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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Urteil verkündet am 30.03.2006
Aktenzeichen: 8 U 6/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 604
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 276 Abs. 1
Zur Frage, unter welchen Umständen die Haftung des Entleihers eines Kraftfahrzeugs auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt ist, weil er auf den Bestand eines hinreichenden Versicherungsschutzes durch eine Vollkaskoversicherung vertrauen darf.
Oberlandesgericht Oldenburg Im Namen des Volkes Urteil

8 U 6/06

Verkündet am 30. März 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom 9. März 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21. Dezember 2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg geändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.322,28 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. April 2005 zu zahlen.

Wegen des weitergehenden Zinsanspruchs wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin stellte der Beklagten, deren Geschäftsfahrzeug sich zwecks Reparatur in der Werkstatt der Klägerin befand, im Dezember 2004 während der Reparaturdauer einen Pkw Smart unentgeltlich als Ersatzfahrzeug zur Verfügung. Für das Fahrzeug bestand keine Vollkaskoversicherung. Die Geschäftsführerin der Klägerin verursachte am 27. Dezember 2004 auf eisglatter Fahrbahn mit dem Fahrzeug einen Unfall, bei dem dieses einen Totalschaden erlitt. Der Klägerin entstand dadurch ein Schaden von 5.322,28 Euro. Die Beklagte stellt ihre Haftung im wesentlichen mit der Begründung in Abrede, dass die Klägerin sie nicht auf den fehlenden Vollkaskoschutz hingewiesen habe. Die Unfallverursachung beruhe allenfalls auf einfacher Fahrlässigkeit.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin; sie rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.322,28 Euro nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg.

Die Klägerin kann von der Beklagten Schadensersatz in der mit der Klage geltend gemachten Höhe wegen der Verletzung des zwischen den Parteien bestehenden Leiheverhältnisses verlangen.

Der Entleiher haftet grundsätzlich uneingeschränkt für eine schuldhaft verursachte Beschädigung der Sache gemäß den §§ 598, 604, 280, 276 BGB. Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Geschäftsführerin der Klägerin den Unfall, bei dem der Pkw Smart einen Totalschaden erlitten hat, infolge einfacher Fahrlässigkeit verursacht hat. Diese Feststellung greifen die Parteien in der Berufungsinstanz nicht an.

In der Rechtsprechung (vgl. insbesondere BGH NJW 1979, 759 f; OLG Hamm NJWRR 1993, 672; 2001, 1047 f; OLG Karlsruhe DAR 2000, 308 f) ist anerkannt, dass die Haftung des Entleihers auf grobe Fahrlässigkeit beschränkt sein kann, wenn er auf den Bestand eines hinreichenden Versicherungsschutzes durch eine Vollkaskoversicherung vertrauen durfte; er kann dann von dem Verleiher verlangen, so gestellt zu werden, als wäre das Fahrzeug entsprechend versichert gewesen. Die von der Rechtsprechung in diesem Sinne entschiedenen Sachverhalte sind dadurch gekennzeichnet, dass der Entleiher das Angebot zum Abschluss eines Leihvertrages dahin verstehen durfte, dass die Gebrauchsüberlassung des Ersatzfahrzeugs nicht mit einem höheren Risiko für ihn verbunden sein sollte als die Benutzung seines eigenen neuen Fahrzeugs. Der Neuwagen des Entleihers war durchweg vollkaskoversichert; es handelte sich um höherwertige Fahrzeuge. Für den Verleiher war das berechtigte Interesse des Entleihers erkennbar, die mit der Teilnahme am Straßenverkehr verbundene Gefahr, Fahrzeugschäden von nicht selten beträchtlicher Höhe zu erleiden, wirtschaftlich zu begrenzen. Aus einer solchen Interessenlage erwächst dem Verleiher die konkrete Rechtspflicht, auf das Fehlen eines Vollkaskoversicherungsschutzes für den Ersatzwagen hinzuweisen. Unterlässt er einen derartigen Hinweis, so haftet der Entleiher für die Beschädigung des Ersatzfahrzeugs nur in dem Maße, in welchem Verschulden durch eine Vollkaskoversicherung nicht ausgeschlossen wird, also für - woran es im hier zu entscheidenden Fall fehlt - Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (vgl. BGH aaO).

Diese Grundsätze lassen sich auf den vom Senat zu entscheidenden Sachverhalt nicht übertragen. Auf das Bestehen eines Vollkaskoversicherungsschutzes durfte die Beklagte gerade nicht vertrauen. Es ging nicht um die Stellung eines hochwertigen Ersatzfahrzeugs für die Garantiereparatur eines Neuwagens; die Beklagte selber hatte ihr Geschäftsfahrzeug nicht vollkaskoversichert. Das Ersatzfahrzeug war ein bereits vor etwa 2 1/2 Jahren zugelassener Kleinwagen, den die Klägerin ansonsten als Werkstattfahrzeug nutzte. Der Wiederbeschaffungswert lag bei etwa 5.000,00 Euro netto und damit eher niedrig; das Risiko, durch die Nutzung des Fahrzeugs Schäden in beträchtlicher Höhe zu erleiden, drohte deshalb nicht. Die Umstände der Verleihung sind im zwar einzelnen zwischen den Parteien streitig; es steht jedoch fest, dass ursprünglich ein anderes Fahrzeug als Ersatzfahrzeug in Aussicht genommen war, dass der Beklagten aber auf deren Wunsch kurzfristig der Pkw Smart überlassen wurde. Ein berechtigtes Interesse der Beklagten am Bestehen eines Vollkaskoversicherungsschutzes sowie eine Hinweispflicht der Klägerin auf dessen Fehlen ergeben sich aus diesen Umständen nicht.

Es verbleibt deshalb bei der Schadensersatzpflicht der Beklagten gemäß den §§ 598, 604, 280, 276 BGB.

Der Ausspruch zu den Zinsen beruht auf den §§ 286 Abs. 1, 2, 288 Abs. 2 BGB. Verzug ist jedoch erst am 6. April 2005 eingetreten, § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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