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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 08.08.2006
Aktenzeichen: 11 UF 73/06
Rechtsgebiete: RegelbetragsVO, BGB, ZPO


Vorschriften:

RegelbetragsVO § 2
BGB § 1612 b Abs. 5
ZPO § 522 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Az.: 11 UF 73/06

Beschluss

In der Familiensache

hat der 2. Familiensenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

am 08.08.2006 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten auf Gewährung der Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist wird zurückgewiesen.

Die Berufung des Beklagten gegen das am 04.04.2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts Pasewalk - Familiengericht -, Az.: 5 F 78/05, wird verworfen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens nach einem Wert von 3.731,00 EUR.

Gründe:

A.

Durch Urteil vom 04.04.2006 hat das Amtsgericht den Beklagten in Abänderung des vor diesem Gericht geschlossenen Vergleichs vom 15.05.1998, Az.: 25 F 137/97, verurteilt, an die Klägerin ab April 2005 einen monatlich im Voraus jeweils zum 03. des Kalendermonates fälligen Unterhaltsbetrag i. H. v. 124 % des jeweiligen Regelbetrages (Ost) der 3. Altersstufe gemäß § 2 Regelbetragsverordnung abzüglich eines anzurechnenden Kindergeldbetrages gemäß § 1612 b Abs. 5 BGB und einen rückständigen Kindesunterhalt von 510,80 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, dem 08.07.2005, zu zahlen. Den weitergehenden Klagantrag und die Widerklage des Beklagten hat das Amtsgericht abgewiesen.

Das Urteil des Amtsgerichts ist dem Beklagten am 19.04.2006 zugestellt worden.

Eingegangen bei dem Oberlandesgericht per FAX am 06.06.2006 und im Original am 08.06.2006, hat der Beklagte gegen das Urteil des Amtsgerichts Berufung eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Berufungsfrist beantragt.

Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsgesuchs trägt der Beklagte vor, an der Versäumung der am 19.05.2006 ablaufenden Berufungsfrist treffe ihn kein Verschulden. Auch ein zurechenbares Verschulden seines Prozessbevollmächtigten liege nicht vor. Er habe diesem rechtzeitig den Auftrag erteilt, gegen das Urteil des Amtsgerichts fristgerecht Berufung einzulegen. Die Übernahme des Auftrages sei ihm bestätigt worden. Sein Prozessbevollmächtigter habe sich bei der Bearbeitung des Rechtsstreits durch seinen Bürovorsteher unterstützen lassen. Dieser sei seit Mai 2003 in der Kanzlei tätig. Zuvor sei dieser über 20 Jahre als Rechtsanwalt bei dem Oberlandesgericht Oldenburg bis zum Jahre 2002 zugelassen und aktiv tätig gewesen. Sein Prozessbevollmächtigter habe dem Bürovorsteher den Auftrag erteilt, die Berufungsschrift zu entwerfen und dem Prozessbevollmächtigten zur Unterschrift vorzulegen. Der Bürovorsteher habe die Berufungsschrift diktiert. Das Diktat sei ihm sodann zur Kontrolle vorgelegt worden. Dabei habe der Bürovorsteher übersehen, dass die Adresse in der Berufungsschrift unrichtig angegeben und die Berufung tatsächlich an das Landgericht Neubrandenburg gerichtet gewesen sei. Der Fehler könne nur darauf zurückgeführt werden, dass der Bürovorsteher nur darauf geachtet habe, dass die relevanten Daten aus dem Urteil des Amtsgerichts richtig übertragen worden waren.

Sein Prozessbevollmächtigter habe sich darauf verlassen und angesichts der Vorbildung und der früheren Tätigkeit seines Büroverstehers auch verlassen dürfen, dass die Berufungsschrift insgesamt auf seine Richtigkeit überprüft worden sei, also auch darauf, dass der richtige Adressat in der Berufungsschrift eingesetzt worden sei. Der Fehler sei dadurch aufgefallen, dass sich ein Richter des Landgerichts Neubrandenburg am 22.05.2006 telefonisch gemeldet und angeregt habe, die offensichtlich nur versehentlich an das Landgericht Neubrandenburg gerichtete Berufung zurückzunehmen und einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen.

B.

1) Die Berufung war gemäß § 522 Abs. 1 ZPO zu verwerfen, weil sie nicht rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsfrist am 19.05.2006 (§ 517 ZPO), sondern erst am 06.06.2006 eingelegt worden ist.

2) Dem Beklagten war Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist zu versagen, weil die verspätete Berufungseinlegung auf einem Verschulden seines Prozessbevollmächtigten beruht, das sich der Beklagte zurechnen lassen muss (§§ 233, 85 Abs. 2 ZPO).

Um seinen eigentlichen Aufgaben als Organ der Rechtspflege gerecht werden zu können, darf sich der Rechtsanwalt von rein büromäßigen Aufgaben freihalten und diese sorgfältig geschulten und allgemein überwachten Angestellten überlassen (BGH VersR 1986, 891). Jedoch treffen ihn neben der allgemeinen Pflicht zu einer Büroorganisation, die der Gefahr der Versäumung von Fristen wirksam begegnet, im Einzelfall besondere Überwachungspflichten. Solche bestehen bei der Einlegung eines Rechtsmittels. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH gehört die Anfertigung einer Rechtsmittelschrift zu den Aufgaben, die der Rechtsanwalt seinem Büropersonal - mag dieses auch noch so gut geschult und überwacht sein - nicht übertragen darf, ohne das Arbeitsergebnis selbst sorgfältig zu überprüfen. Insbesondere muss er prüfen, ob die Rechtsmittelschrift vollständig ist, alle notwendigen Angaben richtig enthält und an das richtige Gericht (§ 519 Abs. 1 ZPO) adressiert ist (BGH VersR 1981, 1126; VersR 1982, 769; VersR 1987, 486; VersR 1988, 251; NJW 1990, 990; NJW-RR 1990, 1149; MDR 2001, 529).

Die Anfertigung einer Rechtsmittelschrift gehört sowohl wegen der Bedeutung eines solchen bestimmenden Schriftsatzes als auch wegen der von der Rechtsprechung nach strengem Maßstab beurteilten inhaltlichen Anforderungen nicht zu den Geschäften, die ein Rechtsanwalt seinem angestellten Büropersonal übertragen darf, ohne das Arbeitsergebnis selbst sorgfältig zu überprüfen. Dies gilt auch dann, wenn der Rechtsanwalt Fertigung und Kontrolle der Rechtsmittelschrift seinem Bürovorsteher überträgt, der früher selbst Rechtsanwalt und bei einem Oberlandesgericht zugelassen war. Auch dann muss der Unterzeichnung durch den Prozessbevollmächtigten stets eine eigene anwaltliche Überprüfung auf Vollständigkeit und richtige Adressierung vorausgehen, denn der Prozessbevollmächtigte trägt die persönliche Verantwortung dafür, dass eine Rechtsmittelschrift bei dem richtigen Gericht eingeht (BGH NJW 1990, 990; VersR 1987, 486).

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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