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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Urteil verkündet am 24.04.2008
Aktenzeichen: 8 U 5/08
Rechtsgebiete: GmbHG, HGB, InsO


Vorschriften:

GmbHG § 64 Abs. 1
HGB § 130 a Abs. 1
HGB § 177 a
InsO § 19 Abs. 1 S. 1
InsO § 19 Abs. 2 S. 2
1) Die Antragspflicht des Geschäftsführers einer Komplementär-GmbH aus § 64 Abs. 1 GmbHG bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der GmbH gilt gemäß §§ 130 a Abs. 1, 177 a HGB entsprechend, wenn es um die Insolvenz einer Gesellschaft in der Form einer GmbH & Co. KG geht.

2) Bei Anzeichen einer wirtschaftlichen und finanziellen Krise einer GmbH hat ihr Geschäftsführer die Pflicht, sich durch Aufstellung eines Vermögensstatuts einen Überblick über den Vermögensstand zu verschaffen und notfalls unter fachkundiger Prüfung zu entscheiden, ob eine positive Fortbestehungsprognose besteht.

3) Verstößt der Geschäftsführer gegen diese Pflicht, sich Informationen über die wirtschaftliche Lage der GmbH zu verschaffen, und hat er deswegen keine Kenntnis von der Überschuldung der GmbH, handelt er bezüglich der Unterlassung der Antragspflicht aus § 64 Abs. 1 GmbHG mit bedingtem Vorsatz.

Das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagen gegen die Entscheidung des Senats ist beim BGH unter dem Az: II ZR 142/08 anhängig.


OBERLANDESGERICHT OLDENBURG Im Namen des Volkes Urteil

8 U 5/08

Verkündet am 24. April 2008

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ... und ... auf die mündliche Verhandlung vom 17. April 2008 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 07.12.2008 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück geändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 26.009,63 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2006 und ferner vorprozessual entstandene Anwaltskosten in Höhe von 1.005,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.11.2006 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt den Beklagten als Geschäftsführer der Komplementär - GmbH einer inzwischen insolventen Kommanditgesellschaft auf Bezahlung von Werklohnforderungen in Anspruch.

Die Firma H... Bauunternehmung GmbH & Co. KG, deren persönlich haftende Gesellschafterin die von dem Beklagten als Geschäftsführer vertretene Firma H... Verwaltungs- und Beteiligungs GmbH war, beauftragte im April und Mai 2006 die Klägerin mit der Ausführung von Heizungs-, Sanitär- und Klempnerarbeiten bei zwei Bauvorhaben in R... bzw. O.... Außerdem führte die Klägerin bei einem weiteren Bauvorhaben im Auftrag der genannten Firma die Reinigung eines verstopften Abflusses aus. Aus diesen Tätigkeiten resultieren nach Abzug von Abschlagzahlungen unstreitige Forderungen der Klägerin in Höhe von insgesamt 34.009,63 € netto, auf die im August 2006 eine weitere Abschlagszahlung bezüglich der Arbeiten für das Bauvorhaben in R... in Höhe von 8.000,00 € erfolgt ist.

Nachdem über das Vermögen der Firma H... Bauunternehmung GmbH & Co. KG auf ihren Antrag vom 02.10.2006 durch Beschluss des Amtsgerichts Lingen vom 06.11.2006 (18IN 167/06) das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, hat die Klägerin den Beklagten als Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Insolvenzschuldnerin auf Bezahlung der noch offen stehenden Forderungen in Höhe von netto 26.009,63 € unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes in Anspruch genommen.

