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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 15.01.2008
Aktenzeichen: 2 Ss (OWi) 190/05 I 238/07
Rechtsgebiete: OWiG, StPO


Vorschriften:

OWiG § 30
OWiG § 46 Abs. 1
StPO § 206 a
1. Ein Bußgeldverfahren auf der Grundlage eines nur gegen die juristische Person festgesetzten Bußgeldes kann nicht gegen den Geschäftsführer als dem vertretungsberechtigten Organ der juristischen Person weitergeführt werden.

2. Bleibt nach den im Bußgeldbescheid enthaltenen Angaben zweifelhaft, ob der Bescheid gegen eine juristische Person oder gegen deren gesetzlichen Vertreter gerichtet ist, so stellt der Bußgeldbescheid keine ausreichende Grundlage für das sich dem Einspruch anschließende gerichtliche Verfahren dar.


Oberlandesgericht Rostock -Senat für Bußgeldsachen- BESCHLUSS

2 Ss (OWi) 190/05 I 238/07

In der Bußgeldsache

wegen Verstoßes gegen das Bundesnaturschutzgesetz

hat der Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichtes Rostock auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Rostock vom 07.02.2005 - 30 OWi 42/04 - auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft am 15. Januar 2008 beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Das Verfahren wird gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 206 a StPO eingestellt.

Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Betroffenen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

I.

Der Oberbürgermeister der Hansestadt Rostock erließ am 05.11.2003 wegen Verstoßes gegen das Bundesnaturschutzgesetz (Zerstörung von vier Mauerseglernistplätzen und einem Fledermausquatier) im Zusammenhang mit Baumaßnahmen in der Klopstockstraße 4 in 18055 Rostock einen Bußgeldbescheid über 2.700,00 EUR. Der Bußgeldbescheid war gerichtet an die "H. GmbH, Geschäftsführer, ... ". Unter dieser Bezeichnung erfolgte auch die Zustellung. Gegen den Bußgeldbescheid legte der Geschäftsführer der GmbH unter deren Briefkopf Einspruch ein. Mit Urteil vom 07.02.2005 verhängte das Amtsgericht Rostock im Bußgeldverfahren gegen die H. GmbH gegen den Betroffenen B. als Geschäftsführer wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Bundesnaturschutzgesetzes durch Zerstörung vier Mauerseglernistplätzen und einem Fledermausquatier eine Geldbuße von 2.700,00 EUR.

Das Amtsgericht hat der angefochtenen Entscheidung im Rubrum als Betroffene die H. GmbH vertreten durch den Geschäftsführer Herrn B." bezeichnet und den Tenor wie folgt gefasst:

"Der Betroffene B. wird als Geschäftsführer der Firma H. wegen ... verurteilt. Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens."

In den Urteilsgründen werden sodann überwiegend die Formulierungen "der Betroffene" verwendet.

Gegen dieses in Abwesenheit des Betroffenen verkündete Urteil richtet sich der rechtzeitig bei Gericht eingegangene Antrag auf Rechtsbeschwerde bei gleichzeitiger Einlegung derselben.

II.

Die statthafte (§ 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG) Rechtsbeschwerde ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden, mithin zulässig.

Sie hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils unter Einstellung des gegen den Betroffenen gerichteten Bußgeldverfahrens gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 206 a StPO, da es an der Verfahrensvoraussetzung eines (wirksamen) Bußgeldbescheides gegen den Betroffenen fehlt.

Das Amtsgericht hätte mangels Existenz eines Bußgeldbescheides gegen den Betroffenen als Geschäftsführer der H. GmbH nur gegen die juristische Person ein Bußgeld festsetzen dürfen, nicht aber gegen den Betroffenen persönlich.

Grundlage für das gerichtlichen Verfahren nach Einlegung des Einspruches gegen ein Bußgeldbescheid ist der Inhalt dieses Bescheides. Dieser grenzt den Tatvorwurf in persönlicher, sachlicher und rechtlicher Hinsicht von anderen möglichen Tatvorwürfen ab. Der Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens nach Einspruchseinlegung gegen den Bußgeldbescheid wird danach von den darin enthaltenen Angaben über die Person und die ihr angelasteten Tat bestimmt. Daher kann sich das Bußgeldverfahren nur gegen denjenigen richten, der auch im Bußgeldbescheid als Adressat bezeichnet worden ist. Dieser Bescheid muss somit eindeutig erkennen lassen, wer nach dem Willen der Verwaltungsbehörde der Betroffene ist. Dabei lassen mangelhafte Angaben zur Person die Wirksamkeit des Bußgeldbescheides unberührt, sofern sich die Identität des Betroffenen aus dem übrigen Inhalt des Bußgeldbescheides zweifelsfrei ergibt (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur 2 Ss (OWi) 14/03 I 33/03 - m. w. N.; vgl. auch Göhler, OWiG, 14. Aufl., § 66 Rn. 1 ff., 47 f.). Bleibt nach den im Bußgeldbescheid enthaltenen Angaben zweifelhaft, ob der Bußgeldbescheid gegen eine juristische Person oder gegen deren gesetzliche Vertreter gerichtet ist, so stellt der Bußgeldbescheid keine ausreichende Grundlage für das sich dem Einspruch anschließende gerichtliche Verfahren dar (vgl. Senatsbeschluss a. a. O.).

