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Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 17.11.2003
Aktenzeichen: 3 U 119/03
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 135
1. Die Befriedigung eines Gesellschaftsdarlehens im letzten Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH ist auch dann anfechtbar, wenn sie vor der Umqualifizierung des Darlehens zum Kapitalersatz erfolgte.

2. Zur Qualifizierung eines Gesellschaftsdarlehens als von vornherein kapitalersetzend.


Oberlandesgericht Rostock IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 119/03

Verkündet am: 17.11.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Eckert, die Richterin am Oberlandesgericht Bartmann und die Richterin am Landgericht Feger

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20.10.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 10.02.2003 verkündete Urteil des Landgerichts Neubrandenburg, Az.: 3 O 161/02, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115.000,00 € abwenden, sofern der Kläger nicht zuvor Sicherheit in derselben Höhe stellt.

Streitwert der Berufung 102.258,38 €.

Gründe:

I.

Der Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der K. Bau GmbH (nachfolgend Schuldnerin) nimmt den Beklagten nach Insolvenzanfechtung auf Rückgewähr in Anspruch.

Der Beklagte betrieb vor 1996 ein Bauunternehmen. Am 14.12.1995 gründeten er und seine Ehefrau Sibylle K. die K. Bau GmbH mit Sitz in T.. Von dem Stammkapital in Höhe von 50.000,00 DM übernahm er 49.500,00 DM. Die GmbH wurde am 20.02.1996 im Handelsregister des Amtsgerichts Neubrandenburg unter HRB 0000 eingetragen. Geschäftsführer war der Beklagte. Laut Gesellschaftsvertrag war er vom Verbot des Selbstkontrahierens befreit.

In einer Vereinbarung vom 01.01.1996, in dem der Beklagte als "Besitzunternehmen" und die Schuldnerin als "Betriebsunternehmen" bezeichnet ist, heißt es:

"Da das Besitzunternehmen mit 99% an dem Betriebsunternehmen beteiligt ist, handelt es sich um eine echte Betriebsaufspaltung.

Das Besitzunternehmen vermietet und verpachtet an das Betriebsunternehmen Wirtschaftsgüter, die wesentliche Betriebsgrundlagen sind.

Maßgeblich sind dabei die Wirtschaftsgüter laut Anlagevermögen per 31.12.1995.

Für die per 01.01.1996 in Ausführung befindlichen Aufträge übernimmt das Betriebsunternehmen die Fertigstellung und Gewährleistung nach VOB bzw. BGB, außerdem die noch andauernden Gewährleistungen der bereits abgeschlossenen Aufträge.

Die Arbeitnehmer des Besitzunternehmens gehen zum 01.01.1996 ein Arbeitsverhältnis mit dem Betriebsunternehmen ein.

Zur Fortführung der Tätigkeit des Einzelunternehmens durch das Betriebsunternehmen gewähret das Besitzunternehmen Darlehen in erforderlichen Höhen.

(Für sämtliche Vorgehen sind Einzelverträge erstellt.)"

Am 01.01.1996 gewährte der Beklagte der Schuldnerin ein Darlehen in Höhe von 200.000,00 DM. Hierüber verhält sich eine von dem Beklagten unterzeichnete Urkunde mit folgendem Text:

"Darlehen an K.-Bau GmbH

Für das Jahr 1996 werden von der K.-Bau GmbH keinerlei Zinsen erhoben.

Ab dem Jahr 1997 beträgt der Zinssatz 8 v. H.

Zinsen werden erhoben auf das Startdarlehen i.H.v. 200.000,00 DM"

Ende 1997 betrug das Eigenkapital noch 44.706.26 DM. Im Jahre 1998 erlitt die Schuldnerin einen Verlust von 133.343,05 DM; die Bilanz weist bei einer Bilanzsumme von 1.229.393,51 DM eine Unterdeckung von 88.636,79 DM aus. Im folgendem Geschäftsjahr erzielte die Schuldnerin einen Gewinn von 25.763,79 DM, sodass sich die Unterdeckung auf 62.873,00 DM reduzierte. In den Jahresabschlüssen der Schuldnerin per 31.12.1998 und 31.12.1999 ist das Gesellschafterdarlehen mit 200.000,00 DM in voller Höhe passiviert.

