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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 17.05.2005
Aktenzeichen: 3 U 107/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 929
BGB § 854 Abs. 2
ZPO § 808 Abs. 1
ZPO § 814
ZPO § 816
ZPO § 817
ZPO § 817 Abs. 2
ZPO § 817 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftszeichen 3 U 107/04

Laut Protokoll verkündet am: 17.05.05

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht E., den Richter am Oberlandesgericht Dr. J. und die Richterin am Oberlandesgericht B.

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18.04.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 27.02.2004, Az: 3 O 108/03, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Klägerin kann die Vollstreckung wegen der Kosten des Rechtsstreits gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert des Berufungsverfahrens beträgt bis 22.000,- €.

Gründe:

I.

Die Klägerin berühmt sich eines Eigentumsrechts an der vor dem Grundstück D. Straße in P. gelegenen Schwimmsteganlage Am E. See. Sie begehrt, die von der Beklagten aus dem vollstreckbaren Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 29.04.2002 und dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Neubrandenburg vom 13.11.2002, Az: 3 O 439/00, betriebene Zwangsvollstreckung in die Schwimmsteganlage für unzulässig zu erklären.

Im Mai/Juni 1995 erwarb die S.L. GmbH die streitgegenständliche Schwimmsteganlage vom Hersteller. Mit Vertrag vom 01./02.11.1999 überließ sie diese der J. GmbH zur Nutzung zunächst bis 30.04.2000. Das Vertragsverhältnis bestand auch nach diesem Zeitpunkt fort. Am 29.10.2002 wurde dieses Nutzungsverhältnis zum Zwecke der Weiterveräußerung der Schwimmsteganlage einvernehmlich aufgelöst. Mit Vertrag vom 11.11.2002/30.01.2003 verkaufte die S.L. GmbH die Anlage an die Klägerin.

Die Beklagte ist Eigentümerin der Flurstücke und in P. Zwischen den Grundstücken der Beklagten und der Wasserfläche liegt ein der Gemeinde P. gehörendes Ufergrundstück. Nutzer der Wasserflächen und des Ufergrundstückes ist aufgrund von Nutzungsverträgen die J. GmbH, die zunächst auch die Schwimmsteganlage und die der Beklagten gehörenden Grundstücke nutzte. Die Beklagte erstritt vor dem Landgericht Neubrandenburg (Az: 3 O 439/00) das rechtskräftige Räumungsurteil vom 29.04.2002 und betrieb hieraus die Zwangsvollstreckung. Am 22.10.2002 erfolgte die Räumung ihrer Grundstücke durch die Gerichtsvollzieherin. Am selben Tag erhielt die Beklagte als Meistbietende den Zuschlag für die streitgegenständliche Schwimmsteganlage.

Die Parteien streiten darüber, ob die Zwangsvollstreckung beendet ist. Die Klägerin meint, dass die Ablieferung der Schwimmsteganlage an die Beklagte nicht erfolgt sei, weil eine Übergabe im Sinne des § 929 BGB nicht stattgefunden habe. Die Schwimmsteganlage sei weiterhin im Besitz der J. GmbH. Das Landgericht Neubrandenburg wies die Klage mit der Begründung ab, die Beklagte sei durch Versteigerung Eigentümerin der Schwimmsteganlage geworden; die Zwangsvollstreckung sei beendet.

Gegen das Urteil legte die Klägerin form- und fristgerecht Berufung ein. Sie macht geltend, entgegen der Ansicht des Landgerichts habe die Gerichtsvollzieherin die Sache nicht im Sinne des § 854 Abs. 2 BGB abgeliefert. Zum Zeitpunkt der Versteigerung habe die Beklagte nicht die Sachherrschaft über die Sache übernehmen können, denn die Schwimmsteganlage sei im Besitz der J. GmbH geblieben.

Die Klägerin beantragt,

die von der Beklagten aus dem vollstreckbaren Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 29.04.2002, Az: 3 O 439/00, und dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Neubrandenburg vom 13.11.2002, Az: 3 O 439/00, betriebene Zwangsvollstreckung in die vor dem Grundstück D. Straße in P. belegene Schwimmsteganlage Am E. See, bestehend aus 10 Schwimmstegelementen, einem Landanschluss, 9 Anlegestellen, 14 Auslegestegen, 8 Stromautomaten und 3 Trinkwasserautomaten unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Neubrandenburg vom 27.02.2004, Az: 3 O 108/03, für unzulässig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die S.L. B. GmbH konnte der Klägerin kein Eigentum verschaffen, denn die Beklagte hat durch die Versteigerung am 22.10.2002 gem. §§ 814, 816, 817 ZPO unbelastetes Eigentum an der Schwimmsteganlage erworben.

Bei der Versteigerung beweglicher Sachen gem. §§ 814, 816, 817 ZPO erlangt der Ersteher das Eigentum durch einen staatlichen Hoheitsakt, indem der Gerichtsvollzieher im Anschluss an die Erteilung des Zuschlags (§ 817 Abs. 1 ZPO) und die Zahlung durch den Meistbietenden diesem die Sache abliefert (§ 817 Abs. 2 ZPO).

