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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 21.04.2006
Aktenzeichen: 6 U 230/00 (1)
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 91a
BGB § 812
BGB § 138
BGB § 242
BGB § 273 Abs. 1
BGB § 738 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz
BGB § 894
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss

6 U 230/00

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B., den Richter am Oberlandesgericht Dr. t. V., den Richter am Oberlandesgericht H.

am 21.04.2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beklagte zu 2.) hat die Kosten dieses Verfahrens zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Nachdem die Parteien den nach Abtrennung einzig verbliebenen Teil des Rechtsstreits, nämlich den Anspruch auf Grundbuchberichtigung, übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, war über die Kosten des Verfahrens gem. § 91a ZPO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses zu entscheiden. Dies führte dazu, die Beklagte zu 2.) mit den Verfahrenskosten zu belegen, denn sie wäre aller Voraussicht nach in diesem Teil des Rechtsstreits insgesamt unterlegen, da die zulässige Berufung der Kläger begründet war.

Der Senat hat bereits in der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2006 deutlich gemacht, dass dem Anspruch der Kläger auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung (1.) keine rechtserheblichen Einwendungen seitens der Beklagten zu 2.) entgegengesetzt werden konnten. Einer Befassung mit den einzelnen dieser Gründe bedarf es hier nicht. Denn jedenfalls ging die Berufung der Beklagten auf ein irgendwie geartetes Zurückbehaltungsrecht fehl (2.), da diese Rechtsausübung zu den Grundsätzen von Treu und Glauben in Widerspruch stand.

1.

Den Klägern stand gegen die Beklagte zu 2.) nach § 812 BGB ein Anspruch auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung zu, da das Grundbuch zu Rostock, Bl. 80860 und Bl. 80863, in dem die Beklagte zu 2.) neben den Klägern zu 1.) und 2.) als Miteigentümerin der im Vermögen der GbR und GbR stehenden Grundstücke St 12a und St 14 eingetragen ist, in Folge ihres Ausscheidens aus beiden GbR's - begründet durch die Kündigung der Gesellschaften seitens der Nord-H - unrichtig geworden ist. Das hat das Landgericht zutreffend erkannt; auf die entsprechenden Gründe (UA Bl. 13f.) wird Bezug genommen. Dagegen vermochte die Beklagte zu 2.) weder mit Erfolg einzuwenden, die Kläger zu 1.) und 2.) seien nicht wirksam Mitgesellschafter der GbR geworden (a), noch waren die Geschäftsanteilsübertragungsverträge für sittenwidrig zu erkennen (b); auch konnte die Beklagte zu 2.) den Klägern gegenüber dem Grundbuchberichtigungsanspruch keine Treuepflichtverletzung von deren Seite entgegenhalten (c).

a)

Insoweit konnte dahingestellt bleiben, ob - wie die Beklagte zu 2.) vorgebracht hat - die Kläger infolge der zeitlichen Abfolge der Geschäftsanteilsübertragungsverträge zwischen Herrn S und ihr einerseits, sowie der Beklagten zu 2.) und dem Rechtsvorgänger des Klägers zu 2.) andererseits, Mitgesellschafter der ursprünglich als K & S GbR firmierenden Gesellschaft geworden sind. Denn die Kläger haben zu Recht darauf hingewiesen, wenn solches nicht der Fall gewesen sein sollte, so ist es doch dann - im Anschluss - zwischen den Klägern zu 1.) und 2.) und der Beklagten zu 2.) zu einer Neugründung einer Gesellschaft mit Gesellschaftsvertrag vom 23.05.1996 (Anlage K 1, GA 45ff.) gekommen. Das streitgegenständliche Grundstück (St 12a) wurde am 18.03.1997 an die GbR aufgelassen (Anlage K 31, GA 433); die Gesellschafter wurden am 06.08.1997 ins Grundbuch eingetragen (Anlage K 2, GA 64). Ebenso hat auch der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts in dem von den Klägern angeführten Verfahren (3 U 167/98) die Gesellschafts- und Eigentumsverhältnisse beurteilt (vgl. Urteil vom 06.03.2000, UA Bl. 13).

b)

Entgegen der von der Beklagten zu 2.) vorgetragenen pauschalen Behauptung konnte auch nicht erkannt werden, dass die Geschäftsanteilsübertragungsverträge vom 22.12. bzw. 27.12.2005 gem. § 138 BGB sittenwidrig gewesen sein sollten. Der Wortlaut der Verträge (vgl. etwa Anlage B 41, GA 993ff.) erbringt dafür keinerlei Gesichtspunkte. Denn bei der Bemessung von Leistung und Gegenleistung sind die Parteien von einem Wert des Gesamtobjekts von 5.000.000,00 DM ausgegangen. Davon hatte der Rechtsvorgänger des Klägers zu 2.) (bezogen auf den ihn betreffenden Vertrag) bei dem Erwerb einer 20%-igen Beteiligung einen Kaufpreis von 1.000.000,00 DM zu leisten. Für ein Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung ist also nichts ersichtlich.

