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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 27.05.2009
Aktenzeichen: 1 Ss 96/09 I 40/09
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StGB § 52
StGB § 77b Abs. 1
StGB § 77b Abs. 2
StGB § 123 Abs. 2
StGB § 229
StGB § 223 Abs. 1
StGB § 238
StGB § 238 Abs. 1
StGB § 238 Abs. 1 2. Hs.
StGB § 238 Abs. 1 Nr. 1
StGB § 238 Abs. 1 Nr. 2
StGB § 241
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock - 1. Strafsenat - BESCHLUSS

1 Ss 96/09 I 40/09

In der Strafsache

wegen Nachstellung u.a.

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichtes Rostock durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Kruse und die Richter am Oberlandesgericht Hansen und Labi auf die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Greifswald vom 10. November 2008 auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und Anhörung der Beschwerdeführerin am 27. Mai 2009 gemäß § 349 Abs. 2, 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Das Urteil des Amtsgerichts Greifswald vom 10. November 2008 wird im Schuldspruch bis auf die Verurteilung wegen Hausfriedensbruchs im Fall 6 der Urteilsgründe und darüber hinaus im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und in diesem Umfang zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Greifswald zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision der Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat die Angeklagte wegen Nachstellung in sieben, in zwei Fällen dazu in Tateinheit stehend wegen Hausfriedensbruchs, zu einer Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 10,- € verurteilt.

Zum Tatgeschehen hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:

"Die Angeklagte hat bereits Jahre vor den nachfolgend aufgeführten Vorfällen Vorlesungen des Geschädigten Professor Dr. S. in der Fachrichtung Philosophie an der Universität G. besucht. Der Geschädigte hatte der Angeklagten als Gasthörerin eine Unterschrift zur Gasthörerschaft gewährt. Vor den dem Urteil zugrundeliegenden Vorfällen tauchte die Angeklagte bereits ein Mal in der Sprechstunde des Geschädigten auf. Der Geschädigte bat seine Sekretärin, die Tür offen zu lassen. Die Angeklagte erklärte daraufhin gegenüber dem Geschädigten, dass er mit ihrer Körperlichkeit nichts anzufangen wisse. Im Sommersemester 2007/2008 fing die Angeklagte an, den Geschädigten massiv zu belästigen. Am 12. April 2007 erschien die Angeklagte an der Universität und wollte an dem Hauptseminar des Geschädigten teilnehmen, was der Geschädigte ihr jedoch versagte.

1.

Am 13.04.2007 betrat die Angeklagte das Grundstück des Geschädigten in P., B. ... in Abwesenheit des Geschädigten. Sie verweilte dort und veränderte den Standort von Gegenständen, insbesondere von Gießkannen, indem sie diese unter Johannisbeersträucher stellte.

2.

Am 03.05.2007 betrat die Angeklagte die unverschlossene Wohnung des Geschädigten in P. über die Terrasse. Der Geschädigte befand sich zu diesem Zeitpunkt, für die Geschädigte nicht sichtbar, im hinteren Bereich des Hauses. Im Wohnzimmer hinterließ die Angeklagte in einem Sessel einen Umschlag, welcher Damenunterwäsche - einen Unterrock und ein Negligé, hellblau - enthielt.

3.

Am 07.07.2007 nahm die Angeklagte mittels E-Mail Kontakt zum Geschädigten auf. In dieser E-Mail heißt es wie folgt: "J., deinen Garten betrat ich, weil es nun endlich mal an der Zeit war, dich zu besuchen. Ich habe alle deine Zeichen gesehen. Im Traum war ich schon schon mal in deinem Garten und deinem Haus. Es gab viel Wasser draußen und drinnen. Zwei die am Tisch saßen, schauten skeptisch zu mir herüber. Du kamst, gingst auf mich zu, unsere Blicke trafen sich... Das andere Mal war mein Besuch bei dir von sehr flüchtiger Art. Schade, dass ich nicht fünf Minuten länger blieb! Schade, dass ich nicht an die Möglichkeit einer Mail gedacht habe. So bin ich aus der Spur gekommen. Ich würde ein drittes Mal länger bei dir verweilen."

4.