Eine der Hauptauftraggeber der Schuldnerin war die H. Gebäudeservice GmbH (H. GmbH). Am 17.09.1998 trafen sie und die Schuldnerin folgende Vereinbarung:

"Die H. H. Gebäudeservice GmbH (Sicherungsgeber) übergibt der K. Bau GmbH T. (Sicherungsnehmer) zur Sicherung der vorgenannten Ansprüche bis zu einem Gesamtbetrag von DM 200.000,00 folgende Grundschuldbriefe zum Grundstück S. bei B., Blatt 4509 Abt. III Nr. 1 bis 3, Grundbuchamt F.:

- Grundschuldbrief über 100.000,00 Nr. 00000000

- Grundschuldbrief über 50.000,00 Nr. 00000000

- Grundschuldbrief über 50.000,00 Nr. 00000000

Es gilt folgendes als vereinbart:

Die Sicherheit dient ausschließlich zur Besicherung der Ansprüche des Sicherungsnehmers gegen den Sicherungsgeber aus o. g. Nachunternehmervertrag und ist unverzüglich nach erfolgter Bezahlung der vertraglich vereinbarten Leistung zurückzugeben wobei in Abhängigkeit des verbleibenden Anspruchs eine teilweise Rückgabe vereinbart wird."

Die Schuldnerin erhielt die Grundschuldbriefe, deren Werthaltigkeit außer Streit steht. Über das Vermögen der H. GmbH wurde am 01.04.1999 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Schuldnerin hat gegen sie eine Forderung von 728.990,42 DM. Der Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der HGS hat die Übertragung der Grundschulden an die Schuldnerin angefochten.

In einer vom 05.10.1999 datierenden "Abtrittserklärung" auf dem Briefbogen der Schuldnerin heißt es:

"hiermit tritt die K.-Bau GmbH die aus dem Bauvorhaben

Q.-Bauten B. L.

übergebenen Grundschuldbriefe

Nr. 00000000 100.000,00 DM

Nr. 00000000 50.000,00 DM

Nr. 00000000 50.000,00 DM

an das Bauunternehmen Dieter K. ab.

Grund: Tilgung des Darlehens aus dem Jahre 1996."

Für die Schuldnerin unterzeichneten der Beklagte und Frau Sibylle K., auf der anderen Seite der Beklagte.

Zwei weitere Auftraggeber der Schuldnerin, die ihr 128.500,47 DM bzw. 115.434,47 DM schulden, wurden ebenfalls insolvent. Die Forderungsausfälle konnte die Schuldnerin nicht verkraften. Am 23.03.2000 beantragte sie das Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen; eröffnet wurde es am 09.06.2000 (Amtsgericht Neubrandenburg, IN 00/00).

Im Wege der Insolvenzanfechtung verlangt der Kläger, der sich mit dem Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der H. GmbH auf Teilung verständigt hat, Rückübertragung der Grundschulden und Herausgabe der Grundschuldbriefe.

Der Beklagte wendet ein, die Schuldnerin habe ihm die Grundschulden schon am 05.10.1998 abgetreten. Die Urkunde sei falsch datiert. Im Herbst 1998 habe sich für den Jahresabschluss der Schuldnerin eine erhebliche Gewinnerwartung abgezeichnet. Ihr Steuerberater habe sie darauf aufmerksam gemacht. Diesen Hinweis hätten die Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung vom 05.10.1998 zum Anlass genommen, die in Besitz der Schuldnerin befindlichen Grundschuldbriefe zur Tilgung des Startdarlehens dem Beklagten zu übergeben. Hierzu verweist der Beklagte auf das Protokoll einer Gesellschafterversammlung, geschrieben auf einen Briefbogen der Schuldnerin, mit Datum 05.10.1998.

