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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 01.03.2007
Aktenzeichen: 3 W 147/06
Rechtsgebiete: InsO, ZPO


Vorschriften:

InsO § 80
InsO § 116
ZPO § 116 Nr. 1
Die dem Schuldner für einen Aktivprozess bewilligte Prozesskostenhilfe wirkt nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen nicht für und gegen den Insolvenzverwalter. Dem Insolvenzverwalter, dem Prozesskostenhilfe bewilligt wird, ist der von ihm ausgewählte Rechtsanwalt beizuordnen. Er braucht sich nicht auf die Beiordnung des zuvor dem Schuldner beigeordneten Anwalts verweisen zu lassen.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss

3 W 147/06

In dem Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren

betreffend den Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock am 01.03.2007 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landgerichts Rostock vom 10.11.2006 (3 O 32/06) aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Rostock zurückverwiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Die Rechtsbeschwerde des Bezirksrevisors wird zugelassen.

Gründe:

I.

Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen klagte die in Liquidation befindliche Schuldnerin, vertreten durch ihren Notgeschäftsführer, gegen die Beklagten auf Rückerstattung entnommener Bestandteile des Gesellschaftsvermögens. Mit Beschluss vom 01.03.2005 bewilligte das Landgericht der Klägerin Prozesskostenhilfe und ordnete ihr Rechtsanwalt Ka. aus Rostock bei. Am 19.10.2005 eröffnete das Amtsgericht Rostock (60 IN 524/04) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin (Schuldnerin) und bestellte den Antragsteller zum Insolvenzverwalter. Mit Schriftsatz vom 24.04.2006 nahm dieser den unterbrochenen Rechtsstreit gegen die Beklagten zu 2. und zu 4. auf. Am 21.06.2006 beantragte er Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwalts Ku.

Das Landgericht wies das Prozesskostenhilfegesuch mit der Begründung zurück, die der Schuldnerin bewilligte Prozesskostenhilfe wirke fort; im Rahmen der gebotenen sparsamen Prozessführung sei der Kläger gehalten, den Rechtsstreit mit dem der Schuldnerin beigeordneten Rechtsanwalt fortzuführen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner sofortigen Beschwerde. Die Beklagten zu 2. und 4. sowie der Bezirksrevisor bei dem Landgericht beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

1. Die der Schuldnerin bewilligte Prozesskostenhilfe war eingebettet in den Geschäftsbesorgungsvertrag, den sie mit ihrem Prozessbevollmächtigten abgeschlossen hatte. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen erlosch dieser Vertrag gem. § 116 InsO. Die dem Schuldner bewilligte Prozesskostenhilfe wird gegenstandslos, weil er nicht mehr zur Verwaltung und Verfügung über sein Vermögen befugt ist. Ebensowenig wie der Geschäftsbesorgungsvertrag des Schuldners mit dem von ihm beauftragten Rechtsanwalt wirkt die Prozesskostenhilfebewilligung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinaus für und gegen die von dem nunmehrigen Kläger verwaltete Insolvenzmasse. Aus diesem Grunde war sein Prozesskostenhilfeantrag erneut zu bescheiden. Das Landgericht durfte das Gesuch nicht mit der Begründung zurückweisen, die der Schuldnerin gewährte Prozesskostenhilfe wirke fort. Gegen letzteres spricht schon die Tatsache, dass den besonderen Voraussetzungen des § 116 Nr. 1 ZPO zuvor nicht nachzugehen war.

2. Der auf Prozesskostenhilfe angewiesene klagende Insolvenzverwalter, der einen Aktivprozess aufnimmt, ist nicht verpflichtet, das Mandat mit dem Prozessbevollmächtigten der Schuldnerin wieder zu begründen und sich von diesem vor Gericht vertreten zu lassen.

Nach § 80 InsO ist die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Schuldnerin auf den Kläger übergegangen. Er allein entscheidet, welche Verträge er abschließt. Daher obliegt ihm die Auswahl des Rechtsanwalts, dem er Prozessvollmacht erteilt. Wie jede andere Partei hat er grundsätzlich Anspruch auf Beiordnung des Rechtsanwalts, der sein Vertrauen genießt. Insoweit ist das Gericht an seine Auswahl gebunden (Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 121 Rdn. 14). Diese Bindung besteht dann nicht, wenn die Partei, die Prozesskostenhilfe erlangt, mutwillig vermeidbare Kosten zu Lasten der Staatskasse auslöst. So ist es dem Fiskus nicht zuzumuten, mehrere Prozessbevollmächtigte zu finanzieren. Demgemäß kann die Partei nicht erwarten, dass das Gericht ihr auf Kosten der Staatskasse einen anderer Rechtsanwalt beiordnet, wenn sie dem ihr auf ihren Wunsch zunächst beigeordneten nicht mehr vertraut. Damit ist die vorliegende Konstellation nicht vergleichbar. Der prozessführende Insolvenzverwalter ist nicht mit dem Schuldner identisch, er ist eine andere Partei. Wird ihm nach erneuter Prüfung der Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt, so hat er Anspruch auf Beiordnung des Rechtsanwalts seines Vertrauens.

Zur Abmilderung der Kostenbelastung der Staatskasse hat der Senat erwogen, den Insolvenzverwalter grundsätzlich an die von dem Schuldner getroffene Auswahl des beigeordneten Anwalts zu binden und davon nur abzusehen, wenn der Insolvenzverwalter darlegt, dass ihm die Prozessvertretung durch den vormals dem Schuldner beigeordneten Anwalt nicht zuzumuten ist. Hierfür müsste der Insolvenzverwalter Tatsachen vortragen, die gegen die fachliche Qualifikation oder gegen die Person des zuvor beigeordneten Anwalts sprechen, und das Gericht müsste diese bewerten. Diesen Gedanken hat der Senat wieder verworfen, denn eine solche Prüfung ist nicht praktikabel. Vertrauen ist ein persönliches Moment, das ebensowenig objektiv begründbar ist wie fehlendes Vertrauen. Solange nicht Anzeichen für mutwilliges Prozessieren oder Kostenerhöhung zu Lasten der Staatskasse ersichtlich sind, hat das Gericht dem Insolvenzverwalter den Rechtsanwalts seines Vertrauens beizuordnen.

III.

Ob im Übrigen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe vorliegen, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Insoweit verweist er das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren an das Landgericht zurück.

Ende der Entscheidung

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