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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 09.07.2007
Aktenzeichen: 3 U 94/06
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 142
Der für ein anfechtungsfreies Bargeschäft gem. § 142 InsO erforderliche enge zeitliche Abstand zwischen dem Auftrag bzw. Vertragsschluss und der Erbringung der Vergütung kann bejaht werden, wenn die Zahlung des Schuldners binnen eines Zeitraumes von etwa 3 Wochen nach Fälligkeit der Forderung erfolgt.
Oberlandesgericht Rostock IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 94/06

laut Protokoll verkündet am: 09.07.2007

In dem Rechtsstreit

W. M. als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fa. M. u. S. GmbH,

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock auf die mündliche Verhandlung vom 18.06.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 02.05.2006 verkündete Urteil des Landgerichtes Rostock - 10 O 444/04 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, falls nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gegenstandswert der Berufung: 32.480,00 EUR.

Gründe:

I.

Der Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma M. und S. GmbH (Schuldnerin) nimmt den Beklagten auf Rückzahlung von Beratungshonorar in Anspruch.

Der Beklagte ist Unternehmensberater. Die Schuldnerin schloss mit ihm am 16.09.2002 einen Vertrag, der die Beratung zu folgenden Schwerpunkten zum Gegenstand hatte:

- Stärke-/Schwächeanalyse des Unternehmens,

- Analyse zur Rentabilitätsentwicklung,

- Entwicklungsstrategie und Liquiditätssicherung sowie

- Realisierungsvorschläge für die Unternehmenskonzeption.

Gem. § 3 des Vertrages hatten die Vertragsparteien davon Kenntnis, dass die Beratung mit 6.000,00 € aus Mitteln des Landes Mecklenburg-Vorpommern und des EFRE gefördert werden konnte und der Vertrag nur mit dem Förderbescheid wirksam wurde.

Der Beklagte sollte in der Zeit vom 01.08.-15.12.2002 tätig sein. Als Honorar waren 12.000,00 € zzgl. gesetzliche Umsatzsteuer ausbedungen, wobei ein Tagessatz von 500,00 € zzgl. Umsatzsteuer anfiel.

Einen weiteren Beratungsvertrag zu Fragen der Absatz- und Exporthilfe schloss die Schuldnerin mit dem Beklagten am 22.10.2002. Die Projekterarbeitung sollte in der Zeit vom 21.10.2002 bis 28.02.2003 erfolgen. Als Honorar waren 36.000,00 € zzgl. Umsatzsteuer ausbedungen. Nach § 7 wurde dieser Vertrag erst wirksam mit Erteilung des Zuwendungsbescheides aus Mitteln des Landes Mecklenburg- Vorpommern und des Europäischen Fond für regionale Entwicklung.

Die Zuwendungsbescheide datieren vom 12.12. und vom 19.12.2002.

Der Beklagte beendete seine Tätigkeit bei der Schuldnerin nach seinem Vorbringen am 11.11.2002. Er legte zwei Gutachten vor, und zwar das "Unternehmenskonzept zur weiteren Entwicklung der M. und S. GmbH", sowie eine "Absatzkonzeption" am 20.12.2002. Die erste Rechnung des Beklagten an die Schuldnerin vom 02.12.2002 endet mit 16.000,00 € zzgl. Umsatzsteuer, die zweite Rechnung vom 20.12.2002 schließt mit 12.000,00 € ab. Beide Rechnungen waren "Sofort Nettokasse" zu begleichen. Die Schuldnerin zahlte an den Beklagten am 13.01.2003 30.000,00 € und am 15.01.2003 weitere 2.480,00 €. Zum Zeitpunkt der Zahlungen war die Schuldnerin zahlungsunfähig. Am 30.01.2003 beantragte sie deswegen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen (AG Stralsund, 14 IN 82/03). Das Verfahren wurde am 25.03.2003 eröffnet; der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Nach Insolvenzanfechtung begehrt er Rückzahlung der 32.480,00 € nebst Zinsen zur Insolvenzmasse.

Er trug vor, die Schuldnerin sei bereits seit 31.07.2002 zahlungsunfähig gewesen; dies weise der Zwischenabschluss ihrer Steuerberater aus, den sie anlässlich eines Gesellschafterwechsels habe erstellen lassen. Der Beklagte habe aufgrund seiner Tätigkeit als Unternehmensberater die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gekannt. Zur Erfüllung seines Auftrages habe die Schuldnerin ihm im Oktober/November 2002 die Debitoren- und Kreditorenaufstellungen sowie später auch die betriebswirtschaftlichen Auswertungen der Monate Januar bis November 2002 übergeben. Ein Mitarbeiter des Beklagten habe am Geschäftssitz der Schuldnerin erlebt, dass Gläubiger bereits im November/Dezember 2002 zur Begleichung ihrer seit langem offenen Forderungen vorstellig geworden seien.