Die Klägerin hat dazu vorgetragen, dass die Insolvenzschuldnerin spätestens ab Januar 2006, also vor der Auftragserteilung an die Klägerin, überschuldet und zahlungsunfähig gewesen sei. Der der Insolvenzschuldnerin gewährte Kontokorrentkredit sei zu diesem Zeitpunkt bereits überschritten gewesen und ihr seien für weitere Geschäfte keine weiteren Darlehen oder Kontokorrentkredite gewährt worden. Im Frühjahr 2006 hätten bereits Mahn und Vollstreckungsmaßnahmen gegen die Insolvenzschuldnerin begonnen. Dies habe der Beklagte als Geschäftsführer der Komplementär - GmbH der Insolvenzschuldnerin gewusst und daher gegen seine Insolvenzantragspflicht aus § 64 Abs. 1 GmbHG verstoßen. Der Beklagte habe zudem bereits am 30.01.2006 wegen Zahlungsrückständen der Insolvenzschuldnerin gegenüber von Baustofflieferanten ihm gehörende Fahrzeuge und Baumaschinen an die Baustofflieferanten zur Sicherheit übereignet. Außerdem habe der Beklagte als Geschäftsführer der Komplementär - GmbH der Insolvenzschuldnerin die Begleichung von Abschlagzahlungen aus einem von der Insolvenzschuldnerin im Auftrag des Bauherrn S... in S... ausgeführten Bauvorhaben in S... nicht mehr auf das Konto der Insolvenzschuldnerin, sondern auf das neu errichtete Konto der von ihm erst wieder ab 01.01.2006 betriebenen Einzelfirma "H... Bauunterunternehmung, Inhaber A... H..." eingezogen und dadurch der Insolvenzschuldnerin die ihr zustehenden Gelder entzogen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 26.009,63 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2006 sowie vorprozessual entstandene Anwaltskosten von 512,70 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (20.11.2006) zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat bestritten, dass die Insolvenzschuldnerin zum Zeitpunkt der Beauftragung der Klägerin zahlungsunfähig oder überschuldet gewesen sei. Der wirtschaftliche Zusammenbruch der Insolvenzschuldnerin sei erst später unmittelbar vor der Insolvenzantragsstellung wegen erheblichen Forderungsausfällen erfolgt. Für ihn sei die Zahlungsunfähigkeit erst Mitte September 2006 erkennbar gewesen, als das Kreditinstitut die Geschäftbeziehungen zu der Insolvenzschuldnerin und zu ihm beendet habe. Bis dahin habe er sich um eine Sanierung des Betriebes bemüht und sei der Zahlungs-, Kredit - und Leistungsverkehr der Insolvenzschuldnerin aufrechterhalten worden. Die Sicherungsübereignung habe sich auf Fahrzeuge bezogen, die im Eigentum der Insolvenzschuldnerin gestanden hätten. Er habe der Insolvenzschuldnerin bezüglich des Bauvorhabens S... keine Gelder entzogen. Der entsprechende Bauvertrag sie mit der von ihm als Inhaber geführten Einzelfirma abgeschlossen worden. Lediglich bei Erstellung der ersten Abschlagsrechnung sei es zu einer Verwechslung des Briefpapiers gekommen. Die weiteren Abschlagsrechnungen seien von ihm als Inhaber der Einzelfirma erstellt worden. Bei der Durchführung des Bauvorhabens S... habe die Einzelfirma zwar Maschinen und Personal der Insolvenzschuldnerin in Anspruch genommen. Insoweit werde aber noch eine Rechnungsstellung erfolgen.

Das Landgericht hat nach Beweiserhebung mit dem am 07.12.2007 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen. Wegen weiterer Einzelheiten wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das Urteil Bezug genommen.

Dagegen richtet sich die form und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin, mit der sie ihre bisher geltend gemachten Ansprüche unter Erweiterung des Anspruchs auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten weiter verfolgt und hilfsweise die Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges begehrt.

Die Klägerin rügt, dass das Landgericht verfahrensfehlerhaft ihren Beweisantritt dazu, dass der Kontokorrentkredit der Insolvenzschuldnerin seit Januar 2006 erschöpft gewesen und ihr keine weiteren Kredite gewährt worden seien, übergangen habe.

Im Übrigen greift die Klägerin die Beweiswürdigung des Landgerichts an und trägt unter Wiederholung und Ergänzung ihres bisherigen Vorbringens vor, dass die Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin bereits im Januar 2006 eingetreten sei und der Beklagte in schädigender Absicht Vermögen der Insolvenzschuldnerin auf seine Einzelfirma verschoben habe. Im Übrigen habe der Beklagte schon vor der Insolvenzeröffnung das Vermögen und die Geschäfte der Insolvenzschuldnerin als eigene übernommen und fortgeführt.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an sie 26.009,63 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2006 sowie vorprozessual entstandene Anwaltskosten von 1.550,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (20.11.2006) zu zahlen,

hilfsweise unter Aufhebung des angefochtenen Urteils das Verfahren an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt unter Wiederholung und Ergänzung seines bisherigen Vorbringens die angefochtene Entscheidung.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtsstreit wird Bezug genommen auf den von ihnen vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze.

