung für die Fälligkeit der Forderung.

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch wird auch unter Berücksichtigung der von der Beklagten gegen ihn erhobenen Einwendungen mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe bestehen. Das folgt schon aus den bereits genannten Abrechnungen des für die Beklagte tätigen Architekten, aus denen ein namhafter noch von der Beklagten zu zahlender Betrag folgt. Zahlungen lehnt die Beklagte im Übrigen im wesentlichen unter Hinweis auf die ihrer - rechtlich nicht zutreffenden - Ansicht nach nicht gegebene Fälligkeit des Anspruchs ab.

Zur Höhe des Anspruchs ist der Rechtsstreit hingegen nicht entscheidungsreif. Es müssen die von den Parteien benannten Zeugen zum Umfang der von der Klägerin erbrachten Leistungen gehört werden; weiterhin ist sachverständige Beratung einzuholen. Die Leistungen der Klägerin müssen überprüft, insbesondere aufgemessen werden; des weiteren ist es erforderlich, die Stundenzahlen auf ihre Angemessenheit und Notwendigkeit zu überprüfen. Schließlich ist zu klären, ob die von der Klägerin in die Abrechnung eingesetzten Preise ortsüblich und angemessen sind.

Die Voraussetzungen für den Erlass eines Grundurteils sind damit gegeben; die Klägerin hat die Zurückverweisung beantragt, § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

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