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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 13.04.2006
Aktenzeichen: 1 U 1/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB a.F. § 196 Abs. 1 Nr. 1
BGB a.F. § 201
BGB a.F. § 209 Abs. 2 Nr. 1
BGB a.F. § 211 Abs. 2
BGB a.F. § 631 Abs. 1
ZPO § 239
ZPO § 246
ZPO § 250
Bei Tod einer Partei lässt der auf Antrag ihres Bevollmächtigten ergangene Aussetzungsbeschluss die Unterbrechung der Verjährung (hier: durch Zustellung des Mahnbescheides) unberührt. Die Unterbrechungswirkung endet erst mit Wegfall des Aussetzungsgrundes. Bei Tod einer Partei fällt der Aussetzungsgrund weg, wenn die Erbfolge geklärt ist. Hiervon ist auszugehen, wenn der Erbschein erteilt wird und unangefochten bleibt.
Im Namen des Volkes URTEIL

Az.: 1 U 1/06

Lt. Protokoll verkündet am: 13.04.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock auf die mündliche Verhandlung vom 13.04.2006 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Hillmann, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Jäschke und den Richter am Oberlandesgericht Röck

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 05.07.1995 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Stralsund - 7 O 143/95 - geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der frühere Kläger nahm im Jahr 1995 die ursprüngliche Beklagte vor dem Landgericht erfolgreich auf Zahlung restlichen Werklohns in Anspruch. Er verstarb noch im selben Jahr während des Berufungsverfahrens und wurde gemäß Erbschein vom 31.01.1996 von seiner Ehefrau und seinen drei Kindern beerbt. Auf Antrag seines Bevollmächtigten setzte der damals zuständige Senat mit Beschluss vom 25.01.1996 das Verfahren aus. Mit Schriftsatz vom 22.08.2005 beantragte der Bevollmächtigte, dem Berufungsverfahren nunmehr Fortgang zu geben. Zwischenzeitlich war die Berufungsklägerin gestorben. Deren Erbin beruft sich nunmehr auf Verjährung. Damit hatte sie beim jetzt zuständigen Senat Erfolg.

Gründe:

A.

Auf den Fall finden die Vorschriften in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung Anwendung.

B.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO abgesehen.

C. (Entscheidungsgründe)

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein durchsetzbarer Werklohnanspruch aus §§ 631 Abs. 1, 398 BGB zu. Der Anspruch ist - nach Erlass des angefochtenen Urteils - verjährt (§ 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Zwar wurde mit Zustellung des Mahnbescheids am 21.12.1994 die Verjährung rechtzeitig unterbrochen (§ 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Die Unterbrechungswirkung des mit Beschluss des 5. Zivilsenats vom 25.01.1996 gemäß § 246 ZPO ausgesetzen Verfahrens dauerte jedoch nicht etwa bis zu der mit Schriftssatz der Klägerin vom 22.08.2005 erklärten Aufnahme des Verfahrens fort. Sie endete vielmehr am 31.01.1996 mit der Folge, dass die erneut in Lauf gesetzte Verjährungsfrist wegen Nichtbetreibens des Verfahrens (§ 211 Abs. 2 Satz 1 BGB) am 31.01.1998 ablief.

1. Der Aussetzungsbeschluss selbst ließ die durch Zustellung des Mahnbescheids eingetretene Unterbrechung der Verjährung unberührt. Es ist allgemein anerkannt, dass auf eine vom Gericht beschlossene Aussetzung § 211 Abs. 2 BGB nicht anwendbar ist (BGH, MDR 1989, 540; MDR 1993, 521; Niedenführ, in: Soergel, BGB, 13. Aufl., § 211 Rn. 7; Grothe, in: Münchener Kommentar, BGB, 4. Aufl., § 211 Rn. 9; Peters: in Staudinger, BGB, 13. Auflage, § 204 Rn. 123). Dieser Auffassung ist jedenfalls für den Fall zuzustimmen, dass die Parteien wegen des Aussetzungsbeschlusses nicht die Möglichkeit haben, vor dem Wegfall des Aussetzungsgrundes die Fortsetzung des anhängigen Rechtsstreits zu erreichen (vgl. BGH, MDR 1989, 540: Aussetzung nach § 148 ZPO). Denn dann beruht der Stillstand des Verfahrens nicht auf einer Untätigkeit der Parteien. Ob die allgemeine Auffassung auch bei Tod einer Partei im Anwaltsprozess trägt, mag hingegen zweifelhaft erscheinen. Der Rechtsnachfolger ist frei in seiner Entscheidung, den zur Beschlussfassung über eine Aussetzung erforderlichen Antrag durch seinen Bevollmächtigten stellen zu lassen (§ 246 Abs. 1 Hs. 2 ZPO). Stellt ihn der Gegner, kann er die Aufnahme des ausgesetzten Verfahrens erklären (§ 250 ZPO) und damit die Fortsetzung des Rechtsstreits erreichen.

