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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 19.09.2008
Aktenzeichen: 5 U 96/08
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 50 Abs. 1
InsO § 130
InsO § 131
InsO § 133 Abs. 1
InsO § 140
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

5 U 96/08

Lt. Verkündungsprotokoll verkündet am: 19.09.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22.08.2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des beklagten Landes werden das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 18.10.2007, Az: 3 O 142/07, aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung wegen der Kosten des Rechtsstreits gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert der Berufung beträgt 22.938,21 €.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt im Wege der Insolvenzanfechtung Rückgewähr verschiedener auf Steuerforderungen des beklagten Landes geleisteter Beträge.

Der Kläger ist Verwalter in dem am 23.12.2003 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der .... (im weiteren: Schuldnerin). Das beklagte Land erließ am 21.10.2002 durch das zuständige Finanzamt wegen Steuerforderungen gegen die Schuldnerin in Höhe von 10.127,36 € eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung, durch die alle Ansprüche der Schuldnerin gegen die Sparkasse ... aus dem dort eingerichteten Konto der Schuldnerin Nr. ... unter Anordnung der Einziehung gepfändet wurden. Die Verfügung bezog sich u. a. auf alle der Schuldnerin gegenwärtig und künftig gegen die Sparkasse zustehenden Ansprüche auf "Auszahlung, Gutschrift oder Überweisung an sich und an Dritte von Kreditmitteln aus bereits abgeschlossenen und künftigen Kreditverträgen". Die Sparkasse hatte der Schuldnerin für das genannte Konto einen Kontokorrentkredit eingeräumt. In ihrer Drittschuldnererklärung vom 23.10.2002 erklärte sie, dass das Konto der Schuldnerin kein pfändbares Guthaben aufweise. Nach einer Besprechung mit der Schuldnerin überwies die Sparkasse am 28.10.2002 10.127,36 € an das Finanzamt.

Mit einer weiteren Pfändungs- und Einziehungsverfügung des zuständigen Finanzamtes vom 30.01.2003 wegen einer Steuerschuld der Schuldnerin in Höhe von ... € pfändete das beklagte Land erneut das Konto der Schuldnerin bei der Sparkasse. Auch diese Verfügung bezog sich auf alle der Schuldnerin gegenwärtig und künftig gegen die Sparkasse zustehenden Ansprüche auf "Auszahlung, Gutschrift oder Überweisung an sich und an Dritte von Kreditmitteln aus bereits abgeschlossenen und künftigen Kreditverträgen". Nachdem die Sparkasse in ihrer Drittschuldnererklärung vom 03.02.2003 zunächst mitgeteilt hatte, dass das Konto kein pfändbares Guthaben ausweise und eigene vorrangige Forderungen bestünden sowie vorrangige Pfändungen vorlägen, überwies sie an das Finanzamt auf entsprechende Anweisungen der Schuldnerin am 07.02.2003 .... €, am 20.02.2003 weitere ... € und am 27.02.2003 den Restbetrag von ... €.

Die vorstehenden Zahlungen an das beklagte Land erfolgten alle aus dem der Schuldnerin eingeräumten Kontokorrentkredit, der auch nach den einzelnen Zahlungen nicht überschritten war.

Der Insolvenzverwalter verlangt vom beklagten Land nach Anfechtung Auskehr der in der Zeit von Oktober 2002 bis Februar 2003 an das Finanzamt gezahlten Beträge von insgesamt .... €. Die Parteien streiten, ob die Voraussetzungen für eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO vorliegen.

