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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 16.07.2007
Aktenzeichen: 3 W 79/07
Rechtsgebiete: GG, SOG M-V


Vorschriften:

GG Art. 20 Abs. 3
GG Art. 104 Abs. 2 Satz 2
SOG M-V § 55 Abs. 1 Nr. 2 lit. a.)
SOG M-V § 55 Abs. 1 Nr. 2 lit. b.)
SOG M-V § 55 Abs. 1 Nr. 2 lit. c.)
SOG M-V § 56 Abs. 5
1. Wird die Fortdauer der Ingewahrsamnahme des Betroffenen zunächst durch das Amtsgericht angeordnet und diese Entscheidung anschließend durch das Landgericht aufgehoben, so ist die sofortige weitere Beschwerde der Polizei auch nach der Freilassung des Betroffenen weiterhin zulässig, inbesondere fehlt der Polizei nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Ihr steht vielmehr ein Feststellungsinteresse im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Ingewahrsamnahme und der amtsrichterlichen Anordnung der Fortdauer des Gewahrsams zu. Das auch besteht, obwohl sie als Ordnungsbehörde selbst Teil der staatlichen Verwaltung ist.

a. Eine fortwirkende Beeinträchtigung einer gerichtlich festgestellten Rechtswidrigkeit der Ingewahrsamnahme durch die Polizei liegt schon darin, dass durch den angefochtenen Beschluss ansonsten diese Vorfrage für einen nachfolgenden Entschädigungs- oder Schadensersatzprozess bindend entschieden wäre.

b. Weiter besteht auch ein Rehabilitationsinteresse der Polizei. Ein solches ist zwar zunächst individuell geprägt, schließt eine Anwendung auf die Polizei als Behörde jedoch nicht aus. Es besteht ein allgemeines Interesse der Bevölkerung, darauf vertrauen zu dürfen, dass polizeiliche Maßnahmen rechtmäßig erfolgen, denn die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns zählt gem. Art. 20 Abs. 3 GG zu den verfassungsrechtlichen Grundprinzipien des Rechtstaats. Ein solches Vertrauen in das Vorgehen der Verwaltung, insbesondere der Polizei bei einschneidenden Grundrechtseingriffen wie der Freiheitsentziehung, kann sich nur entwickeln und fortbestehen, wenn die Maßstäbe dieses staatlichen Handelns gegenüber dem Bürger gesetzlich oder durch die Rechtsprechung klar vorgegeben werden. Insoweit vertritt die Polizei mit ihrer Beschwerde die Interessen der Allgemeinheit.

c) Aufgrund des Feststellungsinteresse der durch die Antragstellerin vertretenen Allgemeinheit an der Maßstabsbildung kann daneben auch eine Wiederholungsgefahr gegeben sein.

2. In dem ursprünglichen Beschwerdeantrag, mit dem die Polizei die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses bis zum Wegfall der Gefahr verfolgt hat, ist der Feststellungsantrag als ein Weniger konkludent enthalten, sodass es einer ausdrücklichen Antragsänderung nicht bedarf.

3. Aus dem Vorliegen eines Regelfalls des § 55 Abs. 1 Nr. 2 lit. a.) - c.) SOG M-V lässt sich nicht ohne weiteres auch ableiten, dass zu befürchten ist, der Betroffene werde im Falle seiner Freilassung die Straftat nunmehr begehen oder fortsetzen. Vielmehr kann auf diese Regelfälle nur insoweit zurückgegriffen werden, als der Richter im Rahmen seiner Entscheidung über die Erforderlichkeit der Fortdauer darin Anhaltspunkte für die Prognose finden kann. Diese Anhaltspunkte muss er aber mit den besonderen Umständen im konkreten Einzelfall verknüpfen und daraus eine Gefahrenschau entwickeln. Nur ausnahmsweise kann deshalb im Einzelfall nur das bloße Vorliegen des Regelfalls ausreichen, wenn sich bereits daraus die hinreichend sichere Gefahrenprognose ergibt

4. Verzögerungen der richterlichen Vorführung des Betroffenen wegen der Zeugenvernehmung des Festnahmebeamten sowie der ADV-Überprüfung des Betroffenen zur Feststellung von Voreinträgen sind sachlich zwingend geboten i.S. von § 56 Abs. 5 SOG M-V und Art. 104 Abs. 2 Satz 2 GG.

5. Auch wenn nach der Beendigung solcher, in 4. genannten Maßnahmen noch ein Zeitraum von drei Stunden vergeht, kann eine richterliche Vorführung aufgrund der Umstände des Einzelfalles, insbesondere nach Massendemonstrationen, bei denen es zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen ist, noch unverzüglich sein.


Oberlandesgericht Rostock

Beschluss

3 W 79/07

In dem Freiheitsentziehungsverfahren betreffend

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock am 16.07.2007 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin wird in Abänderung des Beschlusses des Landgerichts Rostock vom 03.06.2007 festgestellt, dass die polizeiliche Ingewahrsamnahme des Betroffenen am 02.06.2007 und die Anordnung der Fortdauer des Gewahrsams durch Beschluss des Amtsgerichts Rostock vom 03.06.2007 rechtmäßig war.

Der Antrag des Betroffenen, der Beschwerdeführerin oder dem Land Mecklenburg-Vorpommern seine notwendigen Auslagen aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.

Der Betroffene hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gegenstandswert der Beschwerde: bis 1.000,00 €.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin erstrebt die Feststellung der Rechtmäßigkeit ihrer polizeilichen Ingewahrsamnahme des Betroffenen sowie der hierauf bezogenen amtsrichterlichen Anordnung der Fortdauer der Ingewahrsamnahme, die durch den angefochtenen Beschluss des Landgerichts aufgehoben wurden.

