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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 23.03.2004
Aktenzeichen: 3 U 273/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 167
ZPO § 522 Abs. 2
BGB § 432
BGB § 545
BGB § 546
BGB § 709
BGB § 744
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss

Geschäftsnummer 3 U 273/03

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Eckert, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Jedamzik und die Richterin am Landgericht Feger

am 23.03.2004 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 28.10.2003 verkündete Urteil des Landgerichts Neubrandenburg (Az.: 4 O 60/03) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Streitwert der Berufung: 20.430 €.

Gründe:

I.

Der Kläger und der jetzige Geschäftsführer der Beklagten sind Miteigentümer des Mietgrundstücks F. Straße 1 in S.. Die Miteigentümer, damals beide Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten, vermieteten das Grundstück für die Zeit vom 20.02.1993 bis 20.02.2003 an die Beklagte, und zwar in der Weise, dass der Kläger und der Miteigentümer, jeweils sich als Vermieter bezeichnend, mit der Beklagten einen schriftlichen Mietvertrag unter Vereinbarung einer monatlichen Miete von 1.435,20 DM zuzüglich Umsatzsteuer abschlossen; jeweils diesen Betrag hatte die Beklagte an jeden der Vermieter zu zahlen. Laut § 5 des Mietvertrages oblag "die innere Verwaltung des Objekts" dem jetzigen Geschäftsführer der Beklagten.

Nach Ausscheiden des Klägers aus der Beklagten und Abberufung als deren Geschäftsführer kündigte er am 07.05.2002 das Mietverhältnis wegen Zahlungsverzugs der Beklagten. Mit Schriftsatz seines Rechtsanwalts vom 12.11.2002 forderte er sie unter Klageandrohung zur Zahlung der Mietrückstände und zur Räumung bis zum 19.11.2002 auf. Mit der ihr am 17.03.2003 zugestellten Klage verlangt der Kläger Rückgabe des Mietobjekts an ihn und den Miteigentümer. Das Landgericht sah die außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses als begründet an und verurteilte die Beklagte antragsgemäß zur Räumung und Herausgabe des Mietobjekts an die Miteigentümergemeinschaft zu Händen des Klägers.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie meint, der Kläger sei nicht berechtigt, die Eigentümergemeinschaft als Notgeschäftsführer zu vertreten; zudem bestreitet sie die Voraussetzungen des Zahlungsverzugs.

Mit Schreiben vom 09.02.2004 wies der Senatsvorsitzende darauf hin, dass die Zurückweisung der Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO in Betracht komme. Hierbei könne dahin stehen, ob sich die Beklagte in Zahlungsverzug befunden habe, denn der Mietvertrag sei seit dem 20.02.2003 beendet. In ihrem Schriftsatz vom 09.03.2004 trägt die Beklagte vor, dass nach dem 20.03.2003 keine der Mietvertragsparteien der Fortsetzung des Mietgebrauchs widersprochen habe. Die Berufung habe insoweit Aussicht auf Erfolg, als die Begründung des erstinstanzlichen Urteils nicht haltbar sei. Zumindest seien die Kosten der Berufung deshalb dem Kläger aufzuerlegen.

Der Kläger, der das angefochtene Urteil verteidigt, beantragt die Zurückweisung der Berufung.

II.

Die Berufung ist gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

1. Sie hat keine Aussicht auf Erfolg.

a) Ungeachtet der auf mehrere Mietverträge hindeutenden Vertragsurkunden lag ein einheitliches Mietverhältnis zwischen den beiden Grundstückseigentümern als Vermietern und der Beklagten vor. Die vertragliche Ausgestaltung hatte lediglich den Sinn, entgegen § 432 BGB jedem der Miteigentümer einen unmittelbaren Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung der "halben" Gesamtmiete zu verschaffen.

b) Das Mietverhältnis über die von der Beklagten genutzten Räume ist seit dem 20.02.2003 beendet, so dass sie gem. § 546 BGB zur Rückgabe verpflichtet ist.

