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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 02.04.2007
Aktenzeichen: 3 U 143/06
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 133 Abs. 2
Ob eine Leistung unentgeltlich ist, entscheidet sich nach dem objektiven Vergleich der ausgetauschten Werte. Der Begriff der Unentgeltlichkeit ist zum Schutz der Gläubiger weit auszulegen. Eine Handhabung zur Tragung der Kosten der gemeinsamen Haushalts- und Lebensführung zwischen dem Schuldner und seiner Lebensgefährtin bildet keinen synallagmatischen Leistungsaustausch. Eine solche Vereinbarung beruht jedoch auf dem Konsens beider, die Kosten der Lebensführung gemeinsam zu bestreiten. Leistungen im Rahmen dieser gemeinschaftlichen Lebensführung sind daher bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht unentgeltlich.
Oberlandesgericht Rostock

URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES

3 U 143/06

Verkündet am: 02.04.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 05.03.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 03.08.2006 (Az.: 4 O 127/06) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gegenstandswert der Berufung: 7.540,00 €

Gründe:

I.

Der Kläger wurde am 29.12.2003 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des B. S. (nachfolgend Schuldner) bestellt (AG Schwerin 581 IN 565/03). Die Beklagte ist dessen Lebensgefährtin.

Der Schuldner, der als E. E. S. firmiert hatte, leaste bei der V. L. GmbH einen PKW VW Golf, den er der Beklagten zur Nutzung überließ. Die Leasingraten zahlte er. Diese Zahlungen sind Gegenstand der Insolvenzanfechtung, wobei nach teilweisem Anerkenntnis der Beklagten nur noch die Zahlungen für Juli 2002 bis Juli 2003 ( 13 Monate à 580,00 €) im Streit sind. Die Beklagte wendet ein, dass sie außer den Leasingraten sämtliche weiteren Kosten des Fahrzeuges sowie im Rahmen der gemeinsamen Lebensführung die Miete für die gemeinsame Wohnung getragen habe. Das Landgericht verurteilte sie entsprechend ihrem Anerkenntnis und wies die Klage hinsichtlich der Zahlungen von Juli 2002 bis Juli 2003 ab.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Zu deren Begründung trägt er vor, dass das Landgericht es unterlassen habe, ihn auf seine Bedenken gegen die Anfechtung gem. § 133 Abs. 2 InsO hinzuweisen. Dies hole er, der Kläger, nunmehr nach. Zur geschäftlichen Entwicklung des Schuldners trägt er vor, dass dieser im Kalenderjahr 2002 einen Verlust von 151.436,40 € erwirtschaftet habe. Bereits Mitte 2002 habe er erkannt, dass die andauernden Verluste die Zahlungsunfähigkeit nach sich ziehen würden. Da er Lieferantenverbindlichkeiten nicht mehr habe befriedigen können, habe er am 05.09.2002 ein Konsolidierungsdarlehen beim Landesförderamt M.-V. beantragt. In der Stellungnahme der Kreissparkasse L. hierzu vom 26.09.2002 heiße es, dass eine Insolvenz des Schuldners zu einem vollständigen Verlust der Arbeitsplätze und damit auch zu einem Totalausfall der Subventionen führe. Im weiteren Verlauf habe der Schuldner aufgrund Vertrages vom 23./24.01.2003 ein Konsolidierungsdarlehen über 200.000,00 € erhalten. Gleichwohl sei er im Februar und März 2003 nicht in der Lage gewesen, seine Verbindlichkeiten abzutragen. Die Nutzungsüberlassung des Fahrzeuges an die Beklagte bei Zahlung der Leasingraten durch den Schuldner sei eine Rechtshandlung im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO. Diese habe die Gläubiger des Schuldners benachteiligt und die Beklagte habe auch Kenntnis von dem entsprechendem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners gehabt. Die Übernahme der Leasingraten sei im Verhältnis zwischen Schuldner und Beklagte ein inkongruentes Geschäft, was auf Kenntnis der Beklagten vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners hindeute.

Auch der Tatbestand des § 133 Abs. 2 InsO sei gegeben, denn für die Annahme eines entgeltlichen Vertrages genüge ein auf wechselseitiger Willensübereinstimmung beruhendes Zusammenwirken von Schuldner und Anfechtungsgegner. Insofern räume die Beklagte mit der von ihr behaupteten Vereinbarung zur gemeinsamen Lebensführung selbst ein entgeltliches Geschäft ein. Dieses habe die Gläubiger unmittelbar benachteiligt, weil der Schuldner mit Zahlung der monatlichen Leasingraten aus seinem Vermögen die Befriedigungsaussichten der Gläubiger verschlechtert habe. Aufgrund der bei nahestehenden Personen zu erwartenden Kenntnis von den finanziellen Problemen des Schuldners enthalte § 133 Abs. 2 InsO die Vermutung für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die dahingehende Kenntnis der nahestehenden Person. Er, der Kläger, müsse nur den Vertrag mit der nahestehenden Person und die Gläubigerbenachteiligung beweisen. Der Beklagten obliege es, ihre fehlende Kenntnis von dem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nachzuweisen.