Am 02.06.2007, gegen 17.53 Uhr (17.55) Uhr befand sich der Betroffene am Stadthafen Rostock in einer für die Polizei unüberschaubaren gewalttätigen Menschenmenge. Er warf gezielt vier- bis fünfmal Steine bzw. Flaschen auf Polizeibeamte, die durch diese Gegenstände auch getroffen wurden. Im weiteren Verlauf schlug der Betroffene mit seinen Fäusten auf einen Polizeibeamten ein, den er dabei fünfmal am Helm traf. Der Betroffene versuchte andere Festnahmen zu verhindern und leistete bei seiner Festnahme um 17.55 Uhr (18.00) Uhr aggressiven Widerstand, der durch einfache körperliche Gewalt eines Polizeibeamten überwunden wurde. Der Betroffene zog sich dabei eine blutende Verletzung an der Lippe zu.

In dem vom Landgericht zitierten GESA-Ablaufplan sind unter anderem folgende Ereignisse dokumentiert: - 18.56 Uhr Bildaufnahme (erstes Ereignis)

- 19.21 Uhr Eintreffen in der GESA; Bemerkungen: am 02.06.2007 um 18.50 Uhr

- 19.21 Uhr Erfassungs- und Aufnahmedaten

- 19.27 Uhr Zellenzuweisung, Arzt erforderlich

- 19.49 Uhr Zuweisung Sachbearbeiter

- 20.12 Uhr zum Arzt

- 20.24 Uhr zurück vom Arzt

- 21.14 Uhr Vernehmung durchgeführt; Bemerkungen: mit Zeugen POM G. (aus der Zeugenvernehmung des Polizeibeamten [Bl. 12 d. A.] auf die das Landgericht ebenfalls Bezug nimmt, ist ersichtlich, dass die Zeugenvernehmung um 20.01 Uhr begann)

- 21.15 Uhr ADV-Überprüfung; Bemerkungen: negativ

- 21.21 Uhr Anforderung Transport; Bemerkungen: zum Zwecke der ED-Behandlung und Beschuldigtenvernehmung

- 21.42 Uhr Eintreffen UA 3; Bemerkungen: Beginn der Beschuldigtenvernehmung T. K.

- 22.27 Uhr Anforderung Transport; Bemerkungen: Beendigung Vernehmung K.

- 23.01 Uhr ED-Behandlung durchgeführt

- 23.10 Uhr Aufenthaltsverbot angeordnet

- 00.19 Uhr (03.06.2007) sonstiges; Bemerkungen: Vorführung Richter

Im Protokoll des Amtsgerichts Rostock über die mündliche Anhörung des Betroffenen am 03.06 2007 ist als Beginn der Anhörung 00.58 Uhr vermerkt. Vor dem Amtsgericht hat sich der Betroffene nicht zur Sache eingelassen. Mit Beschluss vom selben Tag ordnete das Amtsgericht Rostock die Fortdauer des polizeilichen Gewahrsams bis zum 08.06.2007 um 20.00 Uhr sowie die sofortige Wirksamkeit dieser Entscheidung an, die Polizei hatte im Antrag als Entlassungszeit den 09.06.2007, 12.00 Uhr vorgeschlagen. Das Amtsgericht hielt die polizeiliche Ingewahrsamnahme für rechtmäßig, um eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren, weil der Betroffene die eingesetzten Polizeikräfte mit Steinen und Flaschen beworfen und zudem bei seiner Festnahme Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geleistet habe. Der Amtsrichter schätzte ein, dass der Betroffene ohne Festnahme die Attacke gegen die Polizeikräfte fortgesetzt hätte. Auch die Fortdauer der Ingewahrsamnahme hielt das Amtsgericht für unerlässlich. Der in Bochum wohnhafte Betroffene sei ersichtlich angereist, um friedliche Demonstrationen zu stören und Polizeikräfte anzugreifen. Die gleichartige Störung der bis zum 08.06.2007 stattfindenden Veranstaltungen sei zu befürchten.

Gegen diesen Beschluss legte der Betroffene sofortige Beschwerde ein.

Der Betroffene hat vor dem Landgericht bestritten, Steine oder Flaschen geworfen zu haben, auch habe er sich nicht in einer gewalttätigen Menge befunden. Die Festnahme sei ein Angriff der Polizei gewesen. Er habe sich wegtragen lassen, ohne sich zu wehren. Der Vorwurf der Polizei sei nicht konkret. Der Betroffene rügte, dass die Vorführung erst nach 6 Stunden erfolgt sei. Er, der Betroffene, sei durch die Ingewahrsamnahme nachhaltig beeindruckt und wolle nur nach Hause.

Das Landgericht Rostock hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 03.06.2007 der sofortigen Beschwerde im Wesentlichen, bis auf die Erstattung der außergerichtlichen Kosten, stattgegeben. Zur Begründung führt das Landgericht im Rahmen der Kostenentscheidung aus, dass die Ingewahrsamnahme des Betroffenen ursprünglich zulässig gewesen sei, wofür der Kurzbericht und die Zeugenvernehmung des Festnahmebeamten G. spreche.

Im Rahmen der Begründetheit der sofortigen Beschwerde legt das Landgericht dar, die polizeiliche Ingewahrsamnahme sei wegen Verstoßes gegen das Unverzüglichkeitsgebot rechtswidrig geworden. Die Polizei habe alle unter den Umständen des Einzelfalles gebotenen Maßnahmen zu ergreifen, um die nachträgliche richterliche Entscheidung über die Gewahrsamnahme unverzüglich nachzuholen. Vorliegend habe der Betroffene spätestens nach Abschluss der Vorstellung bei dem Arzt, die ausweislich des GESA-Ablaufberichtes um 20.24 Uhr am 02.06.2007 beendet gewesen war, dem zuständigen Richter zur Herbeiführung einer Fortdauerentscheidung vorgeführt werden müssen. Die in der Zeit bis zur tatsächlichen Vorführung vor dem Richter aufgeführten Tätigkeiten seien nicht derart, dass sie eine sachliche Rechtfertigung für die späte Vorführung vor dem Richter abgeben könnten.