Der Senat hat durch Vernehmung des Zeugen R... Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 17.04.2007 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Denn ihr steht in dem geltend gemachten Umfang ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 64 Abs. 1 GmbHG und den §§ 130 a Abs. 1, 177a HGB zu. Daneben ist ein Anspruch aus § 280 BGB auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 1.005,40 € gegeben. Insoweit rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung als die des Landgerichts.

Im Einzelnen gilt folgendes:

I) Das Landgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass der Beklagte als Geschäftsführer der Komplementär - GmbH der Insolvenzschuldnerin nach § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 64 Abs. 1 GmbHG nur dann im Wege des Schadensersatzes auf Erstattung des Werklohns (allerdings wie gefordert ohne Mehrwertsteuer: vgl. OLG Koblenz GmbHR 2000, 31ff., 34) für die im Auftrag der Insolvenzschuldnerin erbrachten Leistungen haftet, wenn der Beklagte vor der Beauftragung der Klägerin schuldhaft gegen seine Pflicht aus § 64 Abs. 1 GmbHG i.V. mit den §§ 130 a Abs. 1, 177 a HGB verstoßen hat, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Insolvenzschuldnerin unverzüglich einen Insolvenzantrag zu stellen. Denn nur als sogenannte Neugläubigerin, die eine Forderung gegen die Insolvenzschuldnerin nach dem Zeitpunkt erworben hätte, zu dem ein Insolvenzantrag hätte gestellt werden müssen, hätte die Klägerin einen Anspruch darauf, so gesellt zu werden, als hätte sie die Verträge mit der insolvenzreifen Gesellschaft nicht geschlossen (vgl. BGH NJW 1995, 398 f.. ZIP 1995, 31 f.).

Die Antragspflicht des Geschäftsführers aus § 64 Abs. 1 GmbHG bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der GmbH gilt dabei gemäß den §§ 130 a Abs. 1, 177 a HGB entsprechend, wenn es wie hier um die Insolvenz einer Gesellschaft in der Form einer GmbH & Co. KG geht (vgl. Meyke, Die Haftung des GmbH - Geschäftsführers, 5. Aufl., Rz. 212). Denn mit der KG wird auch regelmäßig die Komplementär - GmbH insolvent und die Gläubiger der beiden Gesellschaften sind wie hier identisch. In diesem Fall muss der GmbH - Geschäftsführer in dieser Eigenschaft die Vorschrift des § 64 GmbHG und als organschaftlicher Vertreter der Komplementärin die §§ 130 a Abs. 1, 177 a HGB beachten (vgl. Karsten Schmidt in Scholz, GmbHG, 9. Aufl., Rz. 79 zu § 64 GmbHG). Dabei ergibt sich sowohl nach § 64 Abs. 1 GmbHG als auch nach den §§ 130 a Abs.1, 177 a HGB die Pflicht zur Antragstellung bei Insolvenzreife der Gesellschaft.

II) Der Beklagte hat schuldhaft gegen die Pflicht zur Antragsstellung bei Insolvenzreife der Kommanditgesellschaft verstoßen. Denn es steht nach dem Ergebnis der vom Landgericht und vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme sowie nach dem Inhalt der Insolvenzakten fest, dass die Kommanditgesellschaft schon vor der Beauftragung der Klägerin im April und Mai 2006 überschuldet war. Dies hätte der Beklagte bei der gebotenen Aufstellung eines Vermögensstatuts erkennen können.

