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Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 04.07.2006
Aktenzeichen: 13 U 7/04
Rechtsgebiete: EntG M-V, GG, BBergG


Vorschriften:

EntG M-V § 3 Abs. 2 S. 1
GG Art. 14 Abs. 3
BBergG § 124 Abs. 3
BBergG § 124 Abs. 4
1. § 3 Abs. 2 S. 1 EntG M-V setzt für die Enteignung voraus, dass sich der Antragsteller des Enteignungsverfahrens ernsthaft aber vergeblich um den freihändigen Erwerb des zu enteignenden Grundstücks zu angemessenen Bedingungen bemüht hat. Ein Ankauf zu angemessenen Bedingungen verlangt das Angebot eines Kaufpreises, der im Wesentlichen den objektiven Verkehrswert des Grundstücks umfasst. Der Verkehrswert des Grundstücks wird auch durch Bodenschätze geprägt, die vom Eigentümer ausgebeutet werden können.

2. Werden grundeigene Bodenschätze für den Grundeigentümer unverwertbar, weil eine Verkehrsanlage die Verwertung verhindert, stellt dies einen Eingriff in das Eigentum dar. Enteignungsrechtlich gibt es keinen sachlichen Grund, um die grundeigenen Bodenschätze bei der Frage der Entschädigung von Grundeigentum, das enteignet werden soll, abzuspalten und getrennt zu behandeln, denn es handelt sich um den Vollentzug von Eigentum, der nach Art. 14 Abs. 3 GG zu entschädigen ist.

3. Anhaltspunkte dafür, dass das Bundesberggesetz in § 124 Abs. 3 und 4 von der Grundsatzentscheidung über die Zuordnung grundeigener Bodenschätze zum Eigentum abweichen wollte, sind dem Gesetz nicht zu entnehmen. Es ist vielmehr verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass es bei grundeigenen Bodenschätzen bei der aus Art. 14 Abs. 3 GG entwickelten Entschädigungspflicht bleibt.


Oberlandesgericht Rostock IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 U 7/04

Verkündet am: 04.07.2006

In der Baulandssache

hat das Oberlandesgericht Rostock, Senat für Baulandsachen auf die mündliche Verhandlung vom 23.05. 2006 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beteiligten zu 1) gegen das Urteil der Kammer für Baulandsachen des Landgerichts Schwerin vom 27. Mai 2004 - Az.: 4 O 686/03 - wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 1) trägt die Kosten des Verfahrens. Die Kosten der Beteiligten zu 4) und 5) sind nicht erstattungsfähig.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Bescheides der Beteiligten zu 2), durch den diese einen Antrag der Beteiligten zu 1) auf Enteignung zu Lasten des Beteiligten zu 3) abgelehnt hat.

Der Beteiligte zu 3) ist Eigentümer des früheren Flurstücks 58/1 der Flur 1 der Gemarkung Pinnowhof, das zwischenzeitlich in mehrere Flurstücke geteilt worden ist. Das Altflurstück 58/1 lag im Geltungsbereich des Planfeststellungsbeschlusses für den Neubau der Bundesautobahn A20 Abschnitt Groß Grönau (Landesgrenze Schleswig-Holstein/Mecklenburg-Vorpommern) bis Autobahnkreuz Rostock (A19/A20) - Anschlussstelle Wismar Ost bis Anschlussstelle Neukloster/WKE2815 - vom 25. Juni 1997. Durch diesen Planfeststellungsbeschluss wurde der Neubau der Bundesautobahn A20 im Bereich Anschlussstelle Wismar bis Anschlussstelle Neukloster planfestgestellt. Ausweislich des Planes ist die Inanspruchnahme des Flurstücks 58/1 mit einer Teilfläche von 17.923 qm für den Straßenbau erforderlich.

Das Flurstück 58/1 wurde im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Planfeststellungsbeschlusses landwirtschaftlich genutzt. Unter der Erdoberfläche des Flurstücks befinden sich in unterschiedlicher Tiefe Kiessande, die nach dem Gutachten G. im Straßenbau ohne weitere Aufbereitung verwendet werden können. Nach Erkenntnissen des Bergamtes Stralsund handelt es sich hingegen um den Bodenschatz Quarz/Quarzit. Unmittelbar angrenzend an das Flurstück 58/1 liegt das Bergwerksfeld Pinnowhof-Süd, für das die Neuper Betonbaustoffwerke GmbH & Co. KG das Bergwerkseigentum innehat. Der Bergbau wird auf dem Bergwerksfeld ausgeübt.