Der Kläger tritt auch für die Anwendung des § 134 InsO ein. Die Zahlung der Leasingraten sei eine unentgeltliche Leistung des Schuldners an die Beklagte, weil er einen Vermögenswert zu deren Gunsten aufgegeben habe, ohne dass ihm ein entsprechender Gegenwert zugeflossen sei. Die von der Beklagten behaupteten Zahlung der Miete und die Übernahme anderer Lebenshaltungskosten stünden nicht im Gegenseitigsverhältnis zur Gebrauchsüberlassung. Ihre Behauptung, sie und der Schuldner hätten sich dahingehend geeinigt, dass sie für den Schuldner anteilige Lebenshaltungskosten übernehme, habe die Beklagte in der ersten Instanz nicht hinreichend substantiiert und auch nicht bewiesen. Nach wie vor sei davon auszugehen, dass es eine solche Vereinbarung nicht gebe. Schließlich gehe das Landgericht Schwerin unzutreffend davon aus, dass zu Gunsten des Klägers nicht die Vermutung analog § 1362 Abs. 1 BGB greife.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des am 03.08.2006 verkündeten Urteils des Landgerichts Schwerin die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 7.540,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, der Vortrag des Klägers zur Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners sei in der zweiten Instanz nicht zuzulassen. Sie, die Beklagte, gehe weiterhin davon aus, dass die Überlassung des Fahrzeugs an sie eine entgeltliche Leistung des Schuldners sei. Zudem habe der Schuldner nicht mit dem Vorsatz gehandelt, seine Gläubiger zu benachteiligen und damit fehle auch ihre entsprechende Kenntnis. Letztlich seien auch die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO nicht gegeben; beweisbelastet für dessen Voraussetzungen sei der Kläger.

II.

Die Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg. Keiner der in Betracht kommenden Anfechtungstatbestände (§§ 133 Abs. 1 und 2, 134 Abs. 1 InsO) greift durch.

1. (Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung, § 133 Abs. 1 BGB)

In der Berufungsbegründung trägt der Kläger selbst vor, dass sich erst im März 2003, nach Verwendung der Darlehensmittel, herausgestellt habe, dass der Schuldner seine Verbindlichkeiten nicht mehr vollständig zurückführen könne. In seinem Gutachten für das Insolvenzgericht vom 18.12.2003 gab der Kläger an, dass der Schuldner bis August 2003 Löhne und Gehälter gezahlt habe; erst dann sei die finanzielle Lage für ihn nicht mehr beherrschbar gewesen. Hiervon ausgehend ist nicht anzunehmen, dass in der hier fraglichen Zeit (Juli 2002 bis Juli 2003) durchgehend die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte. Jedenfalls sind keine Tatsachen vorgetragen, die darauf schließen lassen, dass die Beklagte über eine drohende Zahlungsunfähigkeit - sofern diese drohte - oder die in der Berufungsbegründung dargestellte Entwicklung der Vermögensverhältnisse des Schuldners informiert war. Somit fehlt die Anknüpfungstatsache für die Vermutung, dass ihr ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners bekannt war. Die gegen eine nahestehende Person sprechende Vermutung der §§ 130 Abs. 3, 131 Abs. 2 Satz 2 InsO gilt nicht im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO.

2. (Anfechtung einer unentgeltlichen Leistung, § 134 InsO)

Dieser Anfechtungstatbestand, auf den der Kläger vorrangig die Anfechtung stützt, setzt voraus, dass der Schuldner der Beklagten das Fahrzeug unentgeltlich zur Nutzung überließ. Bei Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen hätte die Beklagte gem. § 143 Abs. 2 InsO den Nutzungswert zu erstatten, der der Höhe nach nicht mit den gezahlten Leasingraten übereinstimmt.