Mit Urteil vom 10.02.2003 gab das Landgericht Neubrandenburg der Klage statt.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Zu deren Begründung trägt er vor, die Schuldnerin habe dem Beklagten die Grundschuldbriefe nicht sicherungshalber, sondern an erfüllungsstatt überlassen. Dies sei sinnvoll gewesen, denn trotz des zu erwartenden buchmäßigen Gewinns in Höhe von rund 580.000,00 DM habe die Liquiditätssituation der Schuldnerin es nicht erlaubt, ihr weitere Finanzmittel zu entziehen. Daher sei es folgerichtig gewesen, dem Beklagten zur Rückführung des Darlehens andere Werte zu überlassen. Dies sei am 05.10.1998 geschehen. Dass das Darlehen in den Bilanzen für 1998 und 1999, die der Beklagte unterzeichnet habe, noch ausgewiesen sei, spreche nicht gegen die Tilgung am 05.10.1998, denn unrichtige Bilanzen seien nicht ungewöhnlich. Jedenfalls sei dies ohne Absicht geschehen und der Beklagte könne sich diesen Fehler nicht erklären. Möglicherweise beruhe dies auf der besonderen Belastungssituation, der er 1999 ausgesetzt gewesen sei. Der Jahresabschluss für 1999 sei ca. zwei Monate nach Beantragung des Insolvenzverfahrens erstellt worden.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Neubrandenburg vom 10.02.2003 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das landgerichtliche Urteil. Die Schuldnerin, so trägt der Kläger vor, habe im Jahre 1998 keinesfalls einen hohen Gewinn erwartet, sondern einen erheblichen Verlust erwirtschaftet. Nicht nachvollziehbar sei, warum der Beklagte die Grundschulden zur Erfüllung hingenommen habe, denn die Schuldnerin habe diesen nur sicherungshalber erhalten. Sie hätte sie der H. GmbH bei Erfüllung der gesicherten Werklohnansprüche zurückgeben müssen.

Zum Zeitpunkt der Übertragung der Grundschulden an den Beklagten - 1998 oder später - hat der Senat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen K. und S. sowie der Zeugen B. und T.. Auf die Sitzungsniederschrift vom 20.10.2003 sowie auf den weiteren Inhalt der Schriftsätze wird ergänzend verwiesen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist unbegründet.

Nach § 143 InsO kann der Kläger Rückübertragung der Grundschulden und Herausgabe der Grundschuldbriefe verlangen. Die Anfechtung ist gem. § 135 Nr. 2 InsO berechtigt, weil die Schuldnerin - wenn überhaupt - weniger als ein Jahr vor Beantragung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen mit Übertragung der Grundschulden an den Beklagten ein kapitalersetzendes Gesellschafterdarlehen getilgt hat.

1. Die Schuldnerin übertrug die Grundschulden dem Beklagten nicht früher als ein Jahr vor Beantragung des Insolvenzverfahrens.

Als Zeitpunkt der Übertragung der Grundschulden an den Beklagten stellt das Landgericht den 05.10.1999 fest. Hieran ist der Senat nicht gebunden. Der Beklagte zeigt Anhaltspunkte auf, die Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellung begründen; das Landgericht durfte seinen Vortrag nicht deshalb als unbeachtlich abtun, weil es ihn für widersprüchlich erachtete.

Beweispflichtig für den Zeitpunkt der anfechtbaren Rechtshandlung ist der auf Rückgewähr klagenden Insolvenzverwalter. Indessen streitet vorliegend für ihn die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Abtretungsurkunde, die als Datum den 05.10.1999 aufweist. Mit dem Einwand eines Schreibfehlers kann der Beklagte die Vermutung der Richtigkeit der Urkunde nicht entkräften. Vielmehr obliegt ihm der Beweis, dass die Schuldnerin die Grundschulden vor dem 23.03.1999 übertragen hat.

