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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 23.02.2007
Aktenzeichen: 8 U 39/06
Rechtsgebiete: StVG, PflVersG, ZPO


Vorschriften:

StVG § 7 Abs. 1
StVG § 17 Abs. 1
StVG § 17 Abs. 3
StVO § 5 Abs. 3 Ziff. 1
StVO § 5 Abs. 4
PflVersG § 3
ZPO § 156
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 531 Abs. 1
ZPO § 531 Abs. 2
ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 2
1. Das Überholen einer Kolonne durch einen Kleintransporter auf einer Bundesstraße unmittelbar hinter einer Ortschaft stellt noch kein Überholen bei unklarer Verkehrslage dar.

2. Setzt ein Kleintransporter zum Überholen von drei vor ihm fahrenden Fahrzeugen an und schert das mittlere plötzlich aus, so haftet er mit 30 % der entstandenen Schäden.


Oberlandesgericht Rostock IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 U 39/06

Verkündet am: 23.02.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock auf die mündliche Verhandlung vom 09.02.2007

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichtes Schwerin vom 04.04.2006 (Az.: 1 O 403/03) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für die Berufung wird auf 81.745,81 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Verkehrsunfall, der sich am 21.10.2002 gegen 09.00 Uhr in der Nähe von Güstrow ereignet hat. Die Parteien befuhren die Bundesstraße 104 in Richtung Güstrow. An der Spitze der sich gebildeten Kolonne befand sich ein Lastkraftwagen mit Sattelauflieger, gefolgt vom Beklagten zu 1) in einem PKW Renault. Hinter ihm war der Zeuge ... in einem Lastkraftwagen unterwegs. Am Ende der Kolonne fuhr der Kläger mit einem Kleintransporter der Marke Iveco. Einige 100 Meter hinter der Ortschaft Witzin setzte der Kläger zum Überholen der Kolonne an. Nachdem er den Lastkraftwagen des Zeugen ... überholt hatte, scherte der Beklagte zu 1) mit seinem Pkw ebenfalls nach links auf die Gegenfahrbahn aus. Dabei kollidierte er im Bereich seines linken hinteren Hecks mit dem Fahrzeug des Klägers, welches daraufhin ins Schleudern geriet und an einen Straßenbaum prallte. Hierdurch wurde der Kläger schwer verletzt. Die Beklagten zahlten vorprozessual Schmerzensgeld in Höhe von 25.000,- Euro an den Kläger. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils.

Das Landgericht Schwerin hat der Klage nach Vernehmung des Zeugen ... und der Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum Teil stattgegeben. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, der Kläger habe die Unabwendbarkeit des Verkehrsunfalles nicht nachweisen können. Weder sei der konkrete Unfallverlauf aufgeklärt, noch habe der Kläger das Gericht davon überzeugen können, dass der Beklagte zu 1) seinen Fahrtrichtungsanzeiger nicht gesetzt habe. Vielmehr müsse er sich ein Mitverschulden in Höhe von 30% zurechnen lassen, weil er trotz einer unklaren Verkehrssituation überholt habe. Der Beklagte zu 1) sei nämlich bereits mehrfach nach links ausgeschert und habe damit seine Überholabsicht kundgetan. Schließlich sei auch das geltend gemachte Schmerzensgeld mit 100.000,- Euro zu hoch angesetzt. Ausweislich der erlittenen Verletzungen stünden dem Kläger insgesamt nur 40.000,- Euro zu. Der begehrte materielle Schadensersatzanspruch sei trotz des richterlichen Hinweises erstmals mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 16.03.2006 dargelegt worden.

Ergänzend wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 26.04.2006. Er ist der Auffassung, an seinem Verschulden fehle es schon deshalb, weil keine unklare Verkehrslage bestanden habe. Auch sei der Unfall für ihn unvermeidbar gewesen, denn er habe nicht vorhersehen können, dass ihm der Beklagte zu 1) sein Überholvorrecht streitig mache. Das geforderte Schmerzensgeld sei schon angesichts der gravierenden Herabsetzung seiner Persönlichkeit infolge der erlittenen Verletzungen gerechtfertigt. Auch die Abweisung der begehrten materiellen Schäden sei rechtsfehlerhaft erfolgt. Er habe seinen Anspruch bereits in der Klageschrift unter Hinweis auf Anlage 2 substantiiert vorgetragen. Im Übrigen habe ihm das Gericht weder eine Frist zur Substantiierung gesetzt, noch habe er damit rechnen können, dass der Antrag auf Schriftsatznachlass unberücksichtigt bleiben würde.