Nach der Legaldefinition des § 19 Abs. 2 S. 1 InsO, die nach § 19 Abs. 3 S. 1 InsO auch für eine GmbH und Co. KG entsprechend gilt, liegt eine Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Anders als bei der Zahlungsunfähigkeit ist es daher nicht erforderlich, dass die Verbindlichkeiten das vorhandene Vermögen in einem bestimmten Umfang überschreiten (vgl. Kirchhof in Heidelberger Komm. z. InsO, 4. Aufl., Rz. 5 zu § 19 InsO). Gemäß § 19 Abs. 2 S.2 InsO sind bei der Bewertung des schuldnerischen Vermögens die Fortführungswerte des Unternehmens (an Stelle der Liquidationswerte) zu Grunde zu legen, wenn eine Fortführung nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist. Der Gesetzgeber hat sich damit der so genannten zweistufigen Methode angeschlossen, nach der die Prognose über den Fortbestand des Unternehmens für den anzulegenden Bewertungsmaßstab (Fortführungs- oder Liquidationswerte) relevant ist (vgl. BGH NJWRR 2007, 759). Nach der zweistufigen Prüfung ist daher zunächst eine Fortbestehungsprognose vorzunehmen. Für eine positive Fortbestehungsprognose ist dabei erforderlich, dass der Schuldner den Willen hat, das Unternehmen fortzuführen, und die Fortführung objektiv Erfolg verspricht, das heißt dass ein ordentlicher Geschäftsführer auf der Grundlage einer gewissenhaften, sachkundigen Prüfung aller am Stichtag erkennbaren wesentlichen Umstände sich für eine Fortführung des Unternehmens entscheiden würde (vgl. BGH NJW 1994, 2220 ff., 2224).

1) Unter Beachtung dieser Grundsätze lag schon vor der Beauftragung der Klägerin im April und Mai 2006 eine Überschuldung der Insolvenzschuldnerin vor. Denn es steht fest, dass bereits zu diesem Zeitpunkt das Vermögen der Insolvenzschuldnerin die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckte.

Insoweit steht nach der Aussage des Zeugen R... fest, dass bereits Ende 2005 die finanzielle Lage der Insolvenzschuldnerin angespannt war. Dies zeigte sich insbesondere dadurch, dass der der Insolvenzschuldnerin zur Verfügung gestellte Kreditrahmen bereits ab November 2005 nicht mehr ausreichte, um die Verbindlichkeiten abzudecken. Wie der Zeuge R... verdeutlicht hat, hat die Volksbank S...als Kreditgeberin der Insolvenzschuldnerin bereits in den Monaten November 2005 bis Mai 2006 Rücklastschriften vorgenommen, die sich bis einschließlich Juni 2006 auf insgesamt über 100.000,00 € beliefen. In diesem Zeitraum lagen nach der Aussage des Zeugen R..., die sich mit den Feststellungen des Insolvenzverwalters in seinem Bericht vom 02.11.2006 decken, bereits Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse zu Gunsten verschiedener Gläubiger vor. So hatte das Finanzamt L... im Januar 2006 eine Forderung über 45.000,00 € und die A... am 09.05.2006 eine Forderung über 32.000,00 € pfänden lassen. Wie sich aus dem im Insolvenzverfahren aufgestellten Gläubigerverzeichnis ergibt, hatten auch schon verschiedene Gläubiger Forderungen aus Handwerkerleistungen und Warenlieferungen vor Mai 2006 der Insolvenzschuldnerin in Rechnung gestellt. Aus dem Gläubigerverzeichnis ergibt sich zu dem, dass die Insolvenzschuldnerin nicht nur die Lohnsteuer für die Monate Juli bis Oktober 2006 und die Umsatzsteuer für die Monate Mai bis August 2006 in Höhe von insgesamt einschließlich Säumniszuschlägen von 46.073,77 schuldig blieb, sondern auch die Umsatzsteuer für die Jahre 2003 und 2004. Einschließlich der Lohnsteuer für den Monat November und der Umsatzsteuer für das Jahr 2006 ergaben sich insoweit Steuerschulden in Höhe von 144.431,50 €.

Hinzu kommt, dass der Beklagte der Insolvenzschuldnerin Liquidität einmal dadurch entzogen hat, dass er im Januar 2006 die Geschäftstätigkeit mit seiner als Bauunternehmen betriebenen Einzelfirma wieder aufgenommen hatte und dafür - wie er selbst eingeräumt hat - das Personal und die Maschinen der Insolvenzschuldnerin einsetzte. Wie der Insolvenzverwalter und die Zeugin S... vor dem Landgericht bekundet haben, ist jedenfalls vor der Eintritt der Insolvenz der Einsatz von Personal und Maschinen der Einzelfirma nicht in Rechnung gestellt worden. Zum anderen hat der Beklagte bereits am 30.01.2006 wegen Zahlungsrückständen der Insolvenzschuldnerin gegenüber von Baustofflieferanten Fahrzeuge und Baumaschinen, die nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten im Eigentum der Insolvenzschuldnerin gestanden hatten, an die Baustofflieferanten zur Sicherheit übereignet.