Soweit die Beklagte zu 2.) vorgebracht hat, die Kläger hätten sich mit ihrer Beteiligung an der GbR einzig ihre Vorteile zu sichern gesucht, während sie die Haftung für die Kreditmittel übernommen habe, hätte auch dies kein Sittenwidrigkeitsurteil begründet. Insofern fehlte es einerseits schon an konkretem Sachvortrag dazu, welche ungleichen Belastungen der Beklagten zu 2.) auferlegt worden sein sollen, andererseits - und entscheidend - ist auch nicht ersichtlich, dass die Kläger eine Zwangslage oder geschäftliche Unerfahrenheit der Beklagten zu 2.) ausgenutzt hätten. Diese war bereits geraume Zeit im Geschäftsleben tätig, war selbst anwaltlich beraten (durch die Rechtsanwälte R und B) und musste von daher erkennen, welchen Risiken sie sich mit welchen finanziellen Dispositionsentscheidungen aussetzte.

c)

Schließlich ging auch der Vorhalt, dem Grundberichtigungsanspruch stünde eine gesellschaftsrechtliche Treuepflichtverletzung der Kläger entgegen, ins Leere. Aus dem allgemein gehaltenen Sachvortrag der Beklagten zu 2.) war bereits nicht zu erkennen, welchen Treuepflichtverstoß sie gegenüber den Klägern rügen wollte. Denn nach ihrem eigenen Vorbringen ist sie für die finanziellen Verbindlichkeiten bei der Norddeutschen H- und W persönlich eingetreten. Wenn diese Kredite sodann notleidend geworden sind, so konnte die Beklagte zu 2.) nicht erwarten, dass Dritte freimütig die von ihr übernommenen Belastungen abtragen oder sie davon freihalten. Das wäre mit der Verteilung der Risiken im allgemeinen Wirtschafts- und Geschäftsverkehr bei vernünftiger Betrachtung nicht in Übereinstimmung zu bringen.

2.

Dem danach bestehenden Grundbuchberichtigungsanspruch vermochte die Beklagte zu 2.) auch kein irgendwie geartetes Zurückbehaltungsrecht entgegensetzen, so dass das Urteil des Landgerichts auf die Berufung der Kläger abzuändern gewesen wäre, soweit das Landgericht die Verurteilung zur Bewilligung der Grundbuchberichtigung von einer Gegenleistung abhängig gemacht hat.

a)

Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass an dem Grundbuchberichtigungsanspruch i.S. des § 894 BGB ein Zurückbehaltungsrecht ausgeübt werden kann (vgl. BGH, NJW 1990, 1171). Dem sind im Falle des Ausscheidens eines Gesellschafters aus einer GbR jedoch Grenzen gesetzt, wenn ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 Abs. 1 BGB im Hinblick auf einen Abfindungsanspruch ausgeübt wird und der verbleibende Gesellschafter den Grundberichtigungsanspruch bezüglich des Grundstücks geltend macht, das zum Gesellschaftsvermögen gehört. Dem ausgeschiedenen Gesellschafter ist nämlich die Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht dann im Einzelfall zu versagen, wenn mit dessen Ausübung die Fortsetzung des Geschäfts durch den anderen Vertragspartner in Frage gestellt, gefährdet oder beeinträchtigt würde, etwa weil das Grundstück als Sicherungsobjekt für die Aufnahme eines dringend benötigten Betriebsmittelkredits gebraucht wird oder weil es zur Befriedigung sonstiger Ansprüche beliehen oder verwertet werden muss, diese Maßnahmen aber ohne vorherige Berichtigung des Grundbuches nicht durchgeführt werden können (vgl. BGH, NJW 1990, 1170, 1171). So lag es auch hier.

