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Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 08.11.2006
Aktenzeichen: 10 UF 50/05
Rechtsgebiete: GG, BGB


Vorschriften:

GG Art. 6 Abs. 5
BGB § 1615 l Abs. 2 Satz 3
1. Das in Art. 6 Abs. 5 GG normierte Gleichbehandlungsgebot gebietet es bei nichtehelichen Kindern, den unbestimmten Rechtsbegriff der groben Unbilligkeit in § 1615 l Abs. 2 Satz 3 BGB weit auszulegen. Das gilt jedenfalls, wenn die Umstände des Einzelfalles trotz staatlicher Hilfen keine Gewähr dafür bieten, dass die leibliche und seelische Entwicklung des Kindes gewährleistet ist. Das kann der Fall sein, wenn der betreuende Elternteil ansonsten gehalten wäre, mit negativen Wirkungen für das Kind eine Berufstätigkeit im weitergehenden Rahmen aufzunehmen.

2. Kindbezogene Umstände gewinnen bei der Auslegung des § 1615 l Abs. 2 Satz 3 BGB besonderes Gewicht . Eine Verlängerung der Zahlungspflicht über 3 Jahre hinaus kommt schon in Betracht, wenn der Aufschub einer Erwerbstätigkeit durch die Mutter aus objektiver Sicht wegen der besonderen Bedürfnisse des Kindes als vernünftig und dem Kindeswohl förderlich erscheint. Die Schwelle ist aus verfassungsrechtlichen Gründen niedrig anzusetzen. Eine erhöhte Betreuungsbedürftigkeit des Kindes ist durch Atteste oder Befundberichte nachzuweisen.


Az.: 10 UF 50/05

Verkündet am 8.11.2006

Im Namen des Volkes Urteil

In der Familiensache

hat der 1. Familiensenat des Oberlandesgerichts Rostock auf die mündliche Verhandlung vom 10.10.2006 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Güstrow - Familiengericht - vom 25.2.2006 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche auf Unterhalt für den Zeitraum Juni 1999 bis Oktober 2003 insgesamt 25.288,92 Euro zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Klägerin zu 2 trägt 15 % der Gerichtskosten und der Auslagen des Beklagten, der Beklagte 80 % der Auslagen der Klägerin zu 2 und die übrigen Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die heute 33 Jahre alte Klägerin zu 2 ist die Mutter des am 31.1.1998 geborenen heute acht Jahre alten Klägers zu 1; der heute 68 Jahre alte Beklagte der nicht eheliche Vater des Klägers zu 1. Der Beklagte wird von dem Kläger zu 1 auf Kindesunterhalt und von der Klägerin zu 2 auf Unterhalt anlässlich der Geburt in Anspruch genommen. Der Beklagte hat den Anspruch des Klägers zu 1 in vollem Umfang und den Anspruch der Klägerin zu 2 bis zum 31.5.1999 anerkannt. Gegen den Beklagten ist Teilanerkenntnisurteil ergangen.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes, des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird auf das Urteil des Amtsgerichts Güstrow vom 25.2.2005 verwiesen.

Zu ergänzen ist noch, dass die Klägerin zu 2 in der Zeit vom 1.4.2000 - 24.9.2000 Arbeitslosenhilfe i. H. v. wöchentlich 233,38 DM, in der Zeit vom 24.9.2000 - 18.12.2000 Arbeitslosenhilfe i. H. v. wöchentlich 226,38 DM sowie in der Zeit vom 19.12.2000 - 8.1.2001 Übergangsgeld i. H. v. kalendertäglich 32,34 DM bezog. Vor- und nachher erhielt die Klägerin zu 2 Sozialhilfe . Die als Träger der Sozialhilfe beteiligten Städte Güstrow und Amberg haben einen etwaigen bestehenden Unterhaltsanspruch gegen den Beklagten zurückabgetreten.

