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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 11.03.2005
Aktenzeichen: 8 UH 1/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO §§ 12 ff
ZPO § 21
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
ZPO § 36 Abs. 1 Ziff. 6
ZPO § 36 Nr. 6
ZPO § 281 Abs. 2 S. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Rostock Beschluss

Geschäftszeichen 8 UH 1/05

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S., den Richter am Oberlandesgericht Dr. M. und den Richter am Oberlandesgericht L.

am 11. März 2005 beschlossen:

Tenor:

1. Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Wismar vom 20.01.2005 wird aufgehoben.

2. Die Sache wird zur weiteren Prüfung der Zuständigkeit an das Amtsgerichts Wismar zurückgegeben.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz (220,82 €) aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 01.02.2003, der sich in Österreich ereignet hat, in Anspruch. Nach der Durchführung eines Mahnverfahrens gegen die Beklagte zu 1) war die Sache zunächst beim Amtsgericht Wismar anhängig. Dieses erklärte sich nach Zustellung des Klageerweiterungs-schriftsatzes an die Beklagte zu 1) sowie die Beklagte zu 3) für "örtlich/sachlich unzuständig" und verwies die Sache auf Antrag des Klägers mit Beschluss vom 20.01.2005 an das Amtsgericht Rostock. Eine Begründung enthält der Beschluss nicht. Dieses erklärte sich mit Beschluss vom 23.02.2005 für örtlich unzuständig und legte die Sache dem Oberlandesgericht Rostock gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor.

II.

Das Oberlandesgericht Rostock ist zur Entscheidung des negativen Zuständigkeitsstreites berufen, weil es das nächsthöhere gemeinsame Gericht der beiden in unterschiedlichen Landgerichtsbezirken liegenden Amtsgerichte Wismar und Rostock ist. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Ziff. 6 ZPO sind jedoch nicht erfüllt. Der Verweisungsbeschluss war daher aufzuheben und die Sache zur weiteren Prüfung der Zuständigkeit an das Amtsgerichts Wismar zurückgegeben.

1. Für eine Entscheidung nach § 36 Nr. 6 ZPO ist grundsätzlich erforderlich, dass eines der streitenden Gerichte zuständig ist (vgl. BGH, NJW 1995, 534; Vollkommer in: Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 36 Rdnr. 27). Dieses kann vorliegend nicht festgestellt werden.

a) Eine Zuständigkeit des Amtsgericht Wismar ist nicht ersichtlich.

b) Die Zuständigkeit des Amtsgericht Rostock kann ebenfalls nicht festgestellt werden. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts Rostock im Beschluss vom 23.02.2005 Bezug genommen werden.

c) Die Zuständigkeit des Amtsgericht Rostock ergibt sich mangels Bindungswirkung auch nicht aus dem Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Wismar vom 20.01.2005.

aa) Bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts durch den Senat sind nicht nur die materiellen Zuständigkeits-vorschriften selbst, sondern auch die verfahrensrechtlichen Bindungswirkungen, die den materiellen Zuständigkeits-regelungen vorgehen, zu beachten. Als örtlich zuständig ist daher das Gericht zu bestimmen, an welches die Sache durch den ersten bindenden Verweisungsbeschluss gelangt ist (vgl. BayOblGZ 91, 387, 388).

Der Beschluss, mit dem das Amtsgericht Wismar den Rechtsstreit an das Amtsgericht Rostock verwiesen hat, ist gemäß § 281 Abs. 2 S. 5 ZPO für dieses Gericht grundsätzlich bindend (vgl. Greger in: Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 281 RndNr. 14). Diese Bindungswirkung tritt dabei selbst bei einer rechtlich fehlerhaften Verweisung ein.

bb) Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn die Verweisung objektiv willkürlich ist, ihr insbesondere jegliche gesetzliche Grundlage fehlt (BayObLG NJW-RR 1994, 891), sie auf mehreren groben Rechtsirrtümern beruht (vgl. BGH NJW-RR 1992, 383), wenn der entsprechende Beschluss unter Versagung des rechtlichen Gehörs ergangen ist oder wenn er keine Begründung enthält und deshalb nicht erkennen lässt, ob er auf einer gesetzlichen Grundlage beruht (vgl. Greger in: Zöller, a.a.O., § 281 RndNr. 17, 17 a).

cc) So verhält es sich hier. Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Wismar vom 20.01.2005 kann schon deshalb keine Bindungswirkung beanspruchen, weil er keinerlei Begründung enthält. Dementsprechend geht aus dem Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Wismar nicht hervor, von welcher gesetzlichen Grundlage es dabei ausgegangen ist, insbesondere inwieweit es die Voraussetzungen des §§ 12 ff, insbesondere des § 21 ZPO geprüft und das Ergebnis dieser Prüfung seiner Entscheidung zugrundegelegt hat.

dd) Die aus den genannten Gründen fehlende Bindungswirkung des amtsgerichtlichen Beschlusses steht der entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Ziff. 6 ZPO durch den Senat nicht entgegen, weil insofern die tatsächliche beiderseitige Kompetenzleugnung genügt (vgl. Vollkommer in: Zöller a.a.O., § 36 RndNr. 25; BGHZ 104, 363, 366; BayOblGZ 91, 387, 388).

2. Aus Gründen der Prozessökonomie hat die Rechtsprechung von dem Grundsatz, dass eines der streitenden Gerichte zuständig sein muss, zwar Ausnahmen zugelassen, wenn ein drittes, am Kompetenzkonflikt nicht beteiligtes Gericht ausschließlich zuständig ist und der erforderliche Verweisungsantrag bereits gestellt ist (vgl. BGH, a.a.O., m.w.N.). In einem solchen Fall wäre es nicht sinnvoll, die Bestimmung abzulehnen und in den Gründen der Entscheidung das zuständige Gericht zu benennen, damit dann dort neu geklagt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor, es fehlt bereits der dazu erforderliche Verweisungsantrag.

3. In Betracht käme allenfalls das durch das Oberlandesgericht die Tatsachen ermittelt und Anträge angeregt werden, die erforderlich sind, um zu entscheiden, ob eines der am negativen Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichte oder ein drittes, am Kompetenzkonflikt bisher unbeteiligtes Gericht nach dem Gesetz für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig ist. Denkbar wäre beispielsweise eine Aufforderung an den Kläger ergänzend zur Niederlassung der Beklagte zu 3) vorzutragen oder entsprechende Gewerbeamtsanfragen durchzuführen. Diese Vorgehensweise ist jedoch abzulehnen. Im Gerichtsstandsbestimmungsverfahren hat das Gericht keine Tatsachenfeststellungen zu betreiben, sondern auf der Grundlage festgestellter oder unstreitiger Tatsachen eine reine Rechtsentscheidungen zu treffen (vgl. BGH, NJW 1995, 534).

4. Bei dieser Sachlage hat der Senat den nicht bindenden Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Wismar vom 20.01.2005 aufzuheben und und die Sache an das Amtsgerichts Wismar zur weiteren Prüfung der Zuständigkeit zurückzugeben (vgl. BGH, NJW 1995, 534). Das Amtsgerichts Wismar ist nicht gehindert, die Sache erneut an ein möglicherweise zuständiges anderes Gericht zu verweisen, allerdings nicht, ohne die Beklagten vorher zu hören.

Ende der Entscheidung

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