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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 18.02.2005
Aktenzeichen: 8 U 164/04
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB


Vorschriften:

BGB § 284
BGB § 285 a.F.
BGB § 633 Abs. 3
BGB § 634 a.F.
BGB § 635
EGBGB Art. 229 § 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftszeichen 8 U 164/04

Verkündet am: 11.03.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht Dr. .... und den Richter am Oberlandesgericht ....

auf die mündlichen Verhandlung vom 18.02.2005 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22.05.2003 verkündete Urteil des Landgerichts Schwerin, Az.: 4 O 153/00, teilweise abgeändert und hinsichtlich der Klage wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.880,53 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Ansprüche aus zwischen den Parteien geschlossenen Verträgen über die Lieferung von Netzwerkkomponenten, der Errichtung bzw. Erweiterung eines Netzwerkes sowie der Lieferung und Installation von Software. Die Kläger haben Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Vertrages begehrt, während die Beklagte mit ihrer erstinstanzlich erhobenen Widerklage Zahlung für die Lieferung von Bandkassetten sowie die Erweiterung des Netzwerkes verlangt hat. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellung im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat der Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme nur zu einem kleinen Teil und der Widerklage insgesamt stattgegeben. Es hat zu Gunsten der Kläger lediglich ein Schadensersatzanspruch gem. § 633 Abs. 3 BGB (a.F.) i. H. v. 3.678,- DM (entspricht 1.880,53 Euro) aufgrund der von ihnen beglichenen Rechnung der Firma .... GmbH (im folgenden .... GmbH) für die Überprüfung und teilweise Reparatur des Computernetzwerkes bejaht. Die gelieferte Hard- und Software sei zumindest hinsichtlich der Einstellungen zum Systemdienst der USV sowie der Aufteilung der Festplattenpartionen fehlerhaft, wie der Zeugen P.... (Mitarbeiter der .... GmbH) bestätigt habe. Die Beklagte sei mit der Mängelbeseitigung insoweit auch in Verzug gewesen. Sie sei mehrfach aufgefordert worden, Mängel zu beseitigen und habe dieses erfolglos versucht. Im Übrigen fehle es für den Schadensersatzanspruch gem. §§ 635, 634 BGB a.F. an der erforderlichen Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung, insbesondere enthalte das Schreiben der Kläger vom 15.04.1999 keine Aufforderung zur Mängelbeseitigung. Die Behauptung, einige Handbücher und Lizenzen hätten gefehlt, sei unsubstantiiert und bei der angefallenen Mehrarbeit könne nicht zwischen Anwendungsfehlern und Netzwerkeinstellungsfehlern getrennt werden. Die Widerklage sei dagegen begründet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils des Landgerichts Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat lediglich die Beklagte Berufung eingelegt und sich gegen ihre Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz gewandt. Die Beklagte meint, das Landgericht habe zu Unrecht angenommen, sie - die Beklagte - sei mit ihrer Mängelbeseitigung in Verzug gemäß § 633 Abs. 3 BGB a. F. geraten. Sie verweist dazu auf die Aussagen der Zeugen. Diese hätten angegeben, dass die Personalcomputer nach den jeweiligen Mängelanzeigen immer "wieder funktioniert" hätten. Folglich sei bewiesen, dass die jeweils gerügen Mängel abgestellt worden seien. Vor der Installation durch die Firma ... GmbH sei auch keine weitere Mängelanzeige erfolgt. Die gegenteilige Behauptung der Kläger hätten die Zeugenaussagen auch nicht bestätigt. Im Übrigen habe der Zeuge W..., der zuständige Mitarbeiter der Beklagten, mehrfach versucht, nach dem Schreiben der Kläger vom 15.04.1999 einen Termin mit den Klägern zu vereinbaren, was ihm jedoch nicht gelungen sei. Dieses habe der Zeuge W... in der Beweisaufnahme vor dem Landgericht auch so ausgesagt. Der dazu gestellte Protokollberichtigungsantrag sei zwar durch das Landgericht zurückgewiesen worden, da sich die zuständigen Richter nicht mehr an die Zeugenaussage im Einzelnen erinnern konnten. Der Zeuge W... müsse aber ggf. erneut in der 2. Instanz vernommen werden, zumal er seine Aussage auch schriftlich bestätigt habe. Ergänzend weist die Beklagte darauf hin, der Verzug sei zumindest aufgrund der Anrufe des Zeugen W... bzw. des Schreibens der Beklagten vom 26.04.1999 beendet worden, denn sie habe damit ausdrücklich eine Mängelbeseitigung angeboten. Eine Reaktionen der Kläger sei nicht erfolgt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Schwerin (Geschäftszeichen: 4 O 153/00) vom 22.05.2003, zugestellt am 04.06.2003, dahingehend aufzuheben, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Kläger als Gesamtgläubiger einen Betrag in Höhe von 1.880,53 Euro (3.678,00 DM) nebst 7,5 % Zinsen seit dem 14.04.2002 zu zahlen und die Klage insoweit abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angegriffene Entscheidung mit Rechtsaus-führungen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