Streitentscheidend ist vorliegend, ob die Gerichtsvollzieherin der Beklagten die streitgegenständliche Schwimmsteganlage im Sinne von § 817 Abs. 2 ZPO abgeliefert hat. Hiervon geht das Landgericht zu Recht aus.

Ablieferung erfolgt regelmäßig durch Übertragung des Besitzes in Form der körperlichen Übergabe mit Übereignungswillen. Der Gerichtsvollzieher überträgt den Besitz, den er gem. § 808 Abs. 1 ZPO mit der Pfändung erlangt hat, an den Ersteher. Ist der Gegenstand trotz Verbindung mit einem Grundstück bewegliche Sache geblieben, so erwirkt der Ersteher nicht bereits durch den Zuschlag des Gerichtsvollziehers und dessen Aufforderung, den Gegenstand alsbald wegzuschaffen, Eigentum, sondern erst durch dessen Ausbau und körperlicher Übergabe (Reichsgericht, Urteil vom 15.12.1936, RGZ 153, 257, 261; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Auflage, § 817 Rdn. 8; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 61. Auflage, § 817 Rdn. 7; Thomas/Putzo, ZPO, 25. Auflage, § 817 Rdn. 8). In Ausnahmefällen kann allerdings zur Ablieferung auch die Zuweisung mittelbaren Besitzes durch den Gerichtsvollzieher an den Ersteher genügen, wenn durch die Größe und Beschaffenheit der Sache Transportprobleme entstehen oder wenn die Sache Scheinbestandteil des Grundstückes und der Ersteher dessen Eigentümer ist (OLG Köln, Urteil von 22.01.1996, Rechtspfleger 1996, 296; Musielak, ZPO, 3. Auflage,§ 817 Rn. 4; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Auflage, § 817 Rdn. 22).

Ein solcher Sonderfall ist hier gegeben. Im Zeitpunkt der Versteigerung war die Gerichtsvollzieherin mittelbare Besitzerin der Schwimmsteganlage, weil sie die als Scheinbestandteil eines Grundstücks und damit als bewegliche Sache zu behandelnde Anlage nicht schon vor Durchführung der Versteigerung in unmittelbaren Besitz genommen und der J. GmbH als Schuldnerin zum Zwecke der Versteigerung den Besitz entzogen hat. Mehr als den Besitz, den sie mit der Pfändung erlangt hatte, konnte die Gerichtsvollzieherin nicht übertragen. Wenn sie, wie geschehen, diesen Besitz im Versteigerungstermin mit dem Willen, der durch Herrn H. K. vertretenen Beklagten als Ersteherin kraft Hoheitsaktes Eigentum zu verschaffen, übertrug, so genügte sie den Anforderungen der Ablieferung i. S. d. § 817 Abs. 2 ZPO. Der Verbleib der Schwimmsteganlage vor Ort entsprach nicht nur dem bei der Versteigerung ausdrücklich erklärten Willen der Beklagten, die diese Anlage im Hinblick auf die sich abzeichnenden Veränderungen der Anteilsverhältnisse und der Person des Geschäftsführers der J. GmbH zur weiteren Nutzung überlassen wollte, sondern auch dem Bestreben der Gerichtsvollzieherin, der Beklagten das Eigentum und den mittelbaren Besitz an der Schwimmsteganlage zu verschaffen; letzteres kommt in dem Versteigerungsprotokoll eindeutig zum Ausdruck. Folglich erlangte die Beklagte das Eigentum an der versteigerten Schwimmsteganlage dadurch, dass die Gerichtsvollzieherin es ihr im Anschluss an die der Zahlung nach § 817 Abs. 4 ZPO gleichstehenden Verrechnung zuwies.

Zwar war die Beklagte zum Zeitpunkt der Versteigerung weder Eigentümerin noch Nutzungsberechtigte der Wasserfläche, auf denen sich die Schwimmsteganlage befindet, und des angrenzenden Ufergrundstückes, mit welchem die Schwimmsteganlage verbunden ist; sie hatte auch über ihren Vertreter keine rechtlich abgesicherte unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf die Steganlage, denn T. K. war seinerzeit weder Geschäftsführer noch Vertretungsberechtigter der J. GmbH, die das Nutzungsrecht der anliegenden Wasser- und Grundstücksflächen hatte. Dennoch wäre es übertriebener Formalismus, von der Beklagten vorliegend zu verlangen, die Anlage zunächst zum Zwecke der Ablieferung abzubauen, von dem Ufergrundstück zu trennen und von der Wasserfläche zu entfernen, um sie anschließend an den ursprünglichen Ort zurückzuverlegen. Wenn die wirksame Pfändung gem. § 808 Abs. 1 ZPO nicht das Wegschaffen der Schwimmsteganlage von ihrem Platz erforderte, so besteht kein Anlass, an die Ablieferung strengere Anforderungen zu stellen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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