Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 10.01.2005
Aktenzeichen: 3 W 130/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 542 Abs. 2
ZPO § 574 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss

Geschäftszeichen 3 W 130/04

In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht E., den Richter am Oberlandesgericht Dr. J. und die Richterin am Oberlandesgericht B. am 10.01.2005 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Landgerichts Stralsund vom 08.12.2004 (Az.: 6 O 668/04) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens die Antragstellerin zu 1) (P. M. GbR) trägt.

Die Kosten der Beschwerde tragen die Antragsteller zu 1) bis 3) jeweils zu 1/3.

Gegenstandswert der Beschwerde: bis 5.000 €

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer zu 3) mietete durch Mietvertrag vom 21.05.1996 von der Antragsgegnerin ein Ladenlokal im Haus L. Straße 62 in G. an, und zwar zur Nutzung als Ladengeschäft für Parfümerie- und Kosmetikartikel. Die L. Straße ist die Hauptgeschäftsstraße in G. Der Antragsgegnerin gehören die an das Grundstück L. Straße 62 anschließenden Grundstücke L. Straße 64 und 66 sowie jenseits der S. Straße das Eckgrundstück L. Straße 70. Das Eckgrundstück L. Straße/S. Straße, postalische Anschrift L. Straße 68, gehört einem Dritten.

Dem Vortrag der Antragsteller zufolge beabsichtigt die Antragsgegnerin, das Ladenlokal im Eckgrundstück L. Straße 70 an die D. AG zu vermieten, die dort eine Parfümerie betreiben will. Die Antragstellerin zu 1), die Parfümerie M. GbR, beantragte, der Antragsgegnerin durch einstweilige Verfügung zu verbieten, Geschäftsräume auf diesem Grundstück an eine Filiale der D. AG zum Betrieb einer Parfümerie oder an diese selbst zur Weitervermietung zum Betrieb einer Parfümerie zu vermieten, hilfsweise der Antragsgegnerin aufzugeben, die Aufnahme des Betriebs einer Parfümerie bzw. deren Fortführung in den Räumlichkeiten L. Straße 70 zu verhindern.

Das Landgericht Stralsund wies diesen Antrag zurück, wobei es in seinem Beschlussrubrum die Parfümerie M. GbR als Antragstellerin zu 1) und deren Gesellschafter G. S. und F. S. jeweils als weitere Antragsteller aufführte. Gegen diesen Beschluss wenden sich sowohl die Antragstellerin zu 1), die Parfümerie M. GbR, als auch deren Gesellschafter als weitere Beschwerdeführer. Das Landgericht half ihrer Beschwerde nicht ab.

II.

Die Beschwerde aller Beschwerdeführer ist zulässig. Da das Landgericht sowohl die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als auch deren Gesellschafter als Antragsteller bezeichnet und deren Antrag zurückweist, sind auch die Letzteren durch den Beschluss beschwert, sodass sie ein Rechtsmittel einlegen können.

III.

Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

1.

Der Senat hat zunächst Bedenken gegen den Verfügungsgrund, denn besonders dringlich erscheint die Angelegenheit nicht. Die Antragstellerin zu 1) forderte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 23.09.2004 auf, bis zum 08.10.2004 zu erklären, dass sie das Objekt L. Straße 70 nicht an eine D.-Filiale vermieten werde. Ungeachtet dessen beantragte sie erst am 03.12.2004 den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Dies ist insofern unverständlich, als die Antragsgegnerin mit Anwaltschreiben vom 01.11.2004, das bei den Verfahrensbevollmächtigen der Antragstellerin am 04.11.2004 eingegangen ist, erwidert hatte, dass sie die Vermietung nicht unterlassen und eine dahingehende Erklärung nicht abgeben werde. Wenn die Antragstellerin ungeachtet der sie bedrohenden Vermietung erst nach geraumer Zeit die einstweilige Verfügung beantragt, widerlegt sie selbst die der vorherigen Anhörung der Antragsgegnerin entgegenstehende Dringlichkeit.

2.

Ob sich die Eilbedürftigkeit nachträglich ergeben kann, weil, wie die Beschwerdeführer in ihren Schriftsätzen vom 06.01.2005 und 07.01.2005 behaupten, die Bauarbeiten auf dem Grundstück L. Straße 70 begonnen haben und die Vermietung des dort befindlichen Ladenlokals bevorsteht, kann dahinstehen, denn die Beschwerdeführer können nicht verlangen, dass die Antragsgegnerin von einer Vermietung des Ladenlokals L. Straße 70 an die D. AG absieht.

a)

Rechte aus dem Mietvertrag kann ohnehin nur der Gesellschafter F. M. S. [Beschwerdeführer zu 3]) geltend machen, weil nur er Mieter ist. Daher sind die Anträge der M. GbR und der Gesellschafterin G. S. mangels Aktivlegitimation unbegründet.

b)

Nach gefestigter Rechtsprechung schuldet der Vermieter dem Mieter mangels gegenteiliger vertraglicher Vereinbarung einen vertragsimmanenten Konkurrenzsschutz (BGH ZMR 1955, 200; BGH WM 1968, 699; BGHZ 70, 79 = NJW 1978, 585; BGH NJW 1979, 1404; BGH NJW 1985, 2258 = ZIP 1985, 935). In Anschluss an die Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 119, 353; RGZ 131, 274) schließt der Bundesgerichtshof (WM 1968, 699; NJW 1979, 1404) nicht aus, die Konkurrenzschutzpflicht des Vermieters nicht nur auf das eigentliche Mietgrundstück, sondern auch auf Nachbargrundstücke desselben Vermieters zu erstrecken (ebenso OLG Frankfurt, NJW-RR 1988, 396; OLG Celle OLG-Report 2000, 150).

