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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 07.03.2006
Aktenzeichen: 7 W 63/05
Rechtsgebiete: RVG, GKG, WEG, ZPO


Vorschriften:

RVG § 32 Abs. 2
GKG § 48 Abs. 1
GKG § 68 Abs. 1
GKG § 66 Abs. 4
WEG § 18
WEG § 18 Abs. 1
WEG § 18 Abs. 2 Nr. 2
WEG § 18 Abs. 3
WEG § 19
WEG § 19 Abs. 2
WEG § 23 Abs. 4
WEG § 43 Abs. 1 Nr. 4
WEG § 48 Abs. 3
WEG § 51
ZPO § 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss

7 W 63/05

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. J., den Richter am Oberlandesgericht B. und den Richter am Amtsgericht Dr. W.

am 07.03.2006 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die weitere Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts Rostock abgeändert und der Streitwert auf 60.000,00 EUR festgesetzt.

2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die vom Landgericht zugelassene weitere Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist gemäß §§ 32 Abs. 2 RVG, 68 Abs. 1, 66 Abs. 4 GKG zulässig und im tenorierten Umfange begründet.

Die Klägerin hat wegen rückständigen Wohngeldes gegen den Beklagten einen Anspruch aus § 18 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 WEG verfolgt, über den - zutreffend - im ZPO-Verfahren verhandelt worden ist (§ 51 WEG i.V.m. § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG). Die Streitwertfestsetzung richtet sich daher nicht nach § 48 Abs. 3 WEG, sondern hat - wovon auch das Landgericht ausgegangen ist - nach § 3 ZPO zu erfolgen.

Die Frage, wie der Streitwert zu bemessen ist, wird in Literatur und Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet. Ganz überwiegend wird der Verkehrswert der Eigentumswohnung des Beklagten ohne Belastungen angesetzt (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss v. 25.03.1980, 15 W 54/79, Rpfleger 1980, 308; BayObLG, Beschluss v. 27.01.1989, BReg 1b Z 5/88, WuM 1990, 95; KG, Beschluss v. 26.02.1992, 24 W 3965/91, NJW-RR 1992, 1298; LG Köln, Beschluss v. 22.10.1997, 29 T 264/97, WuM 1998, 120; LG Hamburg, Beschluss v. 25.04.1995, 318 T 44/95, WuM 1998, 374; LG Stuttgart, Beschluss v. 21.03.1972, 2 T 99/72, AnwBl. 1972, 232; LG München I, Beschluss v. 01.08.1969, 13 T 328/69, Rpfleger 1970, 93; LG Nürnberg-Fürth, Beschluss v. 07.08.1964, 11 S 110/63, JurBüro 1964, 830; Zöller-Herget, ZPO, 25. Aufl., § 3 Rn. 16 "Wohnungseigentum"; Hartmann in B/L/A/H, ZPO, 64. Aufl., § 3 Rn. 141; Weitnauer-Lüke, WEG, 9. Aufl., § 18 Rn. 15; Palandt-Bassenge, 65. Aufl., § 51 WEG Rn. 1; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 3 Rn. 182; Schneider, KostRsp, WEG § 18 Nr. 1, Nr. 2; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rn. 1464 ff., 5133). Die Gegenansicht, der das Landgericht im angefochtenen Beschluss gefolgt ist, vertritt die Auffassung, dass der Streitwert für das Verfahren auf Entziehung des Wohnungseigentums nicht dem vollen Verkehrswert der Wohnung entspreche, sondern unter Berücksichtigung des jeweiligen Interesses der Beteiligten geringer zu bemessen sei. Soweit die Entziehung des Wohnungseigentums wegen Verzuges mit Wohngeldzahlungen gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG begehrt werde, bemesse sich der Streitwert regelmäßig nach der Höhe der Rückstände (vgl. OLG Köln, Beschluss v. 15.01.1999, 16 Wx 193/98, ZMR 1999, 284; LG Köln, Beschluss v. 29.10.2001, 29 T 195/01, ZMR 2002, 230; LG Hamburg, Beschluss v. 31.07.1990, 20 S 66/87, WuM 1991, 55; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 51 Rn. 5; Weitnauer-Gottschalg, WEG, 9. Aufl., § 51 Rn. 4; vgl. auch OLG Celle, Beschluss v. 15.09.1983, 4 W 151/83, KostRsp, WEG § 18 Nr. 1; Rohs, Rpfleger 1970, 93). Soweit die Beschwerdeführer wiederholt eine Entscheidung des OLG Köln (Beschluss v. 23.12.1997, 16 Wx 236/97, WuM 1998, 307) zitieren, wonach der Streitwert mit 20 % des Verkehrswertes der Wohnung zu bemessen sei, so betrifft jene Entscheidung nicht das Klageverfahren auf Entziehung des Wohnungseigentums nach §§ 18, 19, 51 WEG, sondern das davon zu unterscheidende Beschlussanfechtungsverfahren gemäß §§ 18 Abs. 3, 23 Abs. 4, 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG.

