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Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Urteil verkündet am 28.10.2005
Aktenzeichen: 8 U 91/04
Rechtsgebiete: StGB, BGB, StBerG, ZPO


Vorschriften:

StGB § 203
StGB § 203 Abs. 1
BGB § 134
BGB § 260
BGB § 104 Nr. 2
BGB § 812 ff.
BGB § 855
BGB § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alt.
BGB § 812 Abs. 1
BGB § 818 Abs. 2
BGB § 818 Abs. 2
BGB § 203 Abs. 3 Satz 2
BGB § 203 Abs. 1 Nr. 3
BGB § 242
StBerG § 57
StBerG § 5
StBerG § 66
ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock URTEIL IM NAMEN DES VOLKES

8 U 91/04

Verkündet am: 28.10.2005

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S., den Richter am Oberlandesgericht Dr. M. und den Richter am Oberlandesgericht L.

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23.09.2005

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 30.04.2004 verkündete Urteil des Landgerichts Stralsund, Az.: 4 O 32/04, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.700,- EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Ansprüche im Zusammenhang mit der Übertragung einer Steuerberaterkanzlei. Im vorliegenden Verfahren geht es um Auskunftsansprüche zur Vorbereitung eines Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung.

Der Kläger, welcher im Jahr 1993 neben seiner Steuerberaterkanzlei in H. eine weitere Kanzlei in P. eröffnete, war im Jahr 1999 aufgrund privater und gesundheitlicher Probleme nicht mehr in der Lage, die Steuerberaterkanzlei in P. weiterzuführen. Aus diesem Grunde übertrug er die Steuerberaterkanzlei in P. mit Vereinbarung vom 13.11.1999 auf Herrn H.. Da dieser jedoch sein Steuerberaterexamen noch nicht bestanden hatte, sollte bis zu seiner Bestellung zum Steuerberater eine geeignete und berechtigte Person die Leitung der Praxis übernehmen. Der Beklagte, der seit Februar 1999 im Büro des Klägers in H. tätig war, erklärte sich bereit, die Praxis entsprechend der Vereinbarung vom 13.11.1999 als Treuhänder zu übernehmen, wobei diese Treuhändertätigkeit des Beklagten mit einem Betrag von 5.000,- DM monatlich vergütet wurde. Im Rahmen der Vereinbarung vom 23.11.1999 übertrug der Kläger dem Beklagten die vom Büro P. betreuten Mandate zum 01.01.2000 ausdrücklich ohne Entschädigungen, um weiteren Schaden von Mandanten und Mitarbeitern abzuwenden. Der Beklagte erbrachte seine Leistungen im Wesentlichen über sein Büro in H. und hielt sich nur gelegentlich in P. auf. Nachdem sich herausstellte, dass der Zeuge H. die beruflichen Voraussetzungen nicht erfüllt, um die Praxis zu übernehmen, wurde die Praxis im Einvernehmen mit dem Zeugen H. von dem Beklagten fortgeführt.

Der Kläger hat behauptet, er habe dem Beklagten die Steuerberatungskanzlei übertragen, die Übertragung sei jedoch aus zwei rechtlichen Gesichtspunkten unwirksam. Zum einen habe sich der Kläger im fraglichen Zeitraum in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand gestörter Geistestätigkeit befunden, wie sich aus dem fachpsychiatrischen Gutachten des Sachverständigen Dr. med. B. vom 09.07.2002 ergebe. Zum anderen sei die Vereinbarung nichtig, weil die vereinbarte Übergabe der Mandantenakten wegen Verstoßes gegen § 203 StGB strafbar und damit die Vereinbarung nach § 134 BGB unwirksam sei. Da eine Rückabwicklung aufgrund der Einbindung seiner ehemaligen Mandanten in dem Mandantenstamm des Beklagten nicht möglich sei, habe der Beklagte dem Kläger Wertersatz in Geld zu leisten. Um diesen beziffern zu können, müsse ihm der Beklagte Auskunft erteilen. Im Zeitraum Januar bis November 1999 habe die Steuerberaterkanzlei in P. immerhin Honorare in Höhe von insgesamt 761.832,49 DM in Rechnung gestellt.