Ob die von dem Kläger ausgesprochene außerordentliche Kündigung das Mietverhältnis beendet hat, kann dahinstehen, denn es ist gem. Ziff. 2 des vorliegenden schriftlichen Mietvertrages vom 10.04.1995 - als "Mietvertragsänderung" bezeichnet - abgelaufen. Der Wortlaut dieser Vertragsbestimmung ist eindeutig. Die nachfolgende Ziff. 3, die eine Kündigungsfrist regelt, ändert daran nichts. Sie mag für eine von den Vertragsparteien gleichwohl für möglich gehaltene Kündigung sowie für die Ausübung eines gesetzlichen Sonderkündigungsrechts von Bedeutung sein, rechtfertigt indessen nicht die Annahme, das Mietverhältnis laufe über den 20.02.2003 hinaus.

c) Das Mietverhältnis hat sich nicht gem. § 545 BGB über den 20.02.2003 hinaus verlängert.

aa) In den zwei Wochen nach dem 20.02.2003 hat der Kläger der Fortsetzung des Mietgebrauchs nicht widersprochen. Die Zustellung der Räumungsklage am 17.03.2003 genügt zur Fristwahrung nicht (OLG Stuttgart ZMR 1987, 179). § 167 ZPO greift nur ein, wenn eine Frist nur unter Mitwirkung des Gerichts einzuhalten ist (BGH NJW 1975, 3123).

Indessen kann der Vermieter seinen der stillschweigenden Vertragsverlängerung entgegenstehenden Willen schon vor Vertragsende kundtun. Dies hat der Kläger getan.

Ein konkludenter Widerspruch ist anzunehmen, wenn er in zeitlicher Nähe zum Vertragsende gegenüber dem Mieter unzweifelhaft zum Ausdruck bringt, dass er das Mietverhältnis über den Beendigungstermin hinaus unter keinen Umständen fortführen wolle (BGH NJW-RR 1988, 76 = ZMR 1988, 18 = MDR 1988, 225; BGH, Urt. v. 07.01.2004, DB 2004, 376). Dies liegt besonders nahe, wenn der Vermieter das Mietverhältnis fristlos kündigt, weil er dessen Fortsetzung für unzumutbar hält. Auch vor Ende der Vertragslaufzeit kann der Vermieter seinen Widerspruch gegen die Fortsetzung des Mietgebrauchs konkludent kundtun. Dies hat der Kläger getan. Vor dem Hintergrund seines Ausscheidens als Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten lassen die fristlose Kündigung und die nachfolgende Korrespondenz, insbesondere sein Schreiben vom 12.11.2002 unmissverständlich seinen Willen erkennen, das Mietverhältnis unter allen Umständen zu beenden. Demgegenüber ist nachrangig, dass die Parteien augenscheinlich den vertragsgemäßen Ablauf des Mietverhältnisses nicht bedacht haben.

Da der Kläger seinen Willen, das Mietverhältnis unter allen Umständen zu beenden, deutlich erklärt hatte und Anzeichen für einen zwischenzeitlichen Sinneswandel nicht ersichtlich sind, ist der Widerspruch nicht verfrüht und mangels zeitlicher Nähe zum Vertragsende unbeachtlich (vgl. Herrlein/Kandelhard/Both, Mietrecht, ZAP-Praxiskommentar, 2. Aufl., § 545 Rz. 28).