Der Kläger beantragt,

1.)

die Beklagten zu 1.) bis 3.) zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens weitere 75.000,- EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basissatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2.)

die Beklagten zu 1.) bis 3.) zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger 4.745,81 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basissatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

3.)

festzustellen, dass die Beklagten zu 1.) bis 3.) verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, die aus dem Unfall vom 21.10.2002 in Zukunft entstehen, einzustehen haben, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten sind der Auffassung, die Berufung sei unzulässig, soweit der Kläger die ihm bereits zugesprochenen Ansprüche weiter verfolge. Im Übrigen verteidigen sie das erstinstanzliche Urteil.

II.

1.

Die Berufung ist zulässig. Insbesondere verfolgt der Kläger mit seiner Berufung lediglich den abgewiesenen Teil seiner Klage weiter. Das ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus den gestellten Anträgen. Der Senat hatte das klägerische Begehren indes vor dem Hintergrund der Berufungsbegründung und nach dem mutmaßlichen Willen des Berufungsführers auszulegen.

2.

Die Berufung hat allerdings keine Aussicht auf Erfolg, weil das angegriffene Urteil im Ergebnis nicht zu beanstanden ist.

2.1.

Zutreffend hat das Landgericht den Schadensersatzanspruch des Klägers aus §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, 3 StVG, § 5 Abs. 4 StVO, § 3 PflVersG abgeleitet. Der Beklagte zu 1.) hat den Verkehrsunfall nämlich schuldhaft herbeigeführt, weil er entgegen § 5 Abs. 4 StVO zum Überholen angesetzt hat, ohne den bereits im Überholvorgang befindlichen Kläger zu beachten. Entgegen der Berufung beruht die erstinstanzlich vorgenommene Abwägung der unterschiedlichen Verursachungsbeiträge im Rahmen des § 17 Abs. 3 StVG nicht auf fehlerhaften Erwägungen. Zwar ist die Kammer tatsächlich unzutreffend von einem Verstoß des Klägers gegen § 5 Abs. 3 Ziff. 1 StVO ausgegangen. Dieser Fehler hat sich aber auf die zu bildende Haftungsquote der Unfallbeteiligten nicht ausgewirkt.

Der Kläger hat nicht gegen § 5 Abs. 3 Ziff. 1 StVO verstoßen, weil zu Beginn seines Überholvorganges eine unklare Verkehrslage nicht vorgelegen hat. Unklar ist eine Verkehrslage erst dann, wenn der Überholende nicht zuverlässig beurteilen kann, was der Vorausfahrende sogleich tun werde. Allein der Umstand, dass der Kläger eine Kolonne von mehreren Fahrzeugen überholt hat, begründet noch keinen solchen Verstoß. Denn das Überholen einer Fahrzeugkolonne ist auch nach § 5 Abs. 3 Ziff. 1 StVO nicht generell verboten. Ohne Hinzutreten von besonderen Umständen, die für ein unmittelbar folgendes Ausscheren sprechen, muss der eine Fahrzeugkolonne Überholende nicht damit rechnen, dass ein in der Kolonne befindliches Fahrzeug unvermittelt nach links ausschert (BGH, Urteil vom 23.09.1986, Az.: VI ZR 46/85, NJW 1987, 322 - 323; KG Berlin, Urteil vom 30.01.1995, Az.: 12 U 2820/93, NZV 1995, 359 - 360; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Auflage, § 2 StVO, Rz. 34, 35). Die Beklagten vermochten aber das Vorliegen solcher Umstände nicht zu beweisen. Die Kammer hat nach Einvernahme des Zeugen ... hierzu lediglich festgestellt, dass der Beklagte zu 1) nach Verlassen der Ortschaft Witzin mehrfach nach links ausgeschert war. Diese entscheidungserheblichen Feststellungen hat der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen, weil konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an deren Richtigkeit und Vollständigkeit nicht bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 09.03.2005, Az.: VIII ZR 266/03, MDR 2005, 945 - 946; OLG Rostock, Urteil vom 27.10.2003, Az.: 3 U 205/02). Insbesondere konnte sich der Zeuge weder an den konkreten Unfallhergang erinnern, noch hat er Aussagen zur Benutzung der Fahrtrichtungsanzeiger treffen können. Allein das kurzzeitige Ausscheren des Beklagten zu 1) vor dem klägerischen Überholvorgang vermochten nach Überzeugung des Senats keine Umstände zu begründen, die für ein unmittelbar folgendes Ausscheren sprachen. Es ist zunächst nicht ungewöhnlich, dass sich Verkehrsteilnehmer - vor allem nach einer längeren Fahrt hinter einem Lastkraftwagen - auf diese Weise orientieren, ohne hierdurch andere Fahrzeuge zu gefährden. Auch der Kläger war von diesem Ausscheren zunächst nicht betroffen. Er befand sich nämlich zu diesem Zeitpunkt mit seinem Kleintransporter an vierter, der Kläger aber mit seinem - deutlich schnelleren - Personenkraftwagen an zweiter Stelle der Kolonne. Zu Beginn des Überholvorganges aber - und nur darauf kommt es an - hat der Beklagte zu 1) seinen Fahrstreifen nicht verlassen (vgl. hierzu OLG Köln, Urteil vom 10.06.1980, Az.: 1 Ss 339/80, VRS 60, 222-224; KG Berlin, Urteil vom 04.06.1987, Az.: 12 U 4540/86, NJW-RR 1987, 1251-1252 - für einen sich zur Fahrbahnmitte hin orientierenden, aber nicht blinkenden Linksabbieger).

