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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 12.08.2009
Aktenzeichen: 10 UF 85/09
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 167
ZPO § 261 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 261 Abs. 3 Satz 1
ZPO § 261 Abs. 3 Nr. 2
ZPO § 517
ZPO § 520
ZPO § 621
ZPO § 621 Nr. 2
ZPO § 621 Nr. 4
ZPO § 621 Nr. 5
ZPO § 621 Nr. 8
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 621 Abs. 2
ZPO § 621 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 621 a
ZPO § 621 a Abs. 1 Satz 1
ZPO § 621 e Abs. 1
ZPO § 621 e Abs. 3
BGB § 1684 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
10 UF 85/09

Beschluss

In der Familiensache

hat der 1. Familiensenat des Oberlandesgerichts Rostock am 12.08.2009 beschlossen:

Tenor:

Auf die befristete Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts G - Familiengericht - vom 02.06.2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Bearbeitung und Entscheidung - auch hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht G - Familiengericht - zurückverwiesen.

Gründe:

I. Der Antragsteller begehrt die Abänderung einer Umgangsregelung. Die Antragsgegnerin ist gemäß am 21.10.2008 vom Senat genehmigtem Vergleich berechtigt, mit dem gemeinsamen beim Antragsteller lebenden minderjährigen Sohn I jeweils am dritten Wochenende eines jeden Monats Umgang zu haben. Der Antragsteller lebt mit dem Kind in Moskau. Die Antragsgegnerin wohnt in H.

Zwischen den Parteien war beim Familiengericht ein Scheidungsverfahren anhängig, das mit Rechtskraft der Scheidung am 28.04.2009 endete. Der Änderungsantrag ist am 07.04.2009 beim Familiengericht eingegangen. Er wurde der Antragsgegnerin am 17.06.2009 zugestellt.

Mit dem vom Antragsteller angefochtenen Beschluss hat das Familiengericht seinen Antrag als unzulässig zurückgewiesen.

Das Amtsgericht G sei örtlich nicht zuständig. Die Zuständigkeit bestimme sich nach dem Wohnsitz des Kindes. Dieses lebe in Moskau. § 621 Abs. 2 ZPO, wonach das für das Scheidungsverfahren zuständige Gericht auch für weitere Familiensachen zuständig sei, sei nicht einschlägig. Denn die Anhängigkeit der Ehesache habe zwischen Einreichung und Zustellung des Abänderungsantrages geendet. § 167 ZPO sei entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht einschlägig.

Mit seiner befristeten Beschwerde begehrt der Antragsteller die Aufhebung des genannten Beschlusses und die Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht.

Dieses sei zuständig. Sämtliche Voraussetzungen für die Zustellung des Abänderungsantrages hätten bereits vor Rechtskraft der Ehescheidung vorgelegen. Unter Heranziehung des in § 167 ZPO zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedankens, dass eine Zustellung Rückwirkung auf den Eingang eines Antrages hat, sei das Familiengericht für den Abänderungsantrag zuständig.

Er beantragt:

Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - G wird aufgehoben und zur anderweitigen Entscheidung an das Amtsgericht - Familiengericht - G zurückverwiesen.

Der Antragsgegenerin ist Gelegenheit zur Erwiderung auf das Rechtsmittel binnen eines Monats gegeben worden. Sie hat hiervon keinen Gebrauch gemacht.

II. Die gemäß §§ 621 Abs. 1 Nr. 2, 621 e Abs. 1 und 3, 517, 520 ZPO zulässige befristete Beschwerde ist begründet. Das Familiengericht ist gemäß § 621 Abs. 2 Nr. 2 ZPO für den Abänderungsantrag zuständig.

a) § 621 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist einschlägig. Der Antragsteller begehrt gemäß § 1684 Abs. 4 BGB eine Regelung des Umgangs der Antragsgegners mit dem gemeinsamen Kind.

b) Eine Ehesache, hier die Ehescheidung der Parteien, ist anhängig gewesen, als der Abänderungsantrag anhängig gemacht wurde. Die Anhängigkeit einer Ehesache dauert bis zur Rechtskraft der in dieser Sache ergangenen Entscheidung (vgl. Weinreich/Bäumel, Familienrecht, 3. Aufl. § 621 ZPO Rdn. 15).

c) Entgegen der Ansicht des Familiengerichts steht seiner Zuständigkeit nach § 621 ZPO nicht entgegen, dass die Scheidungssache vor Zustellung (Rechtshängigkeit) des Abänderungsantrages in der Umgangssache rechtskräftig abgeschlossen worden ist.

aa) Zwar folgt die Zuständigkeit, wie das Familiengericht zutreffend erkennt, nicht aus § 167 ZPO. § 167 ZPO regelt die Frage, ab welchem Zeitpunkt eine Verjährung der mit einer Klage geltend gemachten Forderung beginnt bzw. gehemmt wird. Diese Frage ist hier nicht entscheidend.

bb) Auch ist der Ansicht des Familiengerichts zuzustimmen, dass einer Zuständigkeit des Familiengerichts nach § 621 Abs. 2 ZPO die Rechtskraft der Ehesache vor Rechtshängigkeit der neuen Familiensache entgegenstehen kann. Dieses ist der Fall, wenn es sich um eine neue Familiensache handelt, für die die Regelungen der ZPO gelten - Verfahren nach den §§ 621 Nr. 4, 5 und 8 ZPO. Für diese Verfahren wird gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO die Zuständigkeit nach § 621 Abs. 2 ZPO erst begründet, wenn die Rechtshängigkeit der neuen Sache vor Rechtskraft der Ehesache eingetreten ist. Denn wie sich aus dem Wortlaut des § 261 Abs. 3 Satz 1 ZPO ergibt, ist eine Veränderung der die Zuständigkeit des Prozessgerichts begründenden Umstände erst ab Rechtshängigkeit der erhobenen Klage ohne Einfluss auf die Zuständigkeit.

cc) In FGG-Verfahren reicht es jedoch für die Begründung der Zuständigkeit des Gerichts nach § 621 Abs. 2 ZPO aus, dass die neue Familiensache vor Rechtskraft der Ehesache anhängig gemacht worden ist. Denn gemäß § 621 a ZPO gilt § 261 Abs. 2 Satz 1 ZPO für FGG-Verfahren in Familiensachen nicht. Dass bereits die Anhängigkeit der neuen Sache ausreicht, hat seinen Grund in dem Amtsermittlungsgrundsatz, der in diesen Familiensachen gilt (vgl. BGH FamRZ 1998, 609, 610 re. Sp.; BGH FamRZ 1986, 454 bis 455; Johannsen/Sedemond-Treiber, Eherecht, 4. Aufl. § 621 ZPO Rdn. 6 [S. 1938 oben]; Musielak/Borth, ZPO, 6. Aufl. § 621 Rdn. 13).

dd) Der Abänderungsantrag betrifft gemäß §§ 621 Nr. 2, 621 a Abs. 1 Satz 1 ZPO ein den Vorschriften des FGG unterliegendes Verfahren. Er ist - am 07.04.2009 - vor Rechtskraft der Ehescheidung - am 28.04.2009 - anhängig gemacht worden.

d) Der Rechtsstreit ist an das Familiengericht zurückzuverweisen. Einer eigenen Entscheidung des Senats in der Sache steht entgegen, dass eine Entscheidung durch das Berufungsgericht dem Verlust einer Instanz gleichkäme. Denn eine Entscheidung des Familiengerichts in der Sache selbst liegt noch nicht vor (vgl. auch Keidel/Sternal, FGG, 15. Aufl. § 25 Rdn. 21 m. w. N.).

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