Der Beklagte wandte ein, er sei davon ausgegangen, dass die Sanierung der Schuldnerin gelingen werde. Aus dem ihm vorliegenden Zwischenabschluss zum 31.07.2002 habe sich keine Überschuldung der Schuldnerin ergeben. Zahlenmaterial habe diese ihm nur rudimentär zur Verfügung gestellt. Jedenfalls seien ihm bei Erhalt der Zahlungen im Januar 2003 weder die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin, noch zwingend daraufhin deutende Umstände bekannt gewesen.

Das Landgericht wies die Klage mit der Begründung ab, die Anfechtung gem. § 130 InsO greife nicht durch, da der Kläger nicht habe beweisen können, dass der Beklagte die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zum Zeitpunkt der Zahlungen gekannt habe. Zu den Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. In Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens betont er insbesondere, dass die Beklagte die betriebswirtschaftlichen Auswertungen der Monate bis November 2002 erhalten habe, dass der Mitarbeiter der Beklagten zugegen gewesen sei, als Gläubiger die Zahlung ihrer offenen Forderungen angemahnt hätten und dass der Geschäftsführer der Schuldnerin dem Beklagten bzw. seinen Mitarbeitern mitgeteilt habe, dass die Schuldnerin Sozialversicherungsbeiträge nicht in dem geschuldeten Umfang bezahlt habe.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Rostock vom 02.05.2006 den Beklagten zu verurteilen, an ihn 32.480,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.12.2005 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Verteidigung des landgerichtlichen Urteils wiederholt er, dass ihm die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin im Januar 2003 nicht bekannt gewesen sei. Die betriebswirtschaftlichen Auswertungen für die Zeit von Mai bis November 2002 habe die Schuldnerin ihm, dem Beklagten, nicht während seiner Tätigkeit zur Verfügung gestellt. Die Unterlagen für Oktober und November 2002 hätten die Steuerberater der Schuldnerin offensichtlich erst am 11.12. und 19.12.2002 erstellt, somit nach Abschluss seiner Beratungstätigkeit. Im Übrigen seien diese Unterlagen nicht aussagekräftig. Selbst wenn man die Richtigkeit der von dem Kläger vorgelegten Zahlen unterstelle, sei frühestens zum 19.12.2002 für einen Dritten erkennbar gewesen, dass die Schuldnerin überschuldet gewesen sei. Er wiederholt, dass ihm nur die von dem Steuerberater bestätigten Unterlagen per 28.02.2002 vorgelegen hätten. Auf dieser Basis und den innerbetrieblichen, nicht vom Steuerberater bestätigten Auswertungen per 31.03. und 30.04.2002, habe er, der Beklagte, das Unternehmenskonzept erarbeitet. Eingearbeitet worden seien die Angaben der Schuldnerin zu den einzelnen Monaten bis September 2002. Im Übrigen bestreite er, dass in seinem bzw. eines Mitarbeiters Beisein Gläubiger offene Forderungen angemahnt hätten und dass der Geschäftsführer der Schuldnerin ihm, dem Beklagten gegenüber geäußert habe, dass er die Sozialversicherungsbeiträge nur teilweise entrichtet habe.

Außerdem liege ein anfechtungsfreies Bargeschäft vor, da die Rechnungen erst nach Erteilung der Zuwendungsbescheide, d. h. nach dem 19.12.2002 fällig geworden und die Zahlungen noch in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang erfolgt seien.

Im Dezember 2002 habe die Schuldnerin mit der D. Bank Gespräche über eine Erhöhung des Kreditrahmens um 200.000,00 € geführt. Der Senat hat hierüber Beweis erhoben gem. Beweisbeschluss vom 04.04.2007 (Bl. 552-553 d. A.). Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Terminsprotokoll vom 18.06.2007 (Bl. 564-570 d. A.) verwiesen.

II.

Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rückgewähr der angefochtenen Zahlungen der Schuldnerin vom 13.01.2003 und 12.01.2003 gem. den §§ 130, 143 InsO zu, da es sich vorliegend um Bargeschäfte gem. § 142 InsO handelte. Leistungen des Schuldners, für die unmittelbar gleichwertige Gegenleistungen in sein Vermögen gelangt sind, sind nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO gegeben sind. Dies ist nicht der Fall. Vorliegend kommt nur eine Insolvenzanfechtung gem. § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO in Betracht.

a) Die Zahlung des angemessenen Honorars für ernsthafte und nicht von vornherein aussichtslos erscheinende Sanierungsbemühungen - wie hier - kann selbst bei deren Scheitern nach den Grundsätzen über das Bargeschäft der Deckungsanfechtung entzogen sein (vgl. BGH Urteil vom 28.01.1988 - IX ZR 102/87, ZIP 1988, 324; BGH Urteil vom 18.07.2002 - IX ZR 480/00, ZIP 2002, 1540 = NJW 2002, 3252). So liegt es hier.