Entgegen der Berufung war der Verkehrsunfall für den Kläger aber nicht unabwendbar im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG. Unabwendbar ist ein Ereignis, das auch durch eine äußerst mögliche Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Hierzu gehört ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hinaus. Der Fahrer, der mit Erfolg die Unabwendbarkeit des Unfalls geltend machen will, muss sich unter Berücksichtigung der konkreten Verkehrsumstände wie ein Idealfahrer verhalten haben. Dabei darf sich die Prüfung nicht nur auf die Frage beschränken, ob der Fahrer in der konkreten Gefahrensituation wie ein Idealfahrer reagiert hat. Vielmehr ist sie auf die weitere Frage zu erstrecken, ob ein Idealfahrer überhaupt in eine solche Gefahrenlage geraten wäre. Denn der sich aus einer abwendbaren Gefahrenlage entwickelte Unfall wird nicht dadurch unabwendbar, dass sich der Fahrer später ideal verhält (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. zuletzt: Urteil vom 17.03.1992, Az.: VI ZR 62/91, BGHZ 117, 337-345). Der sorgfältige Fahrer eines Kleintransporters hätte in der konkreten Verkehrssituation schon nicht zum Überholen der Kolonne angesetzt, sondern angesichts der besonderen Umstände zunächst abgewartet. Der Kläger fuhr mit seinem LKW nämlich am Ende der Kolonne, während sich der Beklagte zu 1) mit einem deutlich schneller beschleunigenden PKW an zweiter Stelle befand. Es war naheliegend, dass jener ebenfalls die Spitze der Kolonne überholen will, zumal nach Durchfahren der Ortschaft Witzin erstmals die Möglichkeit dazu bestand. Ein Idealfahrer hätte den vor ihm fahrenden Kraftfahrzeugen deshalb zumindest eine kurze Überlegungsfrist, unter Umständen sogar die Gelegenheit zum Überholen eingeräumt, um eine Gefährdung von vornherein auszuschließen. Die Straßenverkehrsordnung verlangt nämlich eine defensive und vorausschauende Fahrweise (§ 1 StVO). Entgegen der Berufung muss es ein Autofahrer unter Umständen sogar hinnehmen, hinter langsamen Fahrzeugen herzufahren, bevor sich eine geeignete Überholmöglichkeit bietet. Auch der Zeuge .... hat in seiner Vernehmung überzeugend dargelegt, angesichts der Verkehrssituation auf ein Überholen verzichtet zu haben.