Am 16.09.2007 nahm die Angeklagte wiederum mittels E-Mail Kontakt zum Geschädigten auf und versuchte, mit sexuellen Andeutungen die Aufmerksamkeit des Geschädigten zu erregen. In der E-Mail hieß es wie folgt: "W.! Zu gerne wäre ich in deine Feriensprechstunde gekommen. Noch lieber hätte ich vor deinen Augen das hellblaue Unterkleid angezogen, um dich zu verführen. Aber dass alles hast du dir verscherzt, da du beim Spiel den Ernst ständig unter den Tisch fallen lässt! Übrigens, ich habe den 'Zarathustra' ganz und gar bebildert. ER würde Dir jetzt sicher auch sehr gefallen. Ich hätte Dir gerne den Genuss an den Bildern verschafft, aber es gelang mir leider nicht, Dir eine Mail zu schicken. Hier noch mal alle Lösungen der Rätsel. Großenteils hatte ich sie Dir schon auf's Band gesprochen. Deine S."

5.

In der Folgezeit nahm die Angeklagte mehrfach telefonischen Kontakt zum Geschädigten auf. Sie äußerte Sprüche, Rätsel und Gedichte zum Tod. Der Geschädigte wies die Angeklagte nicht drastisch ab, da er in Sorge war, dass ansonsten ihre Zudringlichkeiten eskalieren würden. Es gab in den Gesprächen jedoch keinerlei Dialog, meistens sprach die Angeklagte auch auf den Anrufbeantworter. Wörtlich wies der Geschädigte die Angeklagte in den Telefonaten - soweit er sie annahm - jedoch immer wieder höflich ab und brach zum Teil die Telefonate auch ab.

6.

Am 22.02.2008, gegen 13:00 Uhr, suchte die Angeklagte das Grundstück des Geschädigten in P. auf und versuchte - nach Öffnen der Tür durch den Geschädigten in Erwartung des Postboten - in die Wohnung einzutreten. Der Geschädigte drängte sie hinaus und machte die Tür zu. Er verbat sich zugleich jeden Kontakt und forderte die Angeklagte auf, das Grundstück zu verlassen. Er rief sodann seine Nachbarin, die Zeugin B., zur Hilfe, damit sie zu ihm komme. Die Angeklagte verließ zunächst den Eingangsbereich und begab sich um das Haus herum. Als der Geschädigte sich mit der Zeugin B. vor der Haustür unterhielt, trat die Angeklagte plötzlich und unvermittelt hinter dem Haus hervor und drängte sich an dem Geschädigten vorbei in den Hausflur. Der Geschädigte fasste sie an den Arm, sie leistete ihm jedoch Widerstand und wollte sich in das Wohnzimmer begeben, wobei sie ihm ankündigte, dass sie mit ihm reden wolle. Der Geschädigte forderte sie ausdrücklich auf, das Haus zu verlassen. Noch in Anwesenheit der Angeklagten im Haus rief der Geschädigte sodann die Polizei. Dem Geschädigten und der Zeugin B. gelang es dann, die Angeklagte aus der Wohnung und aus dem Haus zu schieben, allerdings verweilte sie immer noch im Gartenbereich und äußerte gegenüber der Zeugin B.: "Ich habe etwas, was Sie nicht haben." Sie hob dann ihren Pullover und die Jacke hoch, so dass die Unterwäsche zu sehen war und ging feixend rückwärts zum Gartentor davon.

7.

Noch am gleichen Tage nahm die Angeklagte sodann mittels Telefon mindestens drei Mal Kontakt zum Geschädigten auf, in denen sie ankündigte, den Geschädigten nochmals besuchen zu wollen.

Der Geschädigte, der sich als einen nicht ängstlichen Menschen beschreibt, änderte ab dem 13.04.2008 seine Lebensgewohnheiten. Nachdem die Angeklagte auf dem Grundstück erschienen war, schloss der Geschädigte zunächst die Haustür und das Hoftor ab, was er bis dahin unterlassen hatte, da er in der dörflichen Atmosphäre ungehindert Türen aufstehen lassen konnte. Kurz vor dem 22.02.2008 ließ der Geschädigte wieder das Hoftor offen, da sich die Angst vor einem erneuten Erscheinen der Angeklagten auf seinem Grundstück zunächst gelegt hatte. Er lüftete die Fenster nicht mehr, indem er sie sperrangelweit öffnete, sondern beließ sie im angekippten Zustand aus Furcht, die Angeklagte könne eindringen. Seit dem 13.04.2008 und jeweils auch nach den weiteren Kontakten der Angeklagten lebte der Geschädigte in einer Atmosphäre der ständigen Bedrohung, teilweise setzte er, soweit die Angeklagte weiterhin - unerlaubt - an seinen Seminaren teilnahm, eine Hilfskraft hinter sie. Der Angeklagte war ständig auf der Hut, insbesondere auch im Bereich des Universitätsgeländes, dass die Angeklagte ihn plötzlich abpassen würde. Der Geschädigte, der unter Bluthochdruck leidet, bemerkte, dass diese Erkrankung sich nach den Kontakten durch die Angeklagte verstärkte. Er schlief schlecht.

