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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 26.05.2003
Aktenzeichen: 3 U 173/01
Rechtsgebiete: ZPO, EGZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
EGZPO § 26 Nr. 5
BGB § 121
BGB § 150 Abs. 1
BGB § 147 Abs. 2
BGB § 148
BGB § 273
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 173/01

Laut Protokoll verkündet am: 26.05.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht E., den Richter am Oberlandesgericht Dr. J. und die Richterin am Landgericht G.

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 14.04.2003

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 08.11.2001 - Az. 8 O 115/01 - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 18.773,70 € (36.718,17 DM) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz

auf 2.278,20 € (4.455,80 DM) seit dem 06.02.2001,

sowie auf jeweils 2.356,50 € (4.608,91 DM)

seit dem 06.03., 05.04., 08.05., 07.06., 05.07., 04.08. und 06.09.2001 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 17 % und die Beklagte 83 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. 4. Streitwert des Berufungsverfahrens: 22.593,05 €.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs.1 ZPO in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung, die gem. § 26 Nr. 5 EGZPO anzuwenden ist, abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat im Wesentlichen Erfolg.

Die Klage ist wegen rückständiger Miete in Höhe von 18.773,70 € begründet, wegen der geltendgemachten Nebenkostenvorauszahlungen jedoch unbegründet.

I.

1.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung rückständiger Miete für den Zeitraum Januar bis September 2001 in Höhe von insgesamt 18.773,70 € (36.718,17 DM) zu, der sich aus einer monatlichen Nettokaltmiete von 4.608,91 DM inkl. Mehrwertsteuer für neun Monate abzüglich eines Guthabens der Beklagten in Höhe von 4.762,02 DM errechnet.

Das Mietverhältnis der Parteien endete nicht durch Aufhebungsvertrag, sondern besteht zumindest für den Zeitraum bis September 2001 fort.

a)

Ein Aufhebungsvertrag über das Mietverhältnis ist zwischen den Parteien nicht zu Stande gekommen. Es fehlt zur Vertragsaufhebung an zwei übereinstimmenden Willenserklärungen Unstreitig liegt kein von beiden Seiten unterzeichneter schriftlicher Aufhebungsvertrag vor. Auch ist unstreitig, dass die Parteien bereits seit Mai 2000 auf Grund von Mietrückständen der Beklagten und deren Begehren nach Aufhebung des bis zum 30.06.2004 geltenden Mietvertrages wegen veränderter Attraktivität des Mietobjekts infolge des Entstehens konkurrierender Einkaufszentren verhandelten.

Der mit Schreiben vom 01.08.2000 vom Kläger an die Beklagte übersandte Entwurf einer Mietaufhebungsvereinbarung stellt ein Angebot dar, das Mietverhältnis aufzuheben. Dieses Angebot nahm die Beklagte nicht rechtzeitig gem. §§ 147 Abs. 2, 148 BGB an. Zwar unterschrieb sie nach ihrem Vortrag das vom Kläger nicht unterzeichnete Blankoformular bereits am 10.08.2000, sandte es jedoch zunächst nicht an ihn zurück. Erst dem an den Kläger gerichteten Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 27.10.2000 war das von ihr unterzeichnete Vertragsexemplar beigefügt. Die Annahme des Angebots zur Aufhebung des Mietvertrages durch die Beklagte war damit verspätet. Bestimmt der Antragende für die Annahme des Antrages eine Frist, so kann die Annahme gem. § 148 BGB nur innerhalb der Frist erfolgen. In seinem Anschreiben vom 01.08.2000, mit dem er das Aufhebungsangebot übersandte, bat der Kläger um 'unverzügliche' Rücksendung der drei von ihm vorbereiteten Vertragsexemplare. Nach der Legaldefinition des § 121 BGB bedeutet 'unverzüglich' 'ohne schuldhaftes Zögern'. Selbst bei Einräumung einer angemessenen Überlegungsfrist erfolgte die Annahme nicht unverzüglich i. S. d. § 121 BGB. Die Beklagte hielt eine Überlegungszeit von zehn Wochen selbst nicht für erforderlich, denn sie überwies bereits am 10.08.2000 die erste Rate i. H. v. 40.000,00 DM an den Kläger.

b)

Die verspätete Annahme des Antrages gilt gem. § 150 Abs. 1 BGB als neuer Antrag. Inhaltlich stimmte dieses mit der vom Kläger aufgesetzten Mietaufhebungsvereinbarung überein.