Mit seiner Berufung verfolgt der Beklagte sein Ziel auf Klageabweisung weiter, soweit er nicht anerkannt hat. Er schulde der Klägerin zu 2 ab 1.6.1999 keinen Unterhalt. Das Familiengericht habe sein Einkommen fehlerhaft ermittelt, insbesondere habe es nur die Einnahmen, nicht aber die Ausgaben berücksichtigt. In guten Jahren hätten sich allein die Nebenkosten auf 10.000 Euro jährlich summiert. Wegen eines zunehmenden Leerstandes seien die Mieteinnahmen zurückgegangen. Die Häuser befänden sich in einem maroden Zustand. Die Annahme des Familiengerichts, er habe Einnahmen von monatlich 3.500 Euro, sei nicht nachvollziehbar. Das zeige schon ein Strafverfahren gegen ihn wegen Verletzung der Unterhaltspflicht. Der Strafbefehl, der gegen ihn ergangen sei, gehe ab November 2001 zutreffend von einem Einkommen von ca. 2.000 Euro monatlich aus. Seit 2002 hätten die Mieteinnahmen nicht einmal mehr die Unkosten gedeckt. Zu bedenken sei, dass er auch noch Darlehensverbindlichkeiten zu bedienen habe. Auf zwei Darlehen i. H. v. 60.000 DM und 20.000 DM habe er jährlich 8.955,82 Euro bzw. 6.097,16 Euro gezahlt. Darin seien Tilgung und Zinsen enthalten. Für eine Gebäudeversicherung habe er im Jahre 2004 2.355,93 Euro entrichtet, in den vorangegangenen Jahren seien die Beiträge etwa gleich hoch ausgefallen. Schließlich wirkten sich noch Aufwendungen für Reparaturen und der unbedingt nötige Erhaltungsaufwand einkommensmindernd aus. Er sei völlig überschuldet und sehe sich Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ausgesetzt.

Unabhängig davon habe die Klägerin zu 2 ihren Unterhaltsanspruch gemäß § 1611 BGB verwirkt. So habe sie ihn wegen sexuellen Missbrauchs zu ihrem Nachteil angezeigt. Sie habe ihn darüber hinaus bezichtigt, seine eigenen Kinder sexuell missbraucht zu haben. Ihre haltlosen Beschuldigungen habe sie in der Presse und im Fernsehen sowie gegenüber Bekannten wiederholt. Alle Ermittlungsverfahren seien mangels Beweises eingestellt. Weiter habe die Klägerin zu 2 ihn mit Gewaltschutzverfahren überzogen, die Gerichte hätten die entsprechenden Anträge der Klägerin zu 2 zurückgewiesen. Nur noch ein Verfahren sei anhängig. 2002 habe die Klägerin zu 2 mit einem moslemischen Asylbewerber eine Lebenspartnerschaft gegründet. Gemäß § 16 LPartG sei daher ein etwaiger Unterhaltsanspruch der Klägerin zu 2 erloschen. Die Klägerin zu 2 verwehre ihm im Widerspruch zu einem Gerichtsbeschluss den Umgang mit dem Kläger zu 1, der im Übrigen auch nicht unter Neurodermitis leide, was ein von ihm vorgelegtes Foto zeige. Das habe auch der Psychologe Dr. K. in seinem Gutachten zum Az. 76 F 243/00 (AG Güstrow) festgestellt. Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Güstrow vom 26.02.2005 die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das Urteil des Amtsgerichts. Dem Beklagten sei es auch in der Berufungsinstanz nicht gelungen, sein Einkommen nachvollziehbar darzulegen. Eine Verwirkung komme nicht in Betracht. Zwar habe die Klägerin zu 2 den Beklagten wegen sexuellen Missbrauchs angezeigt, dabei habe sie jedoch lediglich ihre berechtigten Interessen wahrgenommen. In dem zweiten Gewaltschutzverfahren habe sie in erster Instanz obsiegt, weil der Beklagte ihr unentwegt nachstelle. Allerdings habe der Beklagte Berufung eingelegt, über die das Landgericht noch nicht entschieden habe. Schließlich ermögliche sie dem Antragsteller den Umgang mit dem Kläger zu 1.

II.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere in der Berufungsfrist eingelegt und begründet worden. Sie ist zum Teil begründet. Die Klägerin zu 2 hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Unterhalt gemäß § 1615 l Abs. 2 Satz 1, 2 BGB. Danach ist der Vater gegenüber der Mutter unterhaltsverpflichtet, soweit von der Mutter wegen der Pflege oder Erziehung des Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann.

Die Klägerin zu 2 ist die Mutter des Klägers zu 1, das Amtsgericht Güstrow hat durch rechtskräftiges Urteil vom 12.2.1999 die Vaterschaft des Beklagten festgestellt. Die Klägerin zu 2 ist aktivlegitimiert, obwohl sie im entsprechenden Zeitraum Sozialhilfe bezog. Denn die Beteiligten Träger der Sozialhilfe, die Städte Güstrow und Amberg, haben die übergegangenen Ansprüche zurückübertragen.