Diesen Beweis hat er nicht geführt. Die Aussage des von ihm benannten Zeugen Holger B., der die Schuldnerin als Steuerberater beriet, gibt zum Zeitpunkt der Abtretung der Grundschulden an den Beklagten keinen Aufschluss. Der Zeuge hat bekundet, dass im Dezember 1998 bei einer Besprechung dem Beklagten und der Zeugin K. von der Abtretung der Kundengrundschuldbriefe die Rede gewesen sei. Indessen kann die allgemein gehaltene Äußerung auch die Abtretung der Grundschuldbriefe durch den Kunden, nämlich die H. GmbH an die Schuldnerin betreffen, die im September 1998 stattfand. Es ist nachvollziehbar, dass diese Sicherungsmaßnahme Gegenstand eines Gespräches mit dem Steuerberater war, da diese Sicherung auf Liquiditätsprobleme einer Hauptauftraggeberin, der gegenüber die Schuldnerin hohe Außenstände hatte, hindeutete. Dass die Schuldnerin Grundschuldbriefe der H. GmbH hingenommen hatte, war ihm aufgrund Informationen der Zeugin K., die in seinem Büro arbeitete, bekannt. Unmittelbare Erkenntnisse zum Zeitpunkt der Abtretung der Grundschuldbriefe an den Beklagten konnte der Zeuge B. in seiner Aussage nicht wiedergeben. Er hat hierzu ausgesagt, dass er hiervon erst nachträglich, im Vorfeld des laufenden Rechtsstreits erfahren habe. Auch auf Nachfragen des Senates konnte er nicht bestätigen, dass der Beklagte oder die Zeugin K. ihn über die Abtretung der Grundschulden informierten. Diente die Abtretung der Grundschulden an den Beklagten, wie er darlegt und wie auch der Wortlaut der Abtretungserklärung ausweist, der Tilgung des Gesellschafterdarlehens, so bestand Anlass, den Steuerberater zu informieren, damit dieser Vorgang in die Bilanzen einging. Dass dies 1999, als das Insolvenzverfahren noch nicht bevor stand, in der Stresssituation vergessen worden sei, ist nicht nachzuvollziehen. Im Gegenteil, die Bilanz per 31.12.1998 wies eine Unterdeckung von über 88.000,00 DM auf. Spätestens bei dieser Zahl drängte es sich auf, dem Steuerberater die Tilgung des weiterhin passivierten Gesellschafterdarlehens zu offenbaren, denn bei dessen Ausweis hätte die Bilanz keine Unterdeckung, sondern ein das gezeichnete Eigenkapital übersteigendes Kapital ausgewiesen. Im übrigen ist die Rückführung eines Gesellschafterdarlehens kein unwesentlicher geschäftlicher Vorgang, die dem Steuerberater vorenthalten wird. Dass der Beklagte oder die Zeugin K. den Zeugen B. weder im Vorfeld der Bilanzerstellung für 1998 noch für 1999 von der Übernahme der Grundschulden zur Rückführung des Gesellschafterdarlehens informiert hat, spricht somit gegen die Übertragung am 05.10.1998. Erklärlich wäre die unterbliebene Information des Steuerberaters nur, wenn der Beklagte die Grundschulden entgegen dem Wortlaut der Abtretungserklärung nur zur Sicherung seines Gesellschafterdarlehens übernommen hätte. Dies soll gerade nicht der Fall sein.

Auch die Aussagen der Zeugin K. und des Zeugen T. sind nicht geeignet, nachzuweisen, dass die Schuldnerin die Grundschulden vor dem 23.03.1999 an den Beklagten übertragen hat. Die Zeugin K. hat zwar bekundet, dass die Grundschulden im Oktober 1998 an den Beklagten abgetreten worden seien. Auf die Nachfrage, ob sie oder der Beklagte den Steuerberater über die Tilgung der Gesellschafterdarlehen informiert habe, antwortete die Zeugin hingegen ausweichend, indem sie meinte, in dem Ordner mit den Geschäftsunterlagen müsse die Abtretungserklärung gewesen sein, ob er sie gesehen habe, wisse sie nicht. Sie räumt ein, die Zahlen der Bilanz im groben mit dem Steuerberater durchgegangen zu sein, muss hierbei allerdings zugeben, dass ihr nicht aufgefallen sei, dass das Gesellschafterdarlehen in der Bilanz von 1998 noch voll passiviert war. Auch bei der nachfolgenden Bilanz für 1999 habe sie daran nicht gedacht. Auch den angeblichen Schreibfehler auf der Abtrittserklärung, auf der es "05.10.1999" heißt, hat niemand bemerkt. Für sie, so die Aussage der Zeugin K., sei das ebenfalls vom 05.10.1998 datierende handschriftliche Gesellschafterprotokoll, ausschlaggebend. Dort heißt es:

"- Übergabe Grundschuldbriefe zur Tilgung des Darlehens aus dem Jahre 1996 an das BU K.