Vor diesem Hintergrund steht fest, dass die Insolvenzschuldnerin bereits vor der Beauftragung der Insolvenzschuldnerin überschuldet war.

Dagegen spricht nicht, dass sich - wie der Zeuge R... bekundet hat - aus einer Forderungsaufstellung der Insolvenzschuldnerin vom 23.05.2006 ergab, dass Forderungen gegenüber Kunden über insgesamt 157.000,00 € bestanden. Denn selbst wenn davon ausgegangen wird, dass diese Forderungen werthaltig waren, stand diesen Forderungen einmal der Soll -Saldo des Kreditkontos der Insolvenzschuldnerin gegenüber, das sich nach der Aussage des Zeugen R... am 23.05.2006 auf 100.00,00 € belief. Zudem konnte die Insolvenzschuldnerin - wie Vorstehend ausgeführt worden ist - schon im Januar 2006 und Anfang Mai 2006 im Rahmen der ihr gewährten Kreditlinie Forderungen des Finanzamtes L... und der A... über insgesamt 77.000,00 nicht erfüllen und es standen noch weitere Umsatzsteuerschulden aus den Jahren 2003 und 2004 aus.

Dagegen, dass die Insolvenzschuldnerin bereits vor der Beauftragung der Klägerin überschuldet war, spricht auch nicht, dass die Insolvenzschuldnerin - wie der Beklagte behauptet - in dem Zeitraum vom 08.07.2006 bis zum 04.09.2006 insgesamt Zahlungen von 442.271,12 € geleistet hat. Denn wie sich aus dem Bericht des Insolvenzverwalters vom 02.11.2006 ergibt bestanden zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 06.11.2007 trotz der behaupteten Zahlungen noch weitere Verbindlichkeiten von insgesamt 421.000,00 €, denen nur Aktiva in Höhe von 41.898,00 € gegenüber standen.

2) Aus dem Vorstehenden folgt, dass bereits vor der Beauftragung der Klägerin unter Beachtung der objektiven Umstände keine positive Fortführungsprognose gestellt werden konnte.

Wie sich aus der Aussage des Zeugen R... ergibt, reichte die der Insolvenzschuldnerin gewährte Kreditlinie schon ab November 2005 nicht aus, um alle Verbindlichkeiten zu erfüllen. Insbesondere konnte die Insolvenzschuldnerin bereits im Januar und Mai 2006 Forderungen des Finanzamtes und der A... nicht erfüllen, so dass Pfändungsmaßnahmen eingeleitet wurden. Die Insolvenzschuldnerin hatte bereits Anfang des Jahres 2006 - wie der Zeuge R... bekundet hat - die ihr eingeräumte Kreditlinie unter Berücksichtigung der Rücklastschriften um 160.000,00 € überschritten. Demgegenüber standen im Mai 2006 nur Forderungen der Insolvenzschuldnerin von 157.000,00 €. Wie der Zeuge R... bekundet hat, hat die Volksbank S... trotz der sich bereits Anfang 2006 abzeichnenden Überschuldung der Insolvenzschuldnerin die Kredite nicht schon zu diesem Zeitpunkt gekündigt, weil sie weites gehend durch Grundpfandrechte, abgetretene Lebensversicherungen und abgetretene Kundenforderungen gesichert war.

Wie sich aus dem Bericht des Insolvenzverwalters vom 02.11.2006 ergibt, konnte der Beklagte schon Anfang des Jahres 2006 nicht mit einem nennenswerten Liquiditätszuwachs rechnen, weil sich wegen der schon vereinnahmten hohe Anzahlungen bei der Schlussabrechnungen keine größeren Forderungen ergaben und die Auftragslage zurückging. Außerdem hatte der Beklagte selbst - wie vorstehend ausgeführt worden ist - der Insolvenzschuldnerin bereits im Januar 2006 Liquidität durch Verwendung des Personals und der Maschinen für das Einzelunternehmen sowie durch die Sicherungsübereignung von Baumaschinen entzogen.

