Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Urteil verkündet am 21.07.2005
Aktenzeichen: 8 U 31/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 196 Abs. 1 Nr. 1 a.F.
BGB § 201 a.F.
BGB § 781
Reklaratorisches Schuldanerkenntnis; Verjährung.
Oberlandesgericht Oldenburg Im Namen des Volkes ! Urteil

Geschäfts-Nr.: 8 U 31/05

Verkündet am: 21. Juli 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14. Januar 2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leisten.

Der Wert der Beschwer übersteigt 20.000 €.

Gründe:

I.

Der Kläger hatte im Jahre 1991 für die Beklagten Bauhandwerkerleistungen erbracht. Er verlangt aus einem von den Beklagten unterzeichneten Schuldanerkenntnis vom 15.12.1993, mit dem diese "rechtsverbindlich erklärten, der Fa. L... D... aus dem Werkvertrag vom 12.06.91 (Sanitärarbeiten) und vom 25.06.91 (Heizungsarbeiten) für erbrachte Handwerkerleistungen und den sich daraus ergebenen Zahlungsbedingungen einen Betrag in Höhe 169.553,44 DM zuzüglich Zinsen (lt. § 16 VOB/B) seit dem 2.09.91 zu schulden", einen Teilbetrag von 25.000,- €. Gleichzeitig hatten die Beklagten in diesem Schuldanerkenntnis den Verzicht auf die Einrede der Verjährung erklärt.

Die Beklagten haben sich danach auf den Eintritt der Verjährung berufen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 25.000,- € nebst 4 % Zinsen vom 02.09.1991 bis Rechtshängigkeit und in Höhe von 8 % über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben vorgetragen:

Der Kläger habe lediglich Abwasserleitungen verlegt. Sie hätten das Schuldanerkenntnis auf Bitte des Klägers unterschrieben, damit dieser gegenüber seiner Bank belegen könne, daß das Bauvorhaben wie vertraglich vereinbart realisiert werde. Nachdem sie das Objekt an ein anderes Unternehmen weitergegeben hätten, habe der Kläger ihnen zugesagt, das Schuldanerkenntnis zu vernichten.

Der Einzelrichter der 3. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück hat nach Beweiserhebung mit seinem am 14. Januar 2005 verkündeten Urteil der Klage mit der Begründung stattgegeben, einem wirksamen deklaratorischen Schuldanerkenntnis stehe die von den Beklagten erhobene Einrede der Verjährung nicht entgegen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung rügen die Beklagten, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft den Eintritt der Verjährung verneint.

Sie beantragen,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der vorgetragenen und gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten führt in der Sache zum Erfolg.

Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Rechtsverletzung nach Maßgabe der §§ 513, 546 ZPO. Zwar hat das Landgericht zutreffend das Schuldanerkenntnis vom 15.12.1993 als deklaratorisches Schuldanerkenntnis im Sinne des § 781 BGB eingeordnet. Es hat jedoch rechtsfehlerhaft den darauf gestützten Zahlungsanspruch des Klägers als nicht verjährt behandelt.

Bei dem deklaratorischen Schuldanerkenntnis handelt es sich um eine Regelung mit dem Ziel, ein Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Punkten dem Streit oder der Ungewißheit der Parteien zu entziehen (Staudinger-Marburger, BGB, 12. Aufl., § 781 Rdnr. 8 mit weit. Nachw.). Das deklaratorische Schuldanerkenntnis soll eine bereits bestehende Schuld lediglich bestätigen und keine neue begründen; - rechtlich ist es als Schuldbestätigungsvertrag einzuordnen (Palandt/Sprau, BGB, 64. Aufl., § 781, Rndnr. 3). Kennzeichnend dafür ist, daß die Vertragschließenden miteinander für die Zukunft auf eine verläßliche Basis kommen wollen. Im Unterschied zum konstitutiven Schuldanerkenntnis hebt der Vertrag den in Frage stehenden Anspruch nicht auf eine neue Anspruchsgrundlage, sondern verstärkt ihn dadurch, daß er ihn Einwänden des Anspruchsgegners entzieht (BGH, NJWRR 1988, 962/963). In diesem Sinne ist der Schuldbestätigungsvertrag dem Vergleich ähnlich (BGHZ, NJW 1976, 1259; NJW 1984, 799).