- T. zur Besprechung des vorl. JAB 98 mit Herrn B. festlegen

- T. mit Frau B. inwieweit eine Pensionszulage für Geschäftsführer günstig ist - gewinnmindernd (hoher Gewinn für 98 absehbar)

- Zahlung Weihnachtsgeld Nov. 98 für Geschäftsführer lt. Anstellungsvertrag."

Diese Niederschrift lässt indessen allenfalls erkennen, dass die Übergabe der Grundschuldbriefe an den Beklagten Gesprächsthema war. Eine höhere Beweiskraft als die Abrittserklärung mit Datum 05.10.1999 hat sie nicht.

Zum Anlass für die Abtretung der Grundschulden am 05.10.1998 erläuterte die Zeugin K., dass sich schon an diesem Tag herausgestellt habe, dass das Jahr 1998 mit einem hohen Gewinn abschließen werde; dies sei aus den betriebswirtschaftlichen Auswertungen ersichtlich gewesen, anderen auch aus einer Vorausschau des Schuldners und einer Zusammenstellung des Steuerberaters B.. Auf Nachfragen musste die Zeugin indessen einräumen, dass diese Hochrechnungen und Prognosen für 1998 nicht schon am 05.10. - von diesem Tag datiert das von ihr verfasste Protokoll über die Gesellschaftersitzung -, sondern erst in der Folgezeit erstellt wurden. Auch will die Zeugin K. nicht gewusst haben, dass die H. der Schuldnerin die Grundschuldbriefe nur sicherungshalber abgetreten hatte.

Die Aussage dieser Zeugin sind zwar in ihrem Kernbereich, dass die Abtretung der Grundschulden im Oktober 1998 war, eindeutig, indessen sind ihre Schilderungen zum wesentlichen Randgeschehen widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Der Senat kann nicht erkennen, warum die Zeugin bei der Durchsicht der Bilanz eine Unterdeckung von mehr als 130.000,00 DM hinnimmt, obwohl bei korrekter Bilanzierung diese nicht vorhanden gewesen seien. Hierbei ist zu betonen, dass sie keine unbedarfte Büroangestellte ist, sondern Betriebswirtin, die in einem Steuerberatungsbüro arbeitet, also die notwendige Sachkunde hat. Auch mit dem Vorhalt, dass die H. die Grundschuldbriefe der Schuldnerin nur sicherungshalber abgetreten hat, dass sie also für den Fall der Zahlung der besicherten Forderung zurückzugeben waren, wusste die Zeugin nichts anzufangen.

Der Zeuge T. bekundete, die Schuldnerin habe den Beklagten die Grundschulden schon am 05.10.1998 abgetreten. Auch das Datum auf der Abtretungserklärung, was er hier eingesehen hat, konnte ihn hiervon nicht abbringen. Andererseits war er auch sicher, dass zwischen der Hereinnahme der Grundschulden von der H. GmbH und deren Abtretung an den Beklagten geraume Zeit lag, denn er datiert erstere auf Anfang 1998. Hierbei blieb er auch nach Einsicht in die schriftliche Vereinbarung der Schuldnerin mit der H., die vom 17.09.1998 datiert, ein Datum, dessen Richtigkeit der Beklagte nicht bestreitet. Die widersprüchlichen Angaben des Zeugen T. zum Zeitpunkt der maßgeblichen Geschäftsvorfälle sind so erheblich, dass sie insgesamt Zweifel an der Richtigkeit seiner Aussage begründen.