1. Den Klägern steht für die von ihnen beglichene Rechnung der Firma ... GmbH kein Schadensersatzanspruch gem. § 633 Abs. 3 BGB (a.F.) i. H. v. 3.678,- DM, d. h. 1.880,53 Euro zu.

a) Die Beurteilung richtet sich gemäß Art. 229 § 5 EGBGB nach den bis zum 31.12.2001 geltenden Gesetzen.

b) Die Voraussetzungen eines Anspruches aus § 633 Abs. 3 BGB a.F. sind nicht gegeben. Zwar liegt ein Werkvertrag vor (aa), es fehlt jedoch der Verzug der Beklagten mit der Beseitigung des Mangels (bb), sodass offen bleiben kann, ob überhaupt ein Mangel und ein ausreichend konkretes Beseitigungsverlangen anzunehmen ist (cc).

aa) Zutreffend hat das Landgericht den vorliegenden Vertrag als Werkvertrag angesehen. Trotz der Veräußerung von Standardkomponenten richtet sich der Vertrag nach Werkvertragsrecht, da ein bestimmter Arbeitserfolg, d. h. hier die Erstellung eines speziell an die Bedürfnisse der Kläger angepassten Netzwerkes und die Einbindung der Arbeitsstationen in ein Netzwerk im Vordergrund stand (OLG München, Urteil vom 31.01.95 - 25 U 4246/94, Juris-Dok-Nr. KORE 5718749500).

bb) Die Beklagte war jedoch mit der Mängelbeseitigung nicht in Verzug i.S.d. §§ 633 Abs. 3, 284, 285 BGB (a.F.).

Ein Verzug des Unternehmers mit der Mängelbeseitigung setzt voraus, dass der Unternehmer dem berechtigten Mängelbeseitigungsverlangen des Bestellers bezogen auf den konkreten Mangel trotz Mahnung schuldhaft nicht rechtzeitig nachgekommen ist (§§ 284, 285 BGB a.F.). Den für den Anspruch aus § 633 Abs. 3 BGB darlegungs- und beweispflichtigen Klägern ist insoweit weder der Beweis weitere Mängel-beseitigungsaufforderungen bzw. einer Mahnung gelungen (1), noch war die Mahnung im vorliegenden Fall entbehrlich (2).

(1) Die Zeuginnen R... H... und J... B. haben bestätigt, dass die Beklagte auf die jeweiligen "Hilferufe" reagiert und die Mängel zunächst beseitigt hat. Um in Verzug gem. § 633 Abs. 3 BGB zu gelangen, wäre es jedoch erforderlich gewesen, dass die Kläger erneut die Beseitigung eines Mangels verlangt und die Beklagte gemahnt hätten.

Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass die Zeuginnen R... H... und J... B... nicht bestätigt haben, dass es nach dem 04.03.1999 weitere - mündliche - Hinweise oder "Hilferufe" der Mitarbeiter der Kläger gegeben hat (ohne Berücksichtigung der Frage, ob es sich um ausreichende Mängelrügen i.S.v. § 633 BGB gehandelt hätte). Die Zeugin R... H... hat dazu ausgesagt "... es war in der Tat so, dass es dann erstmal wieder geklappt hat, aber später doch wieder nicht.". Mit dieser Darstellung hat die Zeugin bestätigt, dass der Zeuge W... zunächst Mängel beseitigt hat und es später wieder erneut zu Mängeln gekommen ist. Ob es nach dem genannten Datum weiter solche "Hilferufe" gegeben hat, lässt sich der Aussage nicht entnehmen. Auch die Aussage der Zeugin J... B... belegt dieses Ergebnis. Sie hat ebenfalls ausgeführt, die Anlage habe zunächst funktioniert, nachdem Herr W... gegangen sei.

(2) Eine erneute Aufforderung zur Mängelbeseitigung und Mahnung ist auch nicht entbehrlich gewesen.

(2.1) Zwar ist es einem Auftraggeber in der Regel nicht zuzumuten noch eine sogenannte Vornahmefrist zu setzen und diese ablaufen zu lassen, bevor er zur Selbsthilfe greift, wenn der Unternehmer trotz mehrfacher Aufforderung, mit der Nachbesserung zu beginnen, nicht reagiert. Dieses haben die bereits genannten Zeuginnen jedoch nicht bestätigt. Die Zeugin H... hat insoweit zwar ausgesagt, dass "in der späteren Zeit niemand mehr abgenommen hat und der Anrufbeantworter lief und es dann auch nicht mehr Rückrufe gegeben habe". In dem folgenden Satz erwähnte sie jedoch, dass "dann auch wieder einer kam". Die Voraussetzungen für diese Ausnahme sind daher nicht bewiesen.

(2.2) Die Beklagte hat auch nicht ernsthaft und endgültig die Mangelbehebung verweigert. Vielmehr hat sie eine solche sogar mehrfach ausdrücklich angeboten.

(2.3) Im übrigen wäre die Mahnung selbst dann nicht entbehrlich gewesen, wenn es sich immer um den gleichen, von der Beklagten nie restlos beseitigten Fehler gehandelt hätte. Offensichtlich hatte sich zwischen den Parteien die Verkehrsübung gebildet, dass die Beklagte nach den "Hilferufen" jeweils einen Mitarbeiter entsendet, der das System prüft und ggf. repariert oder Bedienungshinweise gibt. Die plötzlich Beauftragung einer Drittfirma mit der Mängelbeseitigung ohne nochmalige vorherige Mängelanzeige und Mahnung durch die Klägerin wäre daher treuewidrig. Aufgrund der anderen ständigen Übung der Parteien musste die Beauftragung einer anderen Firma für die Beklagte unerwartetet und überraschend erscheinen, sodass die an sich mit der Mahnung verbundene Warnfunktion nicht eintreten konnte. Die Beklagte konnte sich aufgrund der vorherigen Mängelbeseitigungen und der genannten Verkehrsübung vielmehr in Sicherheit wiegen. Dass diese rechtliche Würdigung nicht überraschend ist, belegt nicht zuletzt auch die Klageschrift (S. 7), wonach der Beklagten mit dem Schreiben vom 15.04.1999 Gelegenheit gegeben worden sein soll, innerhalb einer Frist von 14 Tagen die Überprüfung durch die Drittfirma durch vollständige Mängelbeseitigung abzuwenden. Offensichtlich waren die Kläger ebenfalls der Auffassung, dass die Beklagten nochmals gemahnt werden musste. Tatsächlich enthält das genannte Schreiben allerdings keine derartige Aufforderung, sondern lediglich die Mitteilung, dass bereits eine Drittfirma beauftragt wurde und sie nach der Überprüfung der Anlage unaufgefordert auf die Angelegenheit zurückkommen werden.