Der Beklagte hat die Geschäftsunfähigkeit des Klägers bestritten und das Gutachten zurückgewiesen. Ein Verstoß gegen § 203 StGB habe nicht vorgelegen, da der Beklagte bereits seit Februar 1999 in der Steuerberaterkanzlei des Klägers, wenn auch im Büro in H., tätig gewesen sei. Schließlich sei er nicht passivlegitimiert, da der Kläger ausschließlich an den Zeugen H. geleistet habe. Ein Bereichungsanspruch gegen ihn sei folglich nicht gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Einen Verstoß gegen § 203 StGB hat das Landgericht mit der Begründung verneint, der Beklagte sei zuvor in den Kanzleiräumen in H. tätig gewesen und beide Kanzleiorte hätten eine einheitliche Steuerberaterkanzlei dargestellt. Offengelassen hat das Landgericht, ob der Kläger im Jahr 1999 geschäftsfähig gewesen ist, da nach seiner Ansicht in beiden Fällen ein Auskunftsanspruch bestehe. Sollte der Kläger geschäftsunfähig gewesen sein, würde sich daraus die Unwirksamkeit der Vereinbarung ergeben und dem Kläger stünde ein Auskunftsanspruch zu, um seine Angelegenheiten hinsichtlich der Kanzlei in P. abschließend regeln zu können. Für den Fall, dass der Kläger geschäftsfähig gewesen sei, stünde dem Kläger als nach wie vor berechtigtem Steuerberater der Kanzlei in P. ein Auskunftsanspruch gegenüber dem interimsweise eingesetzten Steuerberater, d. h. dem Beklagten zu. Mit der Vereinbarung vom 23.11.1999 habe der Kläger lediglich die Ziffer 4 der Vereinbarung vom 13.11.1999 realisieren wollen. Letztere Vereinbarung sei jedoch nicht wirksam geworden, da die Bedingung, die Bestellung des Herrn H. zum Steuerberater, nicht eingetreten sei. Die Fortdauer der interimsweise Einsetzung des Beklagten sei ein unhaltbarer, ungeklärter rechtlicher Zustand. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe der angegriffenen Entscheidung Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt. Er behauptet, für die Erteilung der Auskunft entsprechend dem landgerichtlichen Urteil 74 Stunden zu benötigen. Die Beschwer betrage ausgehend von einem Stundensatz von 50,- € somit 3.700,- €, so dass die Berufung zulässig sei. Er ist der Auffassung, es fehle bereits eine Anspruchsgrundlage für einen Anspruch auf Zahlung von Wertersatz, da die Vereinbarung vom 23.11.1999 der Rechtsgrund für die Leistung, die der Kläger aufgrund der Vereinbarung an den Beklagten bewirkt habe, sei.

Aber selbst bei Unwirksamkeit der Vereinbarung vom 23.11.1999 wäre das Auskunftsbegehren des Klägers nicht gerechtfertigt, denn in diesem Fall sei der Kläger nach wie vor Kanzleiinhaber und könne ohne weiteres Einsicht in die ihn interessierenden Unterlagen nehmen. Im Übrigen habe der Kläger seine eigene Steuerberatertätigkeit schon lange vor November 1999 eingestellt, sodass zu befürchten sei, dass der Beklagte durch das Urteil auch zur Auskunft über Mandatsverhältnisse verpflichtet werde, die lediglich früher einmal auch Mandanten des Kläger gewesen seien. Insoweit würde den Beklagten das Urteil zur Verletzung seiner Verschwiegenheitsverpflichtung gegenüber seinen Mandanten zwingen.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Teilurteil zu ändern und die vom Kläger geltend gemachten Auskunftsansprüche abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, der vom Beklagten genannte Treuhandvertrag vom 23.11.1999 verstoße gegen § 57 StBerG und habe nur den Zweck gehabt, es den Herren F. und H. unbefugt zu ermöglichen, unter Verstoß gegen § 5 StBerG Hilfe in Steuersachen zu leisten, tatsächlich sei der Beklagte faktisch der Steuerberater der früheren Kunden des Klägers geworden. Nachdem sich herausgestellt habe, dass der Zeuge H. das Steuerberaterexamen nicht bestehen würde, habe der Beklagte seine Treuhandschaft als beendet betrachtet und die vom Kläger übernommene Kanzlei als eigene fortgeführt und später den vereidigten Buchprüfer Ha. als Sozius aufgenommen.

