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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 30.04.2009
Aktenzeichen: 3 W 34/09
Rechtsgebiete: GKG


Vorschriften:

GKG § 68 Abs. 1
GKG § 61
Zur Streitwertbestimmung, wenn in einem selbstständigen Beweisverfahren behauptete Mängel nur teilweise festgestellt werden können.
Oberlandesgericht Rostock

Beschluss

3 W 34/09

In dem selbständigen Beweisverfahren

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock am 30.04.2009 beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Neubrandenburg vom 05.06.2008 wird zurückgewiesen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines an der Peene gelegenen, mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks in L.

Seit dem Jahr 2005 ließ die Antragsgegnerin zu 1) in Teilabschnitten verschiedene Arbeiten der Baumaßnahme "Hafenausbau und Marina L." durchführen. Das ausführende Unternehmen war die Antragsgegnerin zu 2). Die Antragsgegnerin zu 1) beauftragte die Antragsgegnerin zu 3) mit der Bauplanung und Bauüberwachung. Der Antragsgegner zu 4) war angeblich mit der "Beratung am Bau" befasst.

Am 07.04.2006 begann die Antragsgegnerin zu 2) mit Rammarbeiten zur Erneuerung der Uferwand, die sie auf Weisung der Antragsgegnerin zu 1) am 10. oder 11.04.2006 kurzzeitig unterbrach und schließlich am 21.04.2006 beendete.

Bereits am 06.04.2006 bemerkte die Antragstellerin Risse an den Wänden ihres Wohnhauses. Später entdeckte sie auch noch andere Risse. Diese Schäden sind Gegenstand einer außergerichtlichen Auseinandersetzung und des am 15.02.2007 eingeleiteten selbständigen Beweisverfahrens gewesen.

Die Antragstellerin begehrte in der Antragsschrift vom 12.02.2007 gutachtliche Feststellungen unter anderem zum Vorhandensein der näher bezeichneter Risse, zu deren Ursachen, aber auch zu deren Auswirkungen auf die Statik, Lebensdauer, Durchfeuchtung des Mauerwerkes, weitere Folgeschäden und eine etwaige Wertminderung des Gebäudes.

Der Sachverständige Prof. Dr.-Ing. H. erstatte am 03.03.2008 ein schriftliches Gutachten. Hierin führte er aus, dass die Risse auf bauphysikalische und materialbedingte Vorgänge (etwa Schwinden und Quellen) sowie eine nicht fachgerechte Ausführung der Gebäudesanierungsarbeiten im Jahre 1999 zurückzuführen seien. Die Kosten für die Beseitigung der aufgefundenen Risse betrügen EUR 5.500,-.

Die Beschwerde vom 07.02.2009 richtet sich gegen den Beschluss des Landgerichts Neubrandenburg vom 05.06.2008, mit dem es den Streitwert auf EUR 30.000,- festgesetzt hat. Das Landgericht hat der Antragstellerin erst am 26.01.2009 eine Ausfertigung des Beschlusses übersandt. Mit Beschluss vom 16.03.2009 hat es der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Die gemäß § 68 Abs. 1 GKG zulässige Streitwertbeschwerde der Antragstellerin ist unbegründet.

Für die Wertbestimmung in einem selbständigen Beweisverfahren ist das materielle Interesse des Antragstellers an der Begutachtung maßgebend. Das Interesse richtet sich nach dem zu sichernden Anspruch, in aller Regel also nach dem erforderlichen Aufwand für die Beseitigung der behaupteten Schäden oder Mängel.