Auf Antrag der Beteiligten zu 1) erließ die Beteiligte zu 2) am 21.08.1998 den - bestandskräftigen - Besitzeinweisungsbeschluss betreffend eine Teilfläche des Flurstücks 58/1. Die Firma GP P. B. mbH nahm den Teil des Flurstücks 58/1 angrenzend an die von der Beteiligten zu 1) beanspruchten Fläche bergbaulich in Anspruch. Nach dem Vortrag des Beteiligten zu 3) erfolgte diese Inanspruchnahme durch Abbau des auf dem Flurstück 58/1 vorgefundenen Bodenschatzes zum Zwecke des Straßenbaus. Der Straßenbau ist zwischenzeitlich erfolgt. Es liegt ein Abschlussbetriebsplan für diesen Teil des Flurstück 58/1 vor.

Die Beteiligte zu 1) bemühte sich nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses, das Flurstück 58/1 vom Beteiligten zu 3) freihändig zu erwerben. Die Beteiligte zu 1) war bereit, dem Beteiligten zu 3) für den Erwerb einen Geldbetrag in Höhe einer Entschädigung berechnet nach dem Wert des Flurstück als Ackerland zu zahlen. Der Beteiligte zu 3) lehnte dies ab, weil er der Auffassung war, dass auch der Bodenschatz zu bezahlen sei. Dies wiederum lehnte die Beteiligte zu 1) ab. Nachdem die Verhandlungen zu keinem Ergebnis führten, beantragte die Beteiligte zu 1) bei der Beteiligten zu 2) die Enteignung gem. § 19 Bundesfernstraßengesetz i.V.m. § 2 Enteignungsgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern (EntG M-V). Die Beteiligte zu 2) lehnte den Enteignungsantrag mit Beschluss vom 09.12.2003 ab. Nach ihrer Auffassung hat die Beteiligte zu 1) die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 EntG M-V nicht erfüllt, da sie sich nicht ernsthaft um den freihändigen Erwerb des zu enteignenden Grundstücks zu angemessenen Bedingungen bemüht habe. Das Angebot der Beteiligten zu 1) zum Erwerb der aus dem Flurstück 58/1 beanspruchten Teilfläche sei nicht angemessen, weil sich die Beteiligte zu 1) geweigert habe, den Bodenschatz in die zu zahlende Summe aufzunehmen.

Die Beteiligte zu 1) stellte am 19.12.2003 den Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Sie ist der Auffassung, dass der Bodenschatz im Flurstück 58/1 nicht zu entschädigen sei. Handele es sich um den Bodenschatz Quarz/Quarzit, dann sei dieser grundeigene Bodenschatz nach § 124 Abs. 3, Abs. 4 Bundesberggesetz (BBergG) nicht zu entschädigen, weil sich aus der Vorschrift ergebe, dass beim Bau öffentlicher Verkehrsanlagen bergbauliche Rechte zurücktreten müssten und nur im Rahmen des in § 124 Abs. 3, Abs. 4 BBergG geregelten Umfangs zu entschädigen seien. Eine Entschädigung für den Verlust der Abbaumöglichkeit sehe die Norm allerdings nicht vor. Handele es sich um den grundeigenen Bodenschatz Kies/Kiessande, sei das Vorhaben aus den Gründen, die sich im Gutachten des Gutachters Sorgalla vom 28.07.1998 ergeben, ein nicht abbauwürdiges Vorhaben, so dass eine Entschädigung nicht in Betracht komme.

Mit Urteil vom 27.05.2004 hat das Landgericht Schwerin, Kammer für Baulandsachen, den Antrag der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Unabhängig von der Frage, um welchen Bodenschatz es sich konkret handele, sei dieser zu entschädigen. Handele es sich um den grundeigenen Bodenschatz Quarz/Quarzit, ergebe sich aus § 124 Abs. 3 BBergG kein Ausschluss der Entschädigungspflicht. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts über die entschädigungslose Inanspruchnahme von Bergwerkseigentum bei der Errichtung öffentlicher Verkehrsanlagen sei auf grundeigene Bodenschätze nicht zu übertragen. Grundeigene Bodenschätze seien Teil des Eigentums und nicht eine eigene Rechtskategorie wie bergfreie Bodenschätze. Der Entzug des Eigentums einschließlich des grundeigenen Bodenschatzes sei aber entschädigungspflichtig. Handele es sich um den Grundeigentümerbodenschatz Kies/Sandvorkommen unterliege dieser nicht dem Bundesberggesetz. Das Vorkommen auf dem Grundstück 58/1 sei aber abbauwürdig. Das Flurstück könne bis an seine Grenzen zur Gewinnung des Bodenschatzes ausgenutzt werden. § 9 Abs. 2 BBergG stehe dem nicht entgegen.