Forderungen aufgrund eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses verjähren nach denselben Grundsätzen wie die bereits bestehende Schuld, die durch das deklaratorischen Schuldanerkenntnis bestätigt werden soll. Unter Berücksichtigung der nach altem Recht gemäß § 208 BGB bestehenden Unterbrechungswirkung des Anerkenntnisses wäre die zweijährige Verjährung nach den §§ 196 Abs. 1 Nr. 1, 201 BGB a.F. bei regulärem Verlauf Ende 1995 eingetreten.

Soweit der Kläger das Schuldanerkenntnis vom 15.12.1993 nicht als deklaratorisches Schuldanerkenntnis, sondern abweichend davon als ein konstitutives bewertet, welches eine neue Schuld habe begründen sollen, die gemäß § 195 BGB a.F. der regelmäßigen Verjährung von dreißig Jahren unterfalle, ist ihm nicht zu folgen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann von einem konstitutiven oder schuldbegründenden Schuldanerkenntnis im Zweifel nicht ausgegangen werden, wenn - wie hier - auf den Schuldgrund, nämlich die Werkverträge vom 12.06.91 (Sanitärarbeiten) und vom 25.06.91 (Heizungsarbeiten) ausdrücklich Bezug genommen wird (vgl. dazu auch BGH, NJW 1999, 574, 575; NJW 2002, 1791, 1792). Hinreichende Umstände, die vorliegend eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, werden vom Kläger nicht aufgezeigt. Der Umstand, daß die Beklagten nach ihrem Vorbringen bei Unterzeichnung des Schuldanerkenntnisses vom 15.12.1993 wußten, daß die genannten Werkverträge vom Kläger gar nicht erfüllt worden waren und dessen Vergütungsforderung deshalb nicht fällig war, bedeutet nicht, daß sie dem Kläger mit dem unterzeichneten Schuldanerkenntnis einen neuen eigenständigen Schuldgrund verschaffen wollten. Vielmehr hat sich gerade der Kläger einer fälligen Forderung wegen der Erbringung von Arbeitsleistungen und Materiallieferungen berühmt. Der in dem Schuldanerkenntnis vom 15.12. 1993 bezeichnete Schuldbetrag von 169.553,44 DM deckt sich mit dem Betrag aus seiner Forderungsaufstellung vom selben Tage, den die Beklagten durch ihre Unterschriften als richtig anerkannten. Damit bezieht sich das Schuldanerkenntnis auf eine Forderungsaufstellung, der wiederum die Werkverträge zugrunde liegen. Bei einem Schuldanerkenntnis, das sich auf eine Forderungsaufstellung stützt, handelt es sich um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis. Wäre es dem Kläger darum gegangen, einen neuen selbständigen Verpflichtungsgrund für die Beklagten zu begründen, hätte es der Bezugnahme auf die Forderungsaufstellung und auf die zugrunde liegenden Werkverträge nicht bedurft.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist die vom Kläger aufgrund des deklaratorischen Schuldanerkenntnisses geltend gemachte Forderung verjährt. Der von den Beklagten in dem Schuldanerkenntnis vom 15.12.1993 erklärte Verzicht auf die Verjährungseinrede steht dem Eintritt der Verjährung hier nicht entgegen. Soweit der Kläger in der Berufungserwiderung behauptet, die Beklagten hätten seine Forderung aus dem Schuldanerkenntnis mehrfach - so in dem Gespräch mit dem Zeugen M... in 2000/2001 - durch Vergleichsverhandlungen und Vergleichsangebote anerkannt, hätte eine etwaige Unterbrechung im Zeitraum 2000/2001 nicht ausgereicht, um den Lauf einer neuen zweijährigen Verjährung bis zur Klageeinreichung am 07.09.2004 aufrechtzuerhalten; - vielmehr wäre die zweijährige Verjährung dann zum 31.12.2003 eingetreten.

Der vor Eintritt der Verjährung erklärte Verzicht der Beklagten auf die Verjährungseinrede erweist sich als unwirksam. Gemäß der nach Art. 229 § 6 Abs. 1 EGBGB hier maßgeblichen Bestimmung des § 225 S. 1 BGB a.F. kann die Verjährung durch Rechtsgeschäft weder ausgeschlossen noch erschwert werden. Nach allgemeiner Auffassung ist deshalb vor Ablauf der Verjährungsfrist ein wirksamer Verzicht auf die Einrede der Verjährung nicht möglich (BGH, NJW 1979, 866; NJW 1998, 902 f.).