Mit Urteil vom 18.10.2007 gab das Landgericht Schwerin der Klage in vollem Umfang statt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung des beklagten Landes. Es vertritt die Ansicht, dass ein Anfechtungsrecht deshalb nicht bestehe, weil es an der nach § 133 Abs. 1 InsO erforderlichen Rechtshandlung des Schuldners fehle. Zudem habe die Schuldnerin nicht mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt. Das beklagte Land macht weiter geltend, dass die vom Landgericht angenommene Zahlungsunfähigkeit nicht vorliege, da die Schuldnerin auch nach den streitgegenständlichen Zahlungen für längere Zeit im Geschäftsverkehr aufgetreten sei. Es seien auch keine Umstände dafür ersichtlich, dass das beklagte Land zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin hätte schließen müssen. Insoweit gehe das Landgericht zu Unrecht davon aus, dass es ausreichend sei, auf die Steuerrückstände abzustellen.

Das beklagte Land beantragt,

das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 18.10.2007 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger, der Zurückweisung der Berufung beantragt, verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

II.

Die zulässige Berufung des beklagten Landes ist begründet. Die allein in Betracht kommende Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO ist wegen des Bestehens eines insolvenzfesten Pfandrechtes nach § 50 Abs. 1 InsO ausgeschlossen.

1.

Das beklagte Land hat die durch die hier streitgegenständlichen Überweisungen der Schuldnerin entstandenen Kreditauszahlungsansprüche der Schuldnerin gegen die Sparkasse Mecklenburg-Strelitz vor dem Drei-Monats-Zeitraum des § 131 InsO wirksam gepfändet.

Eine Forderungspfändung ist grundsätzlich zu dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem der Pfändungsbeschluss dem Drittschuldner zugestellt wird, weil damit ihre rechtlichen Wirkungen eintreten (§ 829 Abs. 3 ZPO, § 309 Abs. 2 S. 1 AO). Soweit sich jedoch wie hier die Pfändung auf eine künftige Forderung bezieht, wird ein Pfandrecht erst mit deren Entstehung begründet, sodass auch anfechtungsrechtlich auf diesen Zeitpunkt als Zeitpunkt der Vornahme einer Rechtshandlung im Sinne von § 140 InsO abzustellen ist (BGH, Urt. v. 20.03.2003, IX ZR 166/02, NJW 2003, 2171; Urt.v.22.01.2004, IX ZR 39/03, NJW 2004, 1444 f. = BGHZ 157, 350 f. m.w.N.).

Maßgebend für den Beginn des von §§ 130, 131 InsO erfassten Drei-Monats-Zeitraums ist der am 14.08.2003 eingegangene Eigenantrag der Schuldnerin, der zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt hat.

Die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen des beklagten Landes vom 21.10.2002 und vom 30.01.2003 erstreckten sich auf alle auch künftigen Forderungen der Schuldnerin aus dem bei der Sparkasse ... bestehenden Kontovertrag. Daraus sind entsprechend den Überweisungsaufträgen der Schuldnerin die Steuerforderungen des beklagten Landes erfüllt worden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war die Pfändung der Ansprüche der Schuldnerin aus dem von der Sparkasse ... gewährten Kontokorrentkredit ("offene Kreditlinie") wirksam (BGH, Urt. v. 29.03.2001, IX ZR 34/00, ZIP 2001, 825 f. = BGHZ 147, 193 f.).