Gegen dieses am 02.06.2004 zugestellte Urteil hat die Beteiligte zu 1) mit Schriftsatz vom 21.06.2004 Berufung eingelegt. Das Rechtsmittel wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sich aus § 124 Abs. 3 BBergG nicht nur der Vorrang der öffentlichen Verkehrsanlage vor bergfreien Bodenschätzen ergeben, sondern generell vor Gewinnungsbetrieben. Gewinnungsbetriebe seien auch solche Betriebe, die der Aufsuchung und Ausnutzung von grundeigenen Bodenschätzen dienten. Daher sei die Vorschrift auch auf Vorkommen von grundeigenen Bodenschätzen anzuwenden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei die faktische Verhinderung des Abbaus eines solchen Bodenschatzes durch die Inanspruchnahme für Zwecke des Straßenbaus entschädigungsfrei. Handele es sich hingegen um den grundeigenen Bodenschatz Kies- und Sandvorkommen, dann sei dies aus den Gründen, die sich aus dem Gutachten S. vom 28.09.1998 ergäben, nicht abbauwürdig. Insoweit fehle es für die gegenteilige Auffassung an ausreichenden (tatsächlichen) Feststellungen seitens der Enteignungsbehörde oder des Landgerichts.

Die Beteiligte zu 1) beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beschluss des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern als Enteignungsbehörde vom 09.12.2003 betreffend die Grundstücksflächen von insgesamt 17.369 qm, Flurstücke 58/6, 58/7 und 58/9 der Flur 1 der Gemarkung Pinnowhof aufzuheben.

Die Beteiligte zu 2) hält das Rechtsmittel als Revision für zulässig aber unbegründet. Sie hält an ihrer Rechtsauffassung der Unanwendbarkeit des § 124 BBergG auf grundeigene Bodenschätze fest.

Der Beteiligte zu 3) stellt den Antrag,

die Revision zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte und zulässige Revision (1) ist unbegründet (2).

(1) Das von der Klägerin als Berufung bezeichnete und als solche begründete Rechtsmittel ist nach Umdeutung als Revision statthaft.

Nach § 12 Abs. 3 EntG M-V findet gegen Endurteile des Landgerichts die Revision an das Oberlandesgericht, Senat für Baulandsachen, statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1.000,00 Euro übersteigt. Diese Vorschrift regelt den Instanzenzug in Verfahren gegen Verwaltungsakte der Enteignungsbehörde, die nicht Enteignungen nach § 217 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BauGB sind. In diesen Verfahren ist der Rechtszug auf zwei Instanzen verkürzt, nämlich auf das Landgericht als Tatsachengericht und das Oberlandesgericht als Revisionsgericht. Die Berufung ist ausgeschlossen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine entsprechende landesrechtliche Regelung bestehen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (B. v. 08.11.1979 - III ZB 29/78 -, NJW 1980, 583), der sich der Senat anschließt, nicht. Um eine solche Enteignung handelt es sich hier. Die Enteignung erfolgt nach § 19 Bundesfernstraßengesetz. Gegen die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts ist nur noch die Revision statthaft.

Trotz der ausdrücklichen Bezeichnung als Berufung ist die Rechtsmittelschrift einer Umdeutung zugänglich. Nach der Rechtsprechung des BGH kommt die Umdeutung einer fehlerhaften prozessualen Erklärung in Betracht, wenn sie wegen ihrer Eindeutigkeit oder Klarheit einer berichtigenden Auslegung nicht zugänglich ist, aber den Voraussetzungen einer anderen den gleichen Zwecken dienenden prozessualen Erklärung entspricht, die prozessual wirksam ist; die Umdeutung darf erfolgen, wenn ein entsprechender Parteiwille genügend deutlich erkennbar ist und kein schutzwürdiges Interesse des Gegners entgegen steht (BGH, U. v. 01.06.1983 - IVb ZR 365/81 -, NJW 1983, 2200; U. v. 05.07.1962 - III ZR 214/61 -, NJW 1962, 1820). So liegt der Fall hier.