Einen darüber hinausgehenden Konkurrenzschutz kann der Beschwerdeführer zu 3) nicht beanspruchen.

Eine extensive Ausdehnung des Konkurrenzschutzes ist nicht geboten, denn jeder Gewerbetreibende trägt das Risiko seines geschäftlichen Erfolges und muss sich im Wettbewerb aufgrund seines Leistungs- oder Warenangebots, seiner Fähigkeiten oder seiner Preise behaupten. Er kann in aller Regel nicht erwarten, dass ihn ein Dritter in dieser Hinsicht unterstützt. Insofern ist die aus der Verpflichtung des Vermieters zur Gewährung des ungestörten Mietgebrauchs abgeleitete Konkurrenzschutzpflicht schon die Ausnahme. Sie begründet nur die Erwartung des Mieters, dass er jedenfalls in dem Gebäude, in dem er geschäftlich tätig ist, nicht mit Konkurrenz zu rechnen braucht. In diesem Rahmen ist dem Vermieter zuzumuten, bei der Vermietung auf das Interesse vorhandener Mieter, nicht dem Wettbewerb im selben Haus ausgesetzt zu sein, Rücksicht zu nehmen. Demgemäß kann der Mieter nur darauf vertrauen, dass sich in unmittelbarer Nachbarschaft seines Ladenlokals kein Konkurrent niederlässt. Keinesfalls ist es geboten, einen Vermieter, dem in einer Gemeinde oder Stadt mehrere gewerblich genutzte Mietgrundstücke gehören, mit verstärkten Konkurrenzschutzpflichten zu belasten. Dies würde seine Handlungsfähigkeit erheblich beeinträchtigen. Daher kann ein Vermieter, dem - wie vorliegend - in einem innerstädtischen Geschäftszentrum mehrere Grundstücke gehören, nicht gehalten sein, nur derart zu vermieten, dass seine Mieter nicht gegenseitig in Wettbewerb stehen (vgl. BGH WM 1968, 699; BGH NJW 1979, 1404). Die ausnahmsweise Ausdehnung des vertragsimmanenten Konkurrenzschutzes auf ein Nachbargrundstück ist allenfalls deshalb zu rechtfertigen, weil die nebeneinanderstehenden Gebäude den Eindruck eines räumlichen Zusammenhangs vermitteln können und sich darauf die Erwartung des Mieters stützt, dass er in diesem Gebäudekomplex vor Wettbewerb geschützt ist.

Vorliegend lassen die örtlichen Verhältnisse nicht den Eindruck aufkommen, dass das Grundstück L. Straße 62, auf dem die Beschwerdeführer ihr Parfümeriegeschäft betreiben, und das Grundstück L. Straße 70 derart unmittelbar benachbart sind. Zwar ist die Entfernung mit 30 Metern vergleichsweise gering, jedoch sind die Grundstücke L. Straße 62 und L. Straße 70 durch die S. Straße getrennt. Auch liegen zwischen ihnen drei weitere Grundstücke, wobei das Eckgrundstück zur S. Straße (postalische Anschrift: L. Straße 68) nicht der Antragsgegnerin gehört. Insbesondere dieser Umstand steht nach Auffassung des OLG Hamm (NJW-RR 1991, 975) der Annahme einer unmittelbaren Nachbarschaft entgegen.

Selbst wenn die Beschwerdeführer vor Anmietung des Ladenlokals sich darüber informiert haben sollten, welche weiteren Grundstücke in der G. Innenstadt der Antragsgegnerin gehören, wäre ihre darauf gestützte Erwartung eines erweiterten Konkurrenzschutzes unerheblich, solange sie sich einen weitere Grundstücke der Antragsgegnerin einbeziehenden Konkurrenzschutz nicht vertraglich ausbedungen haben.

Die besondere Ausstattung des Gebäudes L. Straße 70 mit zwei Schaufensterfronten ist nicht geeignet, eine besondere Rücksichtnahmepflicht der Antragsgegnerin gegenüber den Antragsstellern zu begründen, deren Ladenlokal eine geringere Schaufensterfläche aufweist. Dass sich in einem Ladenlokal mit mehreren Schaufenstern das Warenangebot besser präsentieren lässt als in einem Ladengeschäft mit nur einem Schaufenster, gehört zu dem Wettbewerb, den die Beschwerdeführer hinzunehmen haben. Ebenso muss sich ein Einzelhändler der Konkurrenz überregionaler Einzelhandelsketten stellen. Daher ist nicht von Belang, dass die Beschwerdeführer als ortsgebundene Einzelhändler der D. AG gegenüber, die überregional Parfümeriegeschäfte betreibt, einen schweren Stand haben dürften. Es ist nicht Aufgabe des mietrechtlichen Konkurrenzschutzes, marktregulierend einzugreifen. IV.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerde ergeht gemäß § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Zulassung der Rechtsbeschwerde stehen die §§ 542 Abs. 2, 574 Abs. 1 Satz 2 ZPO entgegen. Ungeachtet des engen Wortlauts des § 542 Abs. 2 ZPO sind Revision und Rechtsbeschwerde gegen Entscheidungen im Arrest- und einstweiligen Verfügungsverfahren generell nicht statthaft (vgl. BGHZ 152, 195 = NJW 2003, 69).

Ende der Entscheidung

Zurück