In der Vorlesung vermied der Geschädigte, die Angeklagte anzuschauen und kommunizierte bewusst nicht mit ihr, sondern versuchte, im Gespräch und im Kontakt mit den Studenten, bewusst über die Angeklagte hinweg zu sehen."

Mit ihrer Sprungrevision rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen erweist es sich aus den von der Generalstaatsanwaltschaft dargelegten Erwägungen als unbegründet (§ 349 Abs. 2 und 3 StPO).

II.

1.

Die Feststellungen des Amtsgerichts zum Taterfolg tragen nicht die Verurteilung der Angeklagten wegen Nachstellung.

a)

Zwar hat die Angeklagte dem Betroffenen durch die wiederholten Anrufe, E-Mails und das mehrfache Betreten seines Grundstücks im Sinne des § 238 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StGB nachgestellt, wobei dies auch jeweils gegen den Willen des Betroffenen und damit unberechtigt erfolgte (vgl. zu den Voraussetzungen: Fischer, StGB, 56. Aufl., § 238 Rdnr. 9 ff. m.w.N.). Die Nachstellungen waren auch beharrlich im Sinne des § 238 StGB, da die Angeklagte diese Handlungen bei Gesamtwürdigung aller Umstände gemessen am zeitlichen Abstand und am auf Herstellung einer persönlichen Beziehung gerichteten inneren Zusammenhang der einzelnen Handlungen zueinander zwischen April 2007 und Februar 2008 unter bewusster Missachtung des entgegenstehenden Willens des Betroffenen vorgenommen hat (vgl. zu den Voraussetzungen Fischer aaO. Rdnr. 19).

b)

Der Tatbestand der Nachstellung ist aber nur dann erfüllt, wenn die Tat darüber hinaus als Taterfolg zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Opfers führt, § 238 Abs. 1, 2.Hs. StGB und auch dies von einem zumindest bedingten Vorsatz des "Stalkers" umfasst ist, wobei eine Parallelwertung in der Laiensphäre genügt (Fischer aaO. Rdnr. 30).

Das ist nach den bislang getroffenen Feststellungen nicht der Fall.

Der Begriff der "schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung" ist eng auszulegen.

Dies folgt aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschrift, die zwar den persönlichen Freiheitsbereich des Opfers schützen, andererseits jedoch nicht jedes "belästigende" Verhalten unter Strafe stellen will, sondern nur dann, wenn es zu unzumutbaren über das normale Maß hinausgehenden negativen Veränderungen in den Lebensverhältnissen einer Person kommt (Fischer, aaO, § 238 Rdnr. 23 ). Nach den Gesetzesmaterialien ist dies dann der Fall, wenn im konkreten Kontext ins Gewicht fallende, gravierende und ernst zu nehmende objektive Beeinträchtigungen vorliegen, die über durchschnittliche, regelmäßig hinzunehmende und zumutbare Beeinträchtigungen erheblich und objektivierbar hinausgehen (BT-Drucksache 16/3641, S. 14 - Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses vom 29.11.2006).

Die Gesellschaft im Sinne der Allgemeinheit der miteinander auf engem Raum und in enger Gemeinschaft lebenden Individuen lebt allerdings von der Kommunikation untereinander und den menschlichen Beziehungen. Dies hat grundsätzlich auch zur Folge, dass Konflikte entstehen. Diese werden oftmals auf eine zwar für den Einzelnen unbefriedigende, aber noch im Rahmen einer von der Allgemeinheit durchaus tolerierbaren Weise gelöst. Dazu gehört auch der Versuch, zu Mitmenschen Beziehungen und Kontakte aufzubauen bzw. zu erhalten, selbst gegen deren Willen. Der Betreffende hat dies in einem gewissen Rahmen als Belästigungen hinzunehmen, zumal ihm auch zivilrechtliche Mittel zur Abwehr derartiger Angriffe zur Verfügung stehen. Von der betroffenen Person lediglich subjektiv als solche empfundene Nachteile erfüllen, selbst wenn damit gravierende psychische Folgen verbunden sind, den Tatbestand des § 238 StGB nicht, solange dadurch nicht deren Lebensgestaltung objektivierbar beeinträchtigt wird (Fischer a.a.O., Rdnr. 22).