Bei der Bildung der Haftungsquote hatte der Senat die jeweiligen Verursachungsbeiträge gegeneinander abzuwägen. Dabei war einerseits zu berücksichtigen, dass der Beklagte zu 1.) beim Überholen gegen § 5 Abs. 4 StVO verstoßen hat. Andererseits war der Verkehrsunfall für den Kläger nicht unabwendbar im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG. Bei der Bemessung der Höhe der klägerischen Betriebsgefahr war neben der Art und Beschaffenheit des Kleintransporters vor allem zu berücksichtigen, dass sich der Verkehrsunfall beim Überholen einer Fahrzeugkolonne ereignet hat. Das rechtfertigt zur Überzeugung des Senats den Ansatz einer erhöhten Betriebsgefahr, denn den Überholenden einer Kolonne trifft eine gesteigerte Sorgfaltspflicht. Bereits das Überholen eines Fahrzeuges, erst recht aber das Überholen einer Fahrzeugkolonne mit einem LKW birgt stets ein besonderes Gefahrenpotential (vgl. BGH, Urteil vom 18.05.1971, Az.: VI ZR 267/69, VersR 1971, 843; OLG Hamm, Urteil vom 15.03.1995, Az.: 3 U 159/94, NZV 1995, 399; OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.07.2001, Az.: 9 U 195/00, NZV 2001, 473). Die vorgenannte Abwägung führt zu der bereits erstinstanzlich festgestellten Haftungsquote von 30 % : 70 % zu Lasten der Beklagten.

2.2.

Die Erwägungen der Kammer zur Schadenshöhe sind ebenfalls nicht zu beanstanden. Ermessensfehlerfrei hat das Landgericht unter Berücksichtigung des Mitverschuldens ein Schmerzensgeld in Höhe von 28.000,- Euro für ausreichend erachtet (§§ 253 Abs. 2 BGB, 287 ZPO). Dabei hat die Kammer insbesondere die unfallbedingten Körperschäden (Oberschenkelschaft-Trümmerbruch links mit Bewegungseinschränkung des linken Hüft- und Kniegelenkes, Muskelminderung am linken Oberschenkel, Schienbeinkopfbruch links mit nachfolgender Korrekturosteotomie und deutlicher Arthrose des Kniegelenkes, laterale Instabilität des linken Kniegelenkes mit der Notwendigkeit einer Kniegelenksorthese), den Behandlungsverlauf (7 1/2 Monate stationäre Behandlung einschließlich Rehabilitierungsmaßnahmen) und die damit verbundene Erwerbsunfähigkeit, den verletzungsbedingten Verlust des Arbeitsplatzes sowie die bereits bekannten Dauerschäden in ihre Erwägungen einbezogen. Zutreffend hat sich das erstinstanzliche Gericht dabei auf die Entscheidungen des Oberlandesgerichts Rostock vom 14.06.2002 (Az.: 8 U 79/00, Haacks/Ring/Böhm, Schmerzensgeldbeträge, 22. Auflage, Rz. 2630) und des Landgerichts Leipzig vom 12.08.1999 (Az.: 3 O 6542/98, Haacks/Ring/Böhm, a. a. O., Rz. 2637) gestützt.

Der erkennende Senat hielt in der vorgenannten Entscheidung ein Schmerzensgeld in Höhe von 33.234,- EUR für angemessen, dem folgende Verletzungen zugrunde lagen:

Oberschenkelschaftfraktur rechts, Partellalenksfraktur links, Fibularfraktur rechts, dislozierte MC-V-Basisfraktur links, Mittelfußläsion mit posttraumatischem Plattfuß, stumpfes Brustkorbtrauma links, multiple Schürfungen und Weichteilwunden; Krankenhausaufenthalt für vier Wochen, stationäre Reha-Maßnahme für die Dauer von drei Wochen; Folgeschäden: Beinverkürzung um 1,5 cm rechts mit der Notwendigkeit, einen Ausgleich zu tragen, messbare Funktionsbeeinträchtigung des rechten Hüftgelenkes, Belastungsbeschwerde im linken Kniegelenk, Belastungsminderung der linken Hand und im linken Arm sowie Gehbehinderungen.