Nach der Rechtsprechung des 3. Zivilsenats des BGH ist der von einem Antragsteller bei Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens geschätzte Wert (§ 61 GKG) weder bindend noch maßgeblich. Nach Einholung des Gutachtens hat das Gericht den "richtigen" Hauptsachewert, bezogen auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung und das Interesse des Antragstellers, festzusetzen (BGH, Beschluss v. 16.09.2004, III ZB 33/04, NJW 2004, 3488; vgl. auch BGH; Beschluss v. 20.04.2005, XII ZR 92/022, NJW-RR 2005, 1011; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 17.02.2009, I-10 W 132/08, 10 W 132/08, veröffentlicht in der Jurisdatenbank; OLG Hamburg, Beschluss v. 01.02.2000, 9 W 2/00, NJW-RR 2000, 827, 828; Zöller/Herget, Zivilprozessordnung, Kommentar, 27. Auflage, § 3, Rn 16, Stichwort "Selbständiges Beweisverfahren" m.w.N.). Werden nicht alle behaupteten Mängel vom Sachverständigen bestätigt, sind für die Streitwertfestsetzung diejenigen Kosten zu schätzen, die sich ergeben hätten, wenn die Mängel festgestellt worden wären (BGH Beschluss v. 16.09.2004, a.a.O.). Stellt der Sachverständige die behaupteten Mängel nicht fest und bestimmt er deshalb keine Beseitigungskosten, ist der Wert nicht auf den Mindestbetrag von EUR 300,00, sondern unter Zugrundelegung der Behauptungen zu den Mängeln festzusetzen (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.; OLG Celle, Beschluss v. 05.03.2008, 14 W 6/08, BauR 2008, 1188; OLG Naumburg, Beschluss v. 10.10.2007, 12 W 92/07, BauR 2008, 873). Können in einem Beweisverfahren nicht alle behaupteten Mängel bestätigt werden, sind für die Streitwertfestsetzung diejenigen Kosten zu schätzen, die sich ergeben hätten, wenn jene Mängel festgestellt worden wären (OLG Jena OLG-Report 2001, 132).

Das Gericht schätzt den Streitwert auf EUR 30.000,-.

Zwar konnte der Sachverständige das Vorhandensein der von der Antragstellerin behaupteten Risse "vollinhaltlich bestätigen", jedoch waren die Arbeiten im Zusammenhang mit dem Hafenausbau, vor allem die Rammarbeiten für diese Schäden nicht ursächlich. Bei einer solchen Sachlage kann zur Bemessung des Gegenstandswertes der vom Sachverständigen kalkulierte Aufwand nicht herangezogen werden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.07.2003, I-21 W 35/03, 21 W 35/03, NJW-RR 2003, 769).

Die vom Sachverständigen näher dargelegten und bezifferten Kosten für die "Mängelbeseitigung" betreffen allein die an den jeweiligen Wänden sichtbaren Risse. Der Sachverständige konstatierte, dass eine Feuchtigkeitsschäden und weitere Folgeschäden möglich seien, wenn die Risse nicht beseitigt würden. Die von der Antragstellerin befürchteten Auswirkungen auf die Statik und Lebensdauer des Gebäudes sowie eine Minderung des Wertes des Hauses konnte der Sachverständige indes nicht feststellen.

Es ist äußerst nahe liegend, dass die Beschädigung des Gebäudes weitaus erheblicher gewesen wäre, wenn sich die durch den Hafenausbau, vor allem durch die Rammarbeiten verursachten Erschütterungen tatsächlich auf das Haus der Antragstellerin ausgewirkt hätten. Die Risse an der Wandoberfläche wären nur ein Anzeichen für tiefer liegende, die Statik beeinflussende Schäden gewesen. Gerade die Klärung der Ursachen und Folgen der Risse war für die Antragstellern von entscheidender Bedeutung, so dass sich der Streitwert hieran orientieren muss. Mit einem Betrag von EUR 30.000,- ist der objektive Wert keinesfalls zu hoch bemessen. Denn die Beschädigung tragender Bauwerksteile hätte sich vermutlich auf die Stabilität des gesamten Gebäudes ausgewirkt. Die Beseitigung eines solchen Schadens hätte einen erheblichen Mehraufwand gegenüber dem Verfüllen der Risse mit Mörtel (und den damit einhergehenden Arbeiten) bedeutet.

Aus § 68 Abs. 3 GKG folgt, dass das Verfahren über die Beschwerde gebührenfrei ist und außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden.



Ende der Entscheidung

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