Die Klägerin zu 2 hat den geltend gemachten Bedarf i. H. v. 1.160,00 DM monatlich (593,10 Euro). Dieser ergibt sich aus I. C. der unterhaltsrechtlichen Grundsätze des Oberlandesgerichts Rostock vom 1.7.1999. Zwar richtet sich das Maß des gemäß § 1615 l Abs. 2 BGB geschuldeten erweiterten Unterhalts gemäß §§ 1615 l Abs. 3 Satz 1, 1610 BGB nach der Lebensstellung der Klägerin zu 2 (RL 18). Einer konkreten Darlegung des sich daraus ergebenden Bedarfs ist jedoch vorliegend entbehrlich, weil die Klägerin zu 2 lediglich den gültigen Mindestbedarf nach den unterhaltsrechtlichen Grundsätzen des OLG Rostock vom 1.7.1999 beansprucht (Wendl/Pauling, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 6 Rn. 764).

Allerdings ist der Unterhaltsanspruch der Klägerin zu 2 zeitlich begrenzt.

a) Gemäß § 1615 l Abs. 2 Satz 3 BGB endet die Unterhaltspflicht des Beklagten grundsätzlich drei Jahre nach der Geburt des Klägers zu 1, mithin am 31.1.2001. Voraussetzung ist gemäß § 1615 l Abs. 2 Satz 2 BGB, dass von der Beklagten wegen der Pflege und Erziehung des Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Da es wegen der grundsätzlichen Unterhaltsbefristung (drei Jahre nach der Geburt) in aller Regel um sehr kleine Kinder geht, ist der Mutter eine Erwerbstätigkeit nach einem allgemeinen Erfahrungssatz im Zweifel nicht zumutbar (Wendl/Pauling, a.a.O. § 6 Rn. 763). Diese Vermutung hat der Beklagte nicht erschüttert. Seine Angriffe zielen allein auf eine über drei Jahre hinausgehende Unterhaltspflicht, die hier noch nicht behandelt wird. Die Klägerin kann daher Unterhalt für drei Jahre nach der Geburt des Klägers zu 1 am 31.1.1998 verlangen, mithin vom 31.1.1998 bis zum 31.1.2001, im Streit ist jedoch nur die Zeit ab 1.6.1999. Sie kann also Unterhalt für ein Jahr und acht Monate verlangen, mithin für 20 Monate x 1.160 DM, also 23.200 DM.

b) Zu Recht hat das Familiengericht Unterhalt über den genannten Zeitraum hinaus bis einschließlich Oktober 2003 zugesprochen. Gemäß § 1615 l Abs. 2 Satz 3 BGB kommt eine Verlängerung der Unterhaltspflicht nur in Betracht, wenn es insbesondere unter Berücksichtigung der Belange des Kindes grob unbillig wäre, einen Unterhaltsanspruch nach Ablauf der Frist zu versagen. Diese durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz vom 16.12.1997 mit Wirkung vom 1.7.1998 eingeführte Vorschrift ist anwendbar, obwohl der Kläger zu 1 vor dem Inkrafttreten am 31.01.1998 geboren ist. Denn die Neuregelung ist auf Unterhaltsansprüche, die wie hier auf die Zeit nach dem Inkrafttreten fallen, anzuwenden (Wendl/Pauling, a.a.O., § 6 Rn 763 a). Der Wortlaut der Vorschrift deutet darauf hin, dass es sich bei der zeitlichen Ausdehnung der Unterhaltspflicht um einen Ausnahmefall handeln muss, also gewichtige Gründe vorliegen müssen. Allerdings ist die Vorschrift verfassungskonform auszulegen, soweit es um Gründe geht, die in der Person des Kindes liegen (BGH, NJW 2006, 2687, 2690 am Ende). Gemäß Art. 6 Abs. 5 GG sind den unehelichen Kindern durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern. § 1570 BGB gewährt den betreuenden und geschiedenen Ehegatten für das eheliche Kind einen Unterhaltsanspruch ohne feste zeitliche Begrenzung. Eine Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils setzt hier erst mit Beginn der dritten Grundschulklasse (= 8. Lebensjahr) ein (BGH, a.a.O., 2688, vgl. auch RL 17.1). Das in Art. 6 Abs. 5 GG normierte Gleichbehandlungsgebot gebietet es daher bei nichtehelichen Kindern, den unbestimmten Rechtsbegriff der groben Unbilligkeit in § 1615 l Abs. 2 Satz 3 BGB weit auszulegen. Das gilt jedenfalls, wenn die Umstände des Einzelfalles trotz staatlicher Hilfen keine Gewähr dafür bieten, dass die leibliche und seelische Entwicklung des Kindes gewährleistet ist. Das kann der Fall sein, wenn der betreuende Elternteil sonst gehalten wäre, eine Berufstätigkeit im weitergehenden Rahmen aufzunehmen, was sich negativ auf das Kind auswirkte. Kindbezogene Umstände gewinnen somit bei der Auslegung des § 1615 l Abs. 2 Satz 3 BGB besonderes Gewicht (BGH, a.a.O., 2691). Eine Verlängerung kommt daher schon in Betracht, wenn der Aufschub einer Erwerbstätigkeit durch die Mutter aus objektiver Sicht wegen der besonderen Bedürfnisse des Kindes als vernünftig und dem Kindeswohl förderlich erscheint (BGH, a.a.O., 2691; OLG Celle, FamRZ 2002, 636). Die Schwelle ist aus verfassungsrechtlichen Gründen niedrig anzusetzen (OLG Celle, a.a.O.). Eine erhöhte Betreuungsbedürftigkeit des Kindes ist etwa durch Atteste und Befundberichte nachzuweisen (OLG Düsseldorf, FamRZ 2003, 184, 185).