Dieses Angebot der Beklagten nahm der Kläger nicht an.

aa)

Eine ausdrückliche Annahme dieses Angebotes erklärte er nicht. Im Gegenteil wies er mit seinem Schreiben vom 01.11.2000 das Angebot der Beklagten zurück und führte aus, dass er die überwiesenen 40.000,00 DM solange, wie keine Vereinbarung zu Stande gekommen sei, wegen der erheblichen Mietrückstände der Beklagten zunächst gegen den Rückstand und dann zu Gunsten der Kaution buchen werde. Darüber hinaus unterbreitete er weitere Änderungsvorschläge bezüglich des von ihm am 01.08.2000 übersandten Vertragsentwurfs, insbesondere hinsichtlich des Beendigungszeitpunkts. Indem der Kläger ausdrücklich darauf abstellte, eine Vereinbarung sei nicht getroffen und er weitere Änderungsvorschläge unterbreitete, brachte er unmissverständlich zum Ausdruck, dass er in die von der Beklagten vorgelegten Vereinbarung nicht einwillige.

bb)

Auch eine konkludente Annahme des neuen Angebotes liegt nicht vor. Eine solche kann nicht in dem vorbehaltlosen Einbehalten der von der Beklagten am 10.08.2000 angewiesenen 40.000,00 DM gesehen werden.

Hierbei ist entscheidend auf der Reihenfolge der Geschehnisse abzustellen. Erst durch Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 27.10.2000 ließ die Beklagte ihr Vertragsangebot übersenden. Bereits zehn Wochen zuvor hatte sie 40.000,00 DM überwiesen. Da sie dem Kläger den Vertragsentwurf nicht zurückgesandt hatte, konnte auch ein objektiver Empfänger nicht davon ausgehen, dass die Übersendung des Geldes die Annahme des Vertragsangebotes darstellte. Der von dem Bevollmächtigten der Beklagten in seinem Schreiben vom 27.10.2000 geäußerten Ansicht, eine Annahme des klägerischen Angebotes liege in der sofortigen Überweisung des ausgemachten Betrages von 40.000,00 DM, der ansonsten aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung unverzüglich zurückzuüberweisen gewesen wäre, widersprach der Kläger umgehend mit seinem Schreiben vom 01.11.2000. Zu Recht weist er darauf hin, dass in seinem Verhalten, das überwiesene Geld einzubehalten und es auf seiner Ansicht nach bestehende Mietrückstände zu verrechnen, eine Annahme des Angebotes nicht gesehen werden, da zu diesem Zeitpunkt ein Angebot der Beklagten noch gar nicht vorlag. Als ein solches unterbreitet wurde, wies der Kläger diese Annahme unverzüglich zurück.

cc)

Des Weiteren steht dem Zustandekommen des Aufhebungsvertrages entgegen, dass die Beklagte lediglich einen Teilbetrag der Abfindungssumme von insgesamt 53.130,00 DM, die sich aus dem von ihr unterzeichnet zurückgesandten Vertragsentwurf ergeben, überwiesen hat. Zwar war - darauf weist die Beklagte richtiger Weise hin - der Gesamtbetrag im August 2000 noch nicht fällig, als Fälligkeitstermin bestimmte der Vertrag vielmehr den 15.09.2000. Die Beklagte wäre jedoch gehalten gewesen, zur Erfüllung des von ihr abgegebenen Angebotes den Gesamtbetrag bis zum 15.09.2000 zu überweisen. Dies unterließ sie jedoch.

dd)

Auch wenn die Behauptung der Beklagten zutrifft, die Parteien hätten sich bereits im Juli 2000 mündlich darauf geeinigt, die Beklagte werde aus dem Mietverhältnis gegen Zahlung von ca. 53.000,00 DM entlassen und der Kläger habe lediglich noch die Aufgabe gehabt, diese Vereinbarung schriftlich zu fixieren, steht dies dem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Dabei kann dahinstehen, ob der Aufhebungsvertrag zu seiner Wirksamkeit entsprechend der Rechtsauffassung des Klägers der Einhaltung der vertraglich vereinbarten Schriftform bedurfte. Über wesentliche Elemente der Beendigung und Abwicklung hatten die Parteien sich nicht geeinigt, weshalb sie nach dem schriftlichen Entwurf des Aufhebungsvertrages durch den Kläger weiterverhandelten, etwa über die Zahlung offener Mieten. Auch über die Wiederherstellung der Mieträume bei Auszug der Beklagten bestand zwischen den Parteien Streit. Dieser Dissens war der Beklagten auch bewusst. Sie ließ daher über ihre Bevollmächtigten erster Instanz über diese offenen Fragen mit dem Kläger verhandeln und setzte diese Verhandlungen auch nach Zahlung der ersten Rate auf die vorgesehene Entschädigungssumme sowie später nach der Beräumung der Mietsache fort. Die Beklagte konnte nicht nur dem fortwährenden Schriftverkehr mit dem Kläger entnehmen, dass dieser eine einvernehmliche Vertragsbeendigung von der vollständigen Zahlung von Mietrückständen abhängig machte, sie ging vielmehr nach ihrem eigenen Verhalten davon aus, dass es über eine vorzeitige Vertragsbeendigung in Form eines Aufhebungsvertrages noch keine abschließende Einigung gegeben habe. Demgemäß reichte ihr Prozessbevollmächtigter den ihm vorliegenden Scheck zur Zahlung des Restbetrages nicht an den Kläger weiter, ebenso wie er auch die von der Beklagten unterzeichnete Urkunde des Aufhebungsvertrages zurückhielt.