II.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere übersteigt die Beschwer gem. § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO 600,- €. Bei einer Verurteilung zur Auskunfterteilung ist in erster Linie auf den Aufwand an Arbeitszeit und Kosten abzustellen, um die Beschwer zu bestimmen (BGH NJW-RR 1994, 174). Insoweit bestehen vorliegend keine Bedenken von einem angemessenen Stundensatz von 50.- € für die Sichtung der Buchführungsunterlagen aus dem Jahr 2000 auszugehen und einen Zeitaufwand von 20 Stunden anzunehmen. Hinzu kommt noch eine Befragung von Mandanten und das Erstellen von Listen, sodass insgesamt sicherlich mehr als 12 Stunden benötigt werden.

2. Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das landgerichtliche Urteil ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

a) Im vorliegenden Fall ergibt sich der Auskunftsanspruch weder aus § 260 BGB, noch aus Vertrag oder Gesetz, sondern vielmehr ausnahmsweise aus Treu und Glauben (§ 242 BGB).

Grundsätzlich muss sich der Gläubiger selbst die Kenntnisse über das Bestehen und den Umfang seines Anspruchs verschaffen; eine allgemeine Auskunftspflicht besteht nicht. Allerdings ist der Schuldner ausnahmsweise nach Treu und Glauben zur Auskunft verpflichtet, wenn die zwischen den Parteien bestehende Rechtsbeziehung es mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Unwissenheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann (hM; vgl. BGH NJW 2002, 2475 [2476]; Bamberger/Roth, BGB-Komm. § 260 Rdn 9 m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

aa) Zwischen den Parteien besteht eine Sonderrechtsbeziehung in Form eines Abwicklungsverhältnisses. Dieses Abwicklungsverhältnis entsteht in beiden denkbaren Sachverhaltsvarianten, d. h. sowohl für den Fall der Geschäftsunfähigkeit als auch der Geschäftsfähigkeit des Kläger im Zeitpunkt des Vertragsschlusses.

(1) Sollte der Kläger im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geschäftsunfähig i. S. v. § 104 Nr. 2 BGB gewesen sein, so wären seine Willenserklärungen nichtig (§ 105 Abs. 1 BGB). Die Parteien müssten sich daher die aufgrund des Vertrages einander gewährten Leistungen gem. §§ 812ff BGB zurückgewähren.

(2) Zu dem gleichen Ergebnis gelangt man auch für den Fall, dass der Kläger im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geschäftsfähig gewesen ist, weil dann die Geschäftsgrundlage entfallen ist.

(2.1) Nach seiner eigenen Darstellung, die in der Berufungsinstanz seitens des Klägers ausdrücklich unstreitig gestellt wurde, wurde der Beklagte mit der Vereinbarung vom 23.11.1999 entsprechend des Vertrages des Klägers mit Herrn H. als Treuhänder gegen Zahlung eines Entgelts tätig. Sinn und Zweck dieses Vertrages war, die Steuerberaterkanzlei in P. vorläufig weiterzuführen bis der Übernehmer H. die formellen Voraussetzungen für die Übernahme der Steuerberaterkanzlei selbst erfüllt. Nachdem nunmehr zwischen den Parteien unstreitig ist, dass er seine Bestellung zum Steuerberater nicht mehr erreichen wird, steht auch fest, dass die Grundlage für den Treuhandvertrag endgültig weggefallen ist. Damit ist die subjektive Geschäftsgrundlage, die aus den gemeinsamen Vorstellungen und sicheren Erwartungen beider Vertragspartner, von den sie sich bei Abschluss des Vertrages haben leiten lassen (Heinrichs in: Palandt, BGB, 61. Aufl., § 242 Rdn. 122), nachträglich weggefallen.