Die Zustellungen der Pfändungs- und Überweisungsverfügungen an die Sparkasse als Drittschuldnerin erfolgten im Oktober 2002 sowie im Januar 2003 und damit außerhalb des von § 131 InsO geschützten Zeitraums von drei Monaten. Allerdings wurde dadurch ein Pfandrecht an den Forderungen aus dem Kreditverhältnis noch nicht begründet, denn vor dem Abruf des Kontoinhabers ist kein Anspruch auf Auszahlung gegen die Bank vorhanden, der einem Abtretungs- oder Pfändungsgläubiger das Recht geben könnte, sich ohne Mitwirkung des Kontoinhabers Kreditmittel auszahlen zu lassen. Ob ein entsprechender Anspruch begründet wird, hängt allein von der persönlichen Entscheidung des Schuldners als Kunde des Kreditinstituts ab. Diese Befugnis kann der Gläubiger nicht durch Pfändung des Abrufrechts auf sich übertragen und den Schuldner so zur Begründung einer neuen Verbindlichkeit zwingen (BGH, Urt. v. 22.01.2004, IX ZR 39/03, NJW 2004, 1444 f. = BGHZ 157, 350 f. m.w.N.). Zwar begründet dieser Umstand kein Hindernis für eine wirksame Pfändung, wenn, wie im Falle der Einräumung eines Dispositionskredits, schon eine Rechtsbeziehung zwischen Schuldner und Drittschuldner besteht, aus der die spätere Forderung nach ihrem Inhalt und der Person des Drittschuldners bestimmt werden kann (BGH, Urt. v. 29.03.2001, IX ZR 34/00 a.a.O.). Solange der Schuldner jedoch keine Verfügung über den ihm eingeräumten Kredit vornimmt, hat die Pfändung für den Gläubiger keinen realisierbaren Wert. Unterlässt der Schuldner zwischen der Zustellung der Pfändung an den Drittschuldner und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Abruf, steht dem Gläubiger aus der Rechtshandlung ein wirtschaftlich verwertbares Recht nicht zur Verfügung. In diesem Fall fehlt es an einem in der Insolvenz zu beachtenden Anspruch (BGH, Urt. v. 22.01.2004, IX ZR 39/03 a.a.O.). Die Rechtshandlung der Pfändung der Ansprüche des Schuldners gegen das Kreditinstitut aus einem vereinbarten Dispositionskredit gilt erst dann als vorgenommen, wenn und soweit der Schuldner den ihm zur Verfügung stehenden Kredit abruft und hierdurch das Kreditinstitut zu der dem Schuldner zuzurechnenden Barauszahlung oder Überweisung verpflichtet (BGH, Urt.v.17.02.2004, IX ZR 318/01, ZIP 2004, 669 f.; Urt.v.25.10.2007, IX ZR 157/06, ZIP 2008, 131 f.). Daraus folgt, dass der Gläubiger außerhalb des von § 131 InsO geschützten Zeitraums ein Pfandrecht nur erwirbt, soweit der gewährte Dispositionskredit in dieser Zeit nicht ausgeschöpft war und der Schuldner ihn durch eine ihm zuzurechnende Verfügung in Anspruch genommen hat. Das war hier in Höhe des geltend gemachten Betrages der Fall. Die Schuldnerin hat den ihr gewährten Dispositionskredit durch die ihr zuzurechnenden Überweisungen vom 28.10.2002 sowie vom 07.02., 20.02. und 27.02.2003, und damit mehr als drei Monate vor dem Eigenantrag der Schuldnerin, der zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt hat, in Anspruch genommen. Alle vom Kläger angefochtenen Zahlungen der Schuldnerin an das beklagte Land sind unstreitig aus dem der Schuldnerin eingeräumten Kreditrahmen erfolgt, der auch nach den Zahlungen nie überschritten war.

2.

Das vom beklagten Land auf Grund der Pfändungsverfügungen vom 21.10.2002 und vom 30.01.2003 vor dem Drei-Monats-Zeitraum des § 131 InsO wirksam erworbene Pfandrecht begründet in der Insolvenz ein anfechtungsfestes Absonderungsrecht nach § 50 Abs. 1 InsO.

Die Pfändung selbst als einseitige Zwangsvollstreckungmaßnahme des beklagten Landes ist nicht nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar, weil es hierfür an einer willensgesteuerten Rechtshandlung der Schuldnerin, wie sie § 133 Abs. 1 InsO voraussetzt, fehlt (BGH, Urt.v.10.02.2005, IX ZR 211/02, NJW 2005, 1121 f. = BGHZ 162, 143 f.). Die Schuldnerin hat unstreitig an der Pfändungsmaßnahme nicht mitgewirkt.

