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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 23.03.2005
Aktenzeichen: 1 W 63/03
Rechtsgebiete: ZPO, VerbrKrG, EGBGB, BGB, VVG


Vorschriften:

ZPO § 114 Satz 1
ZPO § 127 Abs. 1 S. 2
ZPO § 127 Abs. 1 S. 3
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
VerbrKrG § 9
VerbrKrG § 9 Abs. 1
VerbrKrG § 9 Abs. 3 Satz 1
VerbrKrG § 9 Abs. 4
EGBGB Art. 229 § 5
BGB § 273
VVG § 12 Abs. 3
VVG § 12 Abs. 3 S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Az.: 1 W 63/03

Beschluß

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Hillmann, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Garbe und den Richter am Landgericht Wiebe

am 23. März 2005 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß der 3. Zivilkammer des Landgerichts Schwerin vom 29.10.2003 - Az.: 3 O 434/03 - geändert:

Der Beklagten wird Prozeßkostenhilfe für den 1. Rechtszug unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. bewilligt.

Ratenzahlungen werden nicht angeordnet.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die nach §§ 127 Abs. 1 S. 2 und 3, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten ist in der Sache begründet.

Der Rechtsverteidigung der Beklagten fehlt es nicht an der von § 114 Satz 1 ZPO geforderten hinreichenden Erfolgsaussicht. Gelingt der Beklagten der Nachweis, daß sie seit Dezember 2001 arbeitsunfähig ist, so hat sie berechtigt Zahlungen auf den ihr von der Klägerin gewährten Ratenzahlungskredit gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 VerbrKrG verweigert. 1. Der zwischen den Parteien zur Finanzierung des Kaufs eines VW Golf III Variant am 04.05./05.06.2000 geschlossene Ratenkreditvertrag unterfällt gemäß Art. 229 § 5 EGBGB dem VerbrKrG. Dabei bilden der Kreditvertrag und die über diesen mitfinanzierte Restschuldversicherung nebst der damit gekoppelten Arbeitsunfähigkeitszusatzversicherung verbundene Geschäfte i.S.v. § 9 Abs. 1, 4 VerbrKrG.

a) Zum Abschluß einer solchen Versicherung verständigten sich die Parteien in dem Ratenkreditvertrag mit der Maßgabe, daß die einmalige Versicherungsprämie in Höhe von 1.218,07 DM über die Gesamtdarlehenssumme von 29.422,08 DM von der Klägerin mitfinanziert wurde. Durch die über die Klägerin als Versicherungsnehmerin bei der B. L. abgeschlossene Versicherung mit der Beklagten als Versicherten sollte bei Eintritt des Versicherungsfalles (Tod oder Arbeitsunfähigkeit) die Erfüllung der Ansprüche der Klägerin aus dem Kreditvertrag durch Zahlung des noch offenen Rests der Kreditschuld durch den Versicherer (§ 267 BGB) gesichert und die Beklagte von einer entsprechenden Zahlungspflicht befreit werden (vgl. Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., vor § 159 Rdz. 17; Bülow, Verbraucherkreditrecht, 5. Aufl., § 492 BGB Rdz. 27).

b) Die Frage, ob eine solchermaßen finanzierte Restschuldversicherung ein mit dem Kreditvertrag verbundenes Geschäft i.S.v. § 9 Abs. 1, 4 VerbrKrG darstellt, wird im Schrifttum kontrovers beurteilt und ist - soweit ersichtlich - höchstrichterlich noch ungeklärt.

Emmerich (in Graf von Westphalen, Emmerich, von Rottenburg, VerbrKrG, 2. Aufl., § 9 Rdz. 74) und Habersack (in Müko, BGB, 3. Aufl., § 9 VerbrKrG Rdz. 140 f) halten § 9 VerbrKrG für anwendbar, wenn - wie hier - der Kredit mit einer Restschuldversicherung verbunden und die Versicherungsprämie über den Kredit mitfinanziert wird (vgl. auch Kessal-Wulf in Staudinger, BGB, 13. Aufl., 2004, § 358 Rdz. 40). Eine andere Auffassung vertritt Scholz (Verbraucherkreditverträge, 2. Aufl., Rdz. 245) im wesentlichen mit der Begründung, daß der Abschluß der mitfinanzierten Restschuldversicherung in erster Linie dem Interesse des Kreditnehmers und nur indirekt dem der Bank diene (so im Ergebnis wohl auch Münstermann-Hannes, VerbrKrG, 1991, Rdz. 545).

c) Der Senat folgt der erstgenannten Ansicht.