(2.2) Zwar führt der Wegfall der Geschäftsgrundlage grundsätzlich nicht zur Auflösung des Vertrages, sondern zur Anpassung seines Inhaltes an die veränderten Verhältnisse. Die Anpassung kann vorliegend aber nur so aussehen, dass der Beklagte seine Tätigkeit als Treuhänder beendet. Diese Beendigung der Fortsetzung des Vertrages geschieht allerdings nicht ipso jure. Sie bedarf vielmehr eine rechtsgestaltenen Erklärung, also einer Kündigung seitens des Klägers. Diese ist vorliegend jedoch entbehrlich, da der Beklagte seine Treuhändertätigkeit nach eigener Darstellung von sich aus zum 01.01.2000 eingestellt und die Steuerberaterkanzlei auf Wunsch des Herrn H. selbständig weitergeführt hat. Auf diesen Auftrag seitens des Herrn H. kann sich der Beklagte jedoch im Verhältnis zum Kläger nicht stützen. Nach Beendigung des Treuhandvertrages wäre der Beklagte an sich verpflichtet gewesen, die erhaltenen Unterlagen dem Kläger wieder zurückzugeben, da er diese mit der Vereinbarung vom 23.11.1999 ausdrücklich vom Kläger erhalten hatte. Dass ihm möglicherweise faktisch die Unterlagen von Herrn H. überreicht wurden, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Entscheidend ist vielmehr, dass dieses auf die vertragliche Vereinbarung des Beklagten mit dem Kläger vom 23.11.1999 zurückzuführen ist. Insoweit ist Herr H. lediglich als Besitzdiener i. S. v. § 855 BGB und eventuell auch als Bote oder Erfüllungsgehilfe des Klägers tätig geworden. Aus der Vereinbarung des Klägers mit dem Zeugen H. vom 13.11.1999 ergibt sich nämlich, dass dieser die Kanzlei tatsächlich erst übernehmen sollte, nachdem er zum Steuerberater bestellt wurde (vgl. Ziffer 2 der Vereinbarung, Bl. 65 d.).

(2.3) Da somit seit dem 01.01.2000 der rechtliche Grund für das Erlangen der Unterlagen weggefallen ist, der Beklagte die Unterlagen gleichwohl behalten hat, ist dieses Verhältnis im Wege der Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung gem. §§ 812ff BGB. abzuwickeln.

(2.4) Für den Auskunftsanspruch aus Treu und Glauben ist es ausreichend, dass für den sich aus ungerechtfertigter Bereicherung ergebenden Anspruch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ein positiver Saldo ergeben wird (vgl. Grüneberg in: Bamberger/Roth, BGB-Komm., § 260 Rdn. 13). Dieses ist im vorliegenden Fall zu bejahen.

Über die Vorschrift der ungerechtfertigten Bereicherung müssten sich die Parteien zwar jeweils das Erlangte - ggf. im Wege einer Saldobildung - herausgeben, sodass der Kläger primär einen Anspruch auf Herausgabe der dem Beklagten auf der Grundlage der Vereinbarung vom 23.11.1999 überlassenen Unterlagen gem. § 812 Abs. 1, Satz 2, 2.Alt. BGB zustehen würde. Der Anspruch nach § 812 Abs. 1 BGB ist in erster Linie auf Herausgabe des Erlangten selbst gerichtet, der Wertersatzanspruch nach § 818 Abs. 2 BGB ist subsidiär (vgl. BGH, NJW 2002, 1340, 1341). Tatsächlich wäre indessen die Erfüllbarkeit dieses primären Anspruchs auf Herausgabe der bereits in das Steuerberaterbüro des Beklagten eingegliederten Mandantenakten nicht allein vom Willen und der Rechtsmacht des Beklagten, sondern davon abhängig, dass die Kunden dem erneuten Wechsel zustimmen, zumindest soweit es um die Mandanten geht, für die der Beklagte nach dem 01.01.2000 neue Tätigkeiten entfaltet hat. Fehlt es an dieser Bereitschaft oder ist diese nicht feststellbar, so ist der Beklagte als Bereicherungsschuldner zur Herausgabe außer Stande mit der Folge, dass er nach § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz schuldet (vgl. BGH, NJW 2002, 1340, [1341] "Zierfischurteil"). Da die Parteien ausschließlich über diese Unterlagen streiten, ist das Bestehen eines positiven Saldos bei diesen Fällen durchaus wahrscheinlich.

