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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 20.10.2009
Aktenzeichen: 5 W 55/09
Rechtsgebiete: GKG, KostVfg, ZPO, GVG


Vorschriften:

GKG § 29
GKG § 31
GKG § 31 Abs. 3
GKG § 58 Abs. 2 Satz 2
GKG § 66 Abs. 2 Satz 2
GKG § 66 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbs.
GKG § 66 Abs. 3 Satz 2
KostVfg § 35 Abs. 2 Satz 2
KostVfg § 45 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 122
ZPO § 122 Abs. 2
ZPO § 123
ZPO § 278 Abs. 1
ZPO § 568 S. 2
GVG § 29 Nr. 2
GVG § 58 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss

5 W 55/09

In dem Beschwerdeverfahren

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock am 20. Oktober 2009 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Rocstock vom 27.03.2009 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Rostock vom 20.03.2009, Az: 3 O 217/08, wird zurückgewiesen. Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

1. Das Landgericht Rostock hat in dem zugrundeliegenden Zivilrechtsstreit sowohl dem Kläger als auch dem Beklagten Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung gewährt. Den Rechtsstreit haben die Parteien durch Vergleich am 05.02.2009 beendet und die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Vergleiches gegeneinander aufgehoben. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat daraufhin mit Schlusskostenrechnung vom 16.02.2009 beiden Parteien jeweils die Hälfte einer Gebühr für die Beendigung des Verfahrens durch Vergleich i.H.v. 121,00 € sowie der Zeugenentschädigung i.H.v. 22,50 € mit der Begründung in Rechnung gestellt, eine Kostenbefreiung der mittellosen Partei komme nicht in Betracht, wenn sie es in einem Vergleich übernommen habe, die Gerichtskosten zu tragen. Die Vergünstigung des § 31 Abs. 3 GKG (§ 85 Abs. 2 Satz 2 GKG alt) gelte nur, wenn die Partei Entscheidungsschuldnerin sei. Gegen die ihm daraufhin übersandte Zahlungsaufforderung hat sich der Kläger mit Schreiben vom 12.03.2009 mit der Bitte um Klärung gewandt, da er nach Gewährung von Prozesskostenhilfe nach seiner Auffassung keine Gerichtsgebühren zu tragen habe. Das Landgericht hat dieses Schreiben als (Erst- ) Erinnerung gewertet, der die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle nicht abgeholfen und sie dem Bezirksrevisor gem. § 35 Abs. 2 Satz 2 KostVfg vorgelegt hat, der allerdings keinen Grund zur Abhilfe gesehen und die Erinnerung deswegen gem. § 45 Abs. 2 Satz 3 KostVfg. dem Gericht vorgelegt hat. Die Einzelrichterin hat die gegenüber dem Kläger ergangene Gerichtskostenrechnung mit der Begründung aufgehoben, die Gewährung von Prozesskostenhilfe gem. § 122 Abs. 2 ZPO bewirke eine Freistellung von den Gerichtskosten, so dass die höchstrichterliche Rechtsprechung zu der früheren Vorschrift des § 58 Abs. 2 Satz 2 GKG nicht zur Anwendung komme. Im Hinblick auf eine abweichende Entscheidung des Oberlandesgerichtes Frankfurt (Entscheidung vom 25.09.2008, 14 W 85/08) und wegen der Bedeutung der Sache hat das Landgericht die Beschwerde gem. § 66 Abs. 2 Satz 2 GKG zugelassen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochteten Beschluss verwiesen. Dagegen wendet sich der Bezirksrevisor des Landgerichts Rostock mit seiner Beschwerde vom 27.03.2009, mit der er noch einmal auf die ergangene Rechtsprechung verweist, wonach im Falle der Beendigung des Rechtsstreites durch Vergleich der "armen" Partei als Übernahmeschuldner diese Vergünstigung nicht zu Gute komme. Die Einzelrichterin des Landgerichtes hat dieser Beschwerde mit Beschluss vom 27.03.2009 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht gem. § 66 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbs. GKG zur Entscheidung vorgelegt. Die Einzelrichterin des Oberlandesgerichtes hat die Sache sodann wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung gem. § 568 S. 2 ZPO dem Senat zur Entscheidung übertragen.

