Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Beschluss verkündet am 02.09.2008
Aktenzeichen: 8 W 117/08
Rechtsgebiete: GG, GVG, ZPO, BGB


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GVG § 13
ZPO § 935
ZPO § 940
BGB § 823 Abs. 2
1. Der unterlegene Bieter kann bei der Vergabe öffentlicher Aufträge unterhalb des Schwellenwertes nach Zuschlagserteilung nicht im Wege der einstweiligen Verfügung in das dann begründete Rechtsverhältnis zwischen dem Auftragnehmer und dem Auftraggeber eingreifen. Ein Primärrechtsschutz ist in diesen Fällen ausgeschlossen.

2. Bei der Prüfung von Rechtsfragen im Rahmen von Vergabeverfahren unterhalb der Schwellenwerte handelt es sich um bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten im Sinne der § 13 GVG, Art. 19 Abs. 4 S. 2 GG, für die die Zivilgerichte zuständig sind.


OBERLANDESGERICHT OLDENBURG Beschluss

8 W 117/08

In der Beschwerdesache

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Landgericht ...

am 2. September 2008

beschlossen:

Tenor:

1. Das Verfahren wird gemäß § 568 ZPO zur Entscheidung auf den Senat übertragen.

2. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Osnabrück vom 19.08.2008 wird auf ihre Kosten als unbegründet zurückgewiesen.

3. Der Streitwert beträgt 3.000, €.

Gründe:

I.

Die Verkehrsgesellschaft Landkreis O... GmbH hat am 23. Juli 2008 den Schülertransport zu zwei Schulen in B... (Landkreis O...) mit einem Auftragsvolumen von 60.000, € ausgeschrieben. Es handelt sich dabei um individuelle Beförderungen von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen. Vorausgegangen waren Verhandlungen zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin um eine Erhöhung der Kilometerentgelte, die keine Einigung erbrachten. Die Antragstellerin hat zuvor 28 Jahre lang die Schülerbeförderung auf den ausgeschriebenen Strecken zur Zufriedenheit der Beteiligten durchgeführt.

Die Antragstellerin hat bei beiden Beförderungsstrecken das drittgünstigste Hauptangebot abgegeben (Preis: 0,68 €/km). Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin am 07.08.08 telefonisch mit, dass sie die günstigeren Nebenangebote der Fa. K... (0,54 €/km) für die eine Strecke und der Fa. N...(0,60 €/km) für die andere Strecke annehmen möchte. Am gleichen Tage erteilte die Antragsgegnerin dem Ausschreibungsergebnis entsprechend diesen beiden Firmen den Zuschlag, die seit Schuljahresbeginn die Beförderungsfahrten durchführen.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, der erteilte Zuschlag auf die Nebenangebote sei nach VOL/A nicht zulässig, da die Nebenangebote nicht gleichwertig seien. Die Antragsgegnerin habe die Interessen der Antragstellerin entgegen § 13 Abs. 3 PBefG nicht angemessen berücksichtigt. Die besondere Eignung des Personals und der Fahrzeuge der Antragstellerin für die Beförderungsfahrten gebiete es, nur dieser den Zuschlag zu erteilen.

Im Wege einer einstweiligen Verfügung hat die Antragstellerin am 19.08.2008 beim Landgericht Osnabrück beantragt,

die Antragsgegnerin vorläufig zu verpflichten, den Transport der schwerbehinderten Schüler ab dem 21.08.2008 wie auch bisher für die E...Schule und die A...Schule in B... weiterhin durch die Antragstellerin durchführen zu lassen.

Die Einzelrichterin am Landgericht Osnabrück hat mit Beschluss vom gleichen Tage den Erlass der Verfügung abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass nicht glaubhaft gemacht worden sei, dass nur die Antragstellerin in der Lage sei, die Fahrten durchzuführen. Darüber hinaus würde der Erlass der begehrten Entscheidung eine Vorwegnahme der Hauptsache bedeuten.

Mit ihrer sofortigen Beschwerde begehrt die Antragsstellerin weiterhin den Erlass der einstweiligen Verfügung.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

Der Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit ist gegeben. Bei der Prüfung von Rechtsfragen im Rahmen von Vergabeverfahren unterhalb der Schwellenwerte handelt es sich um bürgerlichrechtliche Streitigkeiten im Sinne der § 13 GVG, Art. 19 Abs. 4 S. 2 GG (so auch OLG Naumburg, Beschluss v. 04.10.2007 in ZfBR 2008, 86), für die die Zivilgerichte zuständig sind.

Der Verfügungsantrag ist unbegründet, da der geltend gemachte Verfügungsanspruch keine Rechtsgrundlage hat.

Der unterlegene Bieter kann bei öffentlichen Aufträgen unterhalb des Schwellenwertes nach Zuschlagserteilung mangels einer gesetzlichen Regelung nicht in das dann begründete Rechtsverhältnis zwischen dem Auftragnehmer und dem Auftraggeber eingreifen. Ein Primärrechtsschutz ist in diesen Fällen ausgeschlossen.