Mit der am 06.06.2007 beim Oberlandesgericht eingegangenen sofortigen weiteren Beschwerde beantragte die Antragstellerin, dass der Beschluss des Amtsgerichts Rostock wieder Bestand haben soll. Sie ist der Ansicht, das Landgericht habe die sachlichen Gründe, die diese Zeitspanne bewirkt hatten, nicht geprüft. Mit Blick auf die den Betroffenen vorgeworfenen Taten und der angestrebten Entscheidung eines Langzeitgewahrsames sei eine gut begründete Vorführung notwendig gewesen.

Der Betroffene hat im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde beantragt, diese zurückzuweisen und der Antragstellerin die notwendigen Auslagen des Betroffenen aufzuerlegen. Er hält die landgerichtliche Entscheidung für zutreffend. Es habe keine unaufschiebbar vorzuziehenden Angelegenheiten mehr gegeben, insbesondere habe weder die ED-Behandlung noch die polizeiliche Vernehmung oder gar die Anordnung eines Aufenthaltsverbotes notwendig vor der ersten richterlichen Anhörung erfolgen müssen. Aufgrund der Verzögerung der Richtervorführung sei der Gewahrsam von Anfang an rechtswidrig gewesen. Ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrages, die Fortdauer des amtlichen Gewahrsames anzuordnen, habe nie vorgelegen. Anwaltlicher Beistand sei zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen. Alle Voraussetzungen für die Kostentragungspflicht, auch hinsichtlich der notwendigen Auslagen des Betroffenen seien gegeben.

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin ist auch nach der Freilassung des Betroffenen im Anschluss an den angefochtenen landgerichtlichen Beschluss weiterhin zulässig, inbesondere fehlt der Antragstellerin nicht das Rechtsschutzbedürfnis.

a) Nach Ablauf des im amtsrichterlichen Beschluss angeordneten amtlichen Gewahrsams am 08.06.2007 um 20.00 Uhr kann die Antragstellerin allerdings die erneute Ingewahrsamnahme des Betroffenen nicht mehr erreichen. Nach Beendigung des G 8-Gipfels am 08.06.2007 liegt offensichtlich keine Gefahrenlage mehr vor. Die noch vor diese Zeitpunkt am 05.06.2007 eingelegte sofortige weitere Beschwerde ist jedoch auch nicht dahingehend zu verstehen, sondern nach verständiger Würdigung so auszulegen, dass die Polizei zum Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels - mit der sie ausdrücklich die Wiederherstellung des amtsrichterlichen Beschlusses beantragt - nur eine Wiederingewahrsamnahme bis zum 08.06.2007, 20.00 Uhr begehrte (vgl. zu einem ähnlichen Fall OLG München FGPrax 2006, 89).

b.) Dennoch ist die sofortige weitere Beschwerde der Polizei nicht unzulässig geworden. Zwar fehlt nunmehr das Rechtsschutzinteresse der Polizei im Hinblick auf die Ingewahrsamnahme des Betroffenen, ein Rechtsschutzinteresse als solches ist jedoch nicht insgesamt entfallen. Vielmehr hat sich dieses Interesse aufgrund der tatsächlichen Veränderung, nämlich des Zeitablaufes und der Freilassung des Betroffenen auf ein anderes Ziel gerichtet.

(1) Kann die Hauptsache nicht mehr erreicht werden, so verbleibt grundsätzlich das Interesse nicht mit den Verfahrenskosten belastet zu werden.

An einer solchen Beschwer fehlt es jedoch vorliegend, da im angefochtenen Beschluss die außergerichtlichen Kosten des Betroffenen nicht erstattet werden, und die Antragstellerin hinsichtlich der Gerichtskosten von den Gebühren befreit ist.

(2) Die Antragstellerin hat jedoch ein Feststellungsinteresse im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Ingewahrsamnahme und der amtsrichterlichen Anordnung der Fortdauer des Gewahrsams. Die Antragstellerin hat zwar ihren ursprünglichen Antrag nicht ausdrücklich in einen (solchen) Feststellungsantrag umgeändert. Der Senat legt den ursprünglichen Antrag jedoch dahingehend aus, dass darin diese Feststellung als ein Weniger gegenüber dem ursprünglichen Begehren konkludent enthalten ist. Auch einer ausdrücklichen Erledigungserklärung der Antragstellerin bedarf es deshalb nicht. Der Senat brauchte sie daher nicht vorab auf diese Möglichkeit hinweisen und ihr dazu rechtliches Gehör aus Art. 103 GG geben (vgl. Keidel/Kunze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 19 Rn. 85 zu diesem Erfordernis gegenüber dem Betroffenen, denn auch wenn keine Erklärung abgegeben wird, ist im Zweifel anzunehmen, dass die Beschränkung einer Beschwerde gewollt sei (vgl. für die Beschränkung auf die Kosten: Keidel/Kunze/Winkler, a.a.O., § 20 a Rn. 6 ).

Das Feststellungsinteresse der Antragstellerin besteht auch, obwohl sie als Ordnungsbehörde selbst Teil der staatlichen Verwaltung ist.