2. Die an das gem. § 66 Abs. 3 Satz 2 GKG zuständige Oberlandesgericht gerichtete Beschwerde ist gem. § 66 Abs. 2 S. 2 GKG zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht eine Inanspruchnahme des Klägers als Übernahmeschuldner gem. § 29 Nr. 2 GVG für einen Teil der gerichtlichen Gebühren und Auslagen ausgeschlossen. Aus der zu § 58 Abs,. 2 Satz 2 GVG (alt) ergangenen Rechtsprechung läßt sich für den vorliegenden Fall, in dem beiden Parteien des gerichtlichen Vergleiches zuvor Prozesskostenhilfe gewährt worden ist, nichts herleiten. Die Landeskasse ist vielmehr an die Entscheidung des Prozessgerichtes gebunden. Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe bewirkt zwar zunächst nur eine vorläufige Freistellung von den Gerichtsgebühren, im Fall der Gewährung von Prozesskostenhilfe für beide Parteien ist aber unter Berücksichtigung von Wortlaut und Sinn der Vorschriften der §§ 122, 123 ZPO und §§ 29, 31 GKG auch kein Raum für eine Belastung der Parteien mit gerichtlichen Gebühren und Auslagen nach Abschluss des Verfahrens.

2.1 Die von der Landeskasse in Bezug genommene Rechtsprechung zu § 58 Abs. 2 Satz 2 GKG (alt) ist auf den vorliegenen Fall nicht anzuwenden. Richtig ist freilich, dass die Entscheidung des 3. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes vom 23.10.2003 (III ZP 11/03, NJW 2004, 366) die schon bisher herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung (OLG Hamm in Rpfleger 1984, 76, 77) bestätigt hat, dass der vermögende Gegner einer Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, die von ihm verauslagten Gerichtskosten gegen die bedürftige Partei festsetzen lassen kann, wenn und soweit diese in einem Vergleich die Kosten des Rechtsstreites übernommen hat; § 58 Abs. 2 Satz 2 GKG (alt) ist dann nicht anwendbar. Eine solche Auslegung kann sowohl auf den eindeutigen und nicht auslegungsfähigen Wortlaut des § 58 Abs. 2 Satz 2 GKG als auch auf den Sinn verweisen, dem Mißbrauch der Staatskasse vorzubeugen (OLG Koblenz in MDR 2004, 472, 473), darüber hinaus wohl auch auf die rechtliche Qualifikation der Gerichtskostenübernahme als eine einseitige Übernahmeerklärung einer Prozesspartei, die rechtsbegründend eine selbständige Verbindlichkeit gegenüber der Staatskasse schafft und die unwiderruflich und nicht anfechtbar ist (Oestreich/ Winter/ Hellstab, GKG, § 29 RdN 28). Eine solche Auslegung ist im Übrigen auch verfassungsrechtlich unbedenklich (Entscheidung der 1. Kammer des Ersten Senates vom 28.06.2000; BVerfG NJW 2000, 3271). Die Zivilprozessordnung und das Gerichtskostengesetz regeln im Falle der Prozesskostenhilfe das Regel- Ausnahmeprinzip in der Art, dass gem. § 123 ZPO die Bewilligung der Prozesskostenhilfe grundsätzlich auf die Verpflichtung, die dem Gegner entstandenen Kosten zu erstatten, keinen Einfluss hat. Nach dieser Vorschrift könnte die unterlegene "arme" Partei von der vermögenden Partei für verauslagte Gerichtskosten als Entscheidungsschuldnerin in Anspruch genommen werden und hätte sie ihr im Kostenfestsetzungsverfahren zu erstatten. Um die "arme" Partei von dieser Folge zu schützen, regelt § 31 Abs. 3 GKG, dass, soweit einem Entscheidungsschuldner Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, die Haftung des anderen ("vermögenden") Kostenschuldners nicht geltend machen darf und von diesem bereits erhobene Kosten zurückerstattet werden müssen. Übernimmt aber die "arme" Partei in einem Vergleich freiwillig einen Teil oder die gesamten Gerichtskosten, so soll sie sich nach ganz herrschender Rechtsprechung (s.o.) in diesem Fall nicht auf diese Vergünstigung berufen dürfen, um die Staatskasse vor Vergleichen zu schützen, in denen eine vermögende Partei der "armen" Partei entgegenkommt und diese dafür die bei ihr nicht beizutreibenden Gerichtkosten übernimmt (Zöller/Philippi 27. Aufl., § 123 ZPO RdN 6). Diese Rechtsprechung betrifft indes nur die Fälle, in denen der vermögende obsiegende Veranlassungsschuldner den von ihm geleisteten Gerichtskostenvorschuss in einem Kostenausgleichsverfahren von dem unterlegenen "armen" Übernahmeschuldner zurückverlangt. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor und diese Rechtsprechung ist auch nicht übertragbar.