Solche kindbezogenen Gründe hat die Klägerin zu 2 durch die Vorlage des ärztlichen Attestes des Dr. med. M. vom 17.1.2002 belegt. Dr. M. führt dort aus, dass die bei L. gebotenen pflegerisch prophylaktischen Maßnahmen in einem Kindergarten derzeit nicht garantiert durchführbar seien. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass eine Betreuung durch die Klägerin zu 2 als Mutter sachgerecht erscheint. Soweit der Beklagte die Hautkrankheit des Klägers zu 1 bestreitet, ist dies unerheblich. Grund für die Zurückstellung des Klägers zu 1 vom Kindergarten ist die Prophylaxe und nicht die Behandlung eines Hautleidens. Hinzu kommt, dass der Beklagte in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, dass der Kläger zu 1 verhaltensgestört sei. Dazu passt, dass die behandelnde Ärztin dem Kläger zu 1 in einer ärztlichen Stellungnahme bescheinigt hat, dass er im Vorschulrechnen und im praktischen Wissen noch nicht auf dem Stand eines 6-jährigen sei. Der Senat betont, um Missverständnissen vorzubeugen, dass hier nicht die Eignung der Klägerin zu 2 als Mutter, die der Beklagte in Frage stellt, zu untersuchen ist. Mit dem Familiengericht hält der Senat daher eine Verlängerung bis einschließlich Oktober 2003, dem Beginn der Kindergartenzeit des Klägers zu 1, für sachgerecht.

Ob noch weitere Gründe für eine Verlängerung der Unterhaltspflicht bestehen, etwa die besondere Leistungsfähigkeit des Beklagten, die behauptete Zeugung des Klägers zu 1 durch einen sexuellen Missbrauch der Klägerin zu 2 oder aber die behauptete Arbeitsunfähigkeit der Klägerin zu 2 wegen einer Allergie (vgl. dazu Wendl/Pauling, a.a.O., § 6 Rn. 763 a), kann daher offen bleiben.

Der Unterhaltsanspruch der Klägerin zu 2 für die Verlängerung vom 1.2.2001 bis 31.10.2003 (2 Jahre und 9 Monate) beläuft sich auf 38.280 DM (33 Monate x 1.160 DM).