In der Rechtsprechung ist diese Frage umstritten. Gegen die Zulässigkeit wird angeführt, die Behörde als Teil der staatlichen Verwaltung könne eine Verpflichtung zur Gewährung nachträglichen staatlichen Rechtsschutzes nicht aus grundrechtlich geschützten Positionen ableiten (OLG München, FGPrax 2006, 89; folgend LG Frankental, Beschl. v. 30.04.2007 - 1 T 110/07 -; Juris, Rn. 9). Es bestehe kein anerkennenswertes Interesse des Staates, eine zu seinem Nachteil ergangene gerichtliche Entscheidung nachträglich durch eine weitere Instanz überprüfen zu lassen (OLG München, ebd. im Anschluss an OLG Hamburg, NVWZ-RR 1996, 204). Soweit sich das OLG München dabei auf eine Entscheidung des BGH bezieht (BGHZ 109, 108, 110), stimmt der Sachverhalt mit der Problemlage nicht überein. Im damaligen Verfahren vor dem Bundesgerichtshof legte jeweils der Betroffene selbst Beschwerde ein. Diese Rechtsprechung ist durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 104, 220, 232) überholt. Zudem konnte der Beschwerdeführer in dem dem BGH vorliegenden Verfahren mit der Beschwerde eine Haftentlassung nicht erreichen, da bereits eine weitere Haftanordnung nach Ablauf des Haftendzeitpunktes der ersten Anordnung erfolgte. Nach Ansicht des BGH würde einer Feststellungsentscheidung im Hinblick auf die erste Haftanordnung deshalb lediglich Signalwirkung zukommen (vgl. BGHZ 109, 108, 110). Zudem war die sofortige weitere Beschwerde im dortigen Verfahren erst nach Ablauf der ersten Haftzeit eingelegt worden.

Demgegenüber halten das OLG Celle (FGPrax 2005, 48) und das KG Berlin (Beschl. v. 31.12.2003 - 25 W 62/03 -; Juris, Rn. 28) die sofortige weitere Beschwerde für zulässig. Das OLG Celle hält das Interesse des Staates an der Anfechtung einer für ihn nachteiligen Entscheidung für anerkennenswert. Nur so habe er die Möglichkeit sich von dem schweren Vorwurf des rechtswidrigen Eingriffes in die Freiheitsrechte des Betroffenen zu entlasten. Im Übrigen erscheine ein Abwehrinteresse im Hinblick auf etwaige nachteilige Begleiterscheinung, wie die Inanspruchnahme auf Zahlung einer Entschädigung oder Schadensersatz gegeben. Einer Beschwerdebefugnis stehe auch nicht § 20 Abs. 2 FGG entgegen, das fordere schon die Waffengleichheit. Die gegenteilige Auffassung führe nicht zu einer gleichmäßigen Rechtsanwendung, diese habe Verfassungsrang (BVerfG NJW 2004, 1371, 1372). Das Kammergericht hält ein Rechtsschutzinteresse für gegeben, da der Antragsteller gegenwärtig betroffen sei und mit seinem Rechtsmittel ein konkretes praktisches Ziel erreichen könne (BVerfGE 104, 220 ff.). Der Antragsteller sei beschwert, da er in dem bisherigen Verfahren weniger erreicht habe, als beantragt worden sei. An die begehrte Feststellung knüpften sich weitere Rechtsfolgen etwaig im Hinblick auf Schadensersatzansprüche des Betroffenen. Die Zulässigkeit folge aus dem Gebot effektiven Rechtsschutzes.

Der Senat schließt sich der zweitgenannten Auffassung an. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass bei einer Erledigung in der Hauptsache grundsätzlich das Rechtsschutzinteresse an einer Entscheidung entfällt und nur ausnahmsweise ein Bedürfnis nach gerichtlicher Entscheidung fortbesteht. Das Bundesverfassungsgericht hat seine Rechtsprechung zum Feststellungsinteresse nach Erledigung zwar an der Situation des Betroffenen entwickelt und deshalb insbesondere in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe ein Fortbestehen des Rechtsschutzinteresses anerkannt, das es aus Art. 19 Abs. 4 GG ableitet. Das Rechtsschutzinteresse bestehe danach trotz sogenannter prozessualer Überholung weiter (BVerfGE 104, 220, 233). In dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht jedoch auch darauf hingewiesen, dass ein Rechtsschutzinteresse fortbesteht, wenn das gerichtliche Verfahren dazu dienen kann, einer Wiederholungsgefahr zu begegnen oder eine fortwirkende Beeinträchtigung durch einen an sich beendeten Eingriff zu beseitigen (BVerfG, a.a.O.). Auch dann ist das Feststellungsinteresse in besonderer Weise schutzwürdig. Diese Argumentation ist nicht grundrechtsgebunden und kommt der Antragstellerin zu.

(a) Eine fortwirkende Beeinträchtigung liegt schon darin, dass bei einer gerichtlich festgestellten Rechtswidrigkeit der Gewahrsamnahme, die Rechtskraftwirkungen entfaltet, die Entscheidung über diese Vorfrage aufgrund des insoweit identischen Sachverhaltes für den nachfolgenden Entschädigungs- oder Schadensersatzprozess nicht lediglich bloß Signalwirkung entfaltet, sondern diese Vorfrage bindend entscheidet. Das über einen Schadensersatzanspruch des Betroffenen entscheidende Gericht darf sich nicht in Widerspruch zu einer bereits rechtskräftig ergangenen Entscheidung setzen (zur Bindungswirkung der materiellen (inneren) Rechtskraft, vgl. Thomas/Putzo, ZPO, § 322, Rn. 15 und Zöller, ZPO, 26. Aufl., vor § 322, Rn. 11, zu Beschlüssen: Zöller, a.a.O., Rn. 9).

(b) Weiter besteht auch ein Rehabilitationsinteresse der Antragstellerin. Ein solches ist zwar zunächst individuell geprägt, schließt eine Anwendung auf die Antragstellerin als Behörde jedoch nicht aus. Während bei natürlichen Personen das Rehabilitierungsinteresse regelmäßig dahin geht, die persönliche Ehre und das Ansehen in der Öffentlichkeit wiederherzustellen, die über das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG geschützt werden, kann sich die Antragstellerin als Behörde darauf nicht berufen (vgl. Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., Art. 2 Rn. 9). Über diese Individualinteressen hinaus besteht jedoch ein allgemeines Interesse der Bevölkerung, darauf vertrauen zu dürfen, dass polizeiliche Maßnahmen rechtmäßig erfolgen, denn die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns zählt gem. Art. 20 Abs. 3 GG zu den verfassungsrechtlichen Grundprinzipien des Rechtstaats. Ein solches Vertrauen in das Vorgehen der Verwaltung, insbesondere der Polizei bei einschneidenden Grundrechtseingriffen wie der Freiheitsentziehung, kann sich nur entwickeln und fortbestehen, wenn die Maßstäbe dieses staatlichen Handelns gegenüber dem Bürger gesetzlich oder durch die Rechtsprechung klar vorgegeben werden. Das dürfte auch für den Gesetzgeber der Grund gewesen sein, den Instanzenzug in der Hauptsache überhaupt bis zum Oberlandesgericht zu eröffnen (ähnlich das Argument des OLG Celle, FGPrax 2005, 48 mit Hinweis auf BVerfG NJW 2004, 1371). Dieses allgemeine Interesse, das im Verfahren durch die Polizei vertreten wird (§ 20 FGG), wird durch die Freilassung des Betroffenen nicht beseitigt.