2. Der Senat muss die aufgeworfene Frage jedoch nicht abschließend beurteilen. Der Anspruch der Klägerin ist jedenfalls deshalb verjährt, weil mit Erteilung des Erbscheins (31.01.1996) der Grund des Aussetzungsbeschlusses weggefallen und die Klägerin seitdem - bis zur Aufnahme des Verfahrens im August 2005 - untätig geblieben ist.

a. Dass mit Wegfall des Aussetzungsgrundes die neue Verjährungsfrist zu laufen beginnt, ist nicht umstritten (vgl. die Nachweise zu 1.). Fraglich ist nur, welches der Grund ist, dessen Wegfall die Unterbrechung der Verjährung beendet und damit die Verjährungsfrist erneut in Lauf setzt. Der den Anlass zur Aussetzung gebende Tod einer Partei kann dies ebenso wenig sein wie die die Aussetzung beendende Erklärung der Aufnahme des Verfahrens. Der Grund für die Aussetzung bei Tod einer Partei entfällt vielmehr dann, wenn der mit ihr verfolgte Zweck erreicht ist. In den Fällen der §§ 239, 246 ZPO ist hiervon auszugehen, wenn die zunächst offene Frage der Rechtsnachfolge geklärt ist, so dass der Erbe über eine Fortsetzung des Prozesses entscheiden und sich der Bevollmächtigte des Verstorbenen ggf. vom Erben entsprechende Weisungen erteilen lassen kann (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 239 Rn. 1 und § 246 Rn. 1; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 239 Rn. 1). Die Ungewissheit, wer Erbe ist, wird aber regelmäßig mit Erteilung des Erbscheins beseitigt. Denn dem Erbschein haftet die Vermutung seiner Richtigkeit an (§ 2365 BGB). Der Senat ist deshalb mit dem LAG Köln (Urteil vom 04.03.2005 - 4 Sa 1198/04, nicht veröffentlicht) der Ansicht, dass jedenfalls in Fällen unstreitiger Erbfolge die Erteilung des Erbscheins den Aussetzungsgrund wegfallen lässt. Dem durch Erbschein ausgewiesenen Rechtsnachfolger ist es ohne weiteres möglich und auch zumutbar, sich auf die geänderten Verhältnisse einzustellen und - binnen der neu in Lauf gesetzten Verjährungsfrist - eine Entscheidung über eine Fortsetzung des Verfahrens zu treffen. Es ist auch sachgerecht, mit Beseitigung der Ungewissheitslage die Unterbrechung der Verjährung enden zu lassen. Anderenfalls müsste der beklagte Schuldner eine zeitlich unbegrenzte Inanspruchnahme befürchten. Es wäre jedoch nicht einzusehen, wenn dem Erben die Entscheidung über eine Aufnahme des Verfahrens zeitlich unbeschränkt überlassen bliebe. Er könnte in diesem Fall den Ablauf der Verjährungsfrist beliebig hinauszögern und würde in diesem Fall mehr Recht als sein Rechtsvorgänger für sich in Anspruch nehmen. Zwar verkennt der Senat nicht die dem verklagten Schuldner durch §§ 246 Abs. 2, 239 Abs. 2 ZPO eingeräumte Möglichkeit, die Aufnahme des Verfahrens durch seinen Gegner zu erzwingen. Die Fortsetzung des Verfahrens widerspricht jedoch in aller Regel - anders als bei der klagenden Partei - seinem eigenen Interesse. Er kann es deshalb dem Erben überlassen, ob dieser den Prozess gegen ihn fortsetzen will oder nicht. Ihm selbst ist es nicht zuzumuten, auf eine erneute Inlaufsetzung der Verjährungsfrist hinzuwirken.

b. Auch im Streitfall ist mit Erteilung des Erbscheins (31.01.1996) der Aussetzungsgrund weggefallen. Der - von niemandem angefochtene - Erbschein weist die Klägerin als Miterbin neben den drei Kindern des Verstorbenen aus. Damit konnte sie die Aufnahme des Verfahrens erklären, u. z. allein, wenn auch nur mit der Maßgabe, die im landgerichtlichen Urteil zuerkannte Leistung nunmehr gemeinschaftlich an alle Miterben zu fordern (vgl. Greger, a.a.O., § 239 Rn. 9). Hinderungsgründe sind weder ersichtlich noch mit dem Hinweis auf die zuvor erfolgte Regelung der Erbangelegenheiten vorgetragen. Auch der nicht beschiedene Prozesskostenhilfeantrag der Beklagten gab der Klägerin keinen Grund zum Nichtbetreiben des Verfahrens (§ 211 Abs. 2 BGB). Zwar war das Gericht durch die Aussetzung nicht an einer Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gehindert (vgl. BGH, NJW 1966, 1126). Die Beklagte hatte ihren Antrag jedoch nicht für eine beabsichtigte, sondern für eine eingelegte Berufung gestellt. Deshalb hätte das Verfahren in der Hauptsache auch ohne vorherige Bescheidung des Prozesskostenhilfeantrages fortgesetzt werden können. Die Verantwortung für das Nichtbetreiben des Prozesses bis zum Jahr 2005 lag deshalb bei der Klägerin.

c. Mit dem Ende der Unterbrechung (31.01.1996) begann sofort und nicht erst zum Jahresende (§ 201 BGB) die neue zweijährige Verjährungsfrist (vgl. BAG, NJW 1990, 2578 [2579]). Sie endete somit am 31.01.1998. Die im Jahr 2000 vollzogene Erbeinanderaussetzung mit dem Sohn des Verstorbenen vermochte daran nichts mehr zu ändern.

D.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

2. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

3. Für eine Zulassung der Revision bestand kein in § 543 Abs. 2 ZPO n.F. genannter Grund.

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