Nach Auffassung des Senats überließ der Schuldner der Beklagten das Fahrzeug nicht unentgeltlich.

a) Die Unentgeltlichkeit als Anfechtungsvoraussetzung muss der Kläger darlegen und beweisen, er hat demnach zu beweisen, dass es zwischen der Beklagten und dem Schuldner keine Vereinbarung über die Teilung der Kosten der gemeinsamen Haushalts- und Lebensführung gab, sondern dass der Schuldner ihr darüberhinaus das geleaste Fahrzeug ohne Gegenleistung überließ. Diesen Nachweis hat der Kläger nicht erbracht. Der von ihm benannte Zeuge S. hat das tatsächliche Vorbringen der Beklagten bestätigt.

b) Somit ist von dem tatsächlichen Vorbringen der Beklagten auszugehen. Danach war die Gebrauchsüberlassung nicht unentgeltlich.

Ob eine Leistung unentgeltlich ist, entscheidet sich nach dem objektiven Vergleich der ausgetauschten Werte. Hierbei verkennt der Senat nicht, dass der Begriff der Unentgeltlichkeit zum Schutz der Gläubiger weit auszulegen ist. Zwar ist die von der Beklagten behauptete Handhabung zur Tragung der Kosten der gemeinsamen Haushalts- und Lebensführung kein synallagmatischer Leistungsaustausch. Die Vereinbarung beruht jedoch, wie auch der Zeuge S. erläutert hat, auf dem Konsens beider, die Kosten der Lebensführung gemeinsam zu bestreiten. Dies konnten die Parteien durch strikte Aufteilung in dem Sinn praktizieren, dass sie die gemeinsam zu tragenden Kosten auch im Außenverhältnis zu den Vertragsgegnern jeweils zur Hälfte tragen, etwa die Wohnkosten oder die Kosten für Lebensmittel. Stattdessen einigten sie sich dahingend, dass der eine diese, der andere wiederum jene Kosten bestritt. Lebensmittel - so der Zeuge - kaufte mal der eine, mal der andere ein. Der Schuldner und die Beklagte hätten die Wohnungsmiete jeweils zur Hälfte bezahlen können und die Beklagte hätte ihm die Leasingraten erstatten können. Wenn sie stattdessen die Wohnungsmiete allein aufbrachte und er für die Leasingraten aufkam, so stellte wirtschaftlich betrachtet die Beklagte im Gegenzug zur Überlassung des Fahrzeugs den Schuldner von den Mietzahlungspflichten frei. Im Rahmen einer derart praktizierten Teilung der Kosten der gemeinsamen Haushaltsführung stellen die einzelnen "Leistungen" der Lebensgefährten keine "unbenannten", ggf. unentgeltlichen Zuwendungen dar.

3. (Anfechtung eines entgeltlichen Vertrages mit nahestehender Person, § 133 Abs. 2 InsO)

Dieser Anfechtungstatbestand setzt die unmittelbare Gläubigerbenachteiligung voraus. Ohne die Gebrauchsüberlassung an die Beklagte hätte das Fahrzeug dem Schuldner zur Nutzung zur Verfügung gestanden. Dass der Nutzungswert die spätere Insolvenzmasse erhöht hätte, ist nicht ersichtlich. Der Kläger verkennt, dass angefochtene Rechtshandlung nicht die Zahlung der Leasingraten ist, sondern die Gebrauchsüberlassung an die Beklagte.

Zudem verweist die Beklagte - von dem insoweit beweisbelasteten Kläger nicht widerlegt - darauf, dass sie und der Schuldner jeweils ihren Anteil zur gemeinsamen Lebensführung beigetragen haben. Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung ist nicht zu übersehen, dass es in Hinblick auf eine spätere Insolvenzanfechtung unbedenklich gewesen wäre, wenn der Schuldner und die Beklagte jeweils die Wohnungsmiete zur Hälfte gezahlt hätten (je 600,00 €) und im Gegenzug die Beklagte die Leasingraten für das von ihr genutzte Fahrzeug übernommen hätte. Die vereinfachte Handhabung in dem Sinne, dass die eine die Wohnungsmiete allein zahlt und der andere zum Ausgleich für einen Teil der Fahrzeugkosten aufkommt, ändert an dieser wirtschaftlichen Betrachtung nichts. Jedenfalls haben die Beklagte und der Schuldner im Zweifel ihre Vereinbarung zur gemeinsamen Lebensführung in diesem Sinne gesehen, so dass auch ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, den der Kläger darzulegen und zu beweisen hätte, nicht festzustellen ist.

III.

Die Nebenentscheidungen ergehen nach §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Zur Zulassung der Revision besteht kein Grund, denn die Feststellung, dass der Schuldner der Beklagten das Fahrzeug nicht unentgeltlich überließ, beruht auf einer tatrichterlichen Würdigung des Streitstands; Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung sind nicht angesprochen.



Ende der Entscheidung

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