Der Senat schließt sich der ganz überwiegenden Auffassung an, dass für den Streitwert der Verkehrswert der Wohnung des Beklagten maßgebend ist, der von den Beschwerdeführern mit 60.000,00 EUR angegeben wird. Der Streitwert nach §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO wird durch den Streitgegenstand bestimmt, der durch den Klageantrag und die Klagebegründung festgelegt wird. Es entscheidet das Interesse des Klägers. Dieser begehrt mit der Klage nach §§ 18, 19 WEG die Verurteilung des Beklagten zur Veräußerung seines Wohnungseigentums. Er strebt somit die Verfügung über einen bestimmten Vermögensgegenstand an. Der Beklagte soll diesen Vermögensgegenstand verlieren, ein anderer soll ihn erhalten. Das Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Vermögensübertragung lässt sich daher nach Auffassung des Senats nur mit dem Wert des streitgegenständlichen Vermögensgegenstandes, der Eigentumswohnung des Beklagten, verlässlich bemessen. Die demgegenüber von der Gegenansicht vorgebrachten Bedenken vermögen nicht zu überzeugen. Soweit eingewandt wird, der Streitwert könne unter Berücksichtigung des Interesses der klagenden Eigentümer nicht mit dem vollen Verkehrswert angesetzt werden, da es diesen nicht darum gehe, das Eigentum selbst zu erwerben, ändert dies nichts daran, dass die Klage letztlich auf "Enteignung" des beklagten Wohnungseigentümers gerichtet ist. Dass dieser sein Eigentum nicht ohne Gegenleistung verlieren, sondern lediglich zur Veräußerung gezwungen werden soll, ändert an einer Beurteilung ebenfalls nichts. Diese Rechtsfolge wird auch bei einer Klage auf Leistung Zug um Zug an einen Dritten begehrt, ohne dass deshalb ein geringerer Wert als der der verlangten Leistung angenommen wird (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O.; Schneider, KostRsp, WEG § 18 Nr. 2). Der Umstand, dass der beklagte Wohnungseigentümer bei Wohngeldrückständen den Eigentumsverlust auch noch nach rechtskräftiger Verurteilung bis zur Erteilung des Zuschlags im Versteigerungsverfahren gemäß § 19 Abs. 2 WEG durch nachträgliche Zahlung abwenden kann, verändert entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht den Streitgegenstand des Antrages auf Veräußerung. Es handelt sich hierbei nur um eine Abwendungsbefugnis des Beklagten, die ebenso wenig streitwertbestimmend ist wie sonstige Einwendungen oder Gegenrechte des Beklagten, etwa die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts (vgl. OLG Hamburg, WUM 1998, 374; Schneider, a.a.O.). Soweit des Weiteren eingewandt wird, das Interesse der klagenden Eigentümer beschränke sich im Fall des § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG dahingehend, den unzuverlässigen Miteigentümer, der sich ständig mit seinen Zahlungen in Rückstand befinde, durch einen Partner zu ersetzen, der seine vertraglichen Verpflichtungen einhalte, wird unzulässig das Klagemotiv bzw. der Klagegrund mit dem Klageanspruch gleichgesetzt. Der Veräußerungs- bzw. Klagegrund gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG stellt nur die Voraussetzung für die Entziehungsklage dar. Geklagt wird gerade nicht - was ebenfalls möglich gewesen wäre, wenn es den Klägern nur darauf ankäme - auf Zahlung rückständiger Leistungen, sondern auf Verurteilung zur Veräußerung des Wohnungseigentums (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O.; Schneider, a.a.O.).

Kein anderes Ergebnis wird erzielt, wenn bei der Entziehungsklage - ausnahmsweise - das Interesse des Beklagten mit einbezogen würde. Für diesen geht es um den drohenden Verlust seines Wohnungseigentums. Er kämpft darum, Eigentümer zu bleiben, nicht darum, von einer - ggf. geringen - Geldzahlungspflicht verschont zu bleiben (vgl. LG Hamburg, a.a.O.; Schneider, a.a.O.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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