bb) Trotz Personenmehrheit auf Vermieterseite konnte der Kläger allein der Fortsetzung des Mietgebrauchs widersprechen, um die stillschweigende Vertragsverlängerung zu verhindern (vgl. Staudinger/Emmerich, BGB, Bearbeitung 2003, § 545 Rz. 10; Schmidt-Futterer/Blank, Miete, 8. Aufl., § 545 Rz. 20; Herrlein/Kandelhard/Both, Mietrecht, ZAP-Praxiskommentar, 2. Aufl., § 545 Rz. 29; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl., Rz. 844). Dem steht nicht der Grundsatz entgegen, dass bei Personenmehrheit auf einer Vertragsseite die mehreren Vermieter oder Mieter alle rechtserheblichen Erklärungen gemeinsam abgeben müssen. Endet das Mietverhältnis mit dem vertraglichen Ablauftermin und wollen die mehreren Vermieter diese Folge abwenden, so müssen sie gemeinsam handeln, d. h. gemeinsam die Fortsetzung des Mietgebrauchs durch den Mieter widerspruchslos hinnehmen. Daran fehlt es, wenn ein Vermieter seinen entgegenstehenden Willen äußert. c) Im Ergebnis ist dem Landgericht darin zu folgen, dass der Kläger berechtigt ist, den Räumungsanspruch der Grundstückseigentümer geltend zu machen. Ziff. 5 des Mietvertrages steht dem nicht entgegen, denn diese Regelung betrifft die Vertragslaufzeit und ist nicht ausdehnend in dem Sinn zu verstehen, dass der Kläger über das Mietvertragsende hinaus von der Verwaltung des Mietobjekts ausgeschlossen sein soll. Vielmehr steht bei Annahme einer BGB-Gesellschaft gem. § 709 BGB beiden Gesellschaftern die Geschäftsführung zu, bei Annahme einer Gemeinschaft sind gem. § 744 BGB beide Teilhaber zur Verwaltung berechtigt. Angesichts des aus der Vertragsbeendigung unmittelbar gem. § 546 BGB folgenden Rückgabeanspruchs handelt der Gesellschafter oder Teilhaber gegen die Interessen der Gesellschaft oder Gemeinschaft, wenn er zur Erfüllung dieses Rückgabeanspruchs nicht bereit ist. Der andere Gesellschafter oder Teilhaber ist daher berechtigt, den Rückgabeanspruch zu Gunsten beider Teilhaber gerichtlich geltend zu machen.

d) Dass der Kläger und die Beklagte nunmehr geschäftliche Konkurrenten sind, lässt die Durchsetzung des vertraglichen Räumungsanspruchs nicht missbräuchlich erscheinen. Hiergegen spricht das Interesse des Klägers, angesichts der streitigen Zahlungsansprüche das Mietobjekt zurückzuerlangen und in einer Weise zu verwerten, die auch ihm Erträge bringt. Die Beklagte muss hinnehmen, nur ein auf zehn Jahre befristetes Nutzungsrecht erlangt zu haben.

2. Der Senat ist nicht gehindert, das angefochtene Urteil aufgrund einer geänderten rechtlichen Beurteilung aufrechtzuerhalten. Zweifelsfrei kann das Berufungsgericht die Berufung durch Urteil mit einer anderen als der erstinstanzlichen Begründung zurückweisen; bei dieser Sachlage nimmt allenfalls die neue Begründung an der Rechtskraft teil. Nichts anderes gilt, wenn das Berufungsgericht das Rechtsmittel gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückweist. Aussicht auf Erfolg hat eine Berufung daher nur, wenn das angefochtene Urteil im Ergebnis zu Gunsten des Berufungsklägers abzuändern ist (vgl. OLG Rostock NJW 2003, 1676 = MDR 2003, 1073).

3. Der vorliegende Rechtsstreit ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist ein Urteil des Berufungsgerichts nicht erforderlich.

III.

1. Die Kostenentscheidung ergeht gem. § 97 Abs. 1 ZPO. Maßgeblich ist allein das Ergebnis zu Ungunsten der Beklagten. Der Kläger ist nicht deshalb teilweise unterlegen, weil der Senat dessen Rechtsauffassung und die Begründung des erstinstanzlichen Urteils nicht übernimmt.

2. Die Streitwertfestsetzung gem. § 16 GKG richtet sich nach der Jahresmiete, die die Beklagte insgesamt an beide Vermieter zu zahlen hatte.

Ende der Entscheidung

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