Das Landgericht Leipzig erkannte mit Urteil vom 12.08.1999 auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 35.000,- EUR für nachfolgende Verletzungen:

Oberschenkelhalsbruch mit nachfolgender Wundinfektion, Unterarmfraktur und Kontorsion der Wirbelsäule und Platzwunden am Oberlid, verbunden mit vier langandauernden Krankenhausaufenthalten.

Die demgegenüber vom Kläger begehrten 100.000,- EUR sind deutlich übersetzt und finden auch in der obergerichtlichen Rechtsprechung keine Stütze. Insbesondere die klägerseits angegebene Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 02.09.2003 (Az.: 14 U 178/02, DAR 2003, 557-559) vermag die geltend gemachte Schmerzensgeldhöhe nicht zu rechtfertigen. Die dort zu beurteilenden körperlichen Schäden waren aber deutlich schwerwiegender als im vorliegenden Fall:

Stumpfes Thoraxtrauma, Hämatothorax, Bauchtrauma mit Leberkontusion, Milzkontusion, Milzmazeration, Milzhilusausriss, Pankreaskontusion, Bauchwand- und retroperitoneales Hämatom, Riss- und Quetschwunde am Penis, Beckenfraktur mit vorderer Beckenringfraktur rechts, Fraktur des Os sacrum links, Ileosakralfugensprengung rechts, drittgradig offene Trümmerfraktur des Oberschenkelschaftes mit ausgedehnte Decollement (Ablederung der Haut auf großer Fläche), Abriss der linken Nasenmuschel mit rezidivierenden nasopharyngealen Blutungen, Deviation der Nasenscheidewand, oropharyngealer Schleimhautriss, eine Subluxation des Zahnes 21 und Verlust von 3 Schneidezähnen.

Unter Berücksichtigung des Mitverschuldens des Klägers und der bereits gezahlten 25.000,- EUR ergibt sich der vom erstinstanzlichen Gericht ausgeurteilte Restschmerzensgeldanspruch von 3.000,- EUR.

Der geltend gemachte materielle Schadensersatzanspruch in Höhe von 4.745,81 Euro steht dem Kläger nicht zu, weil er damit gemäß § 531 Abs. 1, 2 ZPO ausgeschlossen ist. Zutreffend hat das erstinstanzliche Gericht das Vorbringen des Klägers im Hinblick auf diesen Schaden als verspätet zurückgewiesen (§ 296a ZPO), weil der Kläger hierzu erstmals mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 16.03.2006 und damit nach Schluss der mündlichen Verhandlung substantiiert vorgetragen hat. Beanstandungsfrei hat das Landgericht Schwerin das diesbezügliche Klagevorbringen auch unter Bezugnahme auf Anlage 2 der Klageschrift für nicht ausreichend erachtet, den geltend gemachten Anspruch als entstanden erscheinen zu lassen.

Der klägerische Vortrag ist schließlich auch nicht als Novum gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausnahmsweise zuzulassen. Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO liegt nicht vor. Die Kammer hat den Kläger auf die mangelnde Substanz ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung vom 25.01.2005 hingewiesen und ihm einen Schriftsatznachlass bis zum 23.2.2005 gewährt, der aber fruchtlos verstrichen ist. Eine weitere Fristverlängerung musste das Landgericht nicht gewähren. Auch für eine Wiedereröffnung des Verfahrens gemäß § 156 ZPO bestand keine Veranlassung. Schließlich beruhte die Verspätung auch auf einer Nachlässigkeit des Klägers. Es war ihm ohne weiteres zuzumuten, seinen Sachvortrag innerhalb von 14 Monaten nachzubessern. Der Kläger konnte nach seinem wiederholten Antrag vom 14.03.2006 auch nicht ersthaft auf eine stillschweigende Fristverlängerung oder eine Wiedereröffnung des Verfahrens vertrauen.

2.3.

Die erstinstanzliche Feststellung im Hinblick auf zukünftige materielle und immaterielle Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 21.10.2002 ist dem Grunde und dem Umfang nach ebenfalls nicht zu beanstanden.

3.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Ziff. 10 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

Der Berufungsstreitwert in Höhe von 81.745,81 EUR ergibt sich wie folgt:

Antrag zu 1.: 72.000,00 EUR

Antrag zu 2.: 4.745,81 EUR

Antrag zu 3.: 5.000,00 EUR

Ende der Entscheidung

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