Ein verbundenes Geschäft i.S.v. § 9 Abs. 4 VerbrKrG liegt vor, wenn rechtlich selbständige Verträge in solch einem engen Zusammenhang stehen, daß diese sich jeweils als Teilstück einer rechtlichen oder wenigstens wirtschaftlich-tatsächlichen Einheit darstellen und sich ergänzen. Das ist der Fall, wenn ei-nerseits der Kredit (auch) zu dem Zweck gewährt wird, die sonstige Vergütung - hier die Versicherungsprämie - zu begleichen und andererseits aus Sicht des Verbrauchers der Kreditgeber und der Verkäufer oder ein sonstiger Dienstleistender (hier das Versicherungsunternehmen) eng miteinander zusammenwirken, wobei es genügt, daß ein gemeinsamer Bezug zwischen den Verträgen besteht.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Die Restschuldversicherung nebst der mit dieser eine Einheit bildende Arbeitsunfähigkeitszusatzversicherung (§ 7 der Bedingungen für die Arbeitsunfähigkeitszusatzversicherung) ist über den von der Klägerin der Beklagten gewährten Kredit finanziert worden. Dem Kreditvertrag nebst den einbezogenen "Darlehensbedingungen" und dem unstreitig der Beklagten überlassenen Merkblatt der B. L. ist zu entnehmen, daß diese und die Klägerin offenbar auf der Grundlage eines Rahmenvertrages eng miteinander kooperieren. Weiterhin ist der bestehende wechselseitige Bezug zwischen dem jeweiligen Kredit- und Versicherungsvertrag offenkundig. Die reine Restschuldversicherung ist mit dem Kreditvertrag streng in einer Weise verbunden (vgl. Emmerich, a.a.O.; Hemmerde/von Rottenburg, WM 1993, 181), daß beide Verträge dem Verbraucher als eine Einheit erscheinen. Hinzu kommt, daß der Abschluß einer mitfinanzierten Restschuldversicherung nicht nur dem Interesse des Kreditnehmers, sondern zumindest in gleicher Weise auch dem der finanzierenden Bank entspricht (vgl. Bülow, VerbrKrG, 3. Aufl., § 4 Rdz. 106).

Beachtliche Gründe, die mitfinanzierte Restschuldversicherung dem Verbraucherschutz des § 9 VerbrKrG zu entziehen, sind nicht ersichtlich. Dem Regelungszweck dieser Bestimmung kann nicht entnommen werden, daß von § 9 Abs. 4 VerbrKrG nur eigenständige fremdfinanzierte Dienstleistungsgeschäfte erfasst werden sollen (so aber Münstermann-Hannes, a.a.O.). d) Jedenfalls handelt es sich bei der Frage der Anwendbarkeit von § 9 VerbrKrG auf mitfinanzierte Restschuldversicherungen um eine umstrittene, schwierige und im vorliegenden Fall entscheidungserhebliche Rechtsfrage, deren Vorab-Entscheidung im Prozeßkostenhilfeverfahren nicht zweckdienlich erscheint (vgl. Zöller-Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 114 Rdz. 21 m.w.N.).

2.

Handelt es sich bei dem Ratenkreditvertrag vom 04.05./05.06.2000 und der Restschuldversicherung um ein verbundenes Geschäft i.S.v. § 9 Abs. 1, 4 VerbrKrG, so könnte die Beklagte dem Kreditrückzahlungsbegehren der Klägerin gemäß § 9 Abs. 3 S. 1 VerbrKrG die möglicherweise zu Unrecht verweigerte Zahlung der B. L. entgegenhalten (vgl. hierzu: Habersack, VerbrKrG, 2. Aufl. § 9 Rdz. 93 m.w.N.).

a) Eines Rückgriffs auf ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 BGB mit der Notwendigkeit der Gegenseitigkeit und der Folge einer Zug um Zug-Verurteilung bedürfte es nicht, weil § 9 Abs. 3 S. 1 VerbrKrG ein eigenständiges Leistungsverweigerungsrecht gewährt.

b) Hiervon hätte die Beklagte nach den Feststellungen des Landgerichts Gebrauch gemacht (vgl. Palandt-Putzo, BGB, 60. Aufl., § 9 VerbrKrG Rdz. 16), indem sie der Klägerin im Dezember 2001 die bei ihr eingetretene - streitige - Arbeitsun-fähigkeit angezeigt hat (S. 2 vorletzter Absatz des angefochtenen Beschlusses).

c) Die Frage, ob bei der Beklagten ein Fall der Arbeitsunfähigkeit mit der Folge einer Rentenzahlungspflicht der B. L. gemäß § 1 der Bedingungen für die Arbeitsunfähigkeitszusatzversicherung eingetreten ist, bedarf hier keiner abschließenden Klärung. Diese hat im weiteren erstinstanzlichen Verfahren zu erfolgen. Immerhin hat die Beklagte das durchaus aussagekräftige Arztgutachten vom 07.11.2000 eingereicht.

d) Der Senat hat auch nicht darüber zu befinden, ob - wie die Klägerin meint - die B. L. gemäß § 12 Abs. 3 VVG leistungsfrei geworden ist und dieser Umstand einem Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten gemäß § 9 Abs. 3 S. 1 VerbrKrG entgegensteht. Insoweit fehlt es bereits an einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Zwar hat die B. L. mit Schreiben vom 26.02.2003 eine Leistungspflicht in Abrede genommen. Es ist jedoch weder vorgetragen noch erkennbar, ob der von der Beklagten geltend gemachte Anspruch schriftlich mit einem Hinweis gemäß § 12 Abs. 3 S. 2 VVG abgelehnt wurde.

3.

Die Nebenentscheidung beruhen auf §§ 1 GKG, 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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