Dabei kann dahinstehen, ob die bereits erfolgte Vergabe der Aufträge gegen das Regelwerk der VOL/A verstößt. Der Vergabeentscheidung ist -soweit sie sich aus dem Ablehnungsschreiben der Antragsgegnerin vom 07.08.2008 ergibt nicht in diesem Zusammenhang zu entnehmen, ob bei der Vergabe die Besonderheiten des Transportes schwerbehinderter Personen ausreichend berücksichtigt wurden.

Ein Verfügungsanspruch ergibt sich weder aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. VOL/A noch aus Grundrechten der Antragstellerin.

Die VOL/A ist, soweit es, wie hier, um einen öffentlichen Auftrag unter dem Schwellenwert geht, kein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB.

Über dem Schwellenwert von 211.000, € (§ 2 Nr. 3 VgV) hat die VOL/A durch den Verweis in § 4 VgV Gesetzesqualität. Den Interessen des unterlegenen Bieters wird im Vergabeverfahren unter anderem durch das Recht auf Vorabinformation zum Ausschreibungsergebnis (§ 13 VgV) Rechnung getragen.

Im Übrigen ist die VOL/A nach gefestigter Rechtsansicht kein Gesetz, sondern bloß eine interne Verwaltungsvorschrift (vgl. BVerfG, NJW 2006, 3701. Irmer, ZfBR 2007, 233). In Literatur und Rechtsprechung wurde vielfach bemängelt, dass nicht berücksichtigte Bieter im Zusammenhang von Aufträgen unterhalb des Schwellenwertes keinen Primärrechtsschutz erlangen können (vgl. nur Irmer, aaO).

Teilweise überprüfen Instanzgerichte daher die Vergabeentscheidungen anhand von Art. 3 GG als Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB (LG Augsburg, Urteil v. 05.06.2008, in IBR 2008, 468. LG Frankfurt/Oder, Urteil v. 14.11.2007 in VergabeR 2008, 132). Danach sind der Staat und die öffentlichrechtlichen Körperschaften bei der Auftragsvergabe zumindest an das Gleichheitsgrundrecht gebunden. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz soll bereits dann gegeben sein, wenn der Behörde in der Gestaltung des Vergabeverfahrens und bei der Auswahl der Kriterien der Vergabe willkürlich handelt.

Ob dies vorliegend der Fall ist, kann der Senat dahinstehen lassen.

Denn keinesfalls ergäbe sich aus dem Verstoß der Behörde gegen den Gleichheitssatz die begehrte Verpflichtung für den Auftraggeber, den unterlegenen Bieter -hier die Antragstellerin zu beauftragen. Vielmehr -so auch die zitierten landgerichtlichen Entscheidungen folgt hieraus allenfalls ein Unterlassungsanspruch, den der unterliegende Bieter vor Zuschlagserteilung geltend machen kann. Hiervon hat die Antragstellerin aber keinen Gebrauch gemacht.

Ähnlich wie im Vergabenachprüfungsverfahren gem. §§ 97 ff. GWB für öffentliche Aufträge über dem Schwellenwert gebietet es der allgemeine Justizgewährungsanspruch nach erfolgter Zuschlagserteilung allenfalls, die Rechtsverletzung feststellen zu lassen und in der Folge Sekundäransprüche zu verfolgen. Soweit bei Aufträgen oberhalb des Schwellenwertes die Vergabekammer bzw. der Vergabesenat bei rechtswidrigen Vergabeentscheidungen gemäß § 114 Abs. 1 GWB iVm § 13 S. 6 VgV eine erneute Ausschreibung veranlassen können (vgl. Vergabekammer Lüneburg, Beschluss v. 12.01.2007, zitiert bei juris), sieht das Gesetz diese Möglichkeit bei Vergabeverfahren unterhalb des Schwellenwertes nicht vor. Die hier vom Gesetzgeber gewollte Ungleichbehandlung hat das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 13.06.2006 (NJW 2006, 3701) nicht beanstandet. Insofern bestünde auch kein Anspruch der Antragstellerin auf eine erneute Ausschreibung und Vergabeentscheidung. Dies folgt schon daraus, dass bei Aufträgen unterhalb des Schwellenwertes die Regelung des § 13 S. 6 VgV (Nichtigkeit des Auftrages bei Verstoß gegen Informationspflichten) nicht gilt. Der dem berücksichtigten Bieter gegenüber erteilte Auftrag bleibt demnach ungeachtet der Rechtswidrigkeit der Vergabeentscheidung wirksam. Insofern verbleiben dem unterlegenen Bieter nur Sekundäransprüche, die vorliegend nicht Gegenstand des Verfahrens sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Bei der Festsetzung des Streitwerts hat sich der Senat an § 12 a Abs. 2 GKG orientiert.

Ende der Entscheidung

Zurück