Die Klägerin zu 2 ist jedoch nicht in dem unter Ziffer 3 geschilderten Umfang bedürftig gemäß den §§ 1615 l Abs. 3 Satz 1, 1602 BGB. Denn sie konnte ihren Bedarf teilweise durch eigenes Einkommen decken. So hat sie Arbeitslosenhilfe und Übergangsgeld erhalten. Diese staatlichen Transferleistungen haben im Gegensatz zur Sozialhilfe Lohnersatzfunktion und sind daher anrechnungsfähig (Wendl/Dose, a.a.O., § 1 Rn. 82). Den Bedarf mindern mithin:

die Arbeitslosenhilfe von wöchentlich 233,38 DM in der Zeit vom 1.4.2000 bis 23.9.2000 (233,38 DM x 52 : 12 = 1.011,31 DM x 8 23/31 = 8.840,81 DM);

Arbeitslosenhilfe vom 24.9.2000 bis 18.12.2000 von wöchentlich 226,38 DM (226,38 DM x 52 : 12 = 980,98 DM x 2 18/31 = 2.531,56 DM); Übergangsgeld vom 19.12.2000 bis 8.1.2001 von täglich 32,34 DM (20 Tage x 32,34 DM = 646,80 DM).

Daraus errechnet sich eine Summe von 12.019,17 DM. Die Differenz zwischen dem Unterhaltsbedarf der Klägerin zu 2 von insgesamt 61.480 DM (23.200 DM + 38.280 DM) und dem anrechenbaren Einkommen i. H. v. 12.019,17 DM beträgt 49.460,83 DM oder 25.288,92 Euro.

Der Beklagte ist leistungsfähig gemäß den §§ 1615 l Abs. 3 Satz 1, 1603 BGB. Aus dem Wortlaut der genannten Vorschrift lässt sich herleiten, dass der Beklagte seine Leistungsunfähigkeit darlegen und beweisen muss (Wendl/Pauling, a.a.O., § 6 Rn. 710). Das ist dem Beklagten nicht ansatzweise gelungen. Zwar hat der Beklagte jede Menge Unterlagen und Listen zur Akte gereicht. Diese sind jedoch nicht aussagefähig, was der Beklagte mit Schriftsatz vom 22.11.2005 selbst einräumt:

a) Der Beklagte hat dem Gericht Aufstellungen über Mieteinnahmen übersandt. Belastbar sind die Unterlagen jedoch nicht. Die Aufstellung für 1999 ist nicht nachvollziehbar, es soll sich ausweislich der Anmerkung des Beklagten auch nur um eine Teilkopie handeln. Die Korrektur macht die Sache noch unübersichtlicher. Die Fragen, die der Beklagte aufwirft (Abschreibung von E 46 ?), bleiben offen. Die handschriftlichen Aufzeichnungen des Beklagten über die Mieteinnahmen für 2000 und 2001 lassen ebenfalls keine zuverlässigen Angaben über die Einkommenssituation des Beklagten zu. Nur beispielsweise sei auf die Ausführungen zum Mietverhältnis Knübbe verwiesen, wo es heißt "November + Dezember nichts". Wieso nicht gezahlt wurde, ob später noch gezahlt wurde, ob der Beklagte Mahnbescheid beantragt hat, ergibt sich daraus nicht. Weitere Aufklärung verspricht auch nicht die Einkommensteuererklärung 2001 betreffend die Mieteinnahmen 2001. Danach sollen nur noch fünf Mieter vorhanden sein. Angaben darüber, wann die übrigen dort verzeichneten Mieter ausgeschieden sind, finden sich nicht. Weiter vermisst der Senat eine plausible Erklärung für den eklatanten Mieterschwund. Denn der Unterhaltsverpflichtete muss Tatsachen und Gründe für eine rückläufige Entwicklung seiner Einkünfte nennen (Wendl/Dose, a.a.O., § 6 Rn. 712). An dem maroden Zustand der Gebäude kann es nicht liegen. Dieser wird nicht schlagartig im Jahr 2000 eingetreten sein. Schließlich vermag auch die Auflistung über die Mieteinnahmen im Jahr 2003 vom 15.11.2003 keinen genauen Einblick in die Einkommensverhältnisse des Beklagten zu geben. Nach dem Vermerk des Beklagten handelt es sich lediglich um eine Überschlagsrechnung und kann schon wegen des Datums ihrer Erstellung keine genauen Angaben enthalten. Angaben für das Jahr 2002 fehlen gänzlich. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass die Warmmiete nicht Grundlage für eine Gewinnermittlung sein kann. Jedoch ist es Sache des Beklagten, die Nettomiete auszuweisen. Das Versäumnis geht zu seinen Lasten.