Verkürzend lässt sich zusammenfassen, dass, während für den Betroffenen der aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete, verfassungsrechtliche Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit für das Feststellungsinteresse in seinem Einzelafall streitet, für die Allgemeinheit, vertreten durch die Antragstellerin, der ebenbürtige Grundsatz der Rechtssicherheit seine Geltung beansprucht (ähnlich BVerfG NJW 2004, 1371).

(c) Es liegt die geforderte Wiederholungsgefahr vor. In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung soll sich ein Feststellungsinteresse zwar grundsätzlich nicht aus dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ergeben, da sich in aller Regel keine hinreichend bestimmte Gefahr erkennen lasse, dass ein gleichartiger Verwaltungsakt im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut ergehen werde (vgl. zum SOG M-V, OVG M-V, Beschl. v. 24.02.2006 - 3 O 4/06 -, juris, Rn. 7). Das mag für das Feststellungsinteresse des Betroffenen zutreffen, gilt jedoch für das oben zu (b) genannte Feststellungsinteresse der durch die Antragstellerin vertretenen Allgemeinheit an der Maßstabsbildung nicht. Bereits aus den beim Senat anhängigen sofortigen weiteren Beschwerden im Zusammenhang mit Demonstrationen zum G 8-Gipfel im Juni 2007, in denen sich häufig gleiche Fragen stellen, ergibt sich dass eine solche Wiederholungsgefahr vorliegt. Es kann auch zukünftig in Zusammenhang mit Massendemonstrationen zu einer Vielzahl von Ingewahrsamnahmen kommen.

(3) Das oben zum Feststellungsinteresse bezüglich der polizeilichen Ingewahrsamnahme Ausgeführte gilt in gleicher Weise für die richterliche Anordnung der Fortdauer der Ingewahrsamnahme. Die Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht gehört zu den verfassungsrechtlichen Grundprinzipien nach Art. 20 Abs. 3 GG. Auch insoweit bedarf es, wie aus den beim Senat anhängigen sofortigen weiteren Beschwerden ersichtlich - einer Maßstabsbildung und gleichmäßigen Rechtsanwendung, wie schon der vorliegende Fall zeigt.

2. Die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen ist dagegen bereits unzulässig. Der Betroffene ist nicht in der Hauptsache, sondern lediglich durch die Kostenentscheidung des Landgerichts beschwert. Eine isolierte Kostenbeschwerde sieht - wie oben bereits ausgeführt - § 7 FEVG jedoch nicht vor (Marschner/Volkhard, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 4. Aufl., F zu § 7 FEVG, Rn. 6).

III.

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.

Gegenstand des Rechtsmittels ist dabei zunächst die landgerichtliche Entscheidung. Diese überprüft zum Einen materiellrechtlich die amtsrichterliche Anordnung der Fortdauer der Ingewahrsamnahme zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung (1.). Weiterhin hat das Landgericht als eigene Tatsacheninstanz festzustellen, dass die Voraussetzungen einer Fortsetzung des Gewahrsams auch weiterhin vorliegen (3.). Zudem hat das Landgericht Feststellungen über die Einhaltung von Verfahrensgrundrechten, hier insbesondere von Art. 104 Abs. 2 GG zu treffen (2.). Gemäß §§ 3 Satz 2 FEVG, 27 FGG ist der Senat darauf beschränkt, die angegriffene Entscheidung daraufhin zu überprüfen, ob sie auf einer Rechtsverletzung beruht.

1. Das Landgericht hat ohne nähere Begründung im Einzelnen die polizeiliche Ingewahrsamnahme, ohne auf den Zeitpunkt der Festnahme abzustellen, für zulässig erachtet.

Gegen die Begründung des Landgerichts, die die erstinstanzliche Entscheidung insoweit stützt, ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. Die amtsrichterliche Entscheidung gemäß § 56 Abs. 5 SOG M-V erfasst zum einen die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des vorangegangenen polizeilichen Zugriffs (a.) und hat auch und insbesondere über die Erforderlichkeit der Fortdauer des Gewahrsams zu befinden. Dies erfordert die Prüfung, ob im Zeitpunkt seiner Entscheidung die Fortdauer der Freiheitsentziehung zur Abwehr der fortbestehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung geboten ist (b.).

a) Hierbei hat sich der Richter zunächst damit auseinanderzusetzen, ob die Polizeibeamten den Betroffenen zu Recht in Gewahrsam genommen haben. War die Ingewahrsamnahme bereits rechtswidrig, so lässt sich ihre Fortdauer allenfalls dann rechtfertigen, wenn neue Erkenntnisse hinzukommen.