Die Kläger haben unter Vorlage eingeholter gutachterlicher Unterlagen belegt, dass zur Fortführung der auf den streitgegenständlichen Grundstücken belegenen Hotel- und Restaurationsbetriebe, P S und P F, zu Sanierungs- und Renovierungszwecken Finanzmittel von weit über 500.000,00 € aufgewendet werden müssen. Dieser Instandsetzungsbedarf ist dem Grunde nach im Übrigen auch gerichtsbekannt. Weiter haben die Kläger schlüssig dargestellt, ohne dass dem die Beklagte zu 2.) entgegengetreten wäre, dass die die GbR und GbR finanzierende Hausbank bereit ist, ihnen die entsprechenden Kreditmittel zur Verfügung zu stellen, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass das Grundbuch in dem von den Klägern verlangten Sinne berichtigt wird. Von daher liegt es auf der Hand, dass die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts seitens der Beklagten zu 2.) die Kläger an der Fortführung ihrer Geschäfte hindern musste.

b)

Der Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts durch die Beklagte zu 2.) stand auch im Übrigen der Einwand unzulässiger Rechtsausübung gem. § 242 BGB entgegen.

aa)

Der in § 273 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke, dass der Schuldner nur berechtigt ist, seine Leistung zu verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird, ist eine besondere Ausformung des in § 242 BGB normierten Grundsatzes von Treu und Glauben. Aus diesem Grund ist das Zurückbehaltungsrecht seinerseits wieder durch § 242 BGB begrenzt, so dass der Berechtigte es trotz Vorliegens der formalen Voraussetzungen nicht in einer Weise ausüben darf, die gegen Treu und Glauben verstößt (vgl. MünchKomm/Krüger, BGB, 4. Aufl., § 273 Rn. 2 und 72). Ausgangspunkt der Abwägung von Treu und Glauben ist dabei der Grundsatz, dass derjenige treuwidrig handelt, der eine rechtsmissbräuchlich erworbene Rechtsposition ausnutzt oder Vorteile erzielt, die ihm bei redlichem Verhalten versagt wären (vgl. BGHZ, 57, 108ff.; BGH, NJW 1985, 1825f.).

bb)

Davon war im vorliegenden Einzelfall auszugehen.

aaa)

Wie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 24.11.2004 deutlich geworden ist, benutzte die Beklagte zu 2.) das von ihr beanspruchte Zurückbehaltungsrecht einzig noch dazu, um die Höhe des ihr aus der Auseinandersetzung der GbR und der GbR zustehenden Abfindungsanspruchs zu beeinflussen und in ihrem Sinne manipulieren zu können. Dazu stand ihr, nachdem sie die Gesellschafterstellung in beiden Gesellschaften - bedingt (auch) durch eigenes wirtschaftliches Fehlverhalten - eingebüßt hat, kein Recht zu.

bbb)

Den Verweis auf die von den Klägern noch nicht erstellten Abfindungsbilanzen vermochte die Beklagte zu 2.) nach Vorlage derselben nicht mehr anzubringen. Auf die Frage, ob von der inhaltlichen Richtigkeit dieser Bilanzen auszugehen war, oder ob die im Auftrag der Kläger erstellten Bilanzen für die Parteien verbindlich gewesen sind, kam es im vorliegenden Rechtsstreit nicht an. Die Beklagte zu 2.) kann - wie sie selbst mit der Erwiderung auf die Berufung der Kläger zum Ausdruck gebracht hat - ggf. Leistungsklage bzw. Klage auf Feststellung der Unverbindlichkeit der Bilanzen (§ 319 BGB) erheben.

ccc)

Treuwidrig erschien die Berufung der Beklagten zu 2.) auf ein Zurückbehaltungsrecht - und der in diesem Zusammenhang gegenüber den Klägern angebrachte Anspruch auf Befreiung von Verbindlichkeiten bzw. auf Schuldbefreiung aus § 738 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz - weiter deshalb, ohne dass es einer Entscheidung dazu bedurft hätte, ob die geltend gemachten Ansprüche überhaupt gegeben sind, weil die Beklagte zu 2.) es selbst in der Hand hat, sich von den ihr gegenüber bestehenden Forderungen zu befreien. Die Kläger haben nämlich durch Vorlage der entsprechenden Schreiben der E -Bank nachgewiesen, dass diese bereit ist, die Beklagte zu 2.) aus ihrer Schuldnerstellung zu entlassen, wenn sie nur der von den Klägern - berechtigterweise - geforderten Grundbuchberichtigung zustimmt.

II.

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Weder kommt der Sache grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Eine mit dieser Entscheidung einhergehende Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vermag der Senat - entgegen dem Vorbringen der Beklagten zu 2.) (Ss. vom 21.03.2006, Bl. 2 = GA 1531) - nicht zu erkennen.

Ende der Entscheidung

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