Vor diesem Hintergrund ergab sich bereits vor der Beauftragung der Klägerin keine positive Fortführungsprognose.

III) Der Beklagte handelte bezüglich der Verletzung gegen seine Insolvenzantragspflicht bedingt vorsätzlich und damit schuldhaft.

Bei Anzeichen einer Krise, die nach dem Vorstehenden im vorliegenden Fall bereits Anfang 2006 gegeben waren, hat der Geschäftsführer einer GmbH die Pflicht, sich durch Aufstellung eines Vermögensstatuts einen Überblick über den Vermögensstand zu verschaffen und notfalls unter fachkundiger Prüfung zu entscheiden, ob eine positive Fortbestehungsprognose besteht (vgl. BGH, NJW 1994, 2220 ff., 2224). Einen solchen Vermögensstatus, der nach dem Vorstehenden eine Überschuldung der Insolvenzschuldnerin ergeben hätte, hat der Beklagte aber unstreitig nicht aufgestellt. Nach dem Bericht des Insolvenzverwalters vom 02.11.2006 hatte der Beklagte nicht einmal für das Jahr 2005 eine Bilanz erstellt. Daraus folgt, dass der Beklagte die bei Anzeichen einer Krise erforderliche gewissenhafte Prüfung, ob die Gesellschaft fortgeführt werden kann, nicht vorgenommen hat. Allein die von dem Beklagten behauptete Beobachtung der Situation der Insolvenzschuldnerin im Hinblick auf seine Insolvenzantragspflicht reichte dazu nicht aus.

Der Beklagte handelte dabei mit bedingtem Vorsatz. Es reicht dabei aus, dass der Geschäftsführer billigend in Kauf nimmt, die Gesellschaft werde die vertraglich übernommenen Verbindlichkeiten nicht erfüllen können. Ein solcher bedingter Vorsatz ist bereits dann gegeben, wenn sich der Geschäftsführer - wie hier - trotz der Anzeichen einer Krise keine Informationen über die wirtschaftliche Lage verschafft und deshalb nichts von der Überschuldung weiß (vgl. BGH GmbHR 1994, 464 ff., 465).

Nach dem Vorstehenden kann dahin gestellt bleiben, ob der Beklagte wegen der von der Klägerin behaupteten Verschiebung von Vermögen der Insolvenzschuldnerin auf das Einzelunternehmen aus § 826 BGB auf Schadensersatz haftet oder eine Haftung für die Forderung der Klägerin wegen der von der Klägerin behaupteten Fortführung der Geschäfte der Insolvenzschuldnerin durch die Einzelfirma nach § 25 Abs. 1 HGB gegeben ist.

IV) Im Rahmen seiner Schadensersatzverpflichtung hat der Beklagte nach § 280 BGB als Schaden auch die durch seine Mahnung entstandenen vorgerichtlichen Kosten der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zu ersetzen, die nicht auf die gerichtliche Verfahrensgebühr anrechenbar sind. Dies macht nach der zutreffenden Berechnung der Klägerin in ihrer Klagschrift einen Betrag von insgesamt 1.005,40 € aus, wobei der Senat davon ausgeht, dass es sich bei dem in dem Berufungsantrag genannten Betrag von 1.550,00 € um einen Übertragungsfehler handelt und der Antrag entsprechend der Berechnung in der Klageschrift auszulegen ist. Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. NJW 2007, 2049) vermindert sich diese Geschäftsgebühr durch das anschließende gerichtliche Verfahren nicht.

Soweit die Klägerin dabei gegenüber ihrem im ersten Rechtszug geltend gemachten Anspruch ihren Klageantrag erhöht hat, liegt keine unzulässige Klageänderung i.S. von § 533 ZPO, sondern eine nach § 525 ZPO im Berufungsrechtszug zulässige Klageerweiterung i.S. von § 264 Nr. 2 ZPO vor.

V) Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1 S. 1, S. 2, 288 Abs. 1 BGB.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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