Aus dem Tatbestand des § 238 StGB ausgeschieden werden daher solche Behelligungen, denen durch vergleichsweise einfache Maßnahmen der Eigenvorsorge, wie beispielsweise die Benutzung eines Anrufbeantworters oder die Einrichtung einer sogenannten Fangschaltung zum Zwecke der Beweissicherung ausreichend begegnet werden kann. Weitergehende Schutzvorkehrungen des Opfers, wie etwa das Verlassen der Wohnung nur noch in Begleitung Dritter und ein Wechsel des Arbeitsplatzes oder der Wohnung, sind dagegen nach den Gesetzesmaterialien als schwerwiegend anzusehen (vgl. zu Abgrenzungsfragen BT-Drucksache 16/575, S. 8ff - Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 08.02.2006; ebenso auch OLG Hamm, Beschl. v. 20.11.2008 -3 Ss 469/08-; LG Heidelberg, Urt. v. 06.05.2008 -2 KLs 22 Js 6935/07; AG Löbau, Urt. v. 17.04.2008 -5 Ds 440 Js 16120/07-; Peters, NStZ 2009, 238ff.; Fischer aaO., § 238 Rdnr. 23).

c)

Gemessen an diesen Kritierien ergibt sich aus den Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils Folgendes:

aa)

Es genügt nicht, dass der Betroffene "in einer Atmosphäre der ständigen Bedrohung gelebt" hat, da dies eine rein subjektive Einschätzung widerspiegelt, die nicht weiter objektiviert worden ist (vgl. dazu OLG Hamm a.a.O.), zumal ein den Tatbestand des § 241 StGB erfüllendes Verhalten der Angeklagten nicht erwiesen ist. Auch dass sich nach seinen Angaben sein ohnehin hoher Blutdruck weiter erhöht und er schlecht geschlafen hat, ist kein Ausdruck der Änderung der Lebensgestaltung, sondern die Darstellung einer (mangels entsprechender physiologischer Tatsachen) nur subjektiv empfundenen körperlichen Reaktion und scheidet damit als Anknüpfungspunkt einer schwerwiegenden Beeinträchtigung aus.

bb)

Soweit eine objektive Änderung der Lebensgestaltung im Folgenden bejaht werden kann, ist die Grenze zwischen der - wenn auch erheblichen - Belästigung hin zur schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung nicht überschritten.

(1)

Das Verschließen des Hoftores und der Haustür und das nunmehr auf das Kippen der Fenster beschränkte Lüften des Hauses stellt noch keine solch schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung dar. Maßstab ist hierbei angesichts des eng auszulegenden Tatbestandes des § 238 StGB nicht das individuelle - offensichtlich auf besonderes Vertrauen seiner Umwelt gegenüber bauende - Verhalten des Geschädigten. Maßgeblich ist vielmehr, dass sich die von ihm getroffenen Schutzmaßnahmen, das Verschließen von Fenstern und Türen beim Verlassen des Hauses, mit dem allgemein üblichen täglichen - und nicht von Nachstellungen geprägten - Verhalten weiter Teile der Bevölkerung decken. Deshalb kann dahinstehen, ob - wie die Revision vorträgt -, das Amtsgericht widerspruchsfrei von einer Änderung im Lebensstil des Geschädigten ausgegangen ist, da dieser offenbar auch noch am 03.05.2007 - und damit nach der vom Amtsgericht angenommenen Änderung des Schließverhaltens - die Terrassentür nicht verschlossen hatte, so dass das Haus für die Angeklagte an diesem Tage wieder zugänglich war.

(2)

Auch soweit das Amtsgericht unter Ziff. 7 der Urteilsgründe Feststellungen zu einem geänderten Verhalten des Betroffenen in der Universität getroffen hat, ist darin keine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Betroffenen zu erkennen. So hat er sogar zugelassen, dass die Angeklagte "unerlaubt" weiterhin an seinen Seminaren teilnahm. Da der Betroffene aber offensichtlich noch nicht einmal mit den ihm oder der Universitätsverwaltung zur Verfügung stehenden zivilrechtlichen Mitteln des Hausrechts gegen diese "unerlaubte" Teilnahme vorgegangen ist, sondern er sich weniger einschneidender Maßnahmen - der Kontrolle durch seine Mitarbeiter (und dies nach den amtsgerichtlichen Feststellungen auch nur "teilweise") - bedient hat, hat die Angeklagte letztlich mit Einverständnis oder Einwilligung des Betroffenen an seinen Seminaren teilgenommen. Die nach den amtsgerichtlichen Feststellungen damit einhergehenden psychologischen Einschränkungen hat der Betroffene selbst zu vertreten.