Für den Senat sprechen zwei Gesichtspunkte gegen die Glaubwürdigkeit der Zeugen K. und T. und die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen: Es ist schlechterdings nicht nachvollziehbar, warum der Beklagte und die Zeugin K. den Steuerberater B. nicht von der Tilgung des Gesellschafterdarlehens, so es eine Tilgung und keine Besicherung war, unterrichtet haben. Dies macht insbesondere deshalb keinen Sinn, weil die unterbliebene Aufnahme dieses wesentlichen Geschäftsvorgangs ursächlich für die in der Bilanz ausgewiesene Unterdeckung ist, die bei richtiger Buchung vermieden worden wäre. Im übrigen ist zu beachten, dass die H. GmbH der Schuldnerin die Grundschulden erst am 17.09.1998 übertragen hatte, und zwar sicherungshalber. Dem Beklagten ist der Unterschied zwischen Sicherung und Tilgung bekannt; ihm ist nicht entgangen, dass die Schuldnerin die Grundschulden zurückzugeben hatte, wenn die HGS ihre Außenstände beglich. Am 05.10.1998 musste er noch damit rechnen. Solange die Schuldnerin die Grundschulden mit dem Risiko der Rückübertragung hielt, hätte es der wirtschaftlichen Vernunft widersprochen, sie gleichwohl zur Tilgung des Gesellschafterdarlehens entgegenzunehmen. Anders sah die Situation nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der HGS GmbH aus: Dass die Grundschulden an diese zurückzugeben waren, war auszuschließen. Dann konnte es der Beklagte auch riskieren, diese zur Tilgung seiner Gesellschafterforderungen zu übernehmen.

2. Dem Beklagten ist darin zu folgen, dass die Übertragung der Grundschulden nicht der Sicherung des Gesellschafterdarlehens, sondern der Befriedigung diente.

Ohne nähere Erläuterung unterstellt das Landgericht, dass die Abtretung der Sicherung des Darlehens diente. An diese Feststellung ist das Berufungsgericht gem. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht gebunden, denn mit dem Wortlaut der "Abtrittserklärung" - dort heißt es "Tilgung des Darlehens aus dem Jahr 1996" - setzt sich das Landgericht nicht auseinander, so dass der Senat die Abtretungserklärung selbst auslegen kann.

Eine am Wortlaut haftende Auslegung der "Abtrittserklärung" ist nicht zwingend (§ 133 BGB), dagegen kann sprechen, dass in den Jahresabschlüssen für 1998 und 1999 das Darlehen noch in voller Höhe passiviert ist. Gleichwohl ist eine Auslegung gegen den Wortlaut nicht begründbar. Eine Übertragung der Grundschulden zur Tilgung des Gesellschafterdarlehens wäre, wie erwähnt, riskant gewesen, solange die Schuldnerin gehalten war, die Grundschulden bei Erfüllung ihrer Werklohnansprüche gegen die H. GmbH zurückzugeben. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der H. GmbH, also 1999, konnte die Schuldnerin davon ausgehen, die Grundschulden behalten zu dürfen. Wegen deren Werthaltigkeit konnte der Beklagte sie ohne Risiko zur Tilgung übernehmen.

3. Das Gesellschafterdarlehen über 200.000,00 DM, das die Schuldnerin mit Übertragung der Grundschulden tilgte, war kapitalersetzend.

a) Das Landgericht datiert die Umqualifizierung des Gesellschafterdarlehens zum Kapitalersatz auf den Beginn des Jahres 2000. Dass die Schuldnerin das Gesellschafterdarlehen vorher getilgt hatte, steht der Anfechtung gem. § 135 Nr. 2 InsO nicht entgegen. Diese Bestimmung ist nicht in dem Sinn verstehen, dass die Befriedigungshandlung erst zu einer Zeit erfolgt, zu der das Darlehen Kapitalersatzfunktion hatte. § 135 Nr. 1 und 2 InsO unterscheiden sich nur insoweit, als die Anfechtungsfrist für eine Befriedigung bedeutend kürzer ist als die für eine Sicherung.

Werden ursprünglich neutrale Gesellschafterleistungen mit Beginn der Krise zu haftendem Kapital, so unterliegt ab diesem Zeitpunkt die Sicherungshandlung der insolvenzrechtlichen Anfechtung (BGH ZIP 1988, 1248, 1254; OLG München ZIP 2002, 1210 = WM 2002, 617 = NZI 2002, 207). Auf den Zeitpunkt der Sicherungsgewährung innerhalb der kritischen Zeit kommt es nach dieser Vorschrift nicht an, so dass auch zurückliegende Sicherungshandlungen anfechtbar sind. Auf die Anfechtung gem. § 135 Nr. 2 InsO ist dies in dem Sinn zu übertragen, dass eine Tilgungshandlung vor Eintritt der Krise genauso anfechtbar ist wie eine Sicherungshandlung. Mit dem Zweck des § 135 InsO, die Masse vor Vermögensverschiebungen zu Gunsten der Gesellschafter der Schuldnerin zu bewahren, wäre es nicht zu vereinbaren, wenn sie gegen die Tilgung eines Gesellschafterdarlehens innerhalb des kritischen Zeitraums weniger geschützt wäre als gegen die Sicherung, die dem Gesellschafter/Darlehensgeber weniger gibt als die Befriedigung.

