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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 16.12.2005
Aktenzeichen: 3 U 150/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 520 Abs. 2
ZPO § 522 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss

Geschäftsnummer 3 U 150/05

In dem Berufungsrechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht E., den Richter am Oberlandesgericht Dr. J. und die Richterin am Oberlandesgericht B.

am 16.12.2005 beschlossen:

Tenor:

1. Der erneute Antrag der Beklagten auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist und der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Berufungsbegründung werden zurückgewiesen. 2. Die Berufung der Beklagten gegen das am 16.09.2005 verkündete Urteil des Landgerichts Schwerin (Az.: 3 O 146/05) wird verworfen.

3. Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

4. Streitwert der Berufung: 706.333,50 €.

Gründe:

1.

Als Rechtsnachfolgerin der T. nimmt die Klägerin die Beklagte auf Zahlung eines Teilbetrages gemäß notariellem Kaufvertrag vom 15.08.1990 in Anspruch. Die Beklagte macht widerklagend Schadensersatz geltend. Mit Urteil vom 16.09.2005 verurteilte das Landgericht Schwerin die Beklagte zur Zahlung von 26.000,00 € nebst Zinsen und wies die auf Zahlung von 680.333,50 € gerichtete Widerklage ab. Das Urteil wurde der Beklagten am 26.09.2005 zugestellt. Ihre Berufung ging am 25.10.2005 ein. Mit Schriftsatz vom 23.11.2005 beantragte sie die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat. Zur Begründung legte sie dar, sie befinde sich, wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen, in großen finanziellen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten, sodass sie nicht in der Lage sei, die Mittel für die beabsichtigte Rechtsverfolgung aufzubringen. Sie habe daher eine Prozessfinanzierung durch Dritte beantragt, die derzeit noch geprüft werde. Am 24.11.2005 wies der Senatsvorsitzende den Verlängerungsantrag mit der Begründung zurück, die beengte finanzielle Situation der Beklagten sei kein Verlängerungsgrund, denn sie habe, wie im Zivilrecht, für die eigene finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen. Im Übrigen habe sie seit Zustellung des angefochtenen Urteils nahezu zwei Monate Zeit gehabt, um die etwaige Kostenübernahme durch einen Dritten abzuklären. Das Einverständnis der Klägerin mit der Fristverlängerung habe die Beklagte als Berufungsklägerin nicht dargelegt.

Dieser Beschluss wurde der Beklagten am 29.11.2005 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 08.12.2005, beim Oberlandesgericht am 09.12.2005 eingegangen, beantragte sie Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand und Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28.12.2005. Sie habe, so trägt sie vor, davon ausgehen dürfen, dass dem mit Schriftsatz vom 23.11.2005 beantragten Antrag stattgegeben werde, weil sie erstmals Fristverlängerung beantragt habe. Im Zuge der Bearbeitung durch den Prozessfinanzierer habe sich herausgestellt, dass noch weitere Informationen erforderlich seien, die vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist nicht hätten rechtzeitig eingeholt werden können. Insbesondere seien Dokumente aus dem Jahre 1990 zu beschaffen, die angesichts der besonderen Schwierigkeiten des Rechtsstreits erforderlich seien, um die Erfolgsaussicht der Berufung zu prüfen. Daher habe die Berufungsbegründung nicht rechtzeitig fertig gestellt werden können. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe im Übrigen am 02.12.2005 der Fristverlängerung zugestimmt. Beigefügt ist eine eidesstattliche Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten. Der Schriftsatz vom 08.12.2005 enthält im Übrigen die Ankündigung der Berufungsanträge sowie die Begründung der Berufung.

2.

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ist nicht stattzugeben.

Der Berufungskläger darf in aller Regel darauf vertrauen, dass seinem Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründung stattgegeben wird, sofern er einen Grund angibt, der üblicher Weise als erheblich eingestuft wird. Dann ist es auch unschädlich, wenn dieser Verlängerungsgrund nur pauschal angegeben wird. Als solche erheblichen Gründe sind anerkannt Arbeitsüberlastung, Erkrankung des Rechtsanwalts oder seines Personals, fehlende Informationen, Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Urkunden, Rücksprache mit der Partei, deren Notwendigkeit sich erst aus der Einsicht in die Gerichtsakten ergibt. Bei derartig begründeten Verlängerungsgesuchen ist die Rechtsprechung großzügig (vgl. BGH NJW 2001, 3552; Zöller/Gummer/ Heßler, ZPO, 25. Aufl., § 520 Rn. 19 mit Rechtsprechungsnachweisen) und der Berufungskläger kann in aller Regel damit rechnen, dass das Gericht die Frist verlängert. Bei diesen Verlängerungsgründen handelt es sich äußere Störungen des normalen Geschäftsgangs, die der rechtzeitigen Fertigstellung der Berufungsbegründung entgegen stehen. So liegen die Dinge vorliegend jedoch nicht, denn die Beklagte gab in ihrem Verlängerungsantrag keinen derartigen Grund, sondern lediglich ihre finanziellen Schwierigkeiten und die Beantragung der Prozessfinanzierung durch Dritte an.

Dies ist kein erheblicher Grund, der die Fristverlängerung rechtfertigt. Eine juristische Person hat grundsätzlich für ihre finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen, auch dafür, dass sie die Kosten einer Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung aufbringen kann. Nur ausnahmsweise kann sie Prozesskostenhilfe erlangen (§ 116 Nr. 2 ZPO), sofern die Unterlassung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allgemeine Interessen zuwiderlaufen würde. Dies ist nicht der Fall. Hatte die Beklagte somit keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe, so besteht kein Grund, die Grundsätze zur Prozesskostenhilfe und Bedürftigkeit einer natürlichen Person auf eine juristische Person zu übertragen und ihre Bedürftigkeit als ein der Fristwahrung entgegenstehendes Hindernis anzuerkennen.

Dass die Klägerin nunmehr, wie die Beklagte vorbringt, der Fristverlängerung zustimmt, erlaubt nicht die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, denn vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist hat die Beklagte das Einverständnis der Gegenseite nicht dargelegt (vgl. BGH NJW-RR 2005, 865).

Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten durfte nicht darauf vertrauen, der Vorsitzende werde selbst ermitteln, ob die Einwilligung des Gegners vorliege, denn der Antragsschrift war nicht zu entnehmen, dass dieser bereits von dem Verlängerungsantrag unterrichtet war.

3.

In ihrem Schriftsatz vom 08.12.2005 führt die Beklagte weiter an, dass zur Prüfung der Erfolgsaussicht die Beschaffung weiterer Dokumente erforderlich sei. Hätte sie dies in ihrem Verlängerungsantrag dargestellt, so hätte die Berufungsbegründungsfrist verlängert werden können. Auf einen nach Fristablauf eingegangenen Verlängerungsantrag hin kann die bereits abgelaufenen Frist nicht verlängert werden. Auch das nunmehr mitgeteilte Einverständnis der Klägerin erlaubt nicht die nachträgliche Fristverlängerung.

4.

Da die Beklagte die Berufung nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist, die gem. § 520 Abs. 2 ZPO am 26.11.2005 endete, begründet hat und auch Wiedereinsetzung nicht zur gewähren ist, ist die Berufung gem. § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

5.

Die Kostenentscheidung ergeht gem. § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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