Allerdings wäre die Geltendmachung der Verjährung durch einen Schuldner - der zuvor auf die Verjährungseinrede verzichtet hatte - treuwidrig, wenn er beim Gläubiger den Eindruck erweckt hätte, dessen Ansprüche würden befriedigt oder doch nur mit sachlichen Einwendungen bekämpft, und wenn er den Gläubiger im Vertrauen auf den erklärten Verzicht und ein entsprechendes Verhalten des Schuldners von der rechtzeitigen Klageerhebung oder -erweiterung abgehalten hätte (BGH, NJW 1979, 8667867, NJW 1998, 902/903). Daß sich die Beklagten in diesem Sinne treuwidrig verhalten hätten, ergibt das Vorbringen des Klägers nicht.

Der vom Landgericht vernommene Zeuge M..., der als Unternehmensberater den Kläger während des Zeitraums vom 21.11.2000 bis zum 02.02.2001 beraten hatte, fertigte am 03.02.2001 einen Beratungsbericht, welcher im erklärten Einverständnis der Parteien vom Landgericht zur Gerichtsakte genommen worden ist. In diesem Beratungsbericht hatte der Zeuge M... auf Seite 4 unter Ziff. 1.0 festgehalten, daß er im Auftrag des Klägers die Beklagten aufgesucht habe und daß der Beklagte zu 1) den Standpunkt vertreten habe, die streitgegenständliche Forderung des Klägers sei verjährt (Bl. 117). Daß er als Auftraggeber den Beratungsbericht nicht erhalten hat, hat der Kläger weder substantiiert dargetan noch unter Beweis gestellt. Mithin konnte der Kläger spätestens seit Februar 2001 nicht mehr darauf vertrauen, daß die Beklagten wegen des erklärten Verzichts ihm die Einrede der Verjährung nicht entgegenhalten würden. Ein aus § 242 BGB abzuleitender Vertrauensschutz des Gläubigers darauf, daß der Schuldner sich nicht auf Verjährung berufen werde, reicht nur so weit und gilt nur so lange, wie die den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung begründenden tatsächlichen Umstände fortdauern. Mit dem für den Gläubiger erkennbaren Fortfall dieser Umstände beginnt nicht etwa die Verjährung von neuem zu laufen, und es findet auch nicht eine Hemmung der Frist mit der in § 205 BGB bezeichneten Wirkung statt. Vielmehr muß der Gläubiger in diesem Fall innerhalb einer angemessenen, nach Treu und Glauben zu bestimmenden Frist seinen Anspruch gerichtlich geltend machen (BGH, NJW 1991, 974/975 mit weit. Nachw.).

Die rechtzeitige Klageerhebung hat der Kläger versäumt. Mit seiner Klageerhebung erst im September 2004 hat er die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung seines Anspruchs erheblich überschritten. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung steht nur für eine angemessene, in aller Regel kurze Übergangsfrist zur Verfügung (BGH, NJW 1976, 2344). Nach Eintritt der Verjährung kommt nur eine kurze Überlegungsfrist - in der Regel nicht länger als ein Monat - in Betracht, weil eine großzügige Bemessung dem Zweck der Verjährungsvorschrift zuwiderlaufen würde (BGH, VersR 1964, 66, 68; 1982, 365; NJW 1986, 1608, 1609). Denn diese Frist hat lediglich den Zweck zu vermeiden, daß der Gläubiger durch eine überraschende Wendung der Dinge seine Ansprüche verliert. Ihre Dauer richtet sich deshalb nach den jeweiligen Umständen des Falles. Vorliegend mußte dem Kläger spätestens zwei Monate nach seiner vorgerichtlichen Zahlungsaufforderung vom 02. Februar 2004 durch das Schweigen der Beklagten im Zusammenhang mit der früheren Erklärung gegenüber dem Zeugen M... klar gewesen sein, daß seine Forderungen gegen sie ohne gerichtliche Geltendmachung nicht zu realisieren seien. Um der Verjährungseinrede der Beklagten mit dem Einwand der unzulässigen Rechtsausübung aus § 242 BGB noch begegnen zu können, hätte die Klage allerspätestens im Mai 2004 erhoben werden müssen. In der erst im September 2004 eingereichten und zugestellten Klage ist für den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung kein Raum mehr.

Nach allem war auf die Berufung der Beklagten die Klage abzuweisen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 543 Abs. 2 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück