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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 06.03.2009
Aktenzeichen: 17 Verg 1/09
Rechtsgebiete: VOL/A, VerpackV, KrW-/AbfG, GWB, VgV, BGB


Vorschriften:

VOL/A § 2 Nr. 1
VOL/A § 2 Nr. 1 Abs. 1
VOL/A § 2 Nr. 1 Abs. 2
VOL/A § 2 Nr. 2
VOL/A § 7
VOL/A § 7a
VOL/A § 8 Nr. 1
VOL/A § 8 Nr. 1 Abs. 1
VOL/A § 8 Nr. 1 Abs. 2
VOL/A § 8 Nr. 1 Abs. 3
VOL/A § 8 Nr. 1 S. 3
VOL/A § 25 Nr. 1 Abs. 2 a
VOL/A § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a.
VOL/A § 25 Nr. 2
VOL/A § 25 Nr. 2 Abs. 2
VOL/A § 26 Nr. 1
VerpackV § 6
VerpackV § 6 Abs. 3
VerpackV § 6 Abs. 3 S. 11
KrW-/AbfG § 13 Abs. 3 Nr. 1
KrW-/AbfG § 13 Abs. 3 Nr. 3
KrW-/AbfG § 13 Abs. 3 S. 1
KrW-/AbfG § 13 Abs. 3 S. 1 Nr. 3
KrW-/AbfG § 15
GWB § 97
GWB § 97 Abs. 1
GWB § 97 Abs. 2
GWB § 97 Abs. 4
GWB § 97 Abs. 4 Halbsatz 2
GWB § 97 Abs. 7
GWB § 98
GWB § 107 Abs. 2
GWB § 107 Abs. 3
GWB § 107 Abs. 3 S. 1
GWB § 107 Abs. 3 S. 2
GWB § 114 Abs. 1
GWB § 121
GWB § 121 Abs. 1
GWB § 121 Abs. 1 Satz 1
GWB § 121 Abs. 1 Satz 2
VgV § 13
BGB § 121
BGB § 158
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss

17 Verg 1/09

In dem Vergabenachprüfungsverfahren

hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Rostock am 6. März 2009 beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Antragsgegners und Beschwerdeführers, den weiteren Fortgang des Vergabeverfahrens und die Erteilung des Zuschlages zu gestatten, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Landkreis veröffentlichte im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft vom 02.08.2008 (Nr. 2008/S 149-2927) eine Bekanntmachung über die Vergabe der "Entsorgung von PPK-Abfällen, Behälterlieferung und Behälterbewirtschaftung (Hohlsystem) im Landkreis " im Wege des offenen Verfahrens.

In der Bekanntmachung hieß es u.a. wie folgt:

"II 1.5) Kurze Beschreibung des Auftrags oder Beschaffungsvorhabens:

Einsammeln, Befördern und Verwerten von Papier, Pappe, Karton (PPK-Abfälle; (Abfallmenge von 500 bis 3500 Mg/a), die im Umleerverfahren in Sammelbehältnissen von 120 l (4000 Stück), 240 l (4000 Stück) und 1100 l (1000 Stück) Fassungsvolumen, die Lieferung (Beschaffung) der Sammelbehältnisse mit einem Behälteridentifikationssystem (einschließlich Aufstellung und Austausch) sowie die Bewirtschaftung des Behälterbestandes. Hinweis: Das Holsystem erfolgt parallel zum bestehenden Bringsystem (nicht Gegenstand der Ausschreibung), ferner werden zurzeit "gewerbliche Sammlungen" i.S.v. § 13 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 KrW-/AbfG durchgeführt.

II.2.2) Optionen:

... Der Auftraggeber hat das einseitige Recht, den Leistungszeitraum einmal durch einseitige Erklärung gegenüber dem Auftragnehmer um 2 Jahre bis zum 31.12.2014 zu verlängern..

II.3) Vertragslaufzeit bzw. Beginn und Ende der Auftragsausführung:

Beginn 01.01.2009. Ende 31.12.2012.

Unter III. 2) Teilnahmebedingungen hieß es

III.2.3) Technische Leistungsfähigkeit

Angaben und Formalitäten, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Auflagen zu überprüfen:

5. Eigenerklärung des Bieters, dass er während der gesamten Vertragslaufzeit über ausreichende Kapazitäten zur Erbringung der in der Leistungsbeschreibung beschriebenen Leistung verfügt.

Folgende Unterlagen sind noch nicht mit dem Angebot abzugeben, können aber von der Vergabestelle ergänzend angefordert werden:

- Darstellung der Qualitätssicherungsmaßnahmen und -systeme für die ausgeschriebene Leistung, ggfs. Vorlage Zertifikat - ...

Möglicherweise geforderte Mindeststandards: Referenzangaben zu vergleichbaren Leistungen, mindestens für folgende Leistungen (geforderte Mindeststandards): Der Bieter muss jeweils mindestens eine Referenz für folgende Leistungen, die innerhalb eines Zeitraumes von 5 Jahren vor Bekanntmachung dieser Ausschreibung erbracht wurden, vorweisen können:

- jeweils Sammlung, Beförderung und Verwertung von PPK-Abfällen mit mindestens einer Menge, die mit der Menge der ausgeschriebenen Leistung vergleichbar ist,

- Lieferung und Aufstellung sowie Bewirtschaftung von PPK-Behältern in mindestens einer Anzahl, die mit der Anzahl der ausgeschriebenen Leistung vergleichbar ist.

Für alle Referenzen sind folgende Angaben zu machen:

- Nennung des Auftraggebers, mit Ansprechpartner und Telefonnummer,

- Beschreibung des Leistungsumfanges,

- Auftragssumme (netto) ,

- Ausführungszeitraum

IV.2.1) Zuschlagskriterien:

Wirtschaftlich günstigstes Angebot in Bezug auf die Kriterien, die in den Verdingungs-/Ausschreibungsunterlagen, der Aufforderung zu Angebotsabgabe oder zur Verhandlung bzw. in der Beschreibung zum wettbewerblichen Dialog aufgeführt sind."

Insgesamt 13 Unternehmen, darunter die Antragstellerin und die Beigeladene, forderten die Verdingungsunterlagen an. In diesen finden sich - auszugsweise - u.a. folgende Bestimmungen:

"I. Bewerbungsbedingungen

7. Angebote

7.1. Allgemeines

... Das Angebot muss vollständig sein. Unvollständige Angebote können ausgeschlossen werden. ... Das Angebot muss die Preise und sämtliche in den Vergabeunterlagen geforderten Angaben Unterlagen und Erklärungen enthalten.

7.7. Preise

... Für die Entsorgung der PPK-Abfälle ist ein gewichtsabhängiger Preis (€/Mg) anzugeben. Dieser Preis erfasst sowohl das Einsammeln und Befördern von PPK-Abfällen und die Verwertung (ohne Erlöse, s. u.) der PPK-Abfälle.

Daneben ist für die Lieferung der Sammelbehältnisse, deren Ausrüstung mit einem Behälteridentifikationssystem und Aufstellung beim Abfallbesitzer/-erzeuger (einschließlich Austausch bei defekten Behältern) ein Einheitspreis pro Stück, unterschieden zwischen Behältern mit dem Fassungsvermögen 120 l, 240 l und 1100 l anzugeben....

... Die Erlöse der Verwertung der PPK-Abfälle sind auszukehren. Bei einem negativen Wert der PPK-Abfälle wird dem Auftragnehmer der negative Marktwert erstattet. Die auszukehrenden Erlöse bzw. der zu erstattende Wert im Falle eines negativen Marktwertes richten sich ...

7.10 Vorzulegende Angaben und Nachweise

Neben der in dem Angebotschreiben abzugebende Eigenerklärung sind folgende Angaben und Nachweise der für die Übernahme des Auftrags erforderlichen Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit gem. §§ 7, 7a VOL/A ... vorzulegen:

... 5. Referenzangaben zu vergleichbaren Leistungen, mindestens für folgende Leistungen (geforderte Mindeststandards): Der Bieter muss jeweils mindestens eine Referenz für folgende Leistungen, die innerhalb eines Zeitraumes von 5 Jahren vor Bekanntmachung dieser Ausschreibung erbracht wurden, vorweisen können:

Jeweils Sammlung, Beförderung und Verwertung von PPK-Abfällen von mindestens einer Menge, die mit der Menge der ausgeschriebenen Leistung vergleichbar ist.

Lieferung und Aufstellung sowie Bewirtschaftung von PPK-Behältern in mindestens der Anzahl, die mit der Anzahl der ausgeschriebenen Leistung vergleichbar ist.

Für alle Referenzen sind folgende Angaben zu machen:

Nennung des Auftraggebers, mit Ansprechpartner und Telefonnummer, Beschreibung des Leistungsumfanges, Auftragssumme (netto), Ausführungszeitraum....

... Soweit Nachweise und Erklärung zu wirtschaftlich und technischen Leistungsfähigkeit gefordert werden (s. o.), sind diese von jedem Bieter bzw. von den Mitgliedern der Bietergemeinschaft oder von den Unternehmen, dessen Fähigkeiten sich der Bieter bedient, vorzulegen, jeweils bezogen auf die von ihm zu erbringen Leistungen bzw. Leistungsteile. Die vorstehend geforderten Nachweise und Erklärungen sind mit dem Angebot vorzulegen. Die Eignung der Bieter wird anhand dieser Nachweise und Erklärung geprüft. ...

... Hinweis: Angebote, denen die zwingend nach 7.10 mit dem Angebot vorzulegenden Unterlagen und Angaben nicht beigefügt sind, können von der Wertung ausgeschlossen werden (§ 25 Nr. 1 Abs. 2a VOL/A)....

II. Leistungsbeschreibung

... I.A.4. Abrechnung und Verwiegung

Das Einsammeln, Befördern und Verwerten (Entsorgen) der PPK Abfälle wird nach Gewicht vergütet. ... Grundlage für die Rechnungslegung der Entsorgung der PPK-Abfälle ist das Wägeergebnis bei dem Auftragnehmer. ... Der Auftraggeber ist berechtigt, Einsicht in die Verfahrensabläufe der Verwiegung sowie der betriebstechnischen Unterlagen der Waage ... sowie der kompletten Wiegeprotokolle zu nehmen. ...

... II. 5. Abfallaufkommen im Landkreis Ludwigslust

Die nachstehende Tabelle 2 gibt einen Überblick über das Aufkommen von PPK-Abfällen im Landkreis Ludwigslust, die derzeit über Großsammelcontainer im Bringsystem eingesammelt werden.

Tabelle 2:

Abfallaufkommen der PPK-Mengen im Landkreis

 Jahr/ Menge in Mg
2005 7985
2006 8778
2007 8443

Die in der Tabelle 2 aufgeführten PPK-Abfallmengen erfassen alle PPK-Abfälle, die in der Vergangenheit dem Auftraggeber überlassen worden sind, einschließlich der überlassenen Verkaufsverpackungen. In der Vergangenheit wurde im Gebiet der Auftraggeber durch Systembetreiber nach § 6 Abs. 3 VerpackV kein eigenes Verpackungssystem vorgehalten. Es wird unterstellt, dass auch künftig durch Systembetreiber nach § 6 Abs. 3 VerpackV kein eigenes Erfassungssystem vorgehalten wird. .......

Im März 2008 haben 3 Unternehmen begonnen, im Rahmen gewerblicher Sammlungen Abfallsammelbehälter mit einem Fassungsvermögen von 120 l, 240 l und 1100 l (sog. blaue Tonnen) zur Erfassung von PPK-Abfällen bei privaten Haushalten aufzustellen. Nach derzeitigem Kenntnisstand kann davon ausgegangen werden, dass ca. 10.000 bis 12.000 Sammelbehätlnisse im Kreisgebiet stehen. Derzeit ist nicht absehbar, welche Menge an PPK-Abfällen der öffentlichen Abfallentsorgung durch die Sammlung Privater entzogen werden. Im Vergleich zu den Vorjahresmonaten sind folgende Mengenveränderungen zu erkennen:

April 2007 656,30 mg

April 2008 632,88 mg

Mai 2007 671,05 mg

Mai 2008 537,22 mg

Juni 2007 632,30 mg

Juli 2008 507,79 mg

B. Leistungsbeschreibung: Einsammeln, Befördern und Verwertung von PPK sowie die Lieferung der Sammelbehältnisse und Bewirtschaftung des Behälterbestandes

1. Leistungsgegenstand

Der Auftragnehmer hat die im Vertragsgebiet anfallenden und dem Auftraggeber überlassenen Abfälle aus Papier, Pappe und Karton (PPK-Abfälle) aus privaten Haushalten und öffentlichen Einrichtungen einzusammeln, zu befördern und der Verwertung zuzuführen. Die Einsammlung erfolgt im Holsystem von privaten Haushaltungen zusätzlich zu dem bestehenden Bringsystem.

...Die Leistungen sind für alle dem Auftraggeber überlassenen PPK-Abfälle zu erbringen, auch für diejenigen, die aufgrund der Verpackungsverordnung einer Rücknahmepflicht unterliegen.

Die künftige Entwicklung der PPK-Mengen die über die Entsorgungssysteme des Auftraggebers entsorgt werden, ist ungewiss. ... Den Prognoseunsicherheiten hinsichtlich der künftig den Auftraggebern überlassenen Mengen an PPK-Abfällen wird durch die Abfrage von Preisen für unterschiedliche Mengenkorridore und die Regelungen zur Preisanpassung in § 12 Abs. 5 und 6 der Besonderen Vertragsbedingungen Rechnung getragen.

...

VI. Verkaufsverpackungen

Leistungsgegenstand sind auch die Verkaufsverpackungen aus PPK, die nach der Verpackungsverordnung vom Hersteller, Vertreiber oder einem Systembetreiber zurückzunehmen sind, soweit diese dem Auftraggeber überlassen werden.

Durch diese Festlegungen werden die Verkaufverpackungen erfasst, die nach § 13 Abs. 3 Nr. 1 KrW-/AbfG von der Überlassungspflicht gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger ausgenommen sind, gleichwohl jedoch von den Abfallerzeugern und Abfallbesitzern dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger überlassen werden können und von diesem nach § 15 KrW-/AbfG auch zu entsorgen sind.

Der Auftraggeber gestattet im Rahmen von jeweils abgeschlossenen "Abstimmungsvereinbarungen" Systembetreibern gem. § 6 Abs. 3 VerpackV, das PPK-Entsorgungssystem mitzubenutzen. Nach Ansicht des Bundeskartellamtes (vgl. Beschluss vom 06.05.2004) sowie nachfolgend des Oberlandesgericht Düsseldorf (vgl. Beschluss vom 29.12.2004) ist es dem Auftraggeber als öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger verwehrt, eine gemeinsame Ausschreibung mit dem/den Systembetreiber/n durchzuführen und/oder Verkaufverpackungen der Systembetreiber zum Gegenstand dieser Ausschreibung zu machen. Zugleich ist es dem Auftraggeber als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger verwehrt, über diesen Verpackungsanteil Verträge mit den Entsorgungsunternehmen und/oder dem/den Systembetreiber/n abzuschließen. Vielmehr ist die vorgenannte Teilfraktion Gegenstand nachgehender Verhandlungen zwischen dem durch die Ausschreibung ermittelten Entsorger und dem/den nach § 6 Abs. 3 S. 11 VerpackV festgestellten Systembetreiber/n, auf die der Auftraggeber keine Einflussnahme hat. Zwischen dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger und dem /den Systembetreiber/n ist lediglich der jeweilige Anteil an sogenanntem kommunalen Altpapier und Verkaufsverpackungen an der PPK-Gesamtmenge aufgrund entsprechender Erhebungen festgelegt. Aktuell besteht eine bis 31.12.2009 gültige Festlegung, dass 17,0 Masse-% der im Entsorgungsgebiet erfassten PPK-Gesamtmenge Verpackungen der DSD GmbH sind. Es wird als bekannt vorausgesetzt, dass sich diese Mengenaufteilung verändern kann, auch durch das Hinzutreten weiterer Systembetreiber i. S. v. § 6 Abs. 3 VerpackV, die ggfs. ihrerseits Entsorgungsverträge mit dem beauftragten Entsorger, also dem Auftragnehmer, abschließen.

Zusammenfassend wird somit darauf hingewiesen, dass über das PPK-Entsorgungssystem nach Maßgabe von Abstimmungsvereinbarungen mit Systembetreibern und § 6 Abs. 3 VerpackV auch Verkaufsverpackungen erfasst werden können, deren Entsorgung jedoch nicht Gegenstand dieses Ausschreibungsverfahrens sind und deren Konditionen der Entsorgung im Nachgang der Ausschreibung allein zwischen dem beauftragten Entsorger und dem/den Systembetreiber/n auszuhandeln sind. Der Auftraggeber wird den Auftragnehmer über bestehende Abstimmungsvereinbarungen informieren.

III. Besondere Vertragsbedingungen:

...

§ 11 Vertragsstrafen

Verletzt der Auftragnehmer schuldhaft eine der nachfolgend aufgeführten wesentlichen Vertragsverpflichtungen, hat der Auftraggeber neben der Erfüllung der Leistungspflichten einen Anspruch auf eine Vertragsstrafe...

- Durchführung einer Sammlung von Altpapier bei privaten Haushaltungen auf eigene Rechnung.

...

§ 16 Vertragliche Treuepflichten

1. Der Auftragnehmer verpflichtet sich, während der Laufzeit dieses Vertrages alles zu unterlassen, was die abfallwirtschaftlichen Belange des Auftraggebers beeinträchtigen könnte.

2. Der Auftragnehmer verpflichtet sich insbesondere, während der Laufzeit dieses Vertrages keine Sammlung von Altpapier bei privaten Haushaltungen auf eigene Rechnung im Gebiet des Landkreises durchzuführen. Die vertragliche Treuepflicht erstreckt auch auf mit dem Auftragnehmer verbundene Unternehmen....

...

§ 18 Außerordentliche Kündigung

1. Der Vertrag kann ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden durch den Auftraggeber

- wenn ein mit dem Auftragnehmer verbundenes Unternehmen eine Sammlung von Altpapier bei privaten Haushaltungen auf eigene Rechnungen im Gebiet des Landkreises durchführt ...

IV. Angebotsschreiben

18. Wir versichern, dass wir gemäß der vertraglichen Treuepflicht im Falle der Zuschlagserteilung kein konkurrierendes Sammelsystem für PPK-Abfälle im Gebiet des Landkreises während der Vertragslaufzeit unterhalten werden...."

Die Verdingungsunterlagen enthalten an diversen Stellen umfangreiche Kontroll- und Beaufsichtigungsrechte des Auftraggebers.

Die Antragstellerin erhielt die mit Schreiben des Auftraggeber vom 08.08.2008 versandten Verdingungsunterlagen ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 11.08.2008. Mit Schreiben vom 18.08.2008 erhob die Antragstellerin verschiedene Rügen. Die beabsichtigte Beibehaltung des bestehenden Bringsystems neben dem ausgeschriebenen Holsystem sowie die Regelung über die Miterfassung von Verkaufsverpackungen bedeuteten ungewöhnliche Wagnisse. U.a. fehlten Angaben zum Volumenanteil der Verkaufverpackungen. Die Vergütungsverpflichtungen des Auftraggebers solle sich nach dem Verständnis der Antragstellerin nur auf denjenigen Anteil des erfassten Altpapiers beziehen, der nicht aus Verpackungen bestehe. Dieser werde jedoch nicht genannt oder bemessen, und es fehle auch an entsprechenden klaren Festlegungen der Bemessungsgrundlage für die Vergütung. Ferner stelle es ein ungewöhnliches Wagnis dar, dass das Risiko des Zustandekommens von Zusatzverträgen mit den Rücknahmesystemen dem Auftragnehmer zugewiesen werde. Die Vergütungspflicht des Auftraggebers müsse sich auf das gesamte erfasste Material beziehen, sofern über den hierin enthaltenen Verpackungsanteil keine Zusatzverträge mit dem Rücknahmesystem zustande käme. Entsprechend den Ausführungen im 2. Absatz von Abschnitt VI.b. der Leistungsbeschreibung sei in einem solchen Fall ja davon auszugehen, dass der Abfallerzeuger die in die "blauen Tonnen" eingebrachten Verpackungsabfälle dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger bzw. seinen Drittbeauftragten zur Entsorgung überantworten wolle, der hierfür auch zuständig sei. Das Verbot der Durchführung gewerblicher Sammlungen in § 11 Abs. 1 5. Spiegelpunkt und § 16 sei vergaberechtswidrig.

Der Antragsgegner antwortete hierauf mit Schreiben vom 01.09.2008 und wies die Rügen weitgehend zurück. Die vertraglichen Treuepflichten seien zulässig, da ein Nebeneinander von gewerblicher Sammlung und Beauftragung faktisch nicht zu kontrollieren wäre. Gerade im Hinblick auf die Werthaltigkeit der Abfälle bestünde keine Möglichkeit, eine eventuelle Entziehung von Abfällen bzw. die Vollständigkeit der Erlösauskehr zu kontrollieren. Zum Volumenanteil der Verkaufverpackungen verwies er auf eine kommende Bieterinformation mit gesondertem Schreiben.

Die Bieterinformation Nr. 1 vom 01.09.2008 enthielt u.a. folgende Klarstellungen:

... auf S. 46 (B.IV zu II Leistungsbeschreibung, dort 2. Abs., 6. Zeile) ist Folgendes zu ergänzen:... 17,0 Masse % (entspricht 28,05 Volumen-%) der im Entsorgungsgebiet ...

Anmerkung: Auch wenn das in Tabelle 2 (auf S. 40 der Verdingungsunterlagen) ausgewiesene Abfallaufkommen - wie dort ausdrücklich hingewiesen - auch die "überlassenen Verkaufsverpackungen " beinhaltet, ist Vertragsgegenstand ausschließlich das sog. kommunale Altspapier (d. h. ohne Verkaufsverpackung). Dem Landkreis ist es nach der Spruchpraxis des Bundeskartellamtes sowie des Oberlandesgerichts Düsseldorf ausdrücklich verwert, hinsichtlich des sog. Verpackungsanteils gemeinsame Ausschreibungen mit den Systembetreibern durchzuführen und/oder Leistungsverträge über die Verpackungsentsorgung abzuschließen.

Am 16.09.2008 lagen insgesamt 6 Angebote, u.a. das der Antragstellerin und das der Beigeladenen vor. Die Beigeladene erreichte hinsichtlich der rechnerisch geprüften Angebotsnummer den ersten Platz, die Antragstellerin den zweiten.

Zum Nachweis der in Abschnitt III Nr. 2.3 der Bekanntmachung geforderten Mindeststandards gab die Antragstellerin 5 Auftraggeber an. Zu einem der Auftraggeber führte sie aus: Lieferung und Aufstellung sowie Bewirtschaftung von PPK-Behältern (4750 Stück) 240 l und Einsammlung PPK-Abfällen.

Das Angebot der Beigeladenen enthielt neben einer Patronatserklärung der GmbH eine Referenzliste, deren Deckblatt ausführte:

Als Anlage erhalten Sie folgende Unterlagen:

- Sammlung, Beförderung und Verwertung von PPK-Abfällen

- Lieferung und Aufstellung sowie Bewirtschaftung von PPK-Behältern.

Nähere Angaben über Behältergrößen oder deren Anzahl enthielten die Referenzangaben nicht.

Mit Schreiben vom 25.09.2008 forderte der Antragsgegner die Beigeladene auf, im Zusammenhang mit der Prüfung ihres Angebotes die nach § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A erforderlichen und geeigneten Belege einzureichen. Am 26.09.2008 überprüfte der Antragsgegner die von der Beigeladenen vorgelegten Referenzen, indem er zwei der von dieser angegebenen Ansprechpartner telefonisch ansprach. In den Telefonaten wurden Behälterzahlen mitgeteilt, die die Anzahl in der Ausschreibung überstiegen.

Mit Schreiben vom 16.10.2008, der Antragstellerin per Fax am gleichen Tage übermittelt, teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass der Zuschlag der Beigeladenen erteilt werden sollte. Zur Begründung führte er aus, ihr Angebot sei ausgeschlossen worden, weil trotz ausdrücklicher Aufforderung mit dem Angebot nicht die in den Verdingungsunterlagen geforderten Mindestreferenzen vorgelegt worden seien. Das Ermessen der Vergabestelle nach § 25 Nr. 1 Abs. 2 Buchstabe a VOL/A sei dahingehend ausgeübt worden, dass das Angebot ausgeschlossen werde, wenn die von der Vergabestelle ausdrücklich geforderten Mindestreferenzunterlagen nicht vorgelegt worden seien, weil der Auftraggeber durch entsprechende Hinweise die Verdingungsunterlagen ausdrücklich zu verstehen gegeben habe, dass er besonderen Wert auf die Vorlage dieser Unterlagen lege und die Vorlage dieser Unterlagen mit dem Angebot fordere. Dessen ungeachtet habe das Angebot keinen Erfolg gehabt, weil das zuschlagfähige Angebot der Beigeladenen wirtschaftlicher sei.

Mit Schreiben vom 20.10.2008 rügt die Antragstellerin das mitgeteilte Wertungsergebnis. Die vorgelegten Referenzen entsprächen den Verdingungsunterlagen. Die von ihr vorgelegten Referenzen seien mit den ausgeschriebenen Leistungen "vergleichbar".

Unter dem 23.10.2008 wies der Antragsgegner die Rügen der Antragstellerin zurück. Der von der Antragstellerin als Referenz angegebene Auftrag beziehe sich nur auf die Bewirtschaftung von 4.750 PPK-Behältern mit einem Fassungsvolumen von 240 l, daher nur auf eine Behälterzahl, die ca. 53% der ausgeschriebenen Behälterzahl entspreche. Damit sei die erforderliche Vergleichbarkeit nicht gegeben.

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 29.10.2008 die Vergabekammern bei dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Mecklenburg-Vorpommern angerufen. Sie hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Ausschluss ihres Angebotes wegen fehlender Referenzen sei fehlerhaft. Aus den Verdingungsunterlagen habe sich nicht eindeutig ergeben, dass der Bieter eine Referenz für Aufstellung und Bewirtschaftung für Behälter vorlegen müsse, die sich exakt auf eine Behälteranzahl beziehe, die mindestens so groß sei wie die Zahl der im vorliegenden Auftrag aufzustellenden und zu bewirtschaftenden Behälter. Die Verwendung des Wortes "vergleichbar" widerspreche dem Verständnis, das der Auftraggeber nachträglich seiner Referenzforderung beimesse. Im Übrigen sei in der Vorabinformation vom 16.10.2008 noch ausdrücklich von einer Ermessensausübung hinsichtlich des Ausschlusses die Rede. Hingegen spreche der Antragsgegner in seiner Rügebeantwortung vom 23.10.2008 nunmehr von einem zwingenden Ausschlussgrund. Er habe sein Ermessen fehlerhaft bzw. gar nicht ausgeübt. Im Übrigen hätten sich die von der Antragstellerin bereits während der Angebotsphase gerügten Vergabefehler in den Verdingungsunterlagen zu ihren Lasten ausgewirkt. Ein ungewöhnliches Wagnis ergebe sich zunächst aus dem Fortbestand des bisherigen Bringsystems neben dem ausgeschriebenen Holsystem. Die zukünftige Verteilung der Abfallmengen auf beide Erfassungssysteme sei völlig ungewiss. Die Ungewissheit hinsichtlich der im Vertragvollzug tatsächlich anfallenden Mengen sei jedenfalls nicht hinreichend durch Preismechanismen "abgefedert".

Den Verdingungsunterlagen, einschließlich dem Vertragsentwurf, sei keine klare Regelung dahingehend zu entnehmen, ob der Verpackungsaltpapieranteil Gegenstand des Vergütungsanspruchs des Auftragnehmers sei oder nicht bzw., falls dies nicht der Fall sei, wie eine Abgrenzung der Mengen erfolge. Es sei nicht einmal klar festgestellt worden, ob der Verpackungsanteil nach Volumen oder Masseprozent zu bestimmen sei, was einen maßgeblichen Unterschied mache. Daran ändere auch die nachträgliche Angabe des angenommenen Verpackungsanteils nach Volumenprozent (28,05%) nichts. Darüber, ob und wie bei der Abrechnung der Verpackungsaltpapieranteil herausgerechnet und demnach der durch den Antragsgegner zu vergütende Anteil des sonstigen Altpapiers berechnet werde, schwiegen sich jedoch trotz der Rüge der Antragstellerin sowohl die ursprüngliche Verdingungsunterlagen als auch die Bieterinformationsschreiben aus. Insoweit fehlt es schlicht an einer Regelung. Aufgrund der Wagnisse, die sich aus den seitens der Antragstellerin mit Schreiben vom 18.08.2008 gerügten vertraglichen Regelungen ergeben, sei jedenfalls eine sichere Kalkulation der Leistungen nicht möglich gewesen. Sie sei gezwungen gewesen, an verschiedenen Stellen vorsichtiger zu kalkulieren bzw. Sicherheitszuschläge vorzusehen, was sie bei einer hinreichenden klaren und eindeutigen Leistungsbeschreibung nicht hätte tun müssen.

Nachdem der Antragstellerin Akteneinsicht gewährt wurde, hat sie ergänzend vorgetragen, ihr Angebot wegen angeblich unzureichender Referenzen auszuschließen verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Beigeladene habe keine Referenzen vorlegen können, die dem vom Antragsgegner für richtig gehaltenen strengen Maßstab entsprächen. Die Preisprüfung bei der Beigeladenen sei fehlerhaft durchgeführt worden.

Die Antragstellerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass sie in ihren Rechten verletzt ist,

2. festzustellen, dass der Ausschluss ihres Angebots rechtswidrig war und den Auftraggeber zu verpflichten, die Angebotswertung unter Berücksichtigung ihres Angebotes zu wiederholen;

3. hilfsweise die Ausschreibung aufzuheben;

4. hilfsweise eine andere zur Wahrung der Rechte der Antragstellerin erforderliche Anordnung zu treffen;

5. festzustellen, dass die Hinzuziehung von Rechtsanwälten durch die Antragstellerin erforderlich war.

Der Antragsgegner hat beantragt,

1. den Antrag der Antragstellerin, festzustellen, dass diese in ihren Rechten verletzt sei, zurückzuweisen.

2. den Antrag der Antragstellerin festzustellen, dass der Ausschluss ihres Angebots rechtswidrig war, und den Auftraggeber zu verpflichten, die Angebotswertung unter Berücksichtigung des Angebotes der Antragstellerin zu wiederholen, zurückzuweisen,

3. den von der Antragstellerin hilfsweise gestellten Antrag, die Ausschreibung aufzuheben, zurückzuweisen,

4. den von der Antragstellerin hilfsweise gestellten Antrag, andere zur Wahrung ihrer Rechte erforderliche Anordnungen zu treffen, zurückzuweisen,

5. den Antrag der Antragstellerin auf Feststellung, dass die Hinzuziehung von Rechtsanwälten durch sie erforderlich war, zurückzuweisen.

6. festzustellen, dass die Hinzuziehung von Rechtsanwälten durch den Antragsgegner erforderlich war.

Der Antragsgegner hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Nachprüfungsantrag sei gemäß § 107 Abs. 3 S. 1 GWB offensichtlich unzulässig, da die Antragstellerin ein Angebot abgegeben habe, ohne ihre Rügen aufrechtzuerhalten, obwohl der Antragsgegner auf die Rügen mit seinem Schreiben vom 01.09.2008 reagiert habe. Im Übrigen sei die Rüge vom 18.08.2008 nicht unverzüglich gewesen. Die Antragstellerin habe erst 10 Tage nach Erhalt der Verdingungsunterlagen ein Rügeschreiben übermittelt. Die Rüge vom 20.10.2008 sei ebenfalls nicht unverzüglich gewesen, da die Antragstellerin das Vorabinformationsschreiben gem. § 13 VgV bereits am 16.10.2008 um 16.37 Uhr zugefaxt erhalten habe.

Die Antragstellerin sei durch den mitgeteilten Ausschluss weder in ihren Rechten aus § 97 GWB noch aus sonstigen Rechten verletzt. Ihr Angebot sei gem. § 25 Nr. 1 Abs. 2 Buchst. a VOL/A von der Wertung auszuschließen, weil ihr Angebot nicht den Mindestanforderungen genüge. Sie habe die erforderlichen Referenzen nicht vorgelegt. Dass eine Referenz über die Bewirtschaftung einer Gesamt-Behälterzahl von 4.750 Behältern (mithin ca. 53%) nicht mit einer Bewirtschaftung von insgesamt 9.000 vergleichbar sei, sei offensichtlich. Die weitere Behauptung der Antragstellerin, die Beigeladene habe ein unterkalkuliertes Angebot abgegeben, sei eine Behauptung ins "Blaue hinein". Den Vergabeakten könne entnommen werden, dass die Auskömmlichkeit des Angebots der Beigeladenen umfassend geprüft worden sei.

Ein Nebeneinander von Bring- und Holsystem begründe kein ungewöhnliches Wagnis i. S. v. § 8 Nr. 1 VOL/A, gleiches gelte für den Verpackungspapieranteil. Einem Entsorgungsfachbetrieb dürfe unterstellt werden, dass ihm die diesbezügliche Problematik und die zitierte Spruchpraxis des Bundeskartellamtes sowie des Oberlandesgerichts Düsseldorf bekannt sei. Der Antragsgegner habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ihm verwehrt sei, Verkaufsverpackungen der Systembetreiber zum Gegenstand der Ausschreibung zu machen, so dass sie auch nicht Gegenstand eines Vergütungsanspruchs sein könnten. Dies sei nochmals in der Bieterinformation vom 01.09.2008 klargestellt worden. Ausweislich der genannten Spruchpraxis sei es Sache des Auftragnehmers, mit den Verpackungsrücknahmesystemen die Frage der Vergütung und der Erlösauskehr zu regeln. Vom Antragsgegner könne kein Verhalten verlangt werden, das als kartellrechtswidrig zu bezeichnen wäre.

Entgegen den Ausführungen der Antragstellerin sei der Vergütungsmechanismus in den Verdingungsunterlagen hinreichend klar geregelt. Die Vergütung sei in § 12 Abs. 1 der Besonderen Vertragsbedingungen geregelt. Sie erfolge nach S. 1 für die zu erbringende Leistung. Eben diese sei in § 1 Abs. 1 der Besonderen Vertragsbedingungen beschrieben. Diese verweise auf die Leistungsbeschreibung. Dort finde sich unter B. VI ein Hinweis auf die Besonderheit, dass durch die Sammlung auch Verpackungen miterfasst würden. Es werde weiterhin auf die kartellrechtliche Spruchpraxis verwiesen, nachdem es dem Antragsgegner verwert sei, über die Entsorgung von Verpackung Verträge abzuschließen. Es sei daher denklogisch unmöglich, dass sich das unter Abschnitt III Nr. 1.1. des Angebotsschreibens anzugebende "Entgelt" wie auch die dienstbezüglichen Abfallmengen auf Verkaufsverpackungen beziehen könnten. Die "Abfallmengen" könnten und dürften ausschließlich das kommunale Altpapier umfassen. Da der Anteil an Verkaufverpackungen, der ausdrücklich mit einem Masseanteil i. H. v. 17% angegeben gewesen sei, von den Systembetreibern abfallrechtlich und wirtschaftlich zu verantworten sei, werde auf Grundlage der Entgeltrechnung dem Auftragnehmer ausschließlich der kommunale Anteil (83%) vergütet, der sich aus der vom Auftragnehmer erfassten PPK-Gesamtmenge unter Abzug der Verpackungsmenge (Masseanteil) ergebe. Bei alldem seien keine "ungewöhnlichen Wagnisse" i. S. d. § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A festzustellen.

Hinsichtlich der Vertragsstrafenregelung sei schon im Ansatz nicht ersichtlich, wie diese ein ungewöhnliches Wagnis beinhalteten könnte, zumal zu ihrer Durchsetzung eine Vielzahl eng gefasster Voraussetzungen zu erfüllen seien. Es sei nicht ersichtlich und werde auch nicht vorgetragen, unter welchem Aspekt das Verbot der gewerblichen Sammlung nicht vergaberechtskonform sein sollte. Es handele sich nicht um ein allgemeines Wettbewerbsverbot, da es nur den Auftragnehmer betreffe und es jedem Auftragnehmer freistehe, ob er sich an diesem Ausschreibungswettbewerb beteiligen wolle. Ferner sei von der Rechtsprechung die zivilrechtliche Untersagung einer konkurrierenden Tätigkeit des Auftragnehmers, der in Konkurrenz zum Auftraggeber trete, insbesondere dann bestätigt worden, wenn der Entsorgungsvertrag ein solches Verbot stütze.

Die Beigeladene hat beantragt,

den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten im Vergabenachprüfungsverfahren wird auf den Inhalt der dort gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Vergabekammer hat dem Antragsgegner durch Beschluss vom 08.01.2009 untersagt, auf der Grundlage der streitgegenständlichen Ausschreibung den Zuschlag zu erteilen.

Zur Begründung hat die Vergabekammer ausgeführt, der Nachprüfungsantrag sei zulässig. Die erforderliche Antragsbefugnis sei gegeben. Eine Präklusion der Rügen der Antragstellerin gem. § 107 Abs. 3 S. 2 GWB sei nicht eingetreten. Die Rügefristen seien gewahrt worden. Eine ausdrückliche Erklärung, Rügen aufrecht erhalten zu wollen, sei nicht erforderlich.

Der Nachprüfungsantrag sei teilweise begründet gewesen. Die Rügen zur Treuepflicht in § 16 Abs. 2 der Besonderen Vertragsbedingungen und die damit verbundenen Rügen zu § 11 Abs. 1 Spiegelpunkt 5, § 18, Abs. 1, Buchstabe A, 1. Spiegelpunkt - soweit es § 16 Abs. 1 der Besonderen Vertragsbedingungen betrifft - und 2. Spiegelpunkt Besondere Vertragsbedingungen sowie zu Nr. 18 des Angebotsschreibens seien zu Recht erhoben. Es liege ein Verstoß gegen § 97 Abs. 1 GWB, § 2 Nr. 1 Abs. 1, 2 VOL/A vor.

Darin, dass mit der Treuepflicht in § 16 Abs. 2 der Besonderen Vertragsbedingungen im Ergebnis ein Verhalten zur Voraussetzung für die erfolgreiche Teilnahme am Vergabeverfahren gemacht werden soll, das der Antragsgegner nach den Regeln des Abfallrechts nicht verlangen dürfe, liege ein Verstoß gegen § 97 Abs. 1 GWB, nämlich eine Wettbewerbsverfälschung. Dieses ergebe sich namentlich aus dem Beschluss des OVG M-V vom 08.07.2008 (Az: 3 N 63/08), der gerade in einem Rechtstreit zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner ergangen sei. Die Vergabekammer mache sich die Rechtsauffassung des OVG zu eigen. Die gewerbliche Sammlung der Antragstellerin, die diese auch weiterhin durchzuführen beabsichtige, stehe im Einklang mit dem KrW-/AbfG. Überwiegende öffentliche Interessen i. S. v. § 13 Abs. 3 S. 1, Nr. 3 KrW-/AbfG stünden dem nicht entgegen. Ein überwiegendes öffentliches Interesse könne nicht mit dem Argument begründet werden, ein Nebeneinander von gewerblicher Sammlung und Beauftragung sei faktisch nicht zu kontrollieren und es bestehe gerade im Hinblick auf die Werthaltigkeit der Abfälle keine Möglichkeit, eine eventuelle Entziehung von Abfällen bzw. die Vollständigkeit der Erlösauskehr zu kontrollieren. Als überwiegende öffentliche Interessen kämen nur Interessen in Betracht, die auf die Verfolgung der Zielvorgaben und Zwecke des KrW-/AbfG gerichtet seien. Es liege auf der Hand, dass ein Unternehmen, welches bereits eine gewerbliche Sammlung durchführe, bei seiner Entscheidung, ein Angebot auf eine Ausschreibung mit der vorgesehenen Vertragsbedingungen abzugeben, zugleich zu einer Entscheidung darüber genötigt werde, ob es in Kauf nehme, bei Erteilung des Zuschlags ein anderes Tätigkeitsfeld und eine andere Einnahmequelle zu verlieren. Darin liege eine Benachteiligung gegenüber anderen Bietern, die ihr Geld bislang und auch künftig mit gleichen oder anderen Aktivitäten in anderen geographischen Bereichen verdienen, deren geschäftliche Situation sich durch den Zuschlag also nicht in dieser Weise nachteilig verändere. Die Entscheidung für eine Beteiligung an der Ausschreibung werde damit für einzelne Unternehmen erschwert. Da es an einer abfallrechtlichen Rechtfertigung für so geschaffene unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen fehle, sei die Feststellung einer Wettbewerbsverfälschung i. S. d. § 97 Abs. 1 GWB unvermeidlich.

Im Übrigen sei der Nachprüfungsantrag unbegründet. Die Aufrechterhaltung des Bringsystems sei im Ergebnis unbedenklich.

Die Verdingungsunterlagen des Antragsgegners verstießen auch nicht gegen § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A. Eine gemeinsame Ausschreibung der gesamten PPK-Menge mit Bindungswirkung für Systeme nach § 6 VerpackV sei nicht zulässig gewesen. Den Kommunen sei mit dem Erlass der VerpackV die Zuständigkeit für die Entsorgung eines Teils dieser Menge, nämlich für gebrauchte Verkaufsverpackungen, entzogen und auf die Privatwirtschaft übertragen worden. Sie seien mithin gar nicht befugt, auch diese Teilmenge mit Wirkung für den privaten Systembetreiber auszuschreiben. Der Antragsgegner habe sich bei seiner Ausschreibung an das 2. Modell, das der Entscheidung des Bundeskartellamtes zu entnehmen sei, angelehnt. Insgesamt komme es darauf an, dass sich das Kalkulationsrisiko, das mit den Unwägbarkeiten des trilateralen Vertragsverhältnisses zwischen dem öffentlichen Auftraggeber, dem Entsorgungsunternehmen und dem Systembetreiber nach § 6 VerpackV verbunden sei, in einem zumutbaren, mit § 8 Nr. 1 S. 3 VOL/A zu vereinbarenden Maß halte. Das schützenswerte Interesse des Bieters an einer möglichst umfassenden Kalkulationssicherheit sei mit dem Interesse des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers abzuwägen, seiner gesetzlichen Entsorgungspflicht hinsichtlich des Altpapiers genügen zu können. Davon abgesehen sei die Frage, welche Unsicherheit dem Bieter zugemutet werden dürfe, im Zusammenhang mit der Erwägung zu beantworten, welcher Aufwand für den Auftraggeber zumutbar sei. Daten, die der Auftraggeber nicht habe und die er auch nicht oder nicht ohne größeren Aufwand beschaffen könne, könne der Bieter nicht als Grundlage seiner Kalkulation verlangen. Es müsse genügen, wenn der Auftraggeber für eine Kompensation bei der Entgeltregelung sorge.

Die Regelungen über die Miterfassung von Verkaufsverpackungen seien hinreichend klar. Ausdrücklich würden nur Verkaufverpackungen, soweit sie dem Auftraggeber überlassen worden seien, zum Gegenstand der Leistungen erklärt. Welche das seien, ergebe sich aus dem nächstfolgenden Satz, wonach durch diese Festlegung die Verkaufsverpackungen erfasst werden, die nach § 13 Abs. 3 Nr. 1 KrW-/AbfG von der Überlassungspflicht gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger ausgenommen seien, gleichwohl jedoch von den Abfallerzeugern und Abfallbesitzern dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger überlassen werden können und von diesem dann nach § 15 KrW-/AbfG auch zu entsorgen seien.

Auch hinsichtlich der abzuschließenden Zusatzverträge mit den Rücknahmesystemen liege kein Verstoß gegen § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A vor. Die Ungewissheit, die hier für den Bieter bestehe, liege im System begründet, das der Gesetzgeber mit den Regelungen zur Abfallentsorgung geschaffen habe. Risiken, die für Teilnehmer am Wirtschaftsleben von Gesetzes wegen bestehen, seien selbstverständliche Regeln und nicht bedauerliche Ausnahme. Von daher liegt hier kein ungewöhnliches, sondern ein gewöhnliches Wagnis vor, das nicht der Auftraggeber, sondern der Auftragnehmer zu tragen hat.

Die Feststellung des Antraggegners, die Antragstellerin habe ihre Referenzen zur Lieferung, Aufstellung und Bewirtschaftung von PPK-Behältern nicht ordnungsgemäß erbracht, sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. Es sei zu berücksichtigen, dass die Eignungsprüfung im Vergabeverfahren ein wertender Vorgang sei, bei welchem dem Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum einzuräumen sei. Dieser Beurteilungsspielraum sei nur einer eingeschränkten Kontrolle durch die Nachprüfungsinstanzen zugänglich. Die Nachprüfungsinstanzen könnten die Entscheidung einer Vergabestelle über die Eignung eines Unternehmens nur daraufhin prüfen, ob die rechtlichen Grenzen des Beurteilungsspielraumes überschritten seien. Entscheidend sei letztlich, dass die subjektive Wertung des Auftraggebers vertretbar und nicht völlig haltlos sei. Dieses sei hier zu bejahen. Die Beigeladene ihrerseits habe den Nachweis über Lieferung, Aufstellung und Bewirtschaftung von PPK-Behältern erbracht. Es sei nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner das Vorliegen der einschlägigen Eignungsanforderungen hinsichtlich Lieferung, Aufstellung und Bewirtschaftung von PPK-Behältern letztlich durch eigene Nachfrage bei zwei von der Beigeladenen genannten Referenzunternehmen geklärt habe. Der Antragsgegner habe auch wegen der Referenzen der Antragstellerin die Nachfrage nachgeholt. Hinsichtlich des ursprünglichen Vergaberechtsverstoßes sei insoweit Erledigung eingetreten. Weitere Wertungsfehler lägen nicht vor.

Bei fehlerhaften Verdingungsunterlagen komme grundsätzlich eine Aufhebung der Ausschreibung in Betracht, es können dem öffentlichen Auftraggeber jedoch auch andere Möglichkeiten zu Gebote stehen. Ob eine solche Möglichkeit bestehe und ergriffen werde solle, habe der öffentliche Auftraggeber in eigener Verantwortung zu klären und zu bestimmen.

Gegen diese Entscheidung hat der Antragsgegner sofortige Beschwerde eingelegt und eine Vorabentscheidung über den Zuschlag beantragt.

Zur Begründung trägt er - unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrages - vor, der streitgegenständliche Beschluss der Vergabekammer sei rechtsfehlerhaft und daher aufzuheben. Bei zutreffender Rechtsanwendung sei der Nachprüfungsantrag vollumfänglich zurückzuweisen. Der Antrag hätte bereits als unzulässig zurückgewiesen werden müssen. Er sei gemäß § 107 Abs. 3 GWB wegen Versäumung der Rügefristen präkludiert.

Die verlangte Treuepflicht begegne keinen rechtlichen Bedenken, insbesondere jedoch begründe sie die Notwendigkeit der Zurückversetzung des Vergabeverfahrens nicht. Die Treuepflicht sei nicht Gegenstand der europaweiten Bekanntmachung gewesen, sie finde sich erst in den Verdingungsunterlagen. Keines dieser 7 Unternehmen, die kein Angebot abgegeben haben, habe die Treuepflicht zum Gegenstand einer Rüge i. S. v. § 107 Abs. 3 GWB gemacht. Mangels Rüge könne ausgeschlossen werden, dass die Nichtaufnahme bzw. Streichung der vorgenannten Treuepflichtregelung dazu geführt hätte, dass eines der 7 Unternehmen doch ein Angebot abgegeben hätte. Streiche man die streitgegenständliche Treuepflichtregelung und führe eine erneute Prüfung und Wertung der Angebote durch, käme die Vergabestelle - selbst bei einer erneuten Preisabfrage bei den 6 Bietern, die ein Angebot abgegeben haben - im Hinblick auf die Antragstellerin zu keinem anderen Ergebnis als im Ausgangsverfahren: Sie verfüge aufgrund fehlender Referenzen auch weiterhin nicht über die erforderliche Eignung und bleibe daher ausgeschlossen. Dass der Antragsgegner die Antragstellerin ausgeschlossen habe, sei auch nach Ansicht der Vergabekammer nicht zu beanstanden gewesen. Im Ergebnis sei daher festzustellen, dass bei richtiger Rechtsanwendung und selbst unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Vergabekammer im Übrigen diese jedenfalls zu der Entscheidung hätte gelangen müssen, dass eine Vergaberechtswidrigkeit der Treuepflichtregelungen dahinstehen könne, da das Angebot der Antragstellerin jedenfalls mangels Eignung auszuschließen sei. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb es zur Wahrung der Rechte der Antragstellerin geboten sein solle, dem Antragsgegner die Zuschlagserteilung zu untersagen (§ 114 Abs. 1, S. 1 GWB).

Die Regelungen zur sogenannten Treuepflicht in § 16 Abs. 2 Besondere Vertragsbedingungen und an anderen Stellen beinhalteten keinen Verstoß gegen § 97 Abs. 1 GWB, § 2 Nr. 1 Abs. 1, 2 VOL/A. Soweit § 97 Abs. 1 GWB den öffentlichen Auftraggeber zu einer Beschaffung im Wettbewerb verpflichte, seien damit solche Vergabepraktiken gemeint, die den vom Auftraggeber zu organisierenden Wettbewerb gezielt und einseitig zu Gunsten oder zu Lasten bestimmter Bieter verfälschen. In der Literatur fänden sich hierzu fast ausschließlich Entscheidungen, die nicht nur gegen § 97 Abs. 1 GWB, sondern gegen eine konkrete Gebots- bzw. Verbotsnorm verstoßende Vergabepraktiken zum Inhalt hätten. Eine solche Norm, gegen die die vorgesehenen "Treuepflichten" etwa verstieße, gebe es nicht.

Dies gelte auch für die Vorschrift des § 2 Nr. 1, Abs. 2 VOL/A. Danach seien "wettbewerbsbeschränkende und unlautere Verhaltensweisen zu bekämpfen". Auftraggeber und Auftragnehmer stünden in diesem Fall jedoch in keinem Wettbewerbsverhältnis. Der Auftraggeber sei allein gehalten, durch seine Ausschreibung nicht den Wettbewerb zu beschränken. Vorliegend setze die vertraglich begründete Treuepflicht jedoch erst mit Zuschlagserteilung ein und ende mit Ablauf der Vertragslaufzeit. Darüber hinaus stehe es jedem Unternehmen frei, ob es sich an dieser Ausschreibung beteiligen möchte oder nicht. Die Vergabekammer verkenne den allgemeinen Einschätzungsspielraum der Vergabestelle, im Rahmen der Vertragsfreiheit den Auftragsgegenstand und den Inhalt der vertraglichen Vereinbarung zu bestimmen. Vorliegend bestünden gute Gründe, aus denen die Treuepflicht vom Auftragnehmer gefordert werde. So handele es sich um den identischen Auftragsgegenstand, den ein gewerblicher Sammler auf eigene Rechnung erbringen wolle. Es liege auf der Hand, dass in einer solchen Situation Interessenkonflikte vorprogrammiert seien, wenn einerseits ein Auftrag von einem Dritten zu erfüllen sei und andererseits im selben Zeitraum dieselbe Leistung auf eigene Rechnung gegenüber denselben (potentiellen) Adressaten erbracht werden solle. Dies wäre zum Beispiel schon dann der Fall, wenn der Auftragnehmer vom Auftraggeber konkrete Daten von Grundstücken/Abfallbesitzern erhalte, die mit einer "Blauen Tonne" zu beliefern seien, denen ohne eine solche Treuepflicht des Auftragnehmers von diesem ohne Weiteres gezielt ein konkurrierendes Angebot unterbreitet werden könnte. Die Ausführung der Vergabekammer zur vorgeblichen "Unterstellung eines unredlichen und vertragswidrigen Verhaltens" lägen neben der Sache. Es sei in keiner Weise zu beanstanden, wenn sich ein öffentlicher Auftraggeber zum Schutz vor Übervorteilung bestimmte Rechte vorbehalte oder seinen Auftragnehmer konkreten Pflichten unterwerfe. Dabei sei zu berücksichtigen, dass sich die fragliche Leistung nicht ohne Weiteres kontrollieren lasse, sondern letztlich auf einer Fläche auf mehr als 2500 qkm über einen Zeitraum von mindestens 4 und maximal 6 Jahren erbracht werden solle. Vor diesem Hintergrund handele es sich bei der beanstandeten Regelung zur Treuepflicht um eine geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahme, dem Interesse des öffentlichen Auftraggebers an einer ordnungsgemäßen Erbringung der Dienstleistung Rechnung zu tragen.

Der Antragsgegner beantragt,

unter Aufhebung des Beschlusses der 2. Vergabekammer bei dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Mecklenburg-Vorpommern vom 08.01.2009 (Az: 2 VK 07/07)

1. den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin insgesamt zurückzuweisen und

2. den Zuschlag gem. § 121 Abs. 1 GWB zu gestatten.

Die Antragstellerin beantragt,

1. die sofortige Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.

2. den Antrag des Antragsgegners gemäß § 121 GWB zurückzuweisen.

Des Weiteren legt sie Anschlussbeschwerde ein mit den Anträgen

1. den Antragsgegner zu verpflichten, die streitbefangene Ausschreibung aufzuheben oder das Vergabeverfahren in den Stand vor Abgabe der Angebote zurückzuversetzen;

2. den Antragsgegner zu verpflichten, das Angebot der Beigeladenen auszuschließen,

3. festzustellen, dass der Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin rechtswidrig war,

4. hilfsweise, andere zur Wahrung der Rechte der Antragstellerin erforderliche Anordnungen zu treffen.

Zur Begründung der Anträge trägt sie vor, die Feststellungen der Vergabekammer zu der vertraglich vorgesehenen "Treuepflicht" seien zutreffend. Das Tätigkeitsverbot verstoße gegen verschiedene vergaberechtliche Vorschriften. Es lägen, wie die Vergabekammer zutreffend festgestellt habe, Verstöße gegen § 97 Abs. 1 GWB und § 2 Nr. 1 VOL/A vor. Daneben handele es sich um einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Gebot der Nichtdiskriminierung aus § 97 Abs. 2 GWB und § 2 Nr. 2 VOL/A, da Unternehmen, die von der gesetzlich gewährleisteten Möglichkeit einer gewerblichen Sammlung Gebrauch machen wollten, praktisch vom Wettbewerb ausgeschlossen werden, wenn sie nicht erhebliche Risiken in Kauf nehmen wollen. Im Weiteren handele es sich um einen Verstoß gegen § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A, da der Bieter nicht kalkulierbaren Risiken ausgesetzt werde. Schließlich stellten gesetzeswidrige Ausschreibungsbedingungen einen Verstoß gegen § 97 Abs. 4 GWB und, da hier eine Gebietskörperschaft handele, einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip und den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 GG) dar. Die Wettbewerbsbeeinträchtigung sei auch erheblich, denn bezogen auf den Teilmarkt der Erfassung von Altpapier im Bereich des Antragsgegners sei die bisherige Tätigkeit gewerblicher Sammlung bedeutsam. Ungeachtet der Zulässigkeit gewerblicher Sammlungen erstrecke sich die Reichweite des Verbotes auch auf verbundene Unternehmen. Hierzu gehörten naturgemäß solche, über die der jeweilige Auftragnehmer keine Kontrolle ausübe. Der Auftragnehmer laufe somit Gefahr, auf Erfüllung, Schadensersatz oder Vertragsstrafen in Anspruch genommen zu werden oder sogar den Auftrag im Wege der außerordentlichen Kündigung zu verlieren, ohne dass er dies durch eigenes Verhalten verhindern könnte.

Des Weiteren enthielten die Verdingungsunterlagen einen Vergaberechtsfehler im Hinblick auf die fehlerhafte Vergütungsregelung. Der Antragsgegner sei der Ansicht, dass der durch die Ausschreibung zu findende Auftragnehmer nach den Verdingungsunterlagen den Verpackungsaltpapieranteil zwar mit zu erfassen habe, hierfür jedoch seitens des Auftraggebers keine Vergütung erhalte. Tatsächlich sei dies in den Verdingungsunterlagen nicht, geschweige denn hinreichend deutlich, geregelt. Die von ihm reklamierte Regelung, dass bei der Messung der Vergütung dieser Anteil herauszurechnen sei, und nach welchem Prozentsatz er sich bemesse, fehle aber schlicht. Gleiches gelte für die Frage, wie die Leistungsvergütung abzugrenzen sei, nach Volumen oder nach Masseprozenten. Bei der Höhe des Anteils verstehe es sich von selbst, dass es sich um einen wesentlichen kalkulationsrelevanten Umstand handele. Die Antragstellerin sehe hierin einen klaren Verstoß gegen § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A. Sämtliche von der Vergabekammer zitierten Stellen der Verdingungsunterlagen stützten die Auffassung, dass der Auftragnehmer eine Vergütung auf 100% des gesammelten Materials erhalte, zumal immer wieder davon die Rede sei, dass die "dem Auftraggeber überlassenen Abfälle aus Papier, Pappe und Karton aus privaten Haushalten und öffentlichen Einrichtungen" Gegenstand des Auftrages seien, womit selbstverständlich die körperliche Überlassung an den Auftragnehmer als Erfüllungsgehilfen des Auftraggebers gemeint sei.

Weitere schwerwiegende ungewöhnliche Wagnisse i. S. v. § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A bestehen insoweit, als, ungeachtet der Unklarheit über die Mitvergütung des Verpackungsaltpapieranteils, für alle Teilleistungen eine mengenabhängige Vergütung gezahlt werde, die tatsächlich erfassten Mengen jedoch weitgehend spekulativ seien, da zum einen eine gewisse Konkurrenz des ausgeschriebenen Erfassungssystems zu gewerblichen Sammlung Privater bestehe, andererseits der Antragsgegner als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger sich mit dem ausgeschriebenen Holsystem für die Erfassung von Altpapier selbst Konkurrenz mache.

Das Angebot der Antragstellerin sei darüber hinaus in unzulässiger Weise ausgeschlossen worden. Soweit die Vergabekammer meine, ein Vergaberechtsverstoß sei im Ergebnis nicht gegeben, weil dem Antragsgegner bei der Eignungsprüfung ein Bewertungsspielraum zustehe, verkenne sie, dass dieser ein Ermessen gar nicht ausgeübt habe. Der Ausschluss sei ausdrücklich auf Grundlage von § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a. VOL/A erfolgt, weil das Angebot nicht die geforderten Angaben bzw. Erklärung enthalten habe. Es habe sich gewissermaßen um einen Ausschluss aus formalen Gründen gehandelt, in die Eignungsbewertung als solche - zweite Wertungsebene - sei der Antragsgegner hinsichtlich des Angebots der Antragstellerin gar nicht eingetreten. Er habe die vorgelegte Referenz zu unrecht als nicht ausreichend betrachtet. Der Ausschluss beruhe auf einem unzutreffenden Verständnis der Referenzforderung in den Verdingungsunterlagen. Diese Forderung sei unklar gewesen. Unklare Anforderungen gingen jedoch zu Lasten des Auftraggebers.

Ungeachtet dessen sei die Antragstellerin in der Lage, weitere Referenzen beizubringen, mit den die Referenzforderung auch bei der seitens des Antragsgegners behaupteten Auslegung erfüllt werden könnte. Dieses habe sie auch bereits angeboten, so dass die Behauptung des Antragsgegners, die Antragstellerin komme mangels erforderlicher Eignung ohnehin für den Auftrag nicht in Betracht, nicht zutreffe. Notfalls hätte der Antragsgegner der Antragstellerin Gelegenheit geben müssen, weitere Referenzen zur Lieferung, Erstaufstellung und Bewirtschaftung von Behältern vorzulegen. Dieses gelte umso mehr, als der Antragsgegner der Beigeladenen, deren Referenzen offenkundig wesentlich schwerere Fehler aufwiesen, im Rahmen der Aufklärung Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben habe. Es stelle einen schweren Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar, wenn der Antragstellerin eine solche Möglichkeit nicht eingeräumt werde. So habe sie beispielsweise im und für den Landkreis im Rahmen eines zum 31.12.2006 ausgelaufenen Vertragsverhältnisses insgesamt ca. 17.000 blaue Tonnen geliefert, aufgestellt und bewirtschaftet. Auf diese Referenz berufe sie sich ausdrücklich. Darüber hinaus könne die Antragstellerin noch weitere Referenzen über die vorstehend genannten Leistungen beibringen, insbesondere durch Referenzen und Ressourcen ihr verbundener Unternehmen. Hierzu sei sie jederzeit bereit.

Der Antragsgegner beantragt,

die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.

Hinsichtlich der Referenzen liege kein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsverbot vor. Das Angebot der Antragstellerin unterscheide sich unter anderem von dem Angebot der Beigeladenen darin, dass letztere so ausführliche Referenzangaben im Zeitpunkt der Abgabe des Angebots gemacht habe, dass auf dieser Grundlage eine Überprüfung ohne Weiteres möglich gewesen sei. Eine nachträgliche Überprüfung der von der Antragstellerin vorgelegten Referenzunterlagen habe ergeben, dass diese unzureichend gewesen seien.

II.

Der Antrag auf Vorabgestattung des Zuschlags gemäß § 121 Abs. 1 GWB war zurückzuweisen, da er unbegründet ist.

Gemäß § 121 Abs. 1 Satz 1 GWB kann das Gericht unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der sofortigen Beschwerde den weiteren Fortgang des Vergabeverfahrens und den Zuschlag gestatten. Gemäß § 121 Abs. 1 Satz 2 GWB kann es den Zuschlag auch gestatten, wenn unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen sowie des Interesses der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zur Entscheidung über die Beschwerde die damit verbundenen Vorteile überwiegen.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Antrag hat deshalb keinen Erfolg, weil das Rechtsmittel des Antragsgegners nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit begründet ist. Können die Erfolgsaussichten bereits im Eilverfahren weitgehend abschließend beurteilt werden, weil - wie hier - bei im Wesentlichen unstreitigem Sachverhalt nur die rechtlichen Konsequenzen umstritten sind, so ist eine Interessenabwägung nach § 121 Abs. 1 S. 2 GWB entbehrlich (vgl. Summa in Heiermann/Zeiss/Kullack/Blaufuß, JURIS-Praxiskommentar, Vergaberecht, § 121 GWB Rn. 31 f).

Die - zulässige - sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird in der Sache keinen Erfolg haben. Die Vergabekammer ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zulässig und in dem festgestellten Umfang begründet ist.

1. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zulässig.

a. Die Antragstellerin ist antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB. Ihr droht durch die von ihr schlüssig behauptete Verletzung von Vergaberechtsvorschriften ein Schaden zu entstehen. Auf die Frage, ob ihr Angebot zu Recht ausgeschlossen wurde und ob sie auch Aussichten auf Erteilung des Zuschlags hat, muss es nicht ankommen, da sie geltend macht, dass das Vergabeverfahren aufzuheben ist und sie deshalb ein neues Angebot einreichen kann.

Für die Antragsbefugnis gemäß § 107 Abs. 2 GWB ist erforderlich aber auch ausreichend, dass eine Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften schlüssig vorgetragen und dargelegt wird, dass dem Unternehmen durch die behauptete Vergaberechtsverletzung ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Nicht notwendig ist, dass bereits festgestellt werden kann, dass der behauptete Verstoß tatsächlich vorliegt und den behaupteten Schaden ausgelöst hat oder auszulösen droht ( vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006 -X ZR 14/06; Beschluss vom 18. Mai 2004 -X ZB 7/04). Die genannten Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Antragstellerin hat schlüssig vorgetragen, dass die Vergabestelle ihr Angebot zu Unrecht von der Wertung ausgeschlossen habe und dass der Inhalt der Verdingungsunterlagen ihr keine sichere Kalkulation ermöglicht habe. Auf die Begründetheit dieser Rüge kommt es im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nicht an. Dass der Antragstellerin durch die behauptete Vergaberechtsverletzung ein Schaden zu entstehen droht, liegt auf der Hand (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 31.07.2008, 13 Verg 3/08).

b. Die Antragstellerin hat hinsichtlich aller von ihr im Beschwerdeverfahren weiter verfolgten Rügen ihre Rügeobliegenheiten nach § 107 Abs. 3 GWB erfüllt.

Nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB und der hierzu ergangenen Rechtsprechung ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, wenn der Antragsteller den im Nachprüfungsverfahren geltend gemachten Vergabeverstoß nicht unverzüglich nach von ihm erlangter Kenntnis der wesentlichen tatsächlichen Umstände des Verstoßes und einer zumindest laienhaften Bewertung des Verhaltens der Vergabestelle als u.U. vergaberechtswidrig gegenüber der Vergabestelle unmissverständlich rügt und ihr dadurch Gelegenheit gibt, den vermeintlichen Verstoß noch im laufenden Vergabeverfahren zu beseitigen. Diese Obliegenheit soll gewährleisten, dass ein Bewerber bzw. Bieter stets zunächst mit der Vergabestelle gemeinsam eine Problemlösung sucht und erst im Falle eines Scheiterns dieser Bemühungen erwägt, ob er konfrontativ im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens gegen den vermeintlichen Vergabeverstoß vorgeht (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 5.12.2008, 1 Verg 9/08).

Die Erfüllung der Rügeobliegenheit des § 107 Abs. 3 GWB ist für jede im Vergabenachprüfungsverfahren erhobene Rüge einzeln zu prüfen, d.h. letztlich ist auch die Beurteilung der Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages unter diesem Aspekt stets eine geteilte, aus mehreren Einzelentscheidungen zusammengesetzte Entscheidung (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 5.12.2008, 1 Verg 9/08; OLG Celle, Beschluss vom 31.07.2008, 13 Verg 3/08).

Sämtliche Beanstandungen der Antragstellerin gegen den Inhalt der Leistungsbeschreibung, die im vorliegenden Beschwerdeverfahren weiter verfolgt werden, sind mit dem Schreiben der Antragstellerin vom 18.08.2008 gerügt worden. Sie hat insbesondere gerügt, dass die Regelungen über die Miterfassung von Verkaufsverpackungen unklar seien und ungewöhnliche Wagnisse enthielten. Sowohl das Fehlen klarer Festlegungen der Bemessungsgrundlage für die Vergütung als auch das Risiko des Zustandekommens von Zusatzverträgen mit den Rücknahmesystemen begründeten ein ungewöhnliches Wagnis. Weiterhin rügte sie, dass die Vertragliche Treuepflicht mit dem Verbot der gewerblichen Sammlungen, die insbesondere in § 11 Abs. 1, 5. Spiegelstrich und § 16 der Besonderen Vertragsbedingungen geregelt sei, unzulässig und damit vergaberechtswidrig sei.

Sämtliche Rügen waren auch rechtzeitig erfolgt. Nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB hat ein Antragsteller einen Verstoß gegen Vergabevorschriften, welchen er bereits im Vergabeverfahren erkannt hat, unverzüglich zu rügen, wenn er nicht mit dieser Rüge präkludiert sein will. Die Pflicht zur unverzüglichen Rüge beginnt dann, wenn dem Bieter ein Vergabeverstoß positiv bekannt ist, er also bestimmte Tatsachen kennt, die bei vernünftiger rechtlicher Würdigung einen Mangel des Vergabeverfahrens darstellen können (vgl. OLG München, Beschluss vom 17.09.2007, Verg 10/07).

Unverzüglich heißt ohne schuldhaftes Zögern i.S. von § 121 BGB. Wann eine Rüge als unverzüglich im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist, ist nach dem jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. Von einem sachkundigen Bieter ist zu erwarten, dass er innerhalb einer, höchstens aber zwei Wochen nach Eingang der Unterlagen diese auf Verständlichkeit und Vollständigkeit geprüft hat. Der Bieter muss sich aus den Verdingungsunterlagen ergebende Zweifelsfragen rechtzeitig vor Abgabe seines Angebotes klären, notfalls auch durch Hinzuziehung rechtlichen Beistandes. Er hat Erkundigungen einzuholen und gegebenenfalls den öffentlichen Auftraggeber aufzufordern, notwendige Konkretisierungen vorzunehmen. Diese Verpflichtung der rechtzeitigen Kontaktaufnahme zur Vergabestelle bei Ungereimtheiten in den Verdingungsunterlagen ist zwingend geboten, da nur so etwaige Unklarheiten unmittelbar aufgeklärt und korrigiert werden können (vgl. VK Saarland, Beschluss vom 30.11.2007, 1 VK 05/2007 m.w.N.; VK Schleswig-Holstein, B. v. 12.07.2005 - Az.: VK-SH 14/05; im Ergebnis ebenso Schleswig-Holsteinisches OLG, B. v. 30.06.2005 - Az.: 6 Verg 5/05; 1. VK Brandenburg, B. v. 18.06.2007 - Az.: 1 VK 20/07; B. v. 13.03.2007 - Az.: 1 VK 7/07).

Die Länge der Rügefrist hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab (vgl. hierzu auf der einen Seite OLG München vom 13.4.2007 - Verg 1/07 in einem speziellen Fall: 1 - 3 Tage und auf der anderen Seite BayObLG vom 29.9.2004 - Verg 22/04: 8 Tage wegen notwendiger Ermittlungen). Doch ist dem Bieter die Zeit zur Einholung eines Rechtsrates zuzubilligen (vgl. OLG München, Beschluss vom 17.09.2007, Verg 10/07; Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Aufl. GWB § 107 Rn. 984) Das OLG Koblenz geht von einer Rügefrist von ein bis drei Tagen aus (OLG Koblenz, B.v. 18.09.2003-Az.: 1 Verg 4/03; ebenso OLG Celle, B. v. 08.03.2007 - Az.: 13 Verg 2/07). Die VK Düsseldorf geht von einer Mindestfrist von 3 Werktagen aus ( VK Düsseldorf; B. v. 27.04.2006 - Az.: VK-12/ 2006-L). Die VK Berlin geht von einer Frist von 3 bis 4 Tagen aus (VK Berlin, B.v. 09.02. 2006 - Az.: VK- B 1- 2/06 etc.pp.). Die 1. und 3. VK Bund, die VK Hessen und die VK Saarland (3.VK Bund, B.v. 07.06.2006- Az,: VK 3- 33/06; 1. VK Bund, B.v. 30.09.2005 - Az.: VK1- 122/ 05; VK Hessen, B. v. 28.06.2005- Az.: 69d VK- 07/2005; VK Saarland, B. v. 23.01.2006- Az.: 1 VK 6/2005) haben eine Dauer von insgesamt höchstens 5 Werktagen nach Kenntniserlangung und Einschaltung einer Rechtsanwaltskanzlei noch als unverzüglich angesehen. Dagegen hat die VK Lüneburg entschieden, dass nicht die Werk-, sondern die Kalendertage maßgeblich seien (VK Lüneburg, B. v. 08.06.2007 - VgK - 24/2007) (vgl. VK Saarland, Beschluss vom 5.10.2007, 3 VK 09/2007).

Im Ergebnis bedarf es einer eingehenden Auseinandersetzung mit der zitierten Rechtsprechung nicht. Es ist bereits nicht festzustellen, wann die Antragstellerin Kenntnis der gerügten Vergabeverstöße erlangt hat. Die Antragstellerin hatte die Verdingungsunterlagen ausweislich ihres Empfangsbekenntnisses am Montag, den 11.08.2008 erhalten. Am Montag, den 18.08.2008 rügte sie per Fax vom gleichen Tag eine Vielzahl von Verstößen gegen Vergabevorschriften. Die Rüge erfolgte somit innerhalb von 7 Wochentagen bzw. 5 Werktagen nach Zugang der Verdingunterlagen. Die Inanspruchnahme einer solchen Prüfungszeit begegnet keinen Bedenken.

Der Ansicht des Antragsgegners, ein Bieter müsse etwaige Fehler der Verdingungsunterlagen (sogleich) nach deren Übersendung rügen, ist in dieser Allgemeinheit nicht zuzustimmen (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss v. 30.06.2005 - Az.: 6 Verg 5/05; OLG Naumburg, Beschluss v. 30.07.2004, 1 Verg 10/04). Wenn - wie hier - nach Erhalt der Verdingungsunterlagen zunächst eine eingehende Überprüfung der umfangreichen Unterlagen stattfand und daraufhin ein detailliertes Schreiben mit einer Vielzahl von Rügen erstellt und übersandt wird, entspricht das dem gesetzlichen Ziel, auf diese Weise der Vergabestelle Gelegenheit zu Korrekturen zu geben.

Auf den Umstand, dass Bürokräfte des Bieters die Verdingungsunterlagen unmittelbar nach Zugang in formaler Hinsicht auf Vollständigkeit der Formulare und Eindeutigkeit der Bewerbungsbedingungen durchgesehen haben, kommt es hierbei nicht an. Eine solche Durchsicht verschafft noch keine Kenntnis von vermeintlichen Vergabeverstößen (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 5.12.2008, 1 Verg 9/08).

Eine Präklusion der Rügen der Antragstellerin findet auch im Hinblick auf die Rüge des Ergebnisses der Angebotswertung nicht statt. Der Antragsgegner hatte die Information über die beabsichtigte Zuschlagserteilung gemäß § 13 VgV am 16.10.2008, 17:39 Uhr bei der Deutschen Post eingeliefert. Am gleichen Tage um 16:37 Uhr ging die Mitteilung bei der Antragstellerin per Fax ein. Unter dem 20.10.2008 rügte die Antragstellerin den Ausschluss ihres Angebots im Hinblick auf fehlende Referenzen und die beabsichtigte Zuschlagserteilung. Ungeachtet dessen, dass nicht festzustellen ist, wann die Antragstellerin Kenntnis von Vergabeverstößen hatte, ist eine Prüfungsfrist von 1 Werktag bzw. 3 Wochentagen nicht zu beanstanden.

2. Die Vergabekammer hat dem Nachprüfungsantrag zu Recht einen Erfolg beschieden.

a. Die Bestimmungen zu der vertraglichen ,Treuepflicht" in § 16 Abs. 2 der Besonderen Vertragsbedinungen, § 11 Abs. 1 Spiegelpunkt 5, § 18 Abs. 1 Buchstabe a 1. Spiegelpunkt, soweit dies § 16 Abs. 1 der Besonderen Vertragsbedingungen betrifft, und 2. Spielpunkt der Besonderen Vertagsbedingungen sowie Nr. 18 des Angebotsschreibens verstoßen gegen § 97 Abs. 1 GWB i.V.m. § 2 Nr. 1 Abs. 1, 2 VOL/A. Sie benachteiligen die Antragstellerin im Wettbewerb.

§ 97 Abs. 1 GWB verpflichtet alle Auftraggeber i.S. des § 98 GWB, öffentliche Aufträge unter Einhaltung der Vergabegrundsätze des Wettbewerbs und der Transparenz zu vergeben. Alle potentiellen Bewerber sollen einen freien Zugang zu den Beschaffungsmärkten der öffentlichen Hand haben. Ein möglichst unbehinderter, chancengleicher Wettbewerb bei der Vergabe ist nur gewährleistet, wenn der Auftraggeber auf Bedingungen für die Teilnahme am Vergabewettbewerb verzichtet, die die Teilnahme erschweren (vgl. Brauer in Kulartz/Kus/Portz, Vergaberecht, 2006, § 97 Rn. 1, 3, 6).

Gemäß § 97 Abs. 4 GWB werden Aufträge an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen vergeben; andere oder weiter gehende Anforderungen dürfen an Auftragnehmer nur gestellt werden, wenn dies durch Bundes- oder Landesrecht vorgesehen. ist. Hinter der Gesetzesformulierung des § 97 Abs. 4 Halbsatz 2 verbirgt sich der äußerst umstrittene Komplex der sogenannten vergabefremden Aspekte (vgl. hierzu Kulartz a.a.O., § 97 Rn. 100).

Ein solcher vergabefremder Aspekt, der dem Wettbewerbsgrundsatz gemäß § 97 Abs. 1 und 4 GWB i.V.m. § 2 Nr. 1 Abs. 1, 2 VOL/A zuwiderläuft, liegt vor, wenn von dem erfolgreichen Bieter neben der Erbringung der ausgeschriebenen Leistung die Einstellung eines bisher schon ausgeübten und lukrativen Geschäftsfeldes verlangt wird. Gegenstand der Ausschreibung ist vorliegend nicht allein die Erbringung der von dem Antragsgegner geforderten Dienstleistung "Einsammeln, Befördern und Verwerten von Papier, Pappe, Karton (PPK-Abfälle)", sondern ein zusätzliches Verhalten, das mit der Erbringung der Dienstleistung in keinem Zusammenhang steht und damit vergabefremd ist. Die Unterlassung der Durchführung eigener gewerblicher Sammlungen stellt weder einen Umstand dar, der die Art und Weise der Erbringung der Dienstleistung "Einsammeln, Befördern und Verwerten von Papier, Pappe, Karton, PPK-Abfälle" genauer bestimmt noch stellt das geforderte Unterlassen eine zwingende Voraussetzung für die Erbringung der Leistung dar. Es handelt sich vielmehr bei wertender Betrachtung um eine zweite Leistung, die für einen Teil der möglichen Bieter mit erheblichem wirtschaftlichen Aufwand verbunden ist, für die jedoch ein Entgelt nicht verlangt werden darf.

Vergabefremde Aspekte i.S. des § 97 Abs. 4 Halbsatz 2 GWB sind nicht schlechterdings unzulässig, sie müssen jedoch durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen sein. Das Verlangen der Unterlassung gewerblicher Sammlung von PPK kann der Antragsgegner jedoch nicht auf einen gesetzlichen Anspruch stützen. Die gewerbliche Sammlung von PPK steht im Einklang mit dem KrW-/AbfG (siehe OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 8.07.2008, Az. 3 M 63/08). Ihr stehen öffentliche Interessen im Sinne von § 13 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 KrW-/AbfG nicht entgegen.

Als überwiegend öffentliche Interessen kommen nur Interessen in Betracht, die auf die Verfolgung der Zielvorgaben und Zwecke des KrW-/AbfG gerichtet sind (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 8.07.2008, Az. 3 M 63/08; VG Leipzig, Beschluss vom 7.08.2008, 1 L 53/08).

Hierzu zählt das wirtschaftliche Interesse des Antragsgegners an dem mit dem PPK-Abfall zu erzielenden Erlös nicht. Die Konkurrenz mit der Abfallverwertung durch öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger (§ 15 KrW-/AbfG) ist mit der Zulassung gewerblicher Sammlungen in § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG bereits im Gesetz angelegt, die Verdrängung der öffentlich-rechtlichen Entsorgung durch die gewerbliche Sammlung in bestimmten, besonders lukrativen Bereichen wie hier den PPK-Abfällen wird - bei bestehender Entsorgungspflicht des öffentlich-rechtlichen Trägers im Übrigen - zwangsläufig in Kauf genommen wird (vgl. OVG MV, Beschluss vom 8.07.2008, 3 M 63/08).

Wie die Vergabekammer zutreffend ausgeführt hat, kann ein überwiegend öffentliches Interesse für eine Untersagung auch nicht mit dem Argument begründet werden, dass ein Nebeneinander von gewerblicher Sammlung und Beauftragung faktisch nicht zu kontrollieren wäre und gerade im Hinblick auf die Werthaltigkeit der Abfälle keine Möglichkeit bestünde, eine eventuelle Entziehung von Abfällen bzw. die Vollständigkeit der Erlösauskehr zu überwachen.

Es ist Sinn und Zweck der Eignungsprüfung gemäß § 25 Nr. 2 VOL/A, sich über die Zuverlässigkeit des Bieters zu vergewissern. Zuverlässigkeit im vergaberechtlichen Sinn liegt vor, wenn der Bieter seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachgekommen ist und aufgrund der Erfüllung früherer Verträge eine einwandfreie Ausführung der Leistung erwarten lässt (vgl. Müller-Wrede, VOL/A, 2. Aufl. 2007, § 25 Rn. 170 m.w.N.). Verbleibende Zweifel, die jedoch auf gesicherte Erkenntnisse gegründet sein müssen (vgl. BGH BauR 2000, 254), können im Rahmen der Ermessensausübung der Vergabestelle zum Ausschluss des Bieters führen. Ein grundsätzliches, aus der Natur der geschuldeten Leistung herrührendes Mißtrauen allen Bietern gegenüber hätte Anlass geben können, die ausgeschriebene Leistung oder die Qualität der geforderten Referenzen und Nachweise dementsprechend zu bestimmen. Zweifel an der Zuverlässigkeit der Bieter durch das Verlangen der Einstellung einer konkurrierenden Geschäftstätigkeit zu beseitigen ist, mag solches im Einzelfall zivilrechtlich zulässig sein, mit den Bieterrechten aus § 97 Abs. 4 Halbsatz 2 GWB nicht vereinbar.

Der Verstoß gegen § 97 Abs. 4 Halbsatz 2 GWB verletzt die Antragstellerin auch aus einem weiteren Gesichtspunkt in ihrem Anspruch auf Gleichbehandlung im Wettbewerb. Im Gegensatz z.B. zu der Beigeladenen hatte sie bereits in der Vergangenheit gewerbliche Sammlungen im Bezirk des Antragsgegners durchgeführt und hierdurch auch Einnahmen erzielt. Ihr ist aus wirtschaftlichen Gründen an der Fortsetzung solcher Sammlungen gelegen. Bei der Abfassung ihres Angebots musste sie daher nicht nur den Aufwand der Erbringung der ausgeschriebenen Leistungen kalkulieren, sondern zusätzlich auch den Verlust einer bisherigen Einnahmemöglichkeit. Sie war dabei gegenüber anderen Bietern, die ihre Einnahmen bisher außerhalb des Landkreises Ludwigslust erzielten und diese Tätigkeiten auch im Falle eines Zuschlags fortsetzen können, benachteiligt. Diese Benachteiligung bedeutet für die Antragstellerin eine Benachteiligung im Wettbewerb gemäß § 97 Abs. 1 GWB, für die es keinen vergaberechtlich zulässigen Grund gibt und die sie gemäß § 97 Abs. 7 GWB nicht hinnehmen muss.

Verfälschen Anforderungen der Verdingungsunterlagen den Wettbewerb, leidet das Vergabeverfahren - wie im Falle unerfüllbarer Anforderungen (vgl. BGH, Beschluss vom 26.09.2006, X ZB 14/06) - an einem grundlegenden Mangel, dessentwegen es nicht in Betracht kommt, überhaupt auf dieser Grundlage einen Auftrag für die nachgefragte Leistung zu erteilen.