Bei der Beurteilung der Rechtmäßig- oder Rechtswidrigkeit der polizeilichen Ingewahrsamnahme ist auf die Situation unmittelbar vor dem Zugriff abzustellen. Für die Annahme einer polizeilichen Gefahr genügt es, dass bei objektiver Sicht zur Zeit des polizeilichen Einschreitens die Tatsachen auf eine drohende Gefahr hindeuten, ohne dass sofort eindeutig Klarheit geschaffen werden kann (BGH, Beschl. vom 27.10.1988 - III ZR 256/87, BGHR Verwaltungsrecht, Allg. Grundsätze, Polizeirecht 1; OLG Hamm, Urt. v. 07.06.1978 - IV A 330/77, NJW 1980, 138). Spätere Erkenntnisse nach eingehender Beweisaufnahme sind nicht zu berücksichtigen, da diese den vollziehenden Polizeibeamten vor Ort nicht zur Verfügung standen.

Die auf eine polizeiliche Gefahr deutenden Tatsachen waren vorliegend gegeben. Die Ingewahrsamnahme des Betroffenen war unerlässlich, um die unmittelbar bevorstehende Begehung einer Straftat zu verhindern (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 SOG M-V). Dafür muss eine akute Bedrohung der öffentlichen Sicherheit vorliegen. Angesichts der Intensität des Eingriffs ist es erforderlich, dass im konkreten Fall nachvollziehbare Tatsachen vorliegen, die zu der Gewissheit führen, dass der Schaden sofort oder in allernächster Zeit eintritt. Der bloße "Eindruck" reicht nicht aus (Rachor in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Aufl., F, Rn. 570; vgl. auch Marschner/Volkhart, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 4. Aufl., E, Rn. 50). Der Gefahrenmaßstab der Unmittelbarkeit des § 55 Abs. 1 Nr. 2 SOG M-V unterscheidet sich nicht von einer gegenwärtigen Gefahr (vgl. Heyen, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, in: Manssen, Staats- und Verwaltungsrecht für Mecklenburg-Vorpommern, S. 255). Die gegenwärtige Gefahr ist in § 3 Abs. 3 Nr. 3 SOG M-V als eine Sachlage, bei der das die öffentliche Sicherheit oder Ordnung schädigende Ereignis bereits eingetreten ist (Störung) oder unmittelbar oder in allernächster Zeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorsteht, legal definiert (vgl. auch BVerfGE 115, 320, 363 zu § 31 PolG NW 1990). Das bedeutet, dass ein Schaden für Rechtsgüter in unmittelbarer Zukunft, in allernächster Zeit zu erwarten ist, wenn nicht in die Entwicklung eingegriffen wird (LVerfG M-V, LKV 2000, 345, 349 "großer Lauschangriff").

Aus der Begründung des Landgerichts erschließt sich, dass die Kammer der Einlassung des Betroffenen, er habe weder geworfen noch sich in der gewaltätigen Menge aufgehalten, keinen Glauben geschenkt hat. Insoweit verweist das Landgericht auf den Kurzbericht der Polizei und die schriftliche Zeugenvernehmung des Festnahmebeamten Gronowsky. An diese Sachverhaltsfeststellungen, die keinen Rechtsfehlern unterliegen, ist der Senat gebunden. Unter Zugrundelegung dieses Sachverhaltes hat der Betroffene durch die Stein- bzw. Flaschenwürfe jedenfalls den Straftatbestand der versuchten gefährlichen Körperverletzung gem. § 224 Abs. 2 StGB, durch die Faustschläge den der versuchten Körperverletzung gem. § 223 StGB erfüllt. Zudem bestand zum Zeitpunkt der polizeilichen Maßnahme der Anfangsverdacht eines Landesfriedensbruchs gem. § 125 StGB und des besonders schweren Falls des Landesfriedensbruch gem. § 125 a StGB. Für die Ingewahrsamnahme durfte die Polizei daneben auch das Verhalten des Betroffenen bei der Festnahme berücksichtigen. Das heftige Wehren und aggressive Verhalten des Betroffenen hierbei stellt einen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte im Sinne von § 113 StGB dar. Zu Recht hat die Polizei es deshalb für unerlässlich gehalten, den Betroffenen gem. § 55 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) SOG M-V zur Verhinderung der Fortsetzung einer Straftat in Gewahrsam zu nehmen. Aufgrund des erheblich aggressiven Verhaltens ist aus Rechtsgründen auch nicht zu beanstanden, dass die Polizei zum Zeitpunkt der Vornahme der Gewahrsamnahme die Unerlässlichkeit der Gewahrsamnahme bejaht hat.

b) Erfolgte die Ingewahrsamnahme somit rechtmäßig, hat der Richter weiter festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 2 SOG M-V weiterhin gegeben sind, d. h. die Fortdauer der Ingewahrsamnahme zur Beseitigung der Störung bzw. Abwehr einer Straftat unerlässlich ist. Denn die Rechtmäßigkeit der vorangegangenen Ingewahrsamnahme durch die Polizeibeamten allein indiziert nicht schon die Rechtmäßigkeit der richterlich angeordneten Fortdauer der Ingewahrsamnahme. Vielmehr hat das Amtsgericht zu prüfen, ob im Falle der Freilassung weiterhin die Gefahr besteht, dass der Betroffene nach Freilassung seine Straftat fortsetzen bzw. eine weitere Straftat begehen wird. Feststellungen zum Fortbestehen der Störung oder gegenwärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zum Zeitpunkt der richterlichen Entscheidung sind in dem nach den Umständen des Einzelfalles möglichen Umfang erforderlich. Der Senat verkennt nicht, dass in dem Anhörungstermin der Richter nicht aufwändig Beweis erheben kann. Insbesondere kann er nicht die Polizeibeamten vernehmen, die weiterhin auf der Straße benötigt werden, kann jedoch auf deren schriftlich niedergelegten Zeugenangaben zurück greifen. Er ist im Weiteren vor allem auf den Akteninhalt und auf seine persönliche Überzeugung angewiesen. Es ist aber unerlässlich, dass der Richter zu der Überzeugung gelangt, dass von dem Betroffenen weiterhin eine solche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Eine solche Prognose ist bei der richterlichen Entscheidungsfindung, namentlich bei freiheitsentziehenden Maßnahmen nicht ungewöhnlich. So hat der Richter bei Anordnung der Untersuchungshaft nach § 112 StPO auszuführen, aus welchen tatsächlichen Anhaltspunkten er Flucht- oder Verdunkelungsgefahr ableitet. Bei Anordnung der Abschiebehaft gem. § 62 AufenthG ist zu begründen, welche tatsächlichen Umstände die Gefahr begründen, dass der Betroffene sich der Abschiebung entziehen wird. Vielfach indizieren bestimmte Verhaltensweisen die die Freiheitsentziehung rechtfertigende Prognose.