Im vorliegenden Fall ist der Bußgeldbescheid zweifelsfrei an die H. GmbH als juristische Person gerichtet und damit ausreichende Grundlage für das sich dem Einspruch anschließende gerichtliche Verfahren.

Allerdings kann ein Bußgeldverfahren auf der Grundlage eines nur gegen die juristische Person festgesetzten Bußgeldes wie im vorliegenden Fall nicht gegen den Geschäftsführer als dem vertretungsberechtigten Organ der juristischen Person weitergeführt werden (Senatsbeschluss a. a. O., vgl. auch OLG Dresden, NStZ 1997, 348 f.). Zugleich kann nicht allein aus der Aufführung des vertretungsberechtigten Organs im Bußgeldbescheid als Geschäftsführer - wie im vorliegenden Fall - der Schluss gezogen werden, die Verwaltungsbehörde habe auch den Geschäftsführer persönlich als Betroffenen in Anspruch nehmen wollen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluss a. a. O. und Beschluss vom 15.08.1995 - 2 Ss(OWi) 66/95 I 45/95).

Unter Beachtung dieser Grundsätze ergibt sich hinsichtlich des vorliegenden Bußgeldbescheides kein Anhaltspunkt dafür, dass mit diesem der Betroffene persönlich in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer in Anspruch genommen werden sollte oder genommen worden ist. Vielmehr ist der Formulierung des Bußgeldbescheides - die noch nicht einmal den Namen des Geschäftsführers beinhaltet - zu entnehmen, dass allein die juristische Person gemäß § 30 OWiG zur Verantwortung gezogen werden sollte. Dies ergibt sich auch insbesondere aus der Begründung des Bußgeldbescheides, in der ausdrücklich der vom Betroffenen vertretenen Firma der ordnungsrechtliche Vorwurf gemacht wird ("Ihrer Firma, die Sie vertreten, wird zur Last gelegt").

Nach dem angefochtenen Urteil ist aber der Geschäftsführer persönlich - ohne Vorliegen der Verfahrensvoraussetzung eines (wirksamen) Bußgeldbescheides gegen ihn persönlich - zu einem Bußgeld verurteilt worden.

Das Urteil lässt keine Auslegung dahin zu, dass nicht etwa der Betroffene, sondern die juristische Person verurteilt worden sein könnte.

Selbst wenn auch die Formulierung des Rubrums der angefochtenen Entscheidung nur eine dementsprechende Auslegung zuließe, da dieses Rubrum als Betroffenen des Bußgeldverfahrens die "H. GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Herrn B." aufführt, wird eine solche Auslegung durch die eindeutigen Formulierungen im Tenor und den Gründen der Entscheidung, in denen ausnahmslos immer nur von einer Einzelperson als "der Betroffene" oder "des Betroffenen" die Rede ist, ausgeschlossen. Dabei ist insbesondere von Bedeutung, dass hinsichtlich aller Tatbestandsmerkmale jeweils auf das Verhalten einer natürlichen Person abgestellt wird. Weder wird der für eine Verantwortlichkeit einer juristischen Person hier maßgeblich § 30 OWiG erwähnt, noch wird das erforderliche Tatbestandsmerkmal der Verletzung von Pflichten, welche die juristische Person betreffen, dargelegt oder ausreichend mit Feststellungen belegt (vgl. auch dazu Senatsbeschluss vom 29.02.2002 - 2 Ss(OWi) 21/01 I 84/01 -).

Dass der Betroffene persönlich verurteilt werden sollte, ergibt sich letztlich auch ausdrücklich aus der Tenorierung der angefochtenen Entscheidung mit der "der Betroffene B. ... als Geschäftsführer der Firma H." verurteilt worden ist.

Das gegen die H. GmbH gerichtete Bußgeldverfahren ist durch deren Einspruch gegen den Bußgeldbescheid noch nicht erledigt; insoweit wird das Amtsgericht Rostock noch zu entscheiden haben (vgl. dazu auch Senatsbeschluss vom 29.01.1997 a. a. O. m. w. N. und OLG Dresden a. a. O., auch zu den insoweit zu beachtenden anderen Voraussetzungen).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 467 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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