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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 14.10.2004
Aktenzeichen: 3 W 74/04
Rechtsgebiete: ZPO, GVG, StPO, RPflG, JBeitrO


Vorschriften:

ZPO § 771
ZPO § 928
GVG § 5
GVG § 17 a
GVG § 17 a Abs. 2
GVG § 17 a Abs. 4 Satz 4
GVG § 17 b Abs. 2
StPO § 98 Abs. 2 Satz 2
StPO § 111 c
StPO §§ 111 d ff.
StPO § 111 d Abs. 1
StPO § 111 d Abs. 2
StPO § 111 e
StPO § 111 f Abs. 3
StPO § 111 l Abs. 6
StPO § 304
RPflG § 11
RPflG § 31 Abs. 1 Nr. 2
RPflG § 32
JBeitrO § 2 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss

3 W 74/04

In dem Rechtsstreit

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Eckert, die Richterin am Oberlandesgericht Bartmann und die Richterin am Landgericht Feger

am 14.10.2004 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Rostock vom 25.06.2004 - Az.: 9 O 441/03 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Wert der Beschwerde: 20.000,00 €

Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Staatsanwaltschaft Rostock ermittelt u. a. gegen den Beschuldigten J.H. wegen des Verdachtes des Bandendiebstahls und der Hehlerei im Zusammenhang mit dem Diebstahl von Kraftfahrzeugen (Az.: 364 Js 654/03).

In dem o. g. Ermittlungsverfahren ordnete der Ermittlungsrichter am Amtsgericht Rostock mit Beschluss vom 04.09.2003 zur Sicherung der den Verletzten aus den Straftaten erwachsenen zivilrechtlichen Ansprüche den dinglichen Arrest i. H. v. 86.350,00 € in das Vermögen des Beschuldigten J. H. an (Az.: 35 Gs 1369/03).

In Vollziehung des dinglichen Arrestes pfändete die Staatsanwaltschaft Rostock am 11.09.2003 einen Pkw Audi A 8 mit dem amtlichen Kennzeichen DBR-... .

Der Kläger erhob am 30.10.2003 bei der 9. Zivilkammer des Landgerichts Rostock Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO mit der Behauptung, er sei Eigentümer des gepfändeten Pkw.

Er ist der Ansicht, für seine Klage sei der Zivilrechtsweg eröffnet.

Mit Beschluss vom 25.06.2004 erklärte die 9. Zivilkammer des Landgerichts Rostock den angerufenen Rechtsweg vor den Zivilgerichten für unzulässig und verwies den Rechtsstreit in entsprechender Anwendung des § 17 a Abs. 2 GVG an die Strafabteilung des Amtsgerichts Rostock.

Gegen den am 29.06.2004 zugestellten Beschluss legte der Kläger mit am 13.07.2004 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde ein.

Mit Beschluss vom 30.07.2004 half die 9. Zivilkammer des Landgerichts Rostock der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte sie dem Senat zur Entscheidung vor.

II.

Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 13.07.2004 gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Rostock vom 25.06.2004 ist unbegründet.

1.

Für den vorliegenden Rechtsbehelf des Klägers ist der Rechtsweg zu den Strafgerichten eröffnet.

Dem Dritten, der an der in Vollziehung eines Arrestbeschlusses nach § 111 d StPO gepfändeten Sache ein die Veräußerung hinderndes Recht geltend macht, stehen nicht die Vollstreckungsrechtsbehelfe der Zivilprozessordnung, sondern die Rechtsbehelfe nach der Strafprozessordnung offen. Der Dritte kann entsprechend § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO die richterliche Entscheidung beantragen und dagegen Beschwerde entsprechend § 304 StPO einlegen.

Die Frage, ob für den Rechtsbehelf eines Dritten gegen Vollziehungsmaßnahmen des dinglichen Arrestes nach § 111 d StPO die Strafgerichte oder die Zivilgerichte zuständig sind, ist umstritten.