Bei der richterlichen Entscheidung gem. § 56 Abs. 5 SOG M-V über die Erforderlichkeit der Fortdauer des Gewahrsams reicht es allein nicht aus, dass einer der Regelfälle des § 55 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz lit. a.) - c.) SOG M-V erfüllt ist, da diese als Beweisanzeichen sich auf die Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Ingewahrsamsnahme selbst beziehen, also darauf dass der Betroffene eine solche zu verhindernde Straftat begehen wird. Daraus lässt sich nicht ohne weiteres auch ableiten, dass zu befürchten ist, der Betroffene werde im Falle seiner Freilassung die Straftat nunmehr begehen oder fortsetzen. Vielmehr kann auf diese Regelfälle nur insoweit zurückgegriffen werden, als der Richter im Rahmen seiner Entscheidung über die Erforderlichkeit der Fortdauer darin Anhaltspunkte für die Prognose finden kann. Diese Anhaltspunkte muss er aber mit den besonderen Umständen im konkreten Einzelfall verknüpfen und daraus eine Gefahrenschau entwickeln. Nur ausnahmsweise kann deshalb im Einzelfall nur das bloße Vorliegen des Regelfalls ausreichen, wenn sich bereits daraus die hinreichend sichere Gefahrenprognose ergibt

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat der Amtsrichter zutreffend begründet. Zwar hat er hinsichtlich der Begründung der Fortdauer zunächst auf den im Beschlussmuster vorgedruckten Text abgestellt, der allein nicht ausreichen würde, weil der Richter eigene Feststellungen über die fortdauernde Gefahr zu treffen und die tatsächlichen Grundlagen seiner richterlichen Überzeugung in der Begründung seiner Entscheidung nachvollziehbar auszuführen hat (Senatsbeschl. vom 16.04.2007 - 3 W 119/06 -). Vorliegend hat der Richter im Protokoll jedoch handschriftlich zur Unerlässlichkeit der Fortdauer der Ingewahrsamnahme weiter niedergelegt, dass gleichartige Störungen der bis zum 08.06.2007 stattfindenden Veranstaltungen zu befürchten seien.

2. Entgegen der Auffassung der Kammer liegt ein Verstoß gegen das Unverzüglichkeitsgebot des Art. 104 Abs. 2 GG nicht vor. Gem. § 56 Abs. 5 Satz 1 SOG M-V, der Art. 104 Abs. 2 GG einfach rechtlich umsetzt, ist bei einer polizeilichen Ingewahrsamnahme unverzüglich eine richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer des Gewahrsams herbeizuführen. Dies geschah im vorliegenden Fall. Das Landgericht hat die Vorführung des Betroffenen vor den Amtsrichter nicht als noch unverzüglich angenommen, weil die polizeilichen Tätigkeiten zwischen der Beendigung der ärztlichen Vorstellung des Betroffen um 20.24 Uhr und dessen richterliche Vorführung um 00.19 Uhr des Folgetages keine sachliche Rechtfertigung für die späte Vorführung seien.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Unverzüglichkeit ist so zu verstehen, dass die richterliche Entscheidung - wovon das Landgericht zutreffend ausgeht - ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen Gründen rechtfertigen lässt, herbeigeführt werden muss (BVerfG NVwZ 2006, 579, 580; BVerfGE 105, 239, 249; VG Gera, Beschl. v. 03.07.2002 - 1 K 1071/00 -, juris, Rn. 9). Die Verzögerung muss bei Anlegung eines objektiven Maßstabes sachlich zwingend geboten sein (vgl. Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., Art. 104, Rn. 21). Sachliche Gründe können insoweit etwa sein die Länge des Weges vom Ort der Ingewahrsamnahme bis zur Protokollierungsstelle, das Verhalten der Betroffenen selbst oder aber Verzögerungen, die sich infolge von Massenfestnahmen aus organisatorischen Gründen ergeben (so VG Gera, a.a.O., Rn. 14). Die Voraussetzungen der Unverzüglichkeit sind hier eingehalten worden. Der Senat verkennt dabei nicht, dass grundsätzlich für das Einschalten des Richters tagsüber eine Zeit von zwei bis drei Stunden ausreichend sein sollte (vgl. Jarass/Pieroth, GG, a.a.O., Rn. 21; Marschner/Volkhart, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 4. Aufl., E Rn. 56). Vorliegend war die Verzögerung sachlich zwingend begründet. Das ergibt sich bereits aus dem GESA-Ablaufplan, auf den auch die Kammer Bezug genommen hat und der deshalb vom Senat zugrunde gelegt werden kann. Nicht unaufschiebbar, weil zur Vorbereitung der richterlichen Anhörung dienend, war entgegen der Auffassung der Kammer schon die um 21.15 Uhr durchgeführe ADV-Überprüfung, mit der festgestellt werden sollte, ob gegen den Betroffenen in den Datenbanken der Polizei Einträge vorhanden sind, die ihn als Störer i. S. von § 55 Abs. 1 Nr. 2 lit. c) SOG M-V kennzeichnen könnten. Gleiches gilt für die zuvor durchgeführte Zeugenvernehmung des POM G., die bis 21.14 Uhr andauerte, auf die sich die Kammer selbst in ihrer Entscheidung stützt. Die Polizei durfte diese Zeugenvernehmung vorbereitend für die richterliche Anhörung durchführen, da für sie unsicher war, ob im Rahmen der richterlichen Beweisaufnahme der Kurzbericht für hinreichend detailliert gehalten wird. Die 2. Zivilkammer selbst hat in anderer Zusammensetzung in anderen Beschwerdeverfahren wegen Ingewahrsamnahmen im Zusammenhang mit Demonstrationen gegen den G 8-Gipfel sich nicht auf die Angaben im Kurzbericht sondern auf die des Betroffenen gestützt, beispielsweise im Verfahren 2 T 198/07 = 3 W 91/07, für die Frage, ob der Betroffene sich auf dem Weg zu einer Demonstration befunden habe.