(2.4) Von einer offenbaren Unfähigkeit der Beklagten zur Mängelbeseitigung kann ebenfalls nicht ausgegangen werden. Zwar kann in diesem Ausnahmefall auch ohne Verzug des Unternehmers ein Selbstbeseitigungsrecht des Besteller bejaht werden, da es in dieser Situation mit Recht und Billigkeit nicht zu vereinbaren wäre, den Besteller an seiner Verpflichtung, dem Unternehmer die Mängelbeseitigung zu ermöglichen, festzuhalten (vgl. Soergel in: MüKo-BGB, 3. Aufl., § 633 Rn 146 [m.w.N.]). Zum einen steht dieser Variante ebenfalls die zuvor genannte ständige Übung der Parteien entgegen. Bis zur Beauftragung der Firma ... GmbH bestand offensichtlich ausreichendes Vertrauen zu der Beklagten, sodass nicht nachvollziehbar ist, warum plötzlich eine Mahnung unzumutbar gewesen sein soll. Zum anderen ist eine offenbare Unfähigkeit der Beklagten nicht belegt. Es mag sein, dass die Beklagte bisher einen Fehler nicht entdeckt hatte. Andererseits habe die Zeuginnen R... H... und J... B... bestätigt, dass nach den Hilferufen die Programme wieder funktionierten und demzufolge tatsächlich eine Fehlerbeseitigung stattgefunden hatte (s.o.).

(3) Es braucht daher nicht entschieden werden, ob darüber hinaus die Beklagte eine Mängelbeseitigung in Annahmeverzug begründender Weise rechtzeitig vor Beseitigung der Mängel angeboten hat.

cc) Ob durch die Aussage des Sachverständigen, mit der er das "Aufhängen" der Systeme aufgrund von Problemen mit der Auslagerungsdatei lediglich für möglich gehalten hat, das Vorliegen eines objektiven Mangels, der seine Ursache nicht ausschließlich im Verantwortungsbereich des Bestellers hat, bewiesen ist, kann hier ebenfalls offenbleiben. Dieses gilt auch für die Frage, ob die oberflächlichen Angaben der Kläger zu den Mängeln ("..Betriebssystem nicht ordnungsgemäß geladen..", "..ließ sich nicht arbeiten ..", "..Betriebssystemabstürze ..","..läuft nicht störungsfrei..") überhaupt hinreichend bestimmte Mängelbeseitigungsverlangen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes darstellen (vgl. BGH NJW-RR 2000, 309; BGH NJW-RR 2002, 743 - Stichwort "Symptom-Theorie").

2. Lässt der Besteller - wie hier - ohne die Voraussetzung von § 633 Abs. 3 BGB die Mängelbeseitigung anderweitig vornehmen, so hat er keinen Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen, auch nicht beispielsweise über den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag (vgl. Sprau in: Palandt, BGB, 61. Aufl., § 633 Rdn. 8 [m.w.N.]).

3. Ein Schadensersatzanspruch gem. §§ 634, 635 BGB scheidet ebenfalls aus, da es an der dazu erforderlichen Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung fehlt. Das Schreiben der Kläger vom 15.04.1999 enthält gerade keine Aufforderung zur Mängelbeseitigung. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in dem landgerichtlichen Urteil Bezug genommen.

4. Weitere Anspruchsgrundlagen sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Mangels Anschlussberufung war nicht zu prüfen, ob den Klägern bzw. der klagenden Sozietät ein Anspruch auf Ersatz anderer Schäden (z. B. Kosten der Mehrarbeit für die Wiederherstellung verlorener Daten, Austausches des Switches, Kosten des Einbaus einer neuen Festplatte mit höherer Speicherkapazität) zusteht, da es sich dabei um eigene Streitgegenstände handelt.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO und die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, Abs. 2 GKG.

2. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern die Rechtsfortbildung und die Sicherheit einer einheitlichen Rechtsprechung nicht die Zulassung der Revision.

3. Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung zur Akte gelangte nicht nachgelassene Schriftsatz der Berufungsbeklagten vom 02.03.2005 ist gem. § 296a ZPO verspätet und gibt keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO.

Ende der Entscheidung

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