Für eine Zuständigkeit der Strafgerichte haben sich das Oberlandesgericht Stuttgart mit Urteil vom 02.11.1999 (Az.: 12 U 156/99) und dem folgend das Landgericht Saarbrücken mit Beschluss vom 12.12.2001 (wistra 2002, 158 ff.) und das Landgericht Berlin mit Beschluss vom 25.04.2003 (wistra 2004, 38 f.) in Übereinstimmung mit der weitgehenden Meinung in der Literatur (Karlsruher Kommentar - Nack, Kommentar zur StPO, 5. Aufl., § 111 e Rn. 19; Meyer-Goßner, Kommentar zur StPO, 47. Aufl., § 111 f Rn. 14; Heidelberger Kommentar - Lemke, Kommentar zur StPO, § 111 d Rn. 9 und 111 f Rn. 10; Pfeiffer, Kommentar zur StPO, 4. Aufl., § 111 f Rn. 6) ausgesprochen.

Demgegenüber vertreten das Oberlandesgericht Hamburg mit Beschluss vom 12.12.2002 (NJW-RR 2003, 715 f.) und dem folgend das Amtsgericht Saarbrücken mit Beschluss vom 14.12.1999 wistra 2000, 194 ff.) die Auffassung, dass der Dritte im Wege der Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO im Zivilrechtsweg vorgehen müsse.

Der Senat schließt sich der Ansicht an, die die strafprozessualen Rechtsbehelfe gegen eine Maßnahme in Vollziehung eines dinglichen Arrestbeschlusses gemäß § 111 d StPO für einschlägig hält.

a)

Eine ausdrückliche Zuständigkeitsregelung lässt sich den Vorschriften der §§ 111 d ff. StPO nicht entnehmen. Weder der Verweis des Oberlandesgerichts Hamburg auf eine Zuständigkeit der Zivilgerichte nach §§ 111 d Abs. 2 StPO, 928 ZPO, 771 ZPO noch die Ausführungen des Landgerichts Saarbrücken, die Zuständigkeit der Strafgerichte ergebe sich aus der Nichtanwendung des § 11 RPflG über §§ 32, 31 Abs. 1 Nr. 2 RPflG sind zwingend.

b)

Das weitere Argument des Oberlandesgerichts Hamburg für den Zivilrechtsweg, die Sachnähe spreche für die Zuständigkeit der Zivilgerichte, vermag den Senat nicht zu überzeugen. In den unterschiedlichsten Bereichen (z. B. bei den Betrugs- und Untreuetatbeständen nach §§ 263, 266 StGB oder bei der Einziehung von Gegenständen nach § 74 StGB) überprüfen die Strafgerichte die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnisse.

c)

Dagegen ist die Begründung für eine Zuständigkeit der Strafgerichte, ansonsten bestehe die Gefahr divergierender Entscheidungen, ebenfalls nicht stichhaltig. Der Kläger greift nicht die Primärmaßnahme des Strafrichters, nämlich die Anordnung des dinglichen Arrestes gemäß § 111 d StPO an, sondern dessen Vollziehung in den konkret gepfändeten Gegenstand. Im Unterschied zu der Anordnung einer Beschlagnahme nach § 111 c StPO entscheidet der Strafrichter bei einem dinglichen Arrest nicht über die Sicherstellung des konkreten Gegenstandes.

d)