b) Im Übrigen rechtfertigen die wirtschaftlichen Verhältnisse der Schuldnerin nach Überzeugung des Senats die Feststellung, dass das Gesellschafterdarlehen schon bei Gewährung und noch im Oktober 1999 Kapital ersetzte. Ein Gesellschafterdarlehen ersetzt Eigenkapital, wenn das Unternehmen nur mit Hilfe dieses zusätzlichen Finanzierungsmittels betrieben werden kann und die Gesellschaft diese Mittel auf dem Kreditwege von dritter Seite zu marktüblichen Bedingungen nicht erlangen kann, d. h. wenn die Gesellschaft kreditunwürdig im Sinn des § 32 GmbH erscheint (BGHZ 109, 55 = ZIP 1989, 1542 = NJW 1990, 516). Die setzt nicht voraus, dass die Gesellschaft zuvor kreditwürdig war.

Gewichtiges Anzeichen ist vorliegend die Diskrepanz zwischen Eigenkapital (50.000 DM) und Gesellschafterdarlehen (200.000 DM). Augenscheinlich war die am 14.12.1995 gegründetes Schuldnerin mit dem Eigenkapital, das ihr die Gesellschafter zur Verfügung stellten, nicht start- und nicht lebensfähig. 50.000,00 DM sind für ein überregional tätiges Bauunternehmen wenig. Bei Würdigung der Vereinbarung zur Betriebsaufspaltung vom 01.01.1996 erschließt sich, dass die Schuldnerin nur "am Tropf" des Beklagten hängend ihre Geschäftstätigkeit ausüben konnte. Nennenswertes sonstiges Vermögen hatte sie nicht; die sachlichen Mittel überließ der Beklagte ihr im Wege der Vermietung und Verpachtung - wohl auch kapitalersetzend -. Nicht notwendig ist, dass die Schuldnerin ohne dieses Darlehen schon insolvenzreif war (BGHZ 121, 31 = ZIP 1993, 189 = NJW 1993, 392; MünchKomm-Stodolkowitz, InsO, § 135 Rn. 42). Maßgeblich ist vielmehr, ob ein außenstehender Dritter ihr einen Kredit in dieser Größenordnung gewährt hätte. Das ist nicht anzunehmen, denn eine Bank oder ein sonstiger von ihr unabhängiger Dritter hätte der Schuldnerin das Darlehen sicherlich nicht ein Jahr lang zinslos belassen. Das langfristige Darlehen wurde ohne Absicherung des Beklagten als Darlehensgebers gewährt; dazu ist ein außenstehender Dritter in aller Regel nicht bereit.

Ist ein Gesellschafterdarlehen bei Gewährung kapitalersetzend, so ist die weitere Qualifizierung als Kapitalersatz zu vermuten, wenn die Schuldnerin es innerhalb eines Jahres vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückzahlt z, a.a.O, § 135 Rz. 59). Dass sich die Eigenkapitalausstattung der Schuldnerin nach Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit nachhaltig besserte und sie uneingeschränkt kreditwürdig wurde, ist nicht ersichtlich; Ende 1997 lag das bilanzierte Eigenkapital sogar unter 50.000,00 DM.

4. Die Tilgung des Gesellschafterdarlehens benachteiligte die Gläubiger der Schuldnerin, denn ohne Übertragung an den Beklagten wären die Grundschulden in der Insolvenzmasse verblieben. Unerheblich ist, ob die Schuldnerin ihrerseits die Grundschulden anfechtbar erlangt hatte, denn zunächst gelangen sie in die Insolvenzmasse. Im übrigen haben sich der Kläger und der Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der H. GmbH darauf verständigt, den Wert der Grundschulden anteilig beiden Massen zugutekommen zu lassen.

III.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Anlass, gem. § 543 ZPO die Revision zuzulassen, ist nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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