(3)

Zwar kann auch die Gesamtheit von jeweils geringfügigen Veränderungen im Verhalten der Opfer von Nachstellungen in ihrer Massierung zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung ihrer Lebensführung führen. Derartiges kann hier jedoch nicht festgestellt werden. Dazu waren die jeweiligen Beeinträchtigungen zu kurzzeitig und im Hinblick auf die jeweils "künstlerische Einbindung" durch Gedichte, Sinnsprüche, Hinweise auf Literatur und Kunst etc. von einer zu offensichtlichen Harm- und Hilflosigkeit der Angeklagten geprägt, als dass dies bei objektiver Betrachtung als ein Mehr gegenüber einer bloßen Belästigung angesehen werden könnte.

Da insoweit noch weitere Feststellungen möglich erscheinen, war das Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen.

cc)

Sollte der zur erneuten Entscheidung berufene Tatrichter zur Auffassung gelangen, eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung des Betroffenen i. o.g. Sinne liege vor, wird zu beachten sein, dass die hier vorliegenden Handlungen -wenn überhaupt- erst in ihrer Gesamtheit zu diesem Erfolg geführt haben können, so dass sie dann nicht im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander stehen, sondern als natürliche Handlungseinheit zu einer Tat im Sinne des § 52 StGB verbunden sind (vgl. dazu auch LG Heidelberg aaO. m.w.N.)

2.

Die tateinheitliche Verurteilung wegen Hausfriedensbruchs im Fall 2 der Urteilsgründe, begangen am 03.05.2007, hält der rechtlichen Überprüfung ebenfalls nicht stand. Es fehlt am rechtzeitig gestellten Strafantrag. Gemäß § 77b Abs. 1, 2 StGB i.V.m. § 123 Abs. 2 StGB wird der Hausfriedensbruch nicht mehr verfolgt, wenn es der Antragsberechtigte unterlässt, den Antrag bis zum Ablauf einer Frist von drei Monaten nach Ablauf des Tages, an dem der Berechtigte von der Tat und der Person des Täters Kenntnis erlangt. Dies war spätestens am 15.06.2007 der Fall, als die Angeklagte den Hausfriedensbruch gegenüber dem Geschädigten zugab. Der am 22.02.2008 gestellte Strafantrag ist damit verspätet.

3.

Im Hinblick darauf, dass sich der Bluthochdruck des Geschädigten nach seinen Angaben durch das Handeln der Angeklagten weiter verschlechtert hat und er deshalb auch unter Schlafstörungen leidet, kommt hingegen eine vorsätzliche oder fahrlässige Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 229 StGB in Betracht. Ob im vorliegenden Einzelfall die Grenze von (strafloser) Beeinträchtigung des seelischen Wohlbefindens zur Körperverletzung überschritten ist, wird das zur erneuten Entscheidung berufene Tatgericht auf Grund zu treffender ergänzender Feststellungen zu prüfen und entscheiden haben. Hierbei wird insbesondere auch der subjektive Tatbestand besonderer Feststellungen bedürfen. Entsprechende Feststellungen erscheinen auch noch möglich. Das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung hat die Generalstatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 27.04.2009 bejaht.

Sollten die neu zu treffenden Feststellungen zur Bejahung einer Körperverletzung führen, wird insoweit der Schuldspruch zu berichtigen sein. Eine derartige Schuldspruchberichtigung ist zulässig, obwohl nur die Angeklagte Revision eingelegt hat. Sie verstößt nach einhelliger Auffassung nicht gegen den Grundsatz des Verbotes der reformatio in peius und setzt auch keine Beschwer der Angeklagten mit der Folge voraus, dass ein zu milder Schuldspruch bestehen bleiben muss. Aus dem Gebot umfassender rechtlicher Prüfung ergibt sich vielmehr die Pflicht, auf die Sachrüge der Angeklagten den Schuldspruch auch zu deren Nachteil zu ändern oder zu ergänzen. Das Verschlechterungsverbot schützt die Angeklagte lediglich davor, dass das Urteil in Art und Höhe der Strafe zu ihrem Nachteil geändert wird. Eine Verschärfung des Schuldspruchs muss die Rechtsmittelführerin jedoch mit der Einlegung des Rechtsmittels stets in Kauf nehmen (vgl. KK-Kuckein, aaO, § 358 Rdnr. 18 m.w.N.).

Ende der Entscheidung

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