(3) Letztlich ist auch die Ansicht des Klägers zutreffend, dass die Übertragung der betreuten Mandate mit der Vereinbarung vom 23.11.1999 aufgrund eines Verstoßes gegen § 203 Abs. 1 StGB in Verbindung mit § 134 BGB nichtig ist.

(3.1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH, NJW 2001, 2462 [2463] m.w.N.) verletzt ein Vertrag über die Veräußerung einer Anwalts- oder Steuerberaterkanzlei, in der sich der Veräußerer zur Übergabe der Mandantenakten ohne Einwilligung der betroffenen Mandanten verpflichtet, deren informationelles Selbstbestimmungsrecht und die dem Veräußerer nach § 203 StGB auferlegte Schweigepflicht. Durch die zivilrechtliche Sanktion der Nichtigkeit eines Vertrages gem. § 134 BGB sollen die Mandanten vor der Weitergabe von "Geheimnissen", die sie einem Angehörigen der genannten Berufsgruppen anvertraut haben, ohne Vorliegen einer entsprechenden Zustimmungserklärung geschützt werden.

(3.2) Zwar ergibt sich aus der Vereinbarung vom 23.11.1999 nicht direkt, dass derartige Mandantenakten ohne Einwilligung der Mandanten an den Beklagten übergeben werden sollten. Es ergibt sich jedoch aus § 66 StBerG und ist im Übrigen gerichtsbekannt, dass die Steuerberater entsprechende Akten für ihre Mandanten anlegen. Anders wäre eine sachgerechte Bearbeitung ohnehin nicht möglich, sodass im Rahmen der Umsetzung der Vereinbarung vom 23.11.1999 zweifellos die Mandantenakten in die Hände des Beklagten gelangen sollten und gelangt sind.

(3.3) Eine Steuerberater darf zwar grundsätzlich einen steuerrechtskundigen Mitarbeiter mit der Besorgung der ihm übertragenen Steuerangelegenheiten betrauen, ohne damit ein Mandantengeheimnis unbefugt zu offenbaren (vgl. BGH, NJW 1991, 2955; BGH, NJW 1995, 2915 m.w.N.) wie sich auch indirekt aus § 203 Abs. 3 Satz 2 StGB ergibt. Danach stehen den in § 203 Abs. 1 StGB genannten Geheimnisträgern ihre berufsmäßig tätigen Gehilfen und Personen gleich, die bei ihnen zur Vorbereitung auf den Beruf tätig sind, sodass diese einer eigenen Schweigepflicht unterliegen. Die Mitarbeiter des Steuerberaters gehören zum "Kreis der zum Wissen Berufenen" und es wird außerdem die Weitergabe von Geheimnissen an sachgerecht eingesetzt Hilfskräfte durch eine stillschweigende oder mutmaßliche Einwilligung des Mandanten gedeckt (vgl. BGH, NJW 1995, 2915 [2916]).

Im vorliegenden Fall war der Beklagte bereits zuvor Mitarbeiter des Klägers in dem Steuerberaterbüro in Hamburg, hatte also - wie auch das Landgericht ausgeführt hat - (wohl) die theoretische Möglichkeit, auch spezielle Fälle aus P. zu bearbeiten oder sonstwie geartete Befugnisse, einzelne Steuerakten in P. anzufordern und/oder einzusehen. Diese theoretischen Möglichkeiten sich von den Akteninhalten Kenntnis zu verschaffen reichen nach Ansicht des Bundesgerichtshofes jedoch nicht aus, um die Anwendung des § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB zu verneinen.

(3.3.1) Ein Offenbaren im Sinne von § 203 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass dem Empfänger der Erklärung ein Wissen vermittelt wird, das diesem - jedenfalls aus Sicht des Offenbarenden - noch verborgen ist oder von dem er keine sichere Kenntnis hat (vgl. BGHSt 20, 120 [121]). Demjenigen, der rechtmäßig eine fremde Angelegenheit umfassend kennen gelernt hat, kann diese nicht mehr im Sinne des § 203 Abs. 1 StGB unbefugt offenbart werden (vgl. BGH, NJW 1995, 2915, [2916]).