Nach Auffassung des Senates spricht jedoch für die Zuständigkeit der Strafgerichte die Systematik der Strafprozessordnung, wonach die während eines laufenden Ermittlungs- und Strafverfahrens anfallenden Entscheidungen und Maßnahmen dem Strafrichter obliegen. Die strafprozessualen Primärmaßnahmen des Arrestes oder der Beschlagnahme und deren Vollzug dienen der Vorbereitung und Sicherung der Anordnung des Verfalls oder der Einziehung in einem zukünftigen Strafurteil. Dies spricht dafür, auch die vorbereitenden Maßnahmen, die nur vorläufigen Charakter haben, ebenfalls in die Zuständigkeit der Strafgerichte zu geben. Dass es sich bei der Vollziehung des Arrestes um eine strafprozessuale Maßnahme der Rückgewinnungshilfe handelt, zeigt auch die ausdrückliche Übertragung der Zuständigkeit für die Vollziehung gemäß § 111 f Abs. 3 StPO i. V. m. § 2 Abs. 1 JBeitrO auf die Staatsanwaltschaft und nicht auf den im Rahmen der zivilen Zwangsvollstreckungsverfahren zuständigen Gerichtsvollzieher. Der Hinweis des Klägers, bei einer möglichen Notveräußerung handele es sich nicht mehr um eine vorläufige Sicherung, sondern es würden nicht wiedergutzumachende Umstände eintreten, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn im Falle der Notveräußerung hat sich der Gesetzgeber in § 111 l Abs. 6 StPO ausdrücklich für eine ausschließliche Zuständigkeit des Strafrichters entschieden.

Der Senat verkennt dabei nicht, dass es nicht um die Anordnung des dinglichen Arrestes nach § 111 d Abs. 1 StPO geht, sondern um dessen Vollziehung. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Pfändung eines Gegenstandes durch die Staatsanwaltschaft nur rechtmäßig ist, wenn sie auf Grundlage des Beschlusses über den dinglichen Arrest gemäß § 111 d Abs. 1 StPO erfolgt. Über den Bestand des Arrestbeschlusses entscheidet gemäß § 111 e StPO allein das Strafgericht. Hebt dieses im Rahmen des laufenden Strafverfahrens den Arrestbeschluss auf, so ist damit gleichzeitig auch die Pfändungsmaßnahme aufzuheben und der gepfändete Gegenstand herauszugeben. Daher kann die Vollziehung nicht unabhängig von der Anordnung des dinglichen Arrestes gesehen werden.

2.

Das Landgericht Rostock hat im angefochtenen Beschluss zu Recht den Rechtsstreit in entsprechender Anwendung des § 17 a Abs. 2 GVG an die Strafabteilung des Amtsgerichts Rostock verwiesen.

§ 17 a Abs. 2 GVG sieht ausdrücklich nur die Verweisung an ein rechtswegfremdes Gericht vor. Die entsprechende Anwendung des § 17 a GVG auf den vorliegenden Fall einer rechtsweginternen Verweisung durch das Zivilgericht an das Strafgericht ist aber nach dem Sinn und Zweck der Verweisungsvorschrift geboten. Mit der Verweisungsmöglichkeit soll für die Parteien ein langer Streit über den richtigen Rechtsweg vereinfacht und verkürzt werden. Diese Interessenlage besteht auch bei Anrufung eines falschen Gerichts innerhalb eines Rechtsweges.

Unter Berücksichtigung dieser gesetzgeberischen Zielsetzung hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 05.04.2001 (NJW 2001, 2181 f.) im Verhältnis zwischen freiwilliger und ordentlicher streitiger Gerichtsbarkeit die Möglichkeit einer entsprechenden Anwendung des § 17 a Abs. 2 GVG nicht nur für echte Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit bejaht, sondern auch für die Antragsverfahren in der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

Nachteile für die Parteien ergeben sich durch die Verweisung an die Strafabteilung des Amtsgerichts Rostock nicht. Das Landgericht Rostock hat zutreffend darauf hingewiesen, dass dem beklagten Land nach § 17 b Abs. 2 GVG keine Kostenerstattungsprobleme dadurch entstehen, dass es zunächst durch die anhängige Zivilklage in eine Parteirolle gedrängt wurde.

Bedenken, die aufgrund der strukturellen Besonderheiten bei einer Verweisung durch das Strafgericht an das Zivilgericht entstehen können (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 04.08.1992, Az. 1 VAs 44/92; OLG Stuttgart, Beschluss vom 27.08.2001, Az. 2 Ws 165/01, wistra 2002, 38 f.), bestehen bei der Verweisung durch das Zivilgericht an das Strafgericht nicht.

3.

Der Senat hat gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 4, 5 GVG die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfragen zugelassen.

Ende der Entscheidung

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