Die Berufungsschrift kann in eine Revisionsschrift umgedeutet werden, obwohl die Revision weder vom Berufungsgericht noch vom Revisionsgericht zugelassen worden ist. Denn die Vorschrift des § 543 ZPO n.F. ist nicht anwendbar. Sie wird durch § 12 Abs. 3 EntG M-V verdrängt. Diese Vorschrift regelt - verfassungsrechtlich unbedenklich - nicht nur den Ausschluss der Berufung, sondern darüberhinaus auch, dass die Revision bereits immer dann statthaft ist, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1.000,00 Euro übersteigt. Zudem enthält § 13 S. 1 EntG M-V eine statische Verweisung auf Fassungen des BauGB, die ihrerseits auf § 546 ZPO a.F. verweisen, der seinerseits die Statthaftigkeit einer Revision an eine Wertgrenze knüpfte. Diese Wertgrenze ist landesrechtlich durch § 12 Abs. 3 EntG M-V modifiziert worden. Aus der Zusammensicht dieser Vorschriften ergibt sich ebenfalls, dass die landesrechtlich eröffnete Revision an spezielle landesrechtlich niedergelegte Statthaftigkeitsvoraussetzungen geknüpft ist, die im vorliegenden Fall unstreitig erfüllt sind. Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Revision liegen vor.

(2) Die Revision ist unbegründet; die Beteiligte zu 2) hat es zu Recht abgelehnt, den beantragten Enteignungsbeschluss zu erlassen, denn die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 S. 1 EntG M-V liegen nicht vor. Die Vorschrift setzt für die Enteignung voraus, dass sich der Antragsteller des Enteignungsverfahrens ernsthaft aber vergeblich um den freihändigen Erwerb des zu enteignenden Grundstücks zu angemessenen Bedingungen bemüht hat. Ein Ankauf zu angemessenen Bedingungen verlangt das Angebot eines Kaufpreises, der im Wesentlichen den objektiven Verkehrswert des Grundstücks umfasst. Der Verkehrswert des Grundstücks wird auch durch Bodenschätze geprägt, die vom Eigentümer ausgebeutet werden können.

Das Grundstück des Beteiligten zu 3) enthält Bodenschätze, die Teil des Grundeigentums sind und vom jeweiligen Eigentümer ausgebeutet werden können. Die Beteiligte zu 1) hat allerdings in ihrem Angebot die Bodenschätze ausdrücklich ausgeklammert und daher kein Angebot zu angemessenen Bedingungen unterbreitet.

Zwischen den Beteiligten unstreitig und aktenkundig ist, dass das Flurstück 58/1 von der Firma GP P. B. mbH bergbaulich in Anspruch genommen worden ist. Zwar beschränkt sich die bergbauliche Inanspruchnahme auf die Teilfläche des Flurstücks 58/1, die nicht durch die vorzeitige Besitzeinweisung vom 21.08.1998 in Besitz der Beteiligten zu 1) gelangt war. Doch wird durch diese bergbauliche Inanspruchnahme deutlich, dass das Gutachten des von der Beteiligten zu 1) beauftragten Gutachters, in dem die Abbauwürdigkeit des Bodenschatzes im Flurstück 58/1 verneint wird, nicht zu zutreffenden Ergebnissen gekommen ist. Die Ausbeutung des Bodenschatzes dürfte sinnvoller Weise nicht erfolgt sein, wenn dies unrentierlich gewesen wäre. Unter diesen Umständen ist die Auffassung des Beteiligten zu 1), das Erwerbsangebot für die benötigte Teilfläche des Flurstücks 58/1 müsse nicht den Wert des Bodenschatzes umfassen, weil eine wirtschaftlich sinnvolle Ausbeutung nicht möglich sei, nicht zutreffend und erweist sich das Angebot der Beteiligten zu 1) zum Erwerb der Teilfläche als ein solches zu nicht angemessenen Bedingungen.

Die Beteiligte zu 1) durfte in ihrem Angebot das Bodenschatzvorkommen auch nicht wegen der Regelung des § 124 Abs. 3 und 4 BBergG unbeachtet lassen. Handelt es sich bei dem Bodenschatz um Kies- bzw. Kiessande, sind diese rechtlich als Grundeigentümerbodenschätze anzusehen. Als solche unterliegen sie nicht dem Bundesberggesetz. Eine Entschädigungsfreiheit nach § 124 Abs. 3 und 4 BBergG entfällt für Grundeigentümerbodenschätze. Diese müssen bei einem angemessenen Angebot entsprechend ihrem Wert berücksichtigt werden.