Da das Pfandrecht des beklagten Landes nicht anfechtbar ist, scheitert auch die Anfechtung der von der Schuldnerin veranlassten Überweisungen. Zwar ist der für die Pfändbarkeit des eingeräumten Kontokorrentkredits erforderliche Abruf des Kredits eine vom Willen der Schuldnerin getragene Handlung. Auch für den Senat steht außer Frage, dass insoweit für die Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO erforderliche Rechtshandlungen der Schuldnerin gegeben sind. Hat jedoch - wie hier das beklagte Land - der Gläubiger ein anfechtungsfestes Pfandrecht erworben, so braucht er davon gedeckte Zahlungen nicht zurückzugewähren, weil sie die Gläubiger nicht benachteiligen (BGH, Urt.v.21.03.2000, IX ZR 138/99, ZIP 2000, 898, 899 m.w.N.; Urt.v.10.02.2005, IX ZR 211/02, a.a.O.). Die Zahlungen sind durch die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen vom 21.10.2002 und vom 30.01.2003 gedeckt; sie sind auf diese Pfandrechte aus der von dem beklagten Land gepfändeten Forderung geleistet worden. Für eine vom Bestehen des Pfandrechts unabhängige Zahlung fehlt jeder Anhaltspunkt.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25.10.2007 (IX ZR 157/06, a,a,O.), auf das der Kläger in diesem Zusammenhang verweist, rechtfertigt keine abweichende rechtliche Wertung. In dem dort zu entscheidenden Fall hatte der Pfändungsgläubiger die Verfügungsmacht des Schuldners über sein Geschäftskonto durch eine Erklärung gegenüber dem Drittschuldner teilweise wiederhergestellt. Erst danach hatte die Schuldnerin die Überweisungen der Drittschuldnerin von ihrem Geschäftskonto an die Gläubigerin veranlasst. Da aber die Pfändung zukünftiger Forderungen erst mit dem Abruf als vorgenommen gilt und Wirkung entfalten kann, stand der Gläubigerin für die nach Einräumung der Verfügungsmacht folgende Überweisung der Schuldnerin kein insolvenzfestes Pfändungspfandrecht zu. Anders ist die Sachlage hier. Da der Schuldnerin ein Verfügungsrecht über das gepfändete Konto nicht eingeräumt war, haben die insolvenzfesten Pfändungen mit Abruf des Kontokorrentkredits ihre Wirksamkeit entfaltet, so dass vorliegend eine Gläubigerbenachteiligung nicht gegeben ist. Damit entspricht der hier zu entscheidende Sachverhalt dem, den der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 22.01.2004 (IX ZR 39/03, NJW 2004, 1444 f.) entschieden hat, soweit er dort die Revision der Insolvenzverwalterin gegen die Abweisung ihrer Klage in Höhe von 2.889,97 € (5.652,29 DM) mit der Begründung zurückgewiesen hat, dass der Beklagte außerhalb des von § 131 InsO geschützten Zeitraumes ein Pfandrecht erworben habe, soweit der Kredit in dieser Zeit nicht ausgeschöpft war und der Schuldner ihn durch eine ihm zuzurechnende Verfügung in Anspruch genommen hat.

Mit seinem Einwand, er habe den Abruf der Kreditmittel durch die Schuldnerin angefochten, so dass das Pfandrecht des beklagten Landes nicht wirksam geworden sei, dringt der Kläger nicht durch. Der Abruf für sich genommen ist nicht anfechtbar, weil die - einseitige - Zahlungsanweisung (§§ 665, 783 BGB) des Schuldners an das Kreditinstitut seine Gläubiger noch nicht benachteiligt, solange sie frei widerruflich ist (Kirchhof in MünchKomm, InsO, 2. Aufl., § 129 Rn 144). Erst ihre dem Schuldner zuzurechnende Ausführung zu Gunsten des Empfängers kann gläubigerbenachteiligend wirken (a.a.O.), weil erst dann der von der Bank eingeräumte Kredit Schuldnervermögen ist.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgericht.

Ende der Entscheidung

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