b) Der Unterhaltspflichtige kann zwar grundsätzlich durch die Vorlage von Einkommensteuerbescheiden seine Leistungsunfähigkeit dartun. Er muss jedoch seine Einnahmen und behaupteten Aufwendungen im Einzelnen so darstellen, dass die allein steuerlich beachtlichen Aufwendungen von solchen, die unterhaltsrechtlich von Bedeutung sind, abgegrenzt werden können (Wendl/Dose, a.a.O., § 6 Rn. 712). Eine solche Darstellung fehlt gänzlich, im Übrigen liegen dem Gericht lediglich die Einkommensbescheide für 1997, 1998, 1999 und 2000 vor. Die in den fraglichen Zeitraum fallenden Einkommensteuerbescheide für 2001, 2002 und 2003 fehlen, obwohl mittlerweile drei Jahre verstrichen sind.

c) Die Unterlagen des Steuerbüros des Beklagten sind ebenfalls nicht vollständig. Dem Einkommensteuererklärung für 2001 vermag der Senat zumindest keine belastbaren Zahlen zu entnehmen. Der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 EStG für 1999 ist immerhin zu entnehmen, dass der Beklagte 103.325,48 DM entnommen und nur 60.216,01 DM eingelegt hat.

Dem Beklagten hilft nicht, dass er Darlehensverträge vorlegt, aus denen sich Belastungen ergeben. Erforderlich ist eine Übersicht sämtlicher Aufwendungen, die der Beklagte trotz vieler Ankündigungen nicht wahr gemacht hat. Fest steht nur, dass der Beklagte nach der Aufgabe seines Dentallabors eine Altersrente i. H. v. 603 Euro bezieht.

d) Zur Herstellung seiner Leistungsfähigkeit kann der Beklagte auch verpflichtet sein, seine Miethäuser zu veräußern. Dabei übersieht der Senat nicht, dass der Verpflichtete bei beschränkter Leistungsfähigkeit den Stamm seines Vermögens nur verwerten muss, wenn die Verwertung nicht unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse nicht unbillig ist (Wendl/Dose, a.a.O., § 1 Rn. 417 für den nachehelichen Unterhalt). Diese Voraussetzungen liegen jedoch vor. Die Verwertung ist nicht etwa unwirtschaftlich, sondern im Gegenteil wirtschaftlich geboten. Nach der Darstellung des Beklagten decken die Mieteinnahmen aus den Häusern nicht einmal die Unkosten. Unterhaltsrechtlich ist jedoch grundsätzlich keine Vermögenslage hinzunehmen, die keinen oder nur einen eindeutig unwirtschaftlichen Ertrag bringt (Wendl/Dose, a.a.O.). So hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 28.8.2001 eine Vermögensverwertung in Aussicht gestellt.

Angaben zu dem Wert seiner Immobilien macht der Beklagte nicht. Aus der Akte ergibt sich lediglich, dass die Liegenschaft E.-straße 4 a mit Grundpfandrechten i. H. v. ca. 150.000 DM belastet ist. Von einer Belastung der übrigen Immobilien (E.-straße 4, El.-straße 46 ) ist nichts bekannt. Eine Schätzung, dass der Beklagte einen Erlös erzielen wird, der ausreicht, die rückständigen Unterhaltszahlungen zu begleichen, ist daher möglich. Daran ändert nichts, dass für die Liegenschaft El.-straße eine Zwangsverwaltung angeordnet ist . Dem Aktenzeichen des Zwangsverwaltungsverfahrens ist zu entnehmen, dass der Antrag auf Anordnung erst 2006 gestellt wurde. Sichere Rückschlüsse auf den entscheidungserheblichen Zeitraum bis Oktober 2003 sind nicht möglich.

e) Der Beklagte scheint ein monatliches Nettoeinkommen ab November 2001 i. H. v. 2.000 Euro zuzugestehen. Immerhin soll das Amtsgericht Amberg in einem Strafverfahren entsprechende "zutreffende" Feststellungen getroffen haben, und zwar für die Monate November 2001 bis Juli 2002. Bei Zugrundelegung dieses Einkommens zeichnet sich folgendes Bild ab:

Von dem Nettoeinkommen i. H. v. 2.000 Euro sind zum einen der Unterhalt für den Kläger zu 1 i. H. v. 373 DM (190,71 Euro) und der für die Klägerin zu 2 i. H. v. 1.160 DM (593,10 Euro), mithin insgesamt 783,81 Euro, abzuziehen. Damit verbleiben für den Beklagten 1.216,19 Euro. 21.5 der RL (Stand 1.7.2003) sehen jedoch einen Selbstbehalt gegenüber der Mutter oder dem Vater nach § 1615 l Abs. 1 BGB für endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschiedene Unterhaltsschuldner i. H. v. 800 Euro, bei Erwerbstätigen i. H. v. 900 Euro vor. Danach gilt, dass der Beklagte 2001/2002 unstreitig leistungsfähig war. Der Beklagte behauptet, dass 2001 eine Verschlechterung seiner Vermögenslage eingetreten sei. Daraus lässt sich nur schlussfolgern, dass der Beklagte auch vor 2001 leistungsfähig war.