(3.3.2) Daraus folgt, dass die Anwendung des § 203 Abs. 1 StGB nur dann ausscheidet, wenn der Beklagte als Mitarbeiter die ihm später übertragenen Angelegenheiten zuvor bereits umfassend kennen gelernt hatte, sodass die ihm im Rahmen der Vereinbarung vom 23.11.1999 übergebenen Unterlagen/ Handakten keine Geheimnisse mehr enthielten. Dieses ist im vorliegenden Fall zu verneinen, zumal der Beklagte selbst behauptet, sich kaum in P. aufgehalten, sondern stets in H. gearbeitet zu haben.

bb) Weitere Voraussetzungen für den Auskunftsanspruch aus § 242 BGB ist, dass sich der Kläger als Auskunftsberechtigter die erforderlichen Informationen nicht auf andere zumutbare Weise beschaffen kann (vgl. Grüneberg, a.a.O., § 260 Rdn 15 m.w.N.). Dies ist im vorliegenden Fall zu bejahen, insbesondere kann sich der Kläger nicht an den Zeugen H. wenden, da die Unterlagen tatsächlich ausschließlich beim Beklagten sind.

cc) Den Kläger trifft auch kein Verschulden an dem Umfang seiner Ungewissheit. Er ist offensichtlich bei Abschluss der Vereinbarung mit dem Beklagten davon ausgegangen - wie oben dargestellt -, dass die Steuerberaterkanzlei anschließend von Herrn H. weitergeführt wird und er die in dem Vertrag mit Herrn H. enthaltene Gegenleistung erhält.

dd) Entgegen der Ansicht des Beklagten ist ihm die Auskunft, d. h. hier der mit der Auskunftserteilung verbundene Arbeitsaufwand, nach Auffassung des Senates auch zumutbar. Der Kläger selbst hat im Rahmen seiner Ausführungen zur Zulässigkeit der Berufung angegeben, dass der mutmaßliche Zeitaufwand (nur) ca. 74 Stunden beträgt.

Da der Kläger nicht etwa Einsicht in Mandantenakten oder Auskünfte über die Gegenstände der Beratung begehrt, sondern lediglich über Honorare und die Namen der Mandanten, scheidet ein Geheimnisverrat im Sinne von § 203 Abs. 1 StGB aus. Geheimnisse im Sinne der Strafvorschrift sind nur solche Tatsachen, die nur einem beschränkten Personenkreis bekannt sind und an deren Geheimhaltung derjenige, den sie betreffen, einen von seinem Standpunkt aus sachlich begründetes Interesse hat. Dies ist bei den vorliegenden erwarteten Auskünften zu verneinen, zumal dem Kläger die Namen seiner Mandanten ohnehin bekannt waren. In Betracht kommt daher allenfalls ein Geheimhaltungsinteresse hinsichtlich der gegenüber den einzelnen Mandanten abgerechneten Steuerberaterkosten. Aufgrund der Formulierung der gewünschten Auskunft ist jedoch zulässig, dass der Kläger beispielsweise monatlich über die erzielten Honorare in einem Betrag abrechnet und so eine Zuordnung zu den einzelnen Mandanten und damit ein möglicher Geheimnisverrat entfällt. Eine weitergehende Auskunft wäre aufgrund des damit verletzten Geheimnisschutzes unzumutbar, insbesondere die Vorlegung von Rechnungen und Belegen, aus denen Rückschlüsse auf die Geheimhaltungspflicht unterlegenden Gegenständen, wie beispielsweise den Einkünften oder den zu zahlenden Steuern gezogen werden könnten.

Bei der späteren Berechnung der Forderung des Klägers, bei der es letztlich um die Bewertung des "Goodwill" im Hinblick auf die Mandantenunterlagen gehen wird, ist zu beachten, dass keinesfalls der Nettoumsatzwert in voller Höhe heranzuziehen ist. Vielmehr wird in diesem Zusammenhang zu berücksichtigten sein, dass der Kläger gesundheitsbedingt bereits seit einiger Zeit die Mandate nicht ausreichend betreut hatte und er daher ein gefährdeten Mandantenstamm übergeben hat, der von der Werthaltigkeit geringer zu bewerten ist.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 GKG, wobei der Senat der Berechnung durch den Beklagten folgt.

2. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern die Rechtsfortbildung und die Sicherheit einer einheitlichen Rechtsprechung nicht die Zulassung der Revision.



Ende der Entscheidung

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