2.2 Die Befürchtung, die Parteien eines gerichtlichen Vergleiches könnten die Prozesskostenfreiheit mißbrauchen, ist im vorliegenden Fall obsolet. Da auch die gegnerische Partei von den Gerichtskosten freigestellt ist, macht es im Ergebnis keinen Unterschied, wer von den Parteien die gerichtlichen Gebühren und Auslagen übernimmt, da die Landeskasse weder von der einen noch von der anderen Partei Kostenerstattung verlangen kann. Durch die PKH-Entscheidung des Prozessgerichtes steht der Landeskasse kein zahlungspflichtiger Kostenschuldner zur Verfügung. Allein aus der Tatsache, dass der Kläger der Landeskasse nunmehr als Veranlassungsschuldner gegenübersteht, kann nicht auf dessen Zahlungspflicht geschlossen werden. Dessen Schuld ist vielmehr gestundet (Künzl/ Koller Prozesskostenhilfe, 2. Aufl s. 223, RdZ 588). Im Falle der Prozesskostenhilfegewährung übernimmt der Staat gegenüber der "armen" Partei in einer Art spezialgesetzlich geregelten Sozialhilfe die Kosten des Rechtsstreites und befreit die Partei von jegliche Vorschüssen oder Sicherheitsleistungen ( § 122 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ).

2.3 Die von der Landeskasse vertretene Auffassung würde letztlich dazu führen, dass beide Parteien, obwohl ihnen das Prozessgericht Prozesskostenhilfe gewährt hat, gleichwohl Gerichtsgebühren und Auslagen bezahlen müssten, weil sie von der kostengünstigeren und die Gerichte entlastenden Möglichkeit, den Rechtsstreit durch einen Vergleich zu beenden, Gebrauch gemacht haben. Dieses Ergebnis ließe sich, worauf schon das Landgericht zutreffend hingewiesen hat, mit der gesetzlichen Regelung des § 278 Abs. 1 ZPO, wonach das Gericht in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinwirken soll, kaum in Einklang bringen. Die von den Gerichten vorgeschlagene Möglichkeit, den gerichtlichen Vergleich nur dem Grunde nach abzuschliessen und die Kostenentscheidung gem. § 91 a ZPO dem Gericht zu überlassen (OLG Koblenz in JurBüro 2000, 206, 207) könnte zwar den Vorteil haben, dass die Entscheidung nach der vom Gericht beurteilten Sach- und Rechtslage ergehen und damit ein Mißbrauch ausschliessen würde, ist aber andererseits mit Kostennachteilen behaftet und führt zu einer unnötigen Zusatzbelastung. Darüberhinaus scheint die Befürchtung der Gerichte, die Parteien könnten unter der Leitung des Prozessgerichtes einen der Sach- und Rechtslage eklatant widersprechenden Vergleich schliessen, - von Ausnahmen abgesehen (OLG Koblenz in MDR 2004,472, 473) - eher fernliegend (so schon OLG Dresden in Rpfleger 2002, 213,214). Vorliegend bedarf es allerdings aus den o.g. Gründen keiner Auseinandersetzung mit der herrschenden Meinung.

2.4 Die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Frankfurt (OLG Frankfurt vom 25.09.2008, 14 W 85/08) steht der Entscheidung des Senates nicht entgegen, weil - soweit der Abdruck der Entscheidung dies erkennen läßt - auch in jenem Fall dem "armen" Kläger ein vermögender Beklagter gegenüberstand, so dass dem von der herrschenden Meinung erörterte Mißbrauchsargument - anders als in diesem Fall - Bedeutung zukommt.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 66 Abs. 8 GKG.

Ende der Entscheidung

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