Festzuhalten ist, dass es dem Beklagten über einen Zeitraum von sieben Jahren nicht gelungen ist, seine Einkünfte nachvollziehbar und belastbar darzustellen, was zu seinen Lasten geht. Damit ist seine Leistungsfähigkeit anzunehmen. Der Beklagte räumt auch ein, dass er seine Einkünfte nicht vollständig dargelegt hat. Über die Gründe schweigt er sich aus. Auf jeden Fall dürften diese in der Sphäre des Beklagten liegen. Es muss daher dem Beklagten einleuchten, dass seine lückenhafte Darstellung zu seinen und nicht zu Lasten der Klägerin zu 2 gehen muss. Es hilft dem Beklagten nicht, wenn er darauf hinweist, dass gewisse Abzugsposten nachgewiesen seien. Eine Berücksichtigung kann nicht erfolgen, weil der Senat nicht die Summe der Einkünfte des Beklagten kennt.

Die Unterhaltspflicht des Beklagten ist nicht gemäß den §§ 1615 l Abs. 3 Satz 1, 1611 Abs. 1 Satz 1 BGB weggefallen. Nach dieser Vorschrift braucht der Verpflichtete einen Beitrag zum Unterhalt nur in der Höhe zu leisten, die der Billigkeit entspricht, wenn der Unterhaltsberechtigte sich vorsätzlich einer schweren Verfehlung gegen den Unterhaltsberechtigten schuldig gemacht hat.

Der Wegfall oder eine Beschränkung des Unterhaltsanspruchs unter das Mindestmaß, welches die Klägerin zu 2 ohnehin nur geltend macht, scheidet schon analog § 1579 BGB (Einleitungssatz) aus. Gemäß § 1579 BGB kommt eine Verwirkung beim Ehegattenunterhalt nur in Betracht, wenn die Belange des gemeinsamen Kindes gewahrt sind. Der Betreuungsunterhalt des Ehegatten gemäß § 1570 BGB ist danach selbst bei Vorliegen der Härtegründe des § 1579 BGB in dem Sinne privilegiert, dass er im Interesse des Kindes trotz eines Fehlverhalten des sorgeberechtigten Ehegatten diesem gleichwohl die Wahrnehmung seiner Elternverantwortung sichern und gewährleisten soll. Dem wird in der Regel dadurch Genüge getan, dass der Unterhaltsanspruch auf das zur Kindesbetreuung notwendige Mindestmaß herabgesetzt wird (Wendl/Pauling, a.a.O., § 4 Rn. 85 m.w.N.). Die analoge Anwendung dieser Vorschrift ist geboten, weil Art. 6 Abs. 5 GG die Gleichbehandlung von ehelichen und nichtehelichen Kindern vorschreibt (Peschel-Gutzeit, Verwirkung des Unterhaltsanspruches nicht verheirateter Eltern, FPR 2005, 344, 346). Der Unterhaltsanspruch aus § 1615 l Abs. 2 BGB dient nicht nur dem Schutz der Mutter, vielmehr will er dem Kind eine umfassende Betreuung und Erziehung durch die Kindesmutter ermöglichen (BGH, NJW 2006, 2687, 2691).