Auch aus der Räumung der Mietsache durch die Beklagte und der Entgegennahme der Schlüssel durch den Kläger ist nicht auf das stillschweigende Zustandekommen eines Aufhebungsvertrages zu schließen. Dieser Annahme stehen die schriftlichen Erklärungen des Klägers entgegen. Mit seinem Schreiben vom 31.08.2000 machte er noch die Augustmiete 2000 geltend, da die Übergabe erst am 01.09.2000 erfolgt sei. Mit weiterem Schreiben vom 04. September forderte er einen seiner Ansicht nach bestehenden Mietrückstand in Höhe von 8.292,02 DM ein. Daraufhin unterbreitete die Beklagte mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 27.09.2000 einen weiterer Vorschlag zur Auflösung des Mietverhältnisses und Zahlung offener Mietforderungen. Dass das Mietverhältnis einvernehmlich durch Übergabe von Mietsache und Schlüssel einerseits und Entgegennahme derselben andererseits beendet worden ist, steht das Weiterverhandeln der Parteien auch nach Übergabe der Mietsache entgegen.

c)

Dem Kläger steht ein Mietzinsanspruch in Höhe von 18.773,70 € (36.718,17 DM) zu, der sich wie folgt zusammensetzt:

Die monatlich Nettokaltmiete inkl. der Mehrwertsteuer (3.973,20 DM zzgl. 635,71 DM) beträgt 4.608,91 DM.

Diese kann er für die Monate März bis September 2001 in voller Höhe durchsetzen, woraus sich ein Betrag von 32.262,37 DM (16.495,49 €) ergibt.

Für den Monat Januar 2001 steht dem Kläger aufgrund des Guthabens der Beklagten zum 31.12.2000 in Höhe von 4.762,02 DM keine Mietzahlung zu. Der überschießende Betrag von 153,11 DM ist mit der Februarmiete zu verrechnen, weshalb für Februar ein Restzahlungsbetrag von 4.455,80 DM (2.278,21 €) übrig bleibt.

2.

Hinsichtlich der geltend gemachten Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von insgesamt 3.741,07 € (7.316,89 DM) ist die Klage unbegründet, da bezüglich dieser Vorauszahlung Abrechnungsreife eingetreten ist, ohne dass der Kläger bislang abgerechnet hätte.

Nach Ziffer 8.6.3 Abs. 1 des Mietvertrages hat der Vermieter - nach seiner Wahl - über die Vorauszahlungen entweder halbjährlich oder jährlich nach Vorlage der Versorgungsrechnungen abzurechnen. Mit Abrechnungsreife entfällt das Bedürfnis des Vermieters, Vorauszahlung zu verlangen, denn die Vorauszahlungen sollen nur vorläufig die Aufwendungen des Vermieters abdecken. Daher braucht der Mieter rückständige Vorschüsse ungeachtet des Verzuges nicht mehr zu zahlen und ist berechtigt, gem. § 273 BGB fällige Vorauszahlungen ganz oder teilweise zurückzuhalten (vgl. Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Auflage 2000, Rn 529 m.w.N.).

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs.1, 97 Abs. 2 ZPO. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens, da er vorliegend mit neuem Vorbringen obsiegt, welches er bereits in der ersten Instanz hätte vortragen können. Soweit er sich darauf beruft, die landgerichtliche Entscheidung sei eine Überraschungsentscheidung, ist dem entgegenzuhalten, dass der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 27.09.2001 nachgelassen wurde, auf den Schriftsatz des Klägers vom 17.09.2001 zu erwidern. Davon hat die Beklagte Gebrauch gemacht und mit ihrem Schriftsatz vom 22.10.2001 neuen Sachverhalt zu einer einvernehmlichen Vertragsbeendigung vorgetragen, auf den das Landgericht seine Entscheidung gestützt hat. Zuvor hatte sich die Klägerseite jedoch mit Schriftsatz vom 25.10.2001 erklärt, so dass der Kläger selbst die Möglichkeit genutzt hat, rechtliches Gehör zu finden. Er wäre gehalten gewesen, bereits zu diesem Zeitpunkt die nunmehr entscheidungserheblichen Tatsachen - sein Schreiben vom 01.11.2000 und die Zurückweisung der 40.000,00 DM als Abfindungsbetrag - vorzutragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert sie zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Ende der Entscheidung

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