Kann der grundlegende Mangel des eingeleiteten Vergabeverfahrens nicht durch transparente und diskriminierungsfreie Änderung der betreffenden Vorgabe behoben werden und/oder macht der öffentliche Auftraggeber von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, ist er deshalb gehalten, die Ausschreibung wegen des ihr anhaftenden Mangels aufzuheben. Die Handhabe hierzu bietet § 26 Nr. 1 VOL/A, wobei mangels hiervon abhängender unterschiedlicher Rechtsfolgen dahinstehen kann, ob eine unerfüllbare Anforderung die Alternative a oder die Alternative d ausfüllt. Ein Ausschluss bloß einzelner Bieter nach § 25 Nr. 1 Abs. 2 a VOL/A und die Erteilung des Auftrags an einen anderen Bieter, der ebenfalls den gewünschten Nachweis nicht rechtzeitig vorgelegt hat, kommt jedenfalls nicht in Betracht (vgl. BGH, Beschluss vom 26.09.2006, X ZB 14/06).

Für ein Vergabeverfahren, das in der Bekanntmachung oder den Verdingungsunterlagen wettbewerbsbeschränkende Anforderungen enthält, die eine vergaberechtgemäße Kalkulation des einzelnen Bieters nicht erlauben, gilt anderes nicht. Auch hier ist es dem Bieter nicht möglich, sein Angebot in einer Weise zu kalkulieren, die die Erbringung der ausgeschriebenen Leistung zu einer wettbewerbsfähigen Vergütung erlaubt. Die Antragstellerin hat insofern nachvollziehbar erklärt, ihr sei aufgrund der Wagnisse, die sich aus den mit Schreiben vom 18.08.2008 gerügten vertraglichen Regelungen ergeben, eine sichere Kalkulation der Leistungen nicht möglich gewesen. Sie sei gezwungen gewesen, an verschiedenen Stellen vorsichtiger zu kalkulieren bzw. Sicherheitszuschläge vorzusehen, was sie bei einer hinreichenden klaren und eindeutigen Leistungsbeschreibung nicht hätte tun müssen.

Auf den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin war gemäß § 114 Abs. 1 GWB das Vergabeverfahren in den Stand vor Versendung der Verdingungsunterlagen zurückzuversetzen, da die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Davon sind als ein Weniger die im Verfahren vor der Vergabekammer angebrachten Anträge der Antragstellerin auf Wiederholung der Angebotswertung umfasst. Einer Aufhebung der Ausschreibung bedarf es vorliegend nicht, da der Vergaberechtsverstoß in der Bekanntmachung noch nicht enthalten war.

Ein Anspruch auf Aufhebung und Wiederholung des gesamten Vergabeverfahrens kommt als "ultima ratio" dann in Betracht, wenn das bisherige Verfahren mit derart gravierenden Mängeln behaftet ist, dass diese im Rahmen einer chancengleichen und wettbewerbsgerechten Eignungs- und Angebotsprüfung nicht mehr heilbar sind. Dies kann etwa der Fall sein bei unklaren Leistungsbeschreibungen, Preisermittlungsgrundlagen (vgl. § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A) oder Zuschlagskriterien (§ 9a VOL/A), auf die von vornherein kein sachgerechtes Angebot abgegeben werden kann, oder wenn eine unrichtige Vergabeart gewählt worden ist (vgl. Jaeger, NZBau 2001, 289 f./300, zu 10.) In einem solchen Fall kann nicht nur die Vergabekammer, sondern auch der Vergabesenat die "Verpflichtung zur Aufhebung des gesamten Vergabeverfahrens" aussprechen (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 08.11.2001, 13 Verg 9/01; OLG Naumburg, Beschl. v. 26.02.2004, 1 Verg 17/03). Dabei ist allerdings der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz strikt zu beachten; eine Aufhebung der Ausschreibung darf nur angeordnet werden, wenn keine mildere, gleich geeignete Maßnahme zur Verfügung steht (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.04.2003, Verg 64/02; BayObLG, Beschl. v. 17.02.2005, Verg 27/04). Dies erfordert auch die Richtlinie des Rates vom 21.12.1989 - 89/665/EWG (Amtsbl. EG Nr. L 395 v. 30.12.1989, S. 33) -, die in Art. 2 Abs. 1 lit. b den Nachprüfungsinstanzen - ausdrücklich - die Möglichkeit gibt, vergaberechtlich fehlerhafte Teile einer Ausschreibung zu eliminieren, sofern der "Rest" noch taugliche Grundlage einer Vergabeentscheidung bleibt (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG, B. v. 30.06.2005 - Az.: 6 Verg 5/05).

Auf die Frage, ob die Antragstellerin zu Recht vom weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen worden ist, kommt es nicht an. Gleiches gilt für die Frage, ob auch die Beigeladene wegen Fehlens geforderter Eignungsnachweise auszuschließen gewesen wäre. Da die Antragstellerin bei einer Zurückversetzung des Vergabeverfahrens ein neues Angebot einreichen kann, bindet sie ihr ursprüngliches Angebot nicht mehr.

3. Der Senat weist ergänzend darauf hin, dass der Anschlussbeschwerde der Antragstellerin bei Durchführung der sofortigen Beschwerde ein zumindest teilweiser Erfolg nicht versagt werden könnte. Die Verdingungsunterlagen enthalten einen weiteren Verstoß gegen Vergabevorschriften, nämlich eine unklare Beschreibung der Leistung (§ 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A) und darüber hinaus ein unzumutbares Wagnis (§ 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A) im Hinblick auf die Verpackungsaltpapieranteile.

a. Die Beschreibung der Leistung ist weder eindeutig noch erschöpfend (§ 8 Nr. Abs. 1 VOL/A). Während die Leistungsbeschreibung unter Ziff. I angibt, es seien "die im Vertragsgebiet anfallenden und dem Auftraggeber überlassenen Abfälle aus Papier, Pappe und Karton (PPK-Abfälle) aus privaten Haushalten und öffentlichen Einrichtungen einzusammeln, zu befördern und der Verwertung zuzuführen", wird in der Bieterinformation Nr. 1 vom 01.09.2008, die auf Rüge der Antragstellerin ergangen war, durch den Antragsgegner "klargestellt", dass Vertragsgegenstand ausschließlich das sog. kommunale Altpapier (d. h. ohne Verkaufsverpackungen) sei.

Die "Abstimmungsvereinbarungen" mit Systembetreibern werden nicht näher erläutert, insbesondere wird nicht angegeben, ob und mit wem Abstimmungsvereinbarungen tatsächlich bestehen und welchen Inhalt sie haben. Nicht klar ist, ob die in der Leistungsbeschreibung unter II. 5. (Abfallaufkommen im Landkreis Ludwigslust) enthaltene Tabelle 2 ein PPK-Müllaufkommen wiedergibt, das um 17 Masse-% hinsichtlich möglicherweise auf die Systembetreiber entfallende Verkaufsverpackungen zu vermindern ist.

b. Die Ausschreibung in der Fassung der Bieterinformation Nr. 1 ist auf eine unmögliche Leistung gerichtet. Der Senat teilt die Auffassung der 10. Beschlussabteilung des Bundeskartellamtes (Beschluss vom 6.05.2004, Az. B 10-37202-N-97/02-1, dort Rz. 92) nicht, dass die Ausschreibung einer nur auf den kommunalen Altpapieranteil bezogenen Sammlung des PPK-Abfalls vergaberechtlich zulässig ist. Die ausgeschriebene Leistung muss so, wie sie ausgeschrieben ist, auch erbracht werden können. Die einzelnen dem Systembetreiber überlassenen Verkaufsverpackungen können ebensowenig wie ein Anteil von 83 Masse-% aus der Gesamtmenge der in den ,Blauen Tonnen" befindlichen PPK herausgelöst werden. Es ist schlechterdings mit den der Ausschreibung zugrunde gelegten technischen Systemen nicht möglich, für jede Tonne eine solche Aufteilung vorzunehmen und den Rest in der Tonne zu belassen.

Hiervon geht das Bundeskartellamt - dies bedarf weiterer Ausführungen nicht - auch nicht aus. Das vom Bundeskartellamt in dem o.g. Beschluss skizzierte Modell setzt jedoch den vorherigen oder späteren Abschluss eines Vertrages mit einem oder mehreren Systembetreibern voraus. Kommt ein solcher Vertrag nicht zustande, und dies ist im Hinblick auf die Unwägbarkeiten eines jeden Vertragsschlusses mehr als nur eine theoretische Möglichkeit, ist die Durchführung der ausgeschriebenen Leistung nicht möglich. Die Durchführung der ausgeschriebenen Leistung hängt somit vom Eintritt einer - in den Verdingungsunterlagen jedoch nicht formulierten - Bedingung i.S. des § 158 BGB ab. Vergaberechtlich handelt es sich um die Ausschreibung einer Bedarfsposition, da noch nicht feststeht, ob die Leistung wie vorgesehen durchgeführt werden kann. Die Ausschreibung einer Bedarfsposition allein ist jedoch unzulässig (vgl. zu den Voraussetzungen von Bedarfspositionen Müller-Wrede, a.a.O., § 8 Rn. 65 ff. m.w.N.).

c. Auch wenn die Ausschreibung zulässig wäre, würde dem Auftragnehmer ein ungewöhnliches Wagnis auferlegt (§ 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A). Durch die Notwendigkeit, 100 Masse-% der PPK-Abfälle zumindest zu sammeln und zu befördern bürdet der Antragsgegner dem Auftragnehmer das Risiko auf, einen Vertragspartner für den Kaufverpackungsmüll zu finden. Die Ungewissheit, ob und mit wem ,Abstimmungsvereinbarungen" bestehen und demzufolge ob und in welchem Umfang dem Antragsgegner Verkaufsverpackungen überlassen werden, erlaubt eine sichere Kalkulation nicht. Es ist nicht erkennbar, ob und wie viele Systembetreiber für einen Vertragsschluss zur Verfügung stehen.

Hinzutreten, wie oben bereits ausgeführt, die unzureichenden Angaben über die Gesamtmenge des in den vergangenen Jahren dem Antragsgegner überlassenen PPK-Abfall.

Die Ausschreibung stellt auch deshalb ein ungewöhnliches Wagnis gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A dar, da der Bieter seinen Aufwand für die Erbringung der ausgeschriebenen Leistung zu einem Zeitpunkt kalkulieren muss, wo ihm die Einzelheiten einer noch zu vereinbarenden Vergütungsregelung mit einem Dritten hinsichtlich 17 Masse-% bzw. 28,05 Volumen-% nicht bekannt sind. Von dem Ausgang dieser Verhandlungen hängt aber ab, ob der Bieter die tatsächliche Gesamtleistung "Sammeln, Befördern und Verwerten von 100 % PPK-Abfälle" mit Gewinn wird erbringen können. Dies ergibt sich daraus, dass der Bieter, der zur Erbringung der Leistung Personal, Fahrzeuge sowie sonstige Kapazitäten vorhalten muss, die Leistung im Hinblick auf ihre Untrennbarkeit nur auf 100 % planen kann und die Höhe des von dem Auftraggeber zu fordernden Entgelts in Abhängigkeit zu dem durch den Systembetreiber zu zahlenden Entgelts stehen muss.

d. Wie oben bereits ausgeführt, darf in einem unter anderem durch eine unmöglich zu erfüllende Vorgabe gekennzeichneten Vergabeverfahren kein Auftrag vergeben werden. Kann der grundlegende Mangel des eingeleiteten Vergabeverfahrens nicht durch transparente und diskriminierungsfreie Änderung der betreffenden Vorgabe behoben werden und/oder macht der öffentliche Auftraggeber von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, ist er deshalb gehalten, die Ausschreibung wegen des ihr anhaftenden Mangels aufzuheben oder die übrigen o.g. Maßnahmen zu ergreifen.

III.

Bei den Kosten des Verfahrens nach § 121 Abs. 1 GWB handelt es sich um Kosten des Beschwerdeverfahrens, über die im Rahmen der Beschwerdeentscheidung zu befinden ist.

Ende der Entscheidung

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