Handelt es sich bei den Bodenschätzen um Quarz/Quarzit und damit um einen grundeigenen Bodenschatz i.S.d. § 3 Abs. 4 BBergG, ist festzuhalten, dass auch grundeigene Bodenschätze Teil des Grundeigentums sind. Das Recht, grundeigene Bodenschätze aufzusuchen und zu gewinnen, wurzelt nicht - anders als bei bergfreien Bodenschätzen i.S.d. § 3 Abs. 3 BBergG - in der Erteilung einer besonderen Bergbauberechtigung, sondern ergibt sich aus dem Inhalt des Grundeigentums selbst (vgl. Boldt/Weller, Bundesberggesetz, 1984, § 3 Rn. 38). Der Senat verkennt nicht, dass die Ausübung des Verwertungsrechts für grundeigene Bodenschätze weitgehend den auch für bergfreie Bodenschätze geltenden Vorschriften des Bundesberggesetzes unterliegt (Boldt/Weller, a.a.O., Rn. 39). Von der Ausübung des Verwertungsrechts, dessen gesetzliche Ausgestaltungen als Inhalts- und Schrankenbestimmungen i.S.d. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG anzusehen ist, muss die Frage der Entschädigungspflichtigkeit bei vollständigem Entzug der Abbaumöglichkeit getrennt werden. Die Frage nach der Entschädigungspflichtigkeit der Enteignung von grundeigenen Bodenschätzen zum Zweck der Errichtung und des Betriebs einer öffentlichen Verkehrsanlage kann nur unter Berücksichtigung des Art. 14 Abs. 3 GG beantwortet werden. Dies gilt auch für die Auslegung des § 124 Abs. 3 und 4 BBergG, aus der die Beteiligte zu 1) die Entschädigungslosigkeit der Enteignung der grundeignenen Bodenschätze herleitet. Der Beteiligten zu 1) ist zuzugeben, dass § 124 Abs. 3 und 4 BBergG von einem Gewinnungsbetrieb spricht. Nach § 4 Abs. 8 BBergG sind Gewinnungsbetriebe Einrichtungen zur Gewinnung von bergfreien und grundeigenen Bodenschätzen. Bei einer reinen Wortlautinterpretation des § 124 Abs. 3 und 4 BBergG würde daher eine Gleichstellung von bergfreien und grundeigenen Bodenschätzen gerechtfertigt sein mit der Folge, dass der Ausschluss des Abbaus grundeigener Bodenschätze entschädigungsfrei verfügt werden kann. Diese allein am Wortlaut ausgerichtete Auslegung der Norm würde aber dem dargestellten Unterschied der rechtlichen Zuordnung von bergfreien Bodenschätzen und grundeigenen Bodenschätzen nicht gerecht werden. Werden grundeigene Bodenschätze für den Grundeigentümer unverwertbar, weil eine Verkehrsanlage die Verwertung verhindert, stellt dies einen Eingriff in das Eigentum dar. Jedenfalls enteignungsrechtlich gibt es keinen sachlichen Grund, um die grundeigenen Bodenschätze bei der Frage der Entschädigung von Grundeigentum, das enteignet werden soll, abzuspalten und getrennt zu behandeln. Denn es handelt sich um den Vollentzug von Eigentum, der nach Art. 14 Abs. 3 GG zu enteigenen ist. Anhaltspunkte dafür, dass das Bundesberggesetz in § 124 Abs. 3 und 4 von der Grundsatzentscheidung über die Zuordnung grundeigener Bodenschätze zum Eigentum abweichen wollte, sind dem Gesetz nicht zu entnehmen. Es ist vielmehr verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass es bei grundeigenen Bodenschätzen bei der aus Art. 14 Abs. 3 GG entwickelten Entschädigungspflicht bleibt (vgl. Boujong, Bergbau und öffentliche Verkehrsanlagen, Festschrift für Willi Blümel, 1999, 67 [76 f.]). Dies kann auch in einem Umkehrschluss aus der Rechtsprechung zur Entschädigungsfreiheit beim Ausschluss des Abbaus bergfreier Bodenschätze begründet werden. Danach hat die Entschädigungslosigkeit der Inanspruchnahme von bergfreien Bodenschätzen zu Gunsten von Verkehrsanlagen ihren rechtlichen Grund darin, dass das Recht, bergfreie Bodenschätze zu verwerten, erst durch Gesetz geschaffen und von vornherein unter den gesetzlichen Beschränkungen, zu denen jetzt § 124 Abs. 3 und 4 BBergG gehören, verliehen worden ist. Das kann für grundeigene Bodenschätze, die Teil des Grundeigentums sind, nicht gelten. Denn das Eigentum an Grund und Boden ist nicht erst durch Gesetz geschaffen worden und unterliegt damit nicht der Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers, sondern hat Verfassungsrang.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 12 Abs. 2 EntG M-V, §§ 28, 221 BauGB in der nach § 13 S. 1 EntG M-V anzuwendenden Fassung, § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO a.F.

Die Kosten der Beteiligten zu 3) und 4) sind nicht für erstattungsfähig zu erklären, da sich die Beteiligten zu 3) und 4) einer Antragstellung im Revisionsverfahren enthalten haben.

Ende der Entscheidung

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