Allein nach der Beendigung der ED- Maßnahme und der Zeugenvernehmung dauerte es nur noch etwa drei Stunden bis zur richterlichen Vorführung um 00.19 Uhr des Folgetages. Dieser Zeitraum ist aufgrund der Umstände des Einzelfalles noch unverzüglich, da der Polizei wegen der Massenfestnahmen aus organisatorischen und logistischen Gründen Zeitverzögerungen zugestanden werden müssen, ohne dass diese im Einzelnen benannt werden bräuchten. Hier eine umfangreiche Dokumentation der Polizei über das Ausmaß im Einzelnen zu fordern, würde die Dokumentationspflicht selbst unter Berücksichtigung des Freiheitsrechts des Betroffenen überspannen. Dass am 02.06.2007 massenhaft Ingewahrsamnahmen erfolgten, lässt sich schon aus der Formulierung im Kurzbericht, der Betroffene habe sich "in einer unüberschaubaren gewaltätigen Menschenmenge (Zusammenrottung)" befunden, unschwer ableiten. Allein dadurch dürften in einer Vielzahl von Fällen Gewahrsamsgründe jedenfalls gem. § 55 Abs. 1 Nr. 3 SOG M-V, wegen einer gegenwärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, oder nach Nr. 2 dieser Vorschrift, zur Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden Straftat, nämlich eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz nach § 27 Abs. 2 Nr. 3 VersG (Zusammenrottung), bestanden haben. Darüber hinaus war jedenfalls zum Zeitpunkt der landgerichtlichen Entscheidung am 03.06.2007 bereits offenkundig, dass im Rahmen der G 8-Gipfel Demonstrationen am 02.06.2007 in Rostock die Ausschreitungen des "schwarzen Blocks" eskaliert waren, eine erhebliche Anzahl von Polizeibeamten und anderen Personen verletzt sowie erhebliche Sachwerte, wie Fahrzeuge und Fensterscheiben in der Innenstadt beschädigt oder zerstört worden sind. Diese Ausschreitungen haben die allgemeinen Medien bundesweit beherrscht. Der Kammer musste sich deshalb auch aus diesen allgemein zugänglichen Medien im Hinblick auf das Vorliegen einer Massendemonstration mit massenhaft gewalttätigen Ausschreitungen und einer Vielzahl von Ingewahrsamnahmen aufdrängen, dieses in der Prüfung der Unverzüglichkeit der Vorführung zu berücksichtigen. Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht (Beschl. v. 06.06.2007 - 1 BVR 1423/07 -) gerade wegen dieser Ausschreitungen, die auf die Durchführung des für den 07.06.2007 angemeldeten "Sternmarsches" auf Heiligendamm zielenden Eilanträge zurückgewiesen hat.

Letztlich kann deshalb dahinstehen, ob die erkennungsdienstliche Behandlung des Betroffenen und seine Vernehmung als Beschuldigter nur im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren oder auch zur Vorbereitung der richterlichen Anhörung über die Anordnung der Fortdauer der Gewahrsamnahme erfolgte. Für letzteres dürfte schon sprechen, dass die ADV-Überprüfung negativ gewesen war und deshalb zur Überprüfung, ob der Betroffene in der Vergangenheit als Störer aufgetreten ist, diese weiteren Ermittlungsmaßnahmen vorgenommen wurden. Sofern sie nur im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erfolgten, stellen sie zwar keine unaufschiebbaren Maßnahmen im Hinblick auf die unverzügliche Vorführung dar, dennoch kann sich der Betroffene auf diese Verzögerung im Ergebnis nicht berufen, da er aufgrund des Anfangsverdachts der oben genannten Straftaten gem. § 127 StPO vorläufig festgenommen und gem. § 81 b StPO erkennungsdienstlich behandelt werden darf. Insofern gilt hinsichtlich der Unverzüglichkeit nichts anderes als zu § 128 Abs. 1 StPO.

3. Auch zum Zeitpunkt der landgerichtlichen Entscheidung war die Fortdauer des Gewahrsams des Betroffenen unerlässlich. Die Kammer hat hierzu - insoweit konsequent - keine Feststellungen mehr getroffen. Die Unerlässlichkeit ergibt sich jedoch bereits aus den im amtsgerichtlichen Beschluss genannten Argumenten. Dem tritt der Senat bei. Dass der Betroffene, wie er selbst vorträgt, durch den Gewahrsam nachhaltig beeindruckt gewesen sei und nur nach Hause wollte, ist nach der Aktenlage nicht glaubhaft. Der Senat sieht insoweit von einer Zurückverweisung an die Kammer ab und entscheidet selbst, da aufgrund des Zeitablaufs sich die Stärke des Eindruckes im Nachhinein nicht mehr aufklären lässt. Zudem kommt es für das Feststellungsinteresse lediglich darauf an, ob die polizeiliche Ingewahrsamnahme und die vorinstanzliche richterliche Anordnung der Fortdauer des Gewahrsams rechtmäßig gewesen sind. Das ist, wie oben ausgeführt, der Fall.

IV.

Aus den oben genannten Gründen war der Antrag des Betroffenen, der Beschwerdeführerin bzw. dem Land Mecklenburg-Vorpommern die Auslagen des Betroffenen aufzuerlegen, zurückzuweisen.



Ende der Entscheidung

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