Abgesehen davon hat der darlegungs- und beweispflichtige Beklagte (MünchKomm/Born, BGB, § 1611 Rn. 52) eine schwere Verfehlung der Klägerin zu 2 entweder nicht dargetan oder nicht bewiesen. § 1611 Abs. 1 BGB ist ein Ausnahmetatbestand und daher eng auszulegen (Wendl/Pauling, a.a.O., § 2 Rn. 626). Das muss in besonderem Maße für die Verwirkung eines Anspruchs gemäß § 1615 l BGB gelten. Bei nicht verheirateten Eltern fehlt es spätestens nach dem Zerbrechen der Beziehung an einer Loyalitätspflicht, die verletzt werden kann. Anders als bei der Verwandtschaft handelt es sich nicht um eine lebenslange Bindung. Es ermangelt an einer Vorschrift wie für das Eltern-Kind-Verhältnis in § 1618 a BGB, nach welcher Eltern und Kinder einander Beistand und Rücksicht schulden, und zwar ein Leben lang. Eltern, die unter § 1615 l BGB fallen, haben dagegen meist nur eine flüchtige Beziehung unterhalten (Peschel-Gutzeit, a.a.O., FPR 2005, 344, 345). Dieser Gedanke gewinnt besonders in dem vorliegenden Fall an Gewicht, weil es - soweit ersichtlich - zu keinem Zeitpunkt eine ernsthafte Beziehung zwischen den Parteien gegeben hat. Die Klägerin zu 2 behauptet sogar, der Kläger zu 1 sei bei einem sexuellen Missbrauch gezeugt worden. Im einzelnen gilt: Eine vorsätzlich falsche Anzeige kann zwar zur Verwirkung führen (Wendl/Gerhardt, a.a.O., § 4 Rn. 664 für die vergleichbare Härteklausel des § 1579 BGB). Eine falsche Verdächtigung oder Verleumdung wegen der Anzeige des sexuellen Missbrauchs durch die Klägerin zu 2 hat der Beklagte nicht nachgewiesen. Er hat lediglich erklärt, dass die entsprechenden Ermittlungen eingestellt sind. Einstellungen erfolgen nach dem Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten". Damit steht nicht fest, dass die Anschuldigungen der Klägerin zu 2 falsch waren. So hat die Staatsanwaltschaft nach den Angaben des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 10.10.2006 ein Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin zu 2 wegen falscher Verdächtigung eingestellt. Die "Beweislastregel" des § 186 StGB gilt nur für den Unterlassungsanspruch (Kübler, Ehrenschutz, Selbstbestimmung und Demokratie, NJW 1999, 1281, 1287), hier also nicht. Ohne Erfolg behauptet der Beklagte, dass die von der Klägerin zu 2 benannten Zeugen die gegen ihn erhobenen Vorwürfe nicht bestätigt hätten. Ein taugliches Beweisangebot unterbreitet der Beklagte dazu nicht. Der Auszug aus der Ermittlungsakte, den der Beklagte vorlegt, gibt nur die Anzeige der Klägerin zu 2 wieder. Nicht nachvollziehbar ist, wieso der Beklagte, der die Ermittlungsakten offensichtlich über seinen Rechtsanwalt einsehen konnte, nicht auch die Protokolle über die Vernehmung der Zeugen beigefügt hat. Bei dem Antrag, die Ermittlungsakte beizuziehen, handelt es sich um kein Beweisangebot i. S. d. §§ 373 ff. ZPO.

Die von der Klägerin zu 2 angestrengten Gewaltschutzverfahren gegen den Beklagten vermögen ebenfalls keine Verwirkung zu begründen. Aus dem von dem Beklagten vorgelegten Urteil des Amtsgerichts Amberg vom 13.7.2004 ergibt sich, dass das Amtsgericht die erste Klage zum einen wegen fehlender Schlüssigkeit und zum anderen mangels Beweises abgewiesen hat. Die Kläger haben weiter unwidersprochen vorgetragen, dass die Klägerin zu 2 in dem zweiten Gewaltschutzverfahren in erster Instanz obsiegt habe. Es ist daher schon nicht im Ansatz ersichtlich, wieso deshalb eine Verwirkung eingetreten sein soll. Soweit der Beklagte zu bedenken gibt, dass die Klägerin zu 2 ihm den Umgang mit dem Kläger zu 1 verwehre, ist dieser Umstand allein nicht geeignet, eine schwere Verfehlung im Sinne der oben genannten Vorschrift zu begründen.

Schließlich ist eine Verwirkung nicht dadurch eingetreten, dass die Klägerin zu 2 seit 2002 mit einem moslemischen Asylbewerber zusammenleben soll. Eine Verwirkung kommt frühestens zwei Jahre nach Begründung der Lebensgemeinschaft in Frage (Wendl/Gerhardt, a.a.O., § 4 Rn. 755 zum Ehegattenunterhalt), hier also erst ab 2004. Die Klägerin zu 2 macht jedoch nur Unterhalt bis Oktober 2003 geltend.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97, 92 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, 713 ZPO. Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis € 8.000 festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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