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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Urteil verkündet am 18.12.2007
Aktenzeichen: 9 U 45/07
Rechtsgebiete: BGB, VVG


Vorschriften:

BGB § 242
VVG § 61
VVG § 152
Mieter, der über die Nebenkosten die Haftpflichtversicherung für das gemietete Gebäude finanziert, haftet dem Vermieter bei einem Regress wegen eines Glätteunfalls nur bei vorsätzlicher Verursachung.
OBERLANDESGERICHT OLDENBURG Im Namen des Volkes Urteil

9 U 45/07

Verkündet am 18. Dezember 2007

In dem Rechtsstreit

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2007 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Vorsitzenden der 16. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 12.07.2007 geändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern bleibt nachgelassen die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages geleistet haben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Kläger haben ihrer vormalige Mieterin in Regress genommen, deren Erben den Rechtsstreit nun auf Beklagtenseite weiterführen. Die Kläger sind in einem Vorprozess, in welchem der Erblasserin der Beklagten der Streit verkündet worden war, erfolgreich von einer Postbotin auf Schadensersatz in Anspruch genommen worden, weil diese im Winter vor jenem Haus, das die verstorbene vormalige Beklagte von den Klägern gemietet hatte, bei Glätte gestürzt war. Die Kläger sind seinerzeit wegen unzureichender Kontrolle der auf die Mieterin delegierten Verkehrssicherungspflicht verurteilt worden. Nunmehr wollen sie Rückgriff nehmen.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird im Übrigen auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Die Beklagten haben als Erben der Beklagten den Rechtsstreit fortgeführt. Sie wenden sich in dreifacher Hinsicht gegen das Urteil. Zum einen habe sich der Sturz an einer Stelle zugetragen, für welche eine Streupflicht nicht bestanden habe. Sie meinen, die Verkehrssicherungspflicht der Kläger als Eigentümer des Grundstücks habe nicht mündlich auf die Beklagte delegiert werden können angesichts der Schriftformklausel im Mietvertrag. Schließlich hätte die Beklagte nicht grob fahrlässig gehandelt.

Sie beantragen,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen, hilfsweise ihnen die Ausführung der Erbenrechte vorzubehalten.

Die Kläger beantragen.

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

II.

Die Berufung ist zulässig und hat Erfolg.

Der Umstand, dass die Erblasserin der Beklagten vor Verkündung des erstinstanzlichen Urteils verstorben ist, steht der Zulässigkeit der Berufung nicht entgegen. Die vormalige Beklagte war wirksam im Sinne des § 246 ZPO vertreten und ihre Prozessbevollmächtigten haben seinerzeit ausdrücklich erklärt, einen Aussetzungsantrag nicht stellen zu wollen. Die alte Prozessvollmacht erfasst auch die Berufungseinlegung (vgl. BGH NJW 1981, 681). Der Prozess ist in diesem Fall für die Rechtsnachfolger weitergelaufen, auch wenn sie namentlich noch nicht bekannt waren (vgl. Zöller, 26.Aufl., § 246 ZPO Rn.2 b).

Die Klage ist unbegründet. Die Inanspruchnahme der Beklagten verstößt gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).

Die Beklagten hatten aus dem Mietvertrag einen Anspruch darauf, dass die Kläger die für das vermietete Gebäude abgeschlossene Haftpflichtversicherung in Anspruch nehmen. Dieser Anspruch folgt daraus, dass die verstorbene Mieterin, die vormalige Beklagte, nach dem Mietvertrag anteilig die Kosten der Haftpflichtversicherung zu zahlen hatte. In der Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, dass der Mieter in diesem Fall einen Anspruch gegen den Vermieter hat, dass dieser den Versicherer in Anspruch nimmt (vgl. zuletzt BGH VersR 2005, 408, 409). Vereitelt er dies, z.B. indem er, wie hier, gegen Obliegenheiten aus dem Versicherungsvertrag verstößt, ist dies eine Verletzung der ihm gegenüber dem Mieter obliegenden Pflicht, die letzteren zum Schadensersatz berechtigt. er kann folglich der Inanspruchnahme durch den Vermieter die sog. dolopetitEinrede entgegenhalten (BGH a.a.O.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Versicherer seinerseits leistungsfrei gewesen wäre, etwa weil dem Mieter ein Verschulden solcher Kategorie zur Last fällt, für das der Versicherungsschutz ausgeschlossen ist. Dies ist hier aber nicht der Fall, wobei das Landgericht und die Parteien irrtümlicherweise davon ausgegangen sind, der Versicherer der Kläger wäre bereits bei grober Fahrlässigkeit der Mieterin, der vormaligen Beklagten, leistungsfrei geworden. Dies ist aber nicht richtig. Da es im vorliegend zu beurteilenden Fall nicht um eine Sach, sondern eine Haftpflichtversicherung geht, greift § 152 VVG, der § 61 VVG als Spezialnorm für den Bereich der Haftpflichtversicherung vorgeht und der den Versicherungsschutz nicht bereits bei grober Fahrlässigkeit (so § 61 VVG), sondern erst bei Vorsatz entfallen lässt.

Dafür, dass die Mieterin seinerzeit vorsätzlich gehandelt hätte, ergeben sich keine Anhaltspunkte. Selbst wenn man entgegen der herrschenden Meinung nicht verlangt, dass sich der Vorsatz auf die Schadensfügung selbst (den Sturz), sondern nur auf die schadensstiftende Handlung (das unterlassene Streuen) beziehen muss (vgl. Prölss/Martin, 27.Aufl., §152 VVG Rn.5), lässt sich für ein vorsätzliches Handeln nichts anführen.

Es ist schon nicht erkennbar, dass der Mieterin überhaupt die Glätte aufgefallen wäre. Nach der Aussage der Zeugin C... war es morgens um 07.00 Uhr noch nicht glatt. Der Senat sieht nicht, warum der Beklagten danach zwingend hätte auffallen müssen, dass es infolge Regens glatt wurde. Schließlich wäre der Mieterin in keinem Fall zu widerlegen, dass sie jedenfalls darauf hoffte und vertraute, dass niemand zu Schaden kommt. Dass im Übrigen Vorsatz von vornherein ausscheidet, wenn man die Einlassung der verstorbenen Beklagten für glaubhaft erachtet, wonach sie mit Kochsalz gestreut haben will, bedarf keiner Vertiefung.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 I ZPO, 708 Nr.10 ZPO.

Ende der Entscheidung

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