Für die Annahme eines Bargeschäfts ist wesentliche Voraussetzung, ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung (BGH, Urteil vom 18.07.2002 - IX ZR 195/01, ZIP 2002, 1625 = NZI 2002, 543). In dem weiteren Urteil vom 18.07.2002 (IX ZR 480/00), das die Bezahlung des Honorars für den mit einer Unternehmenssanierung beauftragten Rechtsanwalt betrifft, sieht der BGH den zeitlichen Zusammenhang nicht mehr gegeben, wenn die am 30. Juli fällige Zahlung erst am 22. September erfolgt.

Der von der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 28, 344 [347]; WM 1955, 404) geforderte enge zeitliche Abstand zwischen dem Auftrag bzw. Vertragsschluss und der Erbringung der Vergütung für den Auftrag ist noch gegeben. Wann ein Bargeschäft vorliegt, entscheidet sich nach der Verkehrsauffassung; kurzfristige Nachleistung des einen Teils braucht nicht notwendig dagegen zu sprechen und den Sachverhalt anfechtbar zu machen (BGH WM 1955, 405). Ein Bargeschäft wird etwa verneint, wenn zwischen Vertragsschluss und Zahlung zwei oder vier Monate liegen. Die Leistungen müssen in unmittelbarem Zusammenhang, d. h. Zug um Zug oder in engem zeitlichen Zusammenhang ausgetauscht worden sein. Die Zeitspanne zwischen Leistung und Gegenleistung darf nicht so lang sein, dass sie unter Berücksichtigung der üblichen Zahlungsbräuche den Charakter eines Kreditgeschäftes annimmt. Insbesondere liegt kein Bargeschäft mehr vor, wenn dem bei Fälligkeit nicht zahlenden Schuldner mittels Stundung ein Zahlungsaufschub gewährt wird (Dauenheim in Frankfurter Kommentar zur InsO, 4. Aufl., Rn. 5 zu § 142). In seinem Urteil vom 17.11.1958 (BGHZ 28, 344) lässt der Bundesgerichtshof einen zeitlichen Abstand von etwa drei Wochen zwischen dem Auftrag und der Gegenleistung (Abtretung) einem Bargeschäft nicht entgegen stehen. Entsprechend liegt es hier. Die Schuldnerin bezahlte die Rechnungen vom 02.12.2002 und 20.12.2002, am 13.01.2003 und 15.01.2003. Erstere Rechnung bezog sich auf den Beratervertrag vom 22.10.2002. Diese wurde fällig erst mit Rechtswirksamkeit des Vertrages vom 22.10.2002. Rechtswirsamkeit trat erst mit Erteilung der Zuwendungsbescheide vom 12.12. und 19.12.2002 ein. Zur Bezahlung dieser Rechnung war mithin die Schuldnerin erst nach Zugang der genannten Zuwendungsbescheide verpflichtet, dies kann frühestens am 21. oder 22.12.2002 gewesen sein wobei der Senat davon ausgeht, dass der letztere Bescheid innerhalb der normalen Postlaufzeit zuging. Die zweite Rechnung vom 20.12.2002 über 13.920,00 € war gleichfalls erst nach Erteilung des Zuwendungsbescheides und deren Zugang fällig. Unter Berücksichtigung der normalen Postlaufzeit war dies hier am 23.12.2002. Berücksichtigt man weiter, dass zwischen der Fälligkeit der Rechnungen und der Zahlung die Weihnachts- und Neujahrstage lagen, so ist von einem unmittelbaren Zusammenhang zwischen Rechnungsstellung/Fälligkeit und Leistung auszugehen.

b) Die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO liegen nicht vor, denn eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung kann der Schuldnerin nicht vorgeworfen werden, insbesondere gewährte sie dem Beklagten keine inkongruente Deckung, aus der sich ein starkes Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners ergibt (Dauernheim in Frankfurter Komm. zur InsO, Rn. 12 zu § 133 m.w.N.; BGH ZIP 2004, 1060).

c) Der Senat musste deswegen nicht entscheiden, ob die Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO tatsächlich vorliegen und der Beklagte wusste, dass die Schuldnerin am 13. bzw. 15.01.2003 zahlungsunfähig war oder ob er zumindest Umstände kannte, die zwingend auf Zahlungsunfähigkeit schließen ließen (§ 130 Abs. 1 Nr. 